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Aber nun sei stark, Serubbabel, spricht der HERR; auch du Jeschua, sei stark, du Sohn Jozadaks, du Hoherpriester, und alles Volk des Landes, seid stark, spricht der HERR, und arbeitet! Denn ich bin mit euch, spricht der HERR der Heerscharen. Das Wort, aufgrund dessen ich mit euch einen Bund gemacht habe, als ihr aus Ägypten zogt, und mein Geist sollen in eurer Mitte bleiben; fürchtet euch nicht! (Haggai 2,1-5)
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I
Noch eine weitere Botschaft sendet der HERR fast einen Monat später durch Seinen Boten Haggai zu dem Volk, das in Jerusalem jetzt wieder am Tempelbau arbeitet. Der Zeitpunkt war ein feierlicher und bedeutungsvoller: die Botschaft erging am einundzwanzigsten Tag des siebten Monats, dem siebten Tag des Laubhüttenfests, bei dem an die Errettung aus Ägypten gedacht wurde und alles Volk beim Tempel versammelt war (vgl. 3Mo 23,39-44). Vielleicht hatte dieses an sich fröhliche Fest mit seinen vielen Opfern die mühsamen und notvollen Umstände des Tempelbaus besonders hervortreten lassen; die Älteren mochten sich noch an glanzvolle Festzeiten in den Tagen Salomos erinnern.
Die zweite Botschaft Haggais wurde offenkundig durch manche resignierende Gedanken und entmutigende Gefühle notwendig gemacht, die wohl viele der Bauenden beeinflußten, als sie das Gebäude wachsen sahen. Geistlich gesehen greift der Widersacher oft die Knechte Gottes gerade dann an, wenn sie bereit sind, entschlossen zu handeln; das sehen wir auch später im Buch Nehemia. Entmutigung gehört zu seinen scharfen Waffen gegen das Werk des Herrn.
Die eher armseligen Baumaterialien, vielleicht auch die verringerten Ausmaße der Vorhöfe und Nebengebäude in dem neuen Tempelbau, verleiteten sie dazu, dieses Haus geringzuschätzen, es „wie nichts“ zu achten. War es wirklich der Mühe wert, einen solchen Bau zu errichten, der hinter der sagenhaften Schönheit und Pracht des salomonischen Tempels so weit zurückblieb? Manche der Älteren unter ihnen hatten diesen Tempel, dessen Zerstörung etwa 67 Jahre zuvor geschehen war, noch mit ihren eigenen Augen gesehen; die anderen hatten zweifellos im Exil viele eindrückliche Berichte ihrer Eltern oder Großeltern darüber gehört.
Manche dachten vielleicht an die Weissagungen des Propheten Jesaja, wie herrlich das Haus des HERRN einmal sein würde (vgl. Jesaja 60, besonders V. 3-13), oder an die Visionen des Propheten Hesekiel vom künftigen Tempel (vgl. Hesekiel 40 – 48). Konnte der HERR wirklich an einem solch kläglichen Gebäude Gefallen finden? In dem neuen Tempel fehlten ja auch wichtige Elemente wie die Bundeslade; das Allerheiligste mußte leer bleiben. Doch solche Gedanken entsprangen dem menschlichen Sinn, der auf das sieht, was vor Augen ist, der äußerliche Pracht und Größe sucht und meint, dies könne Gott gefallen.
Der HERR tröstet und ermutigt nun die Bauleute noch einmal. Zunächst versichert Er ihnen, daß Er selbst mit ihnen ist, auch wenn ihr Werk in den Augen der Menschen relativ bescheiden und kläglich aussieht. Sie sollten entschlossen, fest und stark sein und weiterarbeiten; dabei durften sie mit dem mächtigen Beistand ihres Gottes rechnen. Später wird Er sie noch einmal ermutigen, indem Er ihnen Seine Ratschlüsse der Zukunft vor Augen führt, wenn die Zeiten der Heiden vorbei sein werden und Gott Sein Haus – den Tempel des Messias – mit strahlender Herrlichkeit zieren wird, doch davon sprechen wir im nächsten Kapitel.
Wir dürfen freudig, mutig und hoffnungsvoll selbst die unscheinbarste, härteste und in den Augen der Menschen „undankbarste“ Arbeit tun, wenn wir wissen, daß wir im Auftrag des Herrn stehen und Er mit uns ist. Das wiegt bei weitem alle Widrigkeiten und Mühen auf. Wir brauchen dann nicht ängstlich und besorgt zurückzuweichen und die Hände sinken zu lassen, wenn der Kampf hart wird oder es immer enger um uns wird. Unser Gott wird uns beistehen und uns durchbringen, und wir werden noch sehen, daß Seine Sache siegt und unsere Mühe nicht vergeblich war.
