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Einen ganz wichtigen Gesichtspunkt unseres Themas haben wir noch nicht behandelt, und das ist die liebende, weise Erziehung unseres himmlischen Vaters, der darum bemüht ist, Seine Kinder zu ermahnen, zu unterweisen und durch verschiedenste Mittel dahin zu bringen, daß sie zu geistlich gesunden, mündigen und reifen Christen heranwachsen, die Er gebrauchen kann, durch die Er sich verherrlichen kann. Deshalb will ich hier noch einige eher praktisch-seelsorgerliche Hinweise geben, wie wir in der Erziehungsschule Gottes lernen und mündig werden können.

Um es noch einmal zu betonen: Geistliche Reife ist kein unerreichbarer Vollkommenheitszustand, den nur wenige auserwählte Gottesmenschen erreichen könnten. Gott hat sie für jeden Gläubigen vorgesehen, und jeder Gläubige kann durch Gottes Gnade zur Reife in Christus kommen.

Gott hat uns alle Voraussetzungen dafür gegeben; die Frage ist, wie wir damit umgehen, ob wir in Gottes Erziehungsschule unsere Lektionen lernen oder Ihm „aus der Schule laufen“. Ja, das können wir – aber es ist eine törichte, schmerzliche Verfehlung, die wir einmal bereuen werden. „Wer auf die Unterweisung achtet, geht den Weg zum Leben, wer aber aus der Schule läuft, gerät auf Irrwege“ (Spr 10,17).

Die Schule Gottes zum Erwerb der geistlichen Reife ist in aller Regel der Alltag, mit all seinen unangenehmen, schwierigen Situationen, mit allen Pflichten und Routinen. Manche Christen meinen, sie würden geistlicher, wenn sie eine Bibelschule besuchen oder in einem christlichen Werk mitarbeiten. Aber zumeist ist das ein Trugschluß.

Gottes vorbereitete Lektionen, die uns zum Wachstum führen, sind in unser ganz gewöhnliches Leben eingebaut, und wenn wir sie dort nicht lernen und uns nicht bewähren, dann nutzt es uns gar nichts, aus dem Alltag zu entfliehen und irgend etwas „Besonderes“ zu machen. Gottes Ruf in einen besonderen Dienst kommt normalerweise dann, wenn wir die grundlegenden Lektionen des Alltags gelernt und uns in Seiner Schule schon ein Stück weit bewährt haben.

Letztlich ist es die persönliche Herzensbeziehung des einzelnen Gläubigen zu Gott, dem Vater, zu dem Herrn Jesus Christus, dem Sohn Gottes, und zu dem Heiligen Geist Gottes, die über unser geistliches Wachstum und unsere Fruchtbarkeit entscheidet. Stehen wir in kindlichem Glauben an Gott, Seine Gnade und Allmacht? Rechnen wir auch im Alltag mit Ihm? Wollen wir Ihm von ganzem Herzen gehorchen? Ist uns sein Wort die heilige, verbindliche Weisung für all unser Leben? Dann wird das geistliche Wachstum nicht ausbleiben.

Umgekehrt: Ist unbereinigte Sünde in unserem Leben? Stehen wir an irgendeinem Punkt, in einem Lebensbereich im Widerspruch zu Gottes Wort, vielleicht in Verbitterung oder gar Auflehnung gegen Gott? Haben wir kein Ja zu gewissen Führungen Gottes in unserem Leben? Sind wir wissentlich eigene Wege gegangen, obwohl wir durch Gottes Wort und die Ermahnungen von Christen um deren Verkehrtheit wußten? Leben wir in eigensüchtiger Selbstverwirklichung, statt unser Eigenleben in den Tod zu geben?

Dann können wir sicher sein: ohne ernste, klare Buße wird Gottes Segen in unserem Leben blockiert sein, und wir sind unfruchtbare Christen, die dem Tag der Rechenschaft vor dem Richterstuhl des Christus nicht ruhig und zuversichtlich entgegensehen können.

