Die biblische Lehre vom Reich Gottes

 

Die Bibel unterscheidet verschiedene Formen oder Aspekte der Königsherrschaft Gottes. Wir wollen diese kurz erwähnen und dabei jeweils einige Bibelaussagen nennen, die diese Formen kennzeichnen.

1. Die ewige, allumfassende Königsherrschaft Gottes über die ganze Schöpfung: Gott als der Schöpfer aller Dinge und als Allherrscher übt von Ewigkeit zu Ewigkeit eine absolute, vollkommene Autorität über seine ganze Schöpfung aus, welche die Bibel auch als Königsherrschaft bezeichnet. „Der HERR hat seinen Thron im Himmel gegründet, und seine Königsherrschaft regiert über alles“ (Ps 103,19; vgl. u.a. 2Mo 15,18; 2Kön 19,15; Ps 29,10; Ps 47,3; Ps 22,29; Ps 145,13). Diese ewige Königsherrschaft, die sich auch über alle Engel erstreckt, ist in den bisherigen Zeitaltern auf der Erde nur indirekt sichtbar in Gottes richterlichem oder gnädigem Eingreifen. Auf der Erde haben seit dem Sündenfall Menschen die Macht, die Gott einsetzt und gebraucht, und der Satan ist durch Gottes Verfügung der Fürst dieser Welt, der jedoch keine unumschränkte Macht hat, sondern nur in den Grenzen wirken kann, die der souveräne Herrscher, Gott, ihm steckt.

2. Die besondere Königsherrschaft Gottes über Israel im Zeitalter des Gesetzes: Mit dem auserwählten Eigentumsvolk Israel hatte Gott den Plan, ein irdisches Königreich aufzurichten, in dem Er selbst als König auf Erden sich offenbaren wollte und in dem Israel als „Königreich von Priestern“ den HERRN den Völkern offenbar machen sollte. Doch Israel versagte und verleugnete vielfach den HERRN. Schließlich gab Gott dem Volk einen menschlichen König, der nach Seinem Herzen war, David, und verhieß ihm ein ewiges Königtum, das durch seinen Samen, den Messias, verwirklicht würde. Doch aufgrund des Abfalls späterer Könige wurde Israels Königtum von Gott abgeschnitten; stattdessen setzte Gott verschiedene heidnische Königreiche ein, die eine Zeitlang über die Welt herrschen sollten, beginnend mit dem babylonischen Weltreich (vgl. u.a. 2Mo 19,6; 2Sam 7,13.16; 1Chr 17,14; 1Chr 28,5.7; 2Chr 13,8).

3. Die verborgene Königsherrschaft Gottes im heutigen Zeitalter der Gemeinde: Das ist der schwierigste Aspekt der Lehre über das Reich Gottes. In der Heilszeit der Gemeinde herrschen noch die Heidenvölker, insbesondere die heidnischen Weltreiche, über die Erde, wie das der Prophet Daniel schon schaute. Das wird so bleiben bis zur Wiederkunft des Messias selbst (Dan 7,11-14). Die Königsherrschaft Gottes ist heute auf Erden verborgen und ist nur in einem besonderen Sinn in der Gemeinde Gottes, der herausgerufenen Versammlung der Wiedergeborenen verwirklicht, die sich alleine der Autorität Gottes wahrhaft unterstellt. Die Welt bleibt unter der Herrschaft des Bösen, des Satans und seiner menschlichen Werkzeuge, der Mächtigen dieser Erde, bis der Herr selbst dieser Herrschaft ein Ende macht (Mt 25,31; 1Kor 15,23-25; Offb 11,15-17). Die Königreichsgleichnisse in Matthäus 13 zeigen die verborgene, geheimnisvolle Gestalt des Reiches im Zeitalter der Gemeinde und offenbaren auch, daß es in dieser Zeit viele unechte, bloß äußerliche Anhänger des Reiches geben wird; doch Anteil an dem verborgenen Reich Gottes in dieser Zeit haben nur die Wiedergeborenen, die „Kinder des Reiches“ (Mt 13,38). Ihnen gehört das Reich in einem zweifachen Sinn: sie stehen gegenwärtig schon unter der Königsherrschaft Gottes, und sie sind Erben des zukünftigen Tausendjährigen Reiches, in dem sie mit Christus regieren werden (vgl. Apg 14,22; Gal 5,21; Eph 5,5; 1Thess 2,12). Der Apostel Paulus spricht an einigen Stellen davon, daß die Gemeinde der Ort ist, wo sich das Reich Gottes heute verwirklicht (vgl. Kol 1,13; Röm 14,17; Kol 4,11).