Gott aber sei Dank, der uns den Sieg gibt durch unseren Herrn Jesus Christus! Darum, meine geliebten Brüder, seid fest, unerschütterlich, nehmt immer zu in dem Werk des Herrn, weil ihr wißt, daß eure Arbeit nicht vergeblich ist im Herrn! (1Kor 15,57-58)
Der Gott Israels stellt sich im Buch Haggai nicht umsonst immer wieder (insgesamt vierzehnmal!) als der „HERR der Heerscharen“ (Jahweh Zebaoth) vor, das bedeutet: als der ewige Gott, der über unzählbare Heere von Engeln verfügt, die Seinem Wink folgen und den Gläubigen auf Erden beistehen (vgl. Hebr 1,14; 2Kön 6,16-17). Wenn wir wissen, daß dieser allwissende, allmächtige Herrscher mit uns ist, dann brauchen wir keinen Gedanken der Angst, der Sorge oder der Niedergeschlagenheit bei uns dulden. Aller Widerstand des Satans oder irgendwelcher Menschen muß letztlich zuschanden werden; der Herr führt Seine Sache triumphierend hinaus!
Im nächsten Vers gibt der HERR den bauenden Juden noch eine weitere kostbare Zusicherung Seiner Gnade, um sie zu ermutigen. Trotz aller Schwachheit, allem Elend waren sie immer noch das auserwählte Bundesvolk des HERRN, des Gottes von Himmel und Erde. Sie verwirklichten mit ihrer äußerlich armseligen Arbeit die herrlichen Ratschlüsse des lebendigen Gottes, und dieser Gott war nicht nur mit ihnen, sondern Er wohnte nach wie vor bei ihnen durch Seinen Geist, der unter ihnen wirksam war, und durch Sein Wort, das sie immer noch hatten und das sie stärken und anleiten würde.
Bei dem „Wort“ ist in erster Linie an die Torah, die fünf Bücher Mose, zu denken, und besonders an die Verheißung, daß sie das auserwählte Volk des Eigentums für den HERRN sein würden, die Gott ihnen zu Beginn des Bundesschlusses gegeben hatte (vgl. 2Mo 19,5-6). Im weiteren Sinn bezog dies sicherlich auch die anderen Bücher des Alten Testaments mit ein, nicht zuletzt die Propheten, die ihnen die Verheißung einer herrlichen Zukunft immer wieder vor Augen stellten. Wenn diese beiden Gnadenerweise des HERRN bei ihnen blieben, dann brauchten sie sich nicht zu fürchten; sie konnten mutig vorwärtsgehen, um den Willen Gottes zu erfüllen. Gott selbst würde dafür sorgen, daß Seine Pläne auch weiterhin verwirklicht würden.
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II
Für uns Gläubige der endzeitlichen Gemeinde enthält dieser kurze Abschnitt auch eine wichtige Botschaft und Anwendung. Wir haben schon gesehen, daß wir alle gerufen sind, unseren Teil an der Aufbauarbeit im Haus Gottes beizutragen, welches die Gemeinde des lebendigen Gottes ist (vgl. 1Tim 3,15). Aber auch für uns gilt, daß die eher traurige, beschädigte, der Herrlichkeit ermangelnde äußere Gestalt dieses Hauses viele Bauleute entmutigt. Wenn wir die heutigen nach biblischen Grundsätzen lebenden Gemeinden ansehen, zumindest bei uns im „christlichen Abendland“, dann gibt es so manchen Grund zur Entmutigung, besonders, wenn wir sie mit der Herrlichkeit der ersten Gemeinde nach Pfingsten vergleichen.
Die äußere Namenschristenheit ist ja ohnehin vom Herrn und Seinem Wort abgewichen; sie stellt nicht mehr den Tempel des lebendigen Gottes dar, sondern einen großen heidnischen Tempelbau, in dem fast alle Götzen und Greuel dieser Welt Altäre gebaut bekommen und verehrt werden. Aber auch die wahre Gemeinde der von neuem geborenen Gläubigen ist in vielem weit von dem abgewichen und hinter dem zurückgeblieben, was wir in der Apostellehre und der Apostelgeschichte von der ersten Gemeinde lesen.