 
 

Buße – der Schlüssel zu geistlicher Erneuerung

 

Der Schlüssel zur Veränderung von einer fleischlichen zu einer geistlichen Haltung ist die Buße, die aufrichtige Gesinnungsänderung, die Herzensumkehr zu Gott. Manche Gläubige meinen ja, Buße sei nur etwas für Ungläubige, und sie scheinen zu denken, ein Gläubiger brauche keine Buße. Aber das ist ein ernster Irrtum. Wir sind immer wieder geneigt, vom Herrn abzuweichen und zu sündigen, und dann sollten wir aufrichtig vor Gott kommen und umkehren, die Sünde bekennen und bereuen und ablegen. Wir alle haben es nötig, uns vor Gott zu beugen und zu demütigen und Sein Angesicht zu suchen über unseren Verfehlungen und Abweichungen vom Herrn.

Der erhöhte Herr gab der Gemeinde in Ephesus, nachdem Er ihr Abweichen bloßgestellt hatte, das ermunternde und gnädige Gebot: „Bedenke nun, wovon du gefallen bist, und tue Buße und tue die ersten Werke!“ (Offb 2,5). Und Paulus freute sich, daß die fleischlichen Korinther durch seine Ermahnung zur Buße gebracht worden waren: „Nun freue ich mich – nicht darüber, daß ihr betrübt wurdet, sondern darüber, daß ihr zur Buße betrübt worden seid; denn ihr seid in gottgewollter Weise betrübt worden, so daß ihr von uns keinerlei Schaden genommen habt. Denn die gottgewollte Betrübnis bewirkt eine Buße zum Heil, die man nicht bereuen muß; die Betrübnis der Welt aber bewirkt den Tod“ (2Kor 7,9-10). Eine solche Betrübnis darüber, unseren Herrn betrübt und entehrt zu haben, das brauchen auch wir!

Buße bedeutet praktisch, daß wir neu zu einer Hingabe an den Herrn Jesus Christus kommen, der uns ja eigentlich erkauft hat mit Seinem kostbaren Blut, und der das alleinige Recht hat, über uns ganz zu verfügen. Indem wir selbstsüchtig und eigenwillig leben, haben wir uns Ihm entzogen und uns Seiner gnädigen und liebevollen Herrschaft widersetzt. Das muß aufhören, wenn wir in der Kraft des Geistes leben und Frucht bringen wollen! Buße bedeutet auch, daß wir alle konkreten Sünden, alle eigensüchtigen Fehlhaltungen und Lebensziele ablegen und in den Tod geben – alles, was den Herrn hindert, mit uns vorwärtszugehen!

So ist es der allererste praktische Schritt zu einem geistlich fruchtbringenden Leben, daß wir uns im Licht Gottes prüfen und über jede uns bewußte Sünde, jeden Ungehorsam klar Buße tun: sie bekennen, sie bereuen, sie lassen und gründlich von ihr umkehren. Ohne das werden wir in unserem geistlichen Leben keine rechte Frucht bringen können. Davon redet der Anfang von Hebräer 12:

Da wir nun eine solche Wolke von Zeugen um uns haben, so laßt uns jede Last ablegen und die Sünde, die uns so leicht umstrickt, und laßt uns mit Ausdauer laufen in dem Kampf, der vor uns liegt, indem wir hinschauen auf Jesus, den Anfänger und Vollender des Glaubens, der um der vor ihm liegenden Freude willen das Kreuz erduldete und dabei die Schande für nichts achtete, und der sich zur Rechten des Thrones Gottes gesetzt hat. Ihr habt noch nicht bis aufs Blut widerstanden im Kampf gegen die Sünde… (Hebr 12,1-4)

Davon redet auch Eph 5,6-14 (vgl. Kol 3,5-8):