4. Die offenbare Königsherrschaft Gottes im kommenden Zeitalter des tausendjährigen Reiches: Gott wird am Ende der Zeiten, nach der Entrückung der Gemeinde, durch den Messias selbst Seine Königsherrschaft über die ganze Erde aufrichten. Das geschieht im Rahmen eines gewaltigen endzeitlichen Gerichtes am „Tag des Herrn“. Der Messias Jesus Christus wird die Königreiche der Welt stürzen, den Satan binden und tausend Jahre regieren. Sein Reich wird noch nicht die Enderfüllung bringen, weil immer noch Sünde in der Welt ist, aber es wird Gerechtigkeit und Frieden auf Erden verwirklichen. In Christus erfüllen sich alle Ratschlüsse Gottes; er verwirklicht die Königsherrschaft Gottes auf Erden in vollkommener Weise, nachdem alle menschlichen Könige vor Ihm versagten. (Vgl. u.a. 4Mo 24,7; Ps 45,7; Ps 145,11-12; Dan 2,44; 3,33; 4,31.)

 

Die Irrlehre vom verwirklichten Gottesreich in dieser Welt

 

Die in den obigen Abschnitten gedrängt skizzierte Lehre der Bibel wurde in der Geschichte der Gemeinde Jesu Christi vielfach verkannt und verkehrt. Eine unheilvolle Rolle spielten hier frühe Kirchenväter, besonders Augustin, die lehrten, die Kirche müsse das Tausendjährige Reich anstelle von Christus verwirklichen. So wurde die Erwartung eines wörtlichen Tausendjährigen Reiches durch eine unbiblische Illusion ersetzt. Die Kirche wurde zu einem Werkzeug und zugleich einem Zentrum weltlicher Macht. Auch die vordringende liberale Theologie Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts verfälschte die Lehre vom Reich Gottes. Besonders in den USA entstand die Irrlehre des „sozialen Evangeliums“ (social gospel).

Nach diesen Lehren baue Gott angeblich Sein Reich hier und jetzt durch die Kirche, aber auch in der Welt, und das besonders durch ihre sozialen Bewegungen. Die ewige Errettung der Seelen wurde ersetzt durch ein diesseitiges Heil, das in der sozialen Besserstellung der Menschen und ihrer immer umfassenderen Selbstentfaltung bestand. Diese Lehren des „sozialen Evangeliums“ fanden ihren Weg in die damals sich entfaltende internationale Missionsbewegung, die auf der großen Weltmissionskonferenz in Edinburgh 1910 Gestalt annahm. Der daraus entstandene Internationale Missionsrat (IMR) und später der Ökumenische Weltrat der Kirchen (ÖRK) nahmen diese falsche Reichgotteslehre auf.

Auch wenn der Optimismus der liberalen Apostel des diesseitigen Gottesreichs durch zwei Weltkriege stark gedämpft wurde, wirkte die Irrlehre des sozialen Evangeliums in der ökumenischen Weltbewegung in verschiedenen Spielarten weiter. Sie wurde vermischt mit den verführerischen Lehren Karl Barths, nach denen die Welt durch Christus bereits mit Gott versöhnt sei und Gott nun versöhnend und erlösend in der Welt, in verschiedenen Kulturen und Religionen am Wirken sei und sein Reich weltweit baue. Ein Ausfluß jener Irrlehren war der Kurs des ÖKR, der zunehmend soziale Befreiung bis hin zur Unterstützung terroristischer „Befreiungsbewegungen“ als seinen christlichen Auftrag verstand und den Dialog zwischen den Religionen förderte, die alle schon göttliche Wahrheit hätten und zum Rech Gottes irgendwie dazugehörten.