Wie betrüblich ist etwa die Zersplitterung in viele kleinere Gruppierungen und Strömungen, die wir beobachten müssen – dort, wo anfangs die Menge der Gläubigen ein Herz und eine Seele war. Wie traurig sind die Unterschiede in der Lehrerkenntnis und in überlieferten menschlichen Prägungen, die eine Einmütigkeit und Gemeinsamkeit auch der bibeltreuen Gläubigen schwer machen! Wie betrüblich sind Weltförmigkeit und Parteidenken, fleischliche Rivalitäten und persönliche Zerwürfnisse, Selbstsucht und Machtdenken, Lauheit und Trägheit unter den Kindern Gottes!
Der allgemeine fleischliche Zustand zumindest unter den Gläubigen des „christlichen Abendlandes“ macht die Aufbauarbeit am Haus Gottes mühsam und schwierig und bringt manche Diener Gottes in schwere Anfechtungen. Eigensucht und Auflehnung gegen Autorität, der Einfluß falscher Lehren und Weltförmigkeit haben schon manche Gemeinde in Krisen gestürzt oder gar zerrüttet und Jahre mühsamer Arbeit zunichtegemacht. „Ist das alles der Mühe wert?“ fragen sich manche Christen und stehen entmutigt abseits.
Angesichts solcher Zustände dürfen wir uns durch die Botschaft des Propheten Haggai ermutigen lassen. So wie der Herr Seine angefochtenen Knechte damals ermunterte und anspornte: „Seid stark und arbeitet!“, so möchte der Herr auch uns heute anspornen, damit wir nicht resigniert die Hände sinken lassen: „Du nun, mein Sohn, sei stark in der Gnade, die in Christus Jesus ist“ (2Tim 2,1). Wir dürfen vorangehen in der übernatürlichen Auferstehungskraft des Herrn Jesus Christus, der den Satan, die Welt und die Sünde überwunden hat.
Wir dürfen im Glaubensmut Widerstände überwinden und geistliche Bollwerke niederreißen; wir dürfen Rückschläge überwinden und entmutigende Gedanken ablegen, weil der Herr mit uns ist. „Seid stark in dem Herrn!“ Wenn wir Ihm gehorsam folgen und Ihm vertrauen, dann schenkt Er uns, den Schwachen, diese geistgewirkte Stärke.
Der entscheidende Grund, weshalb wir stark sein dürfen und das Werk des Herrn mutig vorantreiben dürfen, liegt darin begründet, daß unser wunderbarer Herr und Erlöser es so will, und daß Er mit uns ist. Er hat verheißen, und diese Verheißung wird niemals zunichte werden: „Ich werde meine Gemeinde bauen, und die Pforten des Totenreiches werden sie nicht überwältigen“ (vgl. Mt 16,18). Denen, die Ihm in diesem Werk dienen, hat Er die Verheißung mitgegeben: „Mir ist gegeben alle Macht im Himmel und auf Erden. (…) Und siehe, ich bin bei euch alle Tage bis ans Ende der Weltzeit!“ (Mt 28,18-20).
Unser Herr hat Seine Gemeinde nicht aufgegeben, weil sie nach außen hin so schwach und kläglich aussieht oder weil sie Seine Ratschlüsse nur unvollkommen verwirklicht. Er trägt geduldig all unsere Schwachheiten und unser Versagen; Er hört nicht auf, Seine Gemeinde zurechtzubringen und zu stärken, zur Umkehr zu führen und zu begnadigen, zu unterweisen und zu erwecken. Er führt durch all unser Versagen hindurch Sein herrliches Werk der Gnade und der Errettung zu einem triumphalen Ende, und Er wird alle reich belohnen, die sich Ihm für diese mühsame Arbeit zur Verfügung gestellt haben. Deshalb dürfen wir Mut fassen, stark werden im Herrn und in der Macht Seiner Stärke, und weiterarbeiten, jeder an dem Platz, den Gott ihm gibt, und jeder mit den Gnadengaben, die er vom Herrn anvertraut bekam.
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III
Auch die zweite Verheißung, die der HERR den Juden in bezug auf ihren Weg gibt, hat eine ermutigende Anwendung auf uns heute: „Das Wort, aufgrund dessen ich mit euch einen Bund gemacht habe, als ihr aus Ägypten zogt, und mein Geist sollen in eurer Mitte bleiben; fürchtet euch nicht!“ (Hag 2,5). Auch wir dürfen wissen: Bei aller Schwachheit und allem Verfall in der endzeitlichen Gemeinde – durch Gottes Gnade werden der Gemeinde überall auf der Welt bis zum letzten Tag ihres Erdenwirkens zwei kostbare Gnadengaben Gottes erhalten bleiben: Das inspirierte, lebendige, kräftige WORT GOTTES und der überführende, belebende, erneuernde und stärkende GEIST GOTTES.