Laßt euch von niemand mit leeren Worten verführen! Denn um dieser Dinge willen kommt der Zorn Gottes über die Söhne des Ungehorsams. So werdet nun nicht ihre Mitteilhaber! Denn ihr wart einst Finsternis; jetzt aber seid ihr Licht in dem Herrn. Wandelt als Kinder des Lichts! Die Frucht des Geistes besteht nämlich in lauter Güte und Gerechtigkeit und Wahrheit. Prüft also, was dem Herrn wohlgefällig ist, und habt keine Gemeinschaft mit den unfruchtbaren Werken der Finsternis, deckt sie vielmehr auf; denn was heimlich von ihnen getan wird, ist schändlich auch nur zu sagen. Das alles aber wird offenbar, wenn es vom Licht aufgedeckt wird; denn alles, was offenbar wird, das ist Licht. Darum heißt es: Wache auf, der du schläfst, und stehe auf aus den Toten, so wird Christus dich erleuchten!

Ohne klare Buße über Sünde im Leben gibt es kein geistliches Wachstum; die Gemeinschaft mit dem Herrn ist unterbrochen, und bei jemand, der ohne Gewissensbisse und längere Zeit in Sünde lebt, müssen wir annehmen, daß er überhaupt nicht gerettet ist. Flieht die Sünde! Sonst gibt es keinen rechten Neubruch (Jer 4,3; Hos 10,12), und geistliche Fruchtbarkeit ist unmöglich.

 
 
 

Das Ja zu Gottes Erziehungswegen

 

Wie wunderbar ist es doch, daß unser Gott und Vater voller Liebe und Geduld ist, daß Er uns zwar züchtigt, wenn wir verkehrte Wege gehen, daß Er aber gerne vergibt, wenn wir aufrichtig Buße tun, und daß Er auch wiederherstellt, wenn wir Seinen Züchtigungswegen willig folgen! Deshalb gehört auch das Wort aus Hebr 12,5-11 mit in unser Thema:

… und habt das Trostwort vergessen, das zu euch als zu Söhnen spricht: »Mein Sohn, achte nicht gering die Züchtigung des Herrn und verzage nicht, wenn du von ihm zurechtgewiesen wirst! Denn wen der Herr lieb hat, den züchtigt er, und er schlägt jeden Sohn, den er annimmt.«

Wenn ihr Züchtigung erduldet, so behandelt euch Gott ja als Söhne; denn wo ist ein Sohn, den der Vater nicht züchtigt? Wenn ihr aber ohne Züchtigung seid, an der sie alle Anteil bekommen haben, so seid ihr ja unecht und keine Söhne!

Zudem hatten wir ja unsere leiblichen Väter als Erzieher und scheuten uns vor ihnen; sollten wir uns da nicht vielmehr dem Vater der Geister unterwerfen und leben? Denn jene haben uns für wenige Tage gezüchtigt, so wie es ihnen richtig erschien; er aber zu unserem Besten, damit wir seiner Heiligkeit teilhaftig werden.

Alle Züchtigung aber scheint uns für den Augenblick nicht zur Freude, sondern zur Traurigkeit zu dienen; danach aber gibt sie eine friedsame Frucht der Gerechtigkeit denen, die durch sie geübt sind.

Es gehört zu den grundlegenden Schritten zur geistlichen Reife, daß wir Gottes Erziehungswege bewußt und willig mitgehen, daß wir Ja sagen, wenn Gott unsere eigenen Wege, unsere Pläne und Hoffnungen durchkreuzt und unsere Versuche zur Selbstverwirklichung scheitern läßt. Wir müssen die Anfangslektion lernen, die uns Petrus in 1Pt 5,6 gibt: „So demütigt euch nun unter die gewaltige Hand Gottes, damit er euch erhöhe zu seiner Zeit!“

Dazu gehört auch immer wieder, daß wir bereit sind, Korrektur und Ermahnung von anderen Gläubigen anzunehmen, anstatt uns hochmütig und starrsinnig auf unsere Sicht und unseren Weg zu versteifen. Wie wichtig ist für geistliche Reife auch das Wort von Jak 3,17: „Die Weisheit von oben aber ist erstens rein, sodann friedfertig, gütig; sie läßt sich etwas sagen, ist voll Barmherzigkeit und guter Früchte, unparteiisch und frei von Heuchelei“. Wer in Gottes Erziehungsschule Zerbruch und