Immer öfter begegnet man heute Evangelikalen, die betonen, die Gemeinde müsse „die Welt verändern“ und sich sozialpolitisch engagieren, um eine „Gesellschaftstransformation“ zustande zu bringen und das „Reich Gottes“ schon hier und jetzt auf der Erde auszubreiten. Solche Lehren und Ansichten haben ihre Wurzel in dem über 100 Jahre alten „Sozialen Evangelium“. Diese von bibelkritischen Liberaltheologen entwickelte Verführungslehre betont, die Aufgabe der Gemeinde Jesu Christi sei es nicht, die Errettung von Menschen aus der ewigen Verdammnis zu fördern, sondern vorrangig die Lebensbedingungen und die gesellschaftlichen Verhältnisse hier und jetzt zu verbessern und „christlich“ umzugestalten. Diese Lehren prägten jahrzehntelang die ökumenische Weltbewegung; in den letzten 30 Jahren sind sie zunehmend auch unter Evangelikalen populär geworden. Dazu veröffentlichen wir einen Auszug aus dem jetzt erschienenen neuen Buch von Rudolf Ebertshäuser: „Soll die Gemeinde die Welt verändern?“ (Steffisburg: Edition Nehemia, 276 S.; Preis € 6,50 / SFr 8,20)
1. „Es gibt über 2.000 Bibelstellen, die davon reden, daß Gott soziale Gerechtigkeit fordert und sich mit den Armen solidarisiert. Deshalb müssen auch wir uns mit den Armen solidarisieren und für soziale Gerechtigkeit kämpfen.“
Die allermeisten dieser 2.000 Stellen stehen im AT und sind an das Volk Israel gerichtet, das ein Königreich auf Erden nach den Maßstäben Gottes sein sollte. Gott forderte die Israeliten auf, an ihren Brüdern in diesem Reich Gerechtigkeit zu üben, nicht an allen gottlosen Armen dieser Welt. Gott wird die gottlosen, in Sünden lebenden Armen ebenso richten wie die sündigen Reichen. Das wird heute verschwiegen bzw. verfälscht wiedergegeben. Auch im NT sollen sich die Gläubigen in erster Linie der Armen in der Gemeinde Gottes annehmen; wo möglich, sollen sie auch an Ungläubigen in ihrer Umgebung gute Werke tun. Das ist etwas völlig anderes, als „Gerechtigkeit“ zum sozialpolitischen Programm für eine Weltverbesserung zu machen. Wir können diese böse Welt nicht besser machen, solange die Menschen in ihren sündigen Begierden leben. Erst Christus wird in Seinem Reich Gottes Gerechtigkeit auf Erden verwirklichen.
2. „Gott will diese Welt heilen und erlösen, und wir sollen an dieser heilenden und erlösenden Mission Gottes teilnehmen.“
Nach dem übereinstimmenden Zeugnis von AT und NT steht diese böse Welt (die Heidenvölker) unter dem nahenden Zorngericht Gottes, dem „Tag des HERRN“. Gott wird erst einmal diese gesetzlose, verdorbene Welt blutig richten, wie es u.a. Matthäus 24 und 25, der 2. Thessalonicherbrief und die Offenbarung bezeugen. Das ist „Gottes Mission in dieser Welt“. Erst danach wird Gott mit den zur Buße gekommenen Heiden und Juden unter der Königsherrschaft Seines Messias ein Reich des Friedens und der Gerechtigkeit aufrichten. Die Gemeinde kann in dieser Welt nichts „heilen“ oder „erlösen“; sie kann nur suchende Sünder zu Christus weisen, damit sie aus dieser gerichtsreifen Welt herausgerettet werden.
3. „Es gibt auch strukturelle und soziale Sünde in der Welt, gegen die wir kämpfen müssen. Wir dürfen nicht bei den persönlichen Sünden stehen bleiben.“
Natürlich gibt es „strukturelle Sünden“, weil die ganze Lebensweise der Heidenvölker (auch derer im „christlichen Abendland“) von Sünde und Gesetzlosigkeit geprägt ist. Doch diese Sünden kann und soll die Gemeinde nicht bekämpfen oder zu überwinden suchen. Sie ist eine herausgerufene Fremdlingsschar in dieser Welt, die einzelne Menschen zu Christus rufen soll und hier kein politisches Mandat hat. Die Gläubigen werden im NT nirgends aufgefordert, hier und jetzt die Welt zu verbessern und die gesellschaftlichen Übel zu verändern. Das wird besonders in der Haltung des NT zur Sklaverei deutlich. Die Überwindung dieser Sünden kann und wird erst das messianische Reich bringen, das Christus selbst nach Seinem Weltgericht aufrichten wird.