Das Wort Gottes ist bei uns in Gestalt der inspirierten heiligen Schriften des Alten und des Neuen Bundes. Dieses ein für allemal den Heiligen übergebene Glaubensgut sollen wir bewahren und ausleben, verkündigen und lehren mit allem Einsatz, in aller Treue, bis unser Herr wiederkommt, um Seine Gemeinde in die Herrlichkeit zu holen. Der Geist Gottes ist uns in einem viel tieferen und umfassenderen Sinn gegeben wie dem Volk des Alten Bundes; er wohnt in jedem Gläubigen und wirkt in der Mitte der Gemeinde zur Erbauung und zum Wachstum in Christus. Das sind die Gnadenmittel, durch die Gott selbst immer wieder dem herabziehenden, auflösenden Wirken des menschlichen Fleisches entgegenwirkt und das geistliche Aufbauwerk der Gemeinde vorantreibt.
Und nun, Brüder, übergebe ich euch Gott und dem Wort seiner Gnade, das die Kraft hat, euch aufzuerbauen und ein Erbteil zu geben unter allen Geheiligten. (Apg 20,32)
In allen Nöten und Schwierigkeiten der Aufbauarbeit dürfen wir als Diener des Herrn Jesus Christus immer wieder darauf vertrauen, daß der Herr uns weiterhilft und Sein Werk weiterführt, wenn wir treu Sein Wort verkündigen, lehren und in der seelsorgerlichen Ermahnung anwenden, und wenn wir unseren Dienst in Abhängigkeit, Gehorsam und Heiligung so ausführen, daß der Geist Gottes wirken kann. Durch diese Gnadenmittel bewirkt der Herr, daß wir immer wieder Krisen und negative Entwicklungen, Lauheit und falsche Lehren überwinden können; durch diese Gnadenmittel belebt, tröstet und erweckt Er Seine Knechte und Mägde immer neu und rüstet sie aus für den Dienst.
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IV
Wenn wir in den heutigen schweren Zeiten dem Herrn in Seinem Aufbauwerk am Haus Gottes dienen wollen, ist es aber auch wichtig, ein tieferes Verständnis der Ratschlüsse Gottes mit Seiner Gemeinde zu bekommen, und das sollten wir uns vom Herrn ernstlich erbitten. Wir können nur dann zielgerichtet und ohne zu wanken in diesem Werk arbeiten, wenn wir manche notvollen Zustände geistlich richtig einordnen und die Gedanken Gottes in bezug auf die endzeitliche Gemeinde verstehen.
Wir haben vorher schon festgestellt, daß die wahre Gemeinde der Gläubigen in der letzten Phase der Endzeit traurigen Verfallserscheinungen unterliegt und recht weit von der Herrlichkeit der ersten Gemeinde in Jerusalem entfernt ist. Damals war die Herrlichkeit des Herrn weithin sichtbar in der Liebe und Einheit der Gläubigen, in ihrer Hingabe und Opferbereitschaft, aber auch in großen Wunderzeichen und anderen Kraftwirkungen des Heiligen Geistes. Viele ernste Gläubige seufzen, wenn sie den Bericht von den herrlichen Anfängen der Gemeinde in Apostelgeschichte 2 bis 5 lesen, und wünschen sich, zu diesen glückseligen Zuständen zurückzukehren. Das können wir in Beziehung bringen mit dem Sehnen vieler Juden in den Tagen Haggais nach der verlorenen Herrlichkeit des salomonischen Tempels.
Doch hier müssen wir nüchtern und wachsam sein und Gottes Wort und Willen ernstlich erforschen, um nicht irrezugehen. Es ist eine traurige Tatsache, daß alle Bewegungen in der Geschichte der Gemeinde, die eine Rückkehr zu der ersten Herrlichkeit der Gemeinde von Apostelgeschichte 2 anstrebten, ausnahmslos von verführerischen Geistern beeinflußt und irregeführt waren und das angestrebte Ziel kläglich verfehlten – von den Montanisten über schwärmerische Pietisten bis hin zur heutigen Pfingst- und Charismatischen Bewegung.