Was uns heute mehr zu schaffen macht, ist die Tatsache, daß in den 70er und 80er Jahren des letzten Jahrhunderts auch die Evangelikalen von den falschen liberal-ökumenischen Reichgotteslehren infiziert wurden, wie der Amerikaner Arthur P. Johnston in seinem lesenswerten Buch Umkämpfte Weltmission (Hänssler 1984) nachweist. Mehr und mehr Evangelikale reden heute davon, die Gemeinde müsse sich an der „Mission Gottes“ (missio dei) beteiligen, der hier und heute sein Reich in der Welt entfalte und in allen Kulturen und Religionen wirksam sei. Das Reich Gottes in der Welt wird von vielen Theologen nicht mehr mit der baldigen Wiederkunft des Herrn in Verbindung gebracht; es entfaltet sich angeblich spontan und evolutionär schon heute, wie im „sozialen Evangelium“. Ökumenische Theologen wie Lesslie Newbigin und David Bosch haben diese verkehrten Lehren maßgeblich verbreitet.

Neue, „missional“ genannte Missionslehren ersetzen die Verkündigung des paulinischen Evangeliums der Gnade durch ein gefälschtes „Evangelium vom Reich Gottes“. Dieses Falschevangelium bezeugt nicht das biblische künftige Gottesreich, das der Messias verwirklicht, sondern ein nebulöses innerweltliches Gottesreich. Die Gemeinde soll nicht mehr die Evangelisation und Errettung von Seelen zu ihrem vorrangigen Missionsziel machen, sondern vielmehr Gesellschaftsveränderung durch sozialpolitisches Engagement. Solche Theorien beeinflußten bereits die evangelikale Weltkonferenz in Lausanne 1974 und prägten auch die späteren theologischen Diskussionen bis zu Kapstadt 2010. Sie werden umgesetzt in der sozialpolitischen „Micha-Initiative“ wie auch in evangelikalen Missionsprogrammen, in denen immer öfter das Schlüsselwort „missional“ auftaucht.

 

Die klaren heilsgeschichtlichen Linien festhalten!

 

Als bibeltreue Gläubige sollten wir uns nicht von diesen neuen, liberal-ökumenisch geprägten Lehren mitreißen lassen. Die Wahrheit der biblischen Lehre bleibt bestehen: Die Gemeinde hat den Auftrag, als heiliges, von der Welt abgesondertes Priestertum Gott im Geist zu dienen und das Evangelium von der Gnade, von der Sündenvergebung durch den Glauben an Christus zu verkündigen, bis der Herr wiederkommt und sie entrückt. Diese Welt ist nicht mit Gott versöhnt, sondern schreitet fort in der Gesetzlosigkeit, bis unser Herr als König und Richter kommt. Das Reich Gottes kommt in diese Welt nur durch den Messias, nicht durch die Kirche und soziales Engagement! An diesen klaren heilsgeschichtlichen Linien der Bibel wollen wir festhalten, damit wir nicht das Ziel aus dem Auge verlieren. Unser Herr kommt bald! Laßt uns Ihm treu dienen, solange wir noch hier auf Erden sind!

 

 

Weiterführende Literatur:

 

Rudolf Ebertshäuser: Zerstörerisches Wachstum. Wie falsche Missionslehren und verweltlichte Gemeindebewegungen die Evangelikalen unterwandern. Steffisburg (Edition Nehemia) 3. Aufl. 2015; gebunden, 544 S.

Rudolf Ebertshäuser: Aufbruch in ein neues Christsein? Emerging Church – Der Irrweg der postmodernen Evangelikalen. Steffisburg (Edition Nehemia) 2008, Taschenbuch, 256 S.

Rudolf Ebertshäuser: Soll die Gemeinde die Welt verändern? Das „Soziale Evangelium“ erobert die Evangelikalen. Steffisburg (Edition Nehemia) 2014, Taschenbuch, 276 S.

 

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