4. „Mit dem Kommen von Jesus auf diese Erde ist doch das Reich Gottes angebrochen. Wir haben als Jünger den Auftrag, es immer weiter in der Welt auszubreiten und zu verwirklichen.“
Mit dem Kommen des Messias war das Reich Gottes nahe herbeigekommen, nicht angebrochen. Israel verwarf seinen Messias, Er wurde, wie von den Propheten vorausgesagt, verworfen und abgeschnitten. Er ist nun verherrlicht im Himmel, und auf der Erde herrscht weiterhin der Fürst dieser Welt, das Böse und der gottlose Mensch. Das ist von Gott auch so verordnet; die Sünde des Menschen muß mit dem Antichristen erst ihr Vollmaß erreichen, bevor Gott eingreift, das Gericht durch Christus sendet und danach Sein Reich in dieser Welt aufrichtet. Die Lehre vom „gegenwärtigen Reich“ in dieser Welt ist daher Verführung und Betrug. Die Gemeinde soll nicht das Reich Gottes in der Welt ausbreiten, sondern Menschen durch das Evangeliumszeugnis in die Gemeinde führen, die heute die verborgene Form des Reiches ist, d.h. der Bereich, in dem Gottes Herrschaft wirklich anerkannt wird.
5. „Christus ist gekommen, um den Armen eine gute Botschaft zu bringen (Lukas 4,18). Wir müssen das Evangelium ganzheitlich verkünden wie er und uns auch um die materiellen Nöte kümmern.“
Hier wird das herrliche Wort unseres Herrn von seinem geistlichen Sinn ins Materialistische, Äußerliche verfälscht. Christus hatte nicht die materielle Besserstellung der Armen in Israel oder in der Welt im Sinn, sondern die Sündennot der geistlich Elenden und Armen, wie auch die weiteren Aussagen („zerbrochenen Herzens“, „Gefangene“, „Blinde“, „Zerschlagene“) im Licht der anderen Aussagen des Herrn in den Evangelien geistlich zu verstehen sind. Das wird von irdisch gesinnten Verführern mißachtet, die eine marxistisch gefärbte Agenda für irdische Besserstellung verfolgen (vgl. Phil 3,18-19). Armut, Krankheit und Unterdrückung wird in dieser Welt sein, solange die Sünde herrscht; wir haben den Auftrag, den Sündern die ewige, geistliche Errettung zu verkündigen, ohne die sie ewig verlorengehen (was durch begrenzte Hilfe in äußeren Nöten ergänzt werden kann). Wenn sie gläubig geworden sind, wird Gott sich auch ihrer irdischen Bedürfnisse annehmen, aber die wirkliche Lösung der sozialen Frage kann nur der Messias in Seinem künftigen Reich bringen. Der Herr Jesus hat Lahme und Blinde geheilt als messianische Zeichen, nicht weil Er sich in erster Linie um diese äußeren Nöte kümmern wollte (vgl. Mk 9,43), sondern weil Seine Macht über diese Krankheiten hinweisen sollte auf Seine Vollmacht, Sünden zu vergeben (vgl. Mk 2,1-12).
6. „Christus hat doch das Evangelium vom Reich Gottes gepredigt; beim Evangelium geht es um das Reich Gottes, nicht darum, daß Sünder Vergebung bekommen und in den Himmel kommen.“
In der Tat hat der Messias bei Seinem Kommen auf die Erde dem Volk Israel das verheißene Königreich als nahe herbeigekommen (aber nicht als angebrochen!) verkündet. Als aber Israel Ihn verwarf, wurde dieser Anbruch des Reiches zurückgestellt bis zu Israels Bekehrung am Ende der Zeit. Gott wandte sich den Heiden zu und schuf die Gemeinde. Christus selbst gab dem Apostel Paulus das Evangelium der Gnade und der ewigen Errettung, das durch die Gemeinde bezeugt werden soll. Das missional-emergente „Reichsevangelium“ vom angeblich hier und jetzt in der Welt gegenwärtigen Gottesreich hat mit der von Christus verkündigten Botschaft nichts gemeinsam; es ist ein irdisch verfälschtes anderes Evangelium, eine Spielart des falschen Sozialen Evangeliums, das niemanden errettet und unter dem Fluch steht (Gal 1,6-10).
7. „Wir müssen uns in dieser Welt engagieren und uns ihr anpassen, statt weltfremd zu sein, damit wir ihr ein glaubwürdiges Zeugnis von Christus bringen können.“
Die Anhänger des Sozialen Evangeliums verkünden einen falschen sozialreformerischen „Christus“ und brauchen daher das politische Engagement als Glaubwürdigkeitsnachweis. Die wahre Gemeinde verkündigt Christus als den gegenwärtigen Retter aus Sünde und Verdammnis und als den kommenden Richter; für sie würde es einen Verlust der Glaubwürdigkeit bedeuten, wenn sie sich in die politischen Kämpfe und Geschäfte dieser Welt verstricken oder an die sündige Lebensweise der Welt anpassen würde. Die Evangeliumsbotschaft von der ewigen Errettung setzt voraus, daß die Gemeinde in Heiligung für Gott und Absonderung von der Welt ihren Priesterauftrag lebt; nur so ist sie ein glaubwürdiges Zeugnis für das wahre Evangelium.