Woher kommt das? Weil sie sich unnüchtern und unbiblisch über die Wesensmerkmale der letzten Phase der Endzeit hinweggesetzt haben und nicht beachtet haben, daß der heutige Verfallszustand der Gemeinde nicht einfach fromm übersprungen oder rückgängig gemacht werden kann.
Wenn wir die Wege Gottes hier tiefer erforschen, dann stoßen wir auf die prophetische Warnung des Apostels Petrus:
Wir lesen auch die Warnungen des Apostels Paulus in bezug auf die letzten Tage:
Denn es wird eine Zeit kommen, da werden sie die gesunde Lehre nicht ertragen, sondern sich selbst nach ihren eigenen Lüsten Lehrer beschaffen, weil sie empfindliche Ohren haben; und sie werden ihre Ohren von der Wahrheit abwenden und sich den Legenden zuwenden. Du aber bleibe nüchtern in allen Dingen, erdulde die Widrigkeiten, tue das Werk eines Evangelisten, richte deinen Dienst völlig aus! (2Tim 4,3-5)
Die Lehre des NT zeigt uns, daß sich die Gemeinde in der letzten Zeit ihrer äußeren Erscheinung nach in einem Niedergang befindet, weil Gottes Gericht über dem Versagen der Menschen bei ihr wirksam ist und Gott durch diese Situation die Gläubigen prüft, damit die Bewährten offenbar werden, wie es im 1. Korintherbrief so ernst heißt:
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Auch ein von uns erbetenes erweckliches Gnadenwirken Gottes wird nach unserem Verständnis diese notvollen Rahmenumstände nicht grundlegend beseitigen. Es entspricht nicht den geoffenbarten Ratschlüssen Gottes, daß die Gemeinde zu ihrer ursprünglichen Glanzzeit zurückkehrt, sondern der treue Überrest in der heutigen Zeit muß sich bewähren mitten in den schwierigen Umständen des geistlichen Niedergangs und der Verführung, der Zersplitterung und der Fleischlichkeit. Wohl kann und wird der Herr den treuen Gläubigen vermehrte Kraft und Gnade geben, ihren Dienst weiterzuführen, wenn wir Ihn ernstlich bitten. Er kann manche Zersplitterung überwinden und Erkenntnisunterschiede durch Seine Belehrung aufheben, aber wir müssen damit rechnen, daß dennoch viel Schwachheit und Fleischlichkeit zumindest bei Teilen der Gläubigen bestehenbleibt.
Deshalb ist es wichtig, daß wir als Knechte und Mägde des Herrn eine geistgewirkte Schau für die verborgene Herrlichkeit der Gemeinde bekommen und verstehen, weshalb die Gemeinde trotz aller Nöte und Mißstände für unseren Gott kostbar ist und Er viel Liebe und Mühe aufwendet, um sie zu bewahren und aufzuerbauen. Und Gott möchte, daß auch wir dies so tun.
Die verborgene Herrlichkeit der Gemeinde hat nichts mit uns Gläubigen zu tun. Sie entspringt weder unseren Tugenden noch unseren Bemühungen. Vielmehr ist sie eine Frucht des Werkes Jesu Christi, des wunderbaren Sohnes Gottes, der sich selbst am Kreuz opferte, um die Gemeinde zu erlösen und zu heiligen. Weil die Gemeinde nach den Ratschlüssen Gottes in Christus ist und Christus in ihr, genau aus diesem Grund hat sie eine kostbare, gewichtige Herrlichkeit in den Augen Gottes, die alle Unvollkommenheiten ihres äußerlichen Zustandes weit aufwiegt.
Der schwächste und geringste Heilige, jedes wahre Kind Gottes, auch wenn es noch viele fleischliche Eierschalen und Flecken an sich trägt, steht vor Gott in der Gerechtigkeit, Heiligkeit und Herrlichkeit Jesu Christi und wird um des Christus willen geliebt, ist angenehm gemacht in dem Geliebten. So auch die wahre Gemeinde der Wiedergeborenen: Sie ist nach außen hin noch voller Flecken und Runzeln – wer wollte das leugnen? Doch vor Gott, in Christus steht sie heilig, untadelig und fleckenlos da, weil der herrliche Sohn Gottes sie so gemacht und vor den Vater gebracht hat. Diese verborgene, innere Herrlichkeit ist angedeutet und vorgeschattet in Psalm 45,14, wo es heißt: „Ganz herrlich ist die Königstochter im Innern; aus gewirktem Gold ist ihr Gewand“.
Diese inwendige Herrlichkeit der Gemeinde bleibt dem natürlichen Menschen, dem Fleischesauge verborgen; aber alle, die am Werk der Gemeinde mitarbeiten, sollten sich vom Herrn die geistlichen Augen dafür öffnen lassen (Eph 1,18), damit sie daraus Mut und Kraft schöpfen für ihre schwierige und mühevolle Arbeit.
Es ist ein herrlicher Dienst, wenn wir durch die Verkündigung des Evangeliums Menschen dazu hinführen, daß sie sich bekehren und zu geliebten Kindern Gottes werden, damit der Lohn der Schmerzen unseres Herrn größer wird und Sein Name noch mehr geehrt wird. Es ist auch ein herrlicher Dienst, wenn wir durch Verkündigung und Lehre, durch Seelsorge und diakonischen Dienst dazu beitragen, daß kostbare Kinder Gottes geistlich zur Reife kommen und hinwachsen zu Christus hin, bis zum vollen Maß der Größe des Christus (vgl. Kol 1,28-29; Eph 4,11-16; Gal 4,19).
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VI
Noch ein weiterer Gesichtspunkt darf uns ermutigen. Wir haben schon gesehen: Das verborgene Wesen der Gemeinde, ihre tiefste Berufung ist es, ein heiliger Tempel für Gott zu sein, und zugleich eine heilige Priesterschaft, die Gott in diesem Tempel Ehre und Anbetung darbringt. Das ist vor Gott etwas Kostbares, weil es Gottes Verlangen ist, unter Seinen Erlösten auf der Erde zu wohnen. Allein die Gemeinde ist diese heilige Wohnstätte Gottes auf Erden, eine „Wohnung Gottes im Geist“ (Eph 2,22), der heilige Ort, an dem der Herr des Himmels und der Erde gegenwärtig ist und sich der Gemeinschaft mit den Seinen erfreut.
Wenn der heilige Gott sich herabläßt, in der Mitte der erlösten Heiligen zu wohnen und trotz all ihrer Mängel unter ihnen gegenwärtig zu sein, dann macht das nicht zuletzt die Herrlichkeit der Gemeinde aus, und für Gott eine solche Wohnstätte bereiten zu dürfen ist ein großes Vorrecht – auch wenn wie bei dem Tempel zur Zeit Haggais die äußerliche, sichtbare Herrlichkeit fehlt und vieles Schwache und Unvollkommene in Erscheinung tritt.
Schließlich ist die Gemeinde als der heilige Tempel des Herrn auch der einzige Ort, von dem aus Lob, Dank und Anbetung zu dem heiligen Gott aufsteigen. Diese ganze Erde ist ein finsterer Ort; so viele Milliarden Menschen bringen vor Gott nichts anderes als Klagen und Fluchen, Undankbarkeit und Vorwürfe, Götzendienst und Greuelsünden. Die heiligen Gemeinden Gottes sind der einzige Ort auf Erden, von dem aus Dank und Lob, Gebete und Anbetung zu Gott aufsteigen, und dies ist wie angenehmes Räucherwerk vor unserem Gott und Vater und für Ihn kostbar und wohlgefällig:
Gott erfreut sich an unserem Priesterdienst und an den geistlichen Opfern, die wir darbringen (1Pt 2,5); Er wird dadurch verherrlicht, und das ist alle unsere Mühe wert. Der Feind weiß um die Wichtigkeit der Gemeinde-Aufbauarbeit besser als viele Christen; deshalb tut er auch alles, um die Bauleute zu entmutigen und zur Passivität zu verleiten. Wir aber sollten den Willen Gottes erkennen und uns Ihm bewußt zur Verfügung stellen. Wir sollten uns aufmachen und bauen, damit unser wunderbarer Herr Jesus Christus durch Seine Gemeinde verherrlicht wird und unser Gott und Vater durch Ihn!
Auszug aus dem Buch Baut mit am Haus Gottes! Was der Prophet Haggai uns heute zu sagen hat. Edition Nehemia Steffisburg 2014BBÂ# S., Taschenbuch
Von Gott bewahrt vor der Verführung. Eine Auslegung des 2. Petrusbriefes und des Judasbriefes. Edition Nehemia Steffisburg 1. Aufl. 2015,  Gebunden, 352 S.
Baut mit am Haus Gottes! Was der Prophet Haggai uns heute zu sagen hat Edition Nehemia Steffisburg 1. Aufl. 2014, Taschenbuch, 120 S.