8. „Wir Christen machen uns schuldig, wenn wir billige Waren aus Entwicklungsländern kaufen, die dort mithilfe von Kinderarbeit, schädlichen Arbeitsbedingungen und zu niedrigen Löhnen hergestellt werden.“
Wenn die Kinder Gottes an nichts teilnehmen könnten, was von Sünden, Ausbeutung oder Unrecht befleckt ist, dann müßten sie wahrlich aus dieser Welt hinausgehen. Gott verpflichtet uns nicht, keine billigen Waren aus Entwicklungsländern zu kaufen, was unter den heutigen Bedingungen auch keine Hilfe für diese Menschen wäre. Mit der Herstellung der Waren, die damals in Rom, Korinth und Ephesus angeboten wurden, waren vermutlich mindestens ebenso schlimme Mißbräuche verbunden; dennoch lesen wir kein Gebot im NT, uns davon zu enthalten. Wer die finanziellen Mittel hat und es so will, kann ja „fair gehandelte“ Waren kaufen; nur hat er in dieser bösen Welt auch nie eine Garantie, daß diese wirklich so fair hergestellt wurden, wie es versprochen wird. Das zum Gebot zu machen, propagiert eine neue sozialpolitische Gesetzlichkeit und Pharisäertum im Fair-Trade-Gewand.
9. „Der ursprüngliche Auftrag, die Welt zu regieren und die Schöpfung zu bewahren ist doch auch uns Christen gegeben, deshalb müssen wir uns politisch und ökologisch engagieren.“
Der ursprüngliche Auftrag in 1. Mose 1,28 war Adam als Haupt der ganzen Menschheit gegeben worden. Durch den Sündenfall hat die Menschheit auch diesen Auftrag völlig verfehlt und verdorben, wie nicht zuletzt die Umweltschädigung und die anhaltende Ungerechtigkeit und Unterdrückung in der Welt beweisen. Die Gemeinde als Gott geweihte Priesterschar hat diesen Auftrag nicht in unmittelbarer Weise, denn sie ist von der Regierung dieser Welt ausgeschlossen und hat hier kein Bürgerrecht auf Erden. Wir können diesen Auftrag ebensowenig eigenmächtig heute verwirklichen, wie wir berufen sind, eigenmächtig die Todesstrafe an Mördern zu vollziehen, wenn die Welt das Gebot an Noah in 1. Mose 9,6 nicht mehr ernst nimmt. Alle diese Aufträge wird erst der Friedefürst, der Messias, für die Menschen wieder herstellen, wenn ER regiert. Das können wir nicht vorwegnehmen, auch wenn jeder Gläubige sich in der Gesellschaft den Gesetzen entsprechend und möglichst umweltschonend verhalten sollte.
10. „Der heutige postmoderne Mensch will keine dogmatischen Evangeliumspredigten mehr hören; wir müssen ihn durch bedeutungsvolle Erzählungen, Gemeinschaftserlebnisse und authentisches Leben gewinnen.“
Der erste Satz ist leider sehr wahr, denn wir leben wirklich in der Zeit, wo die Menschen „die gesunde Lehre nicht ertragen“, sondern sich „nach ihren eigenen Lüsten Lehrer beschaffen“, wo sie „ihre Ohren von der Wahrheit abwenden und sich den Legenden zuwenden“ (2Tim 4,3-4). Aber gerade für diese Zeit steht geschrieben: „Verkündige das Wort, tritt dafür ein, es sei gelegen oder ungelegen; überführe, tadle, ermahne mit aller Langmut und Belehrung!“ (2Tim 4,2). Der echte Glaube kommt auch heute nicht aus beliebigen postmodernen „Erzählungen“, auch nicht aus Gemeinschaftserlebnissen, sondern aus der kompromißlosen klaren Verkündigung, die auf Gottes Wort gründet (Röm 10,17). Nur das Wort Gottes, das biblische Evangelium ist der Same, der zur Neuzeugung aus dem Geist führt. Deshalb kennen die falschen postmodernen „Christen“ auch keine wirkliche Neugeburt von oben; sie sind natürliche, seelische Menschen, die den Geist nicht haben und von Verführungsgeistern einen schlimmen Irrweg geführt werden.
Auszug aus:
Rudolf Ebertshäuser, Soll die Gemeinde die Welt verändern? (Steffisburg: Edition Nehemia 2014), S. 169-175.
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Weiterführende Literatur:
Rudolf Ebertshäuser: Zerstörerisches Wachstum. Wie falsche Missionslehren und verweltlichte Gemeindebewegungen die Evangelikalen unterwandern. Steffisburg (Edition Nehemia) 3. Aufl. 2015; gebunden, 544 S.
Rudolf Ebertshäuser: Aufbruch in ein neues Christsein? Emerging Church – Der Irrweg der postmodernen Evangelikalen. Steffisburg (Edition Nehemia) 2008, Taschenbuch, 256 S.
Rudolf Ebertshäuser: Soll die Gemeinde die Welt verändern? Das „Soziale Evangelium“ erobert die Evangelikalen. Steffisburg (Edition Nehemia) 2014, Taschenbuch, 276 S.
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Rudolf Ebertshäuser das-wort-der-wahrheit.de 5. 6. 2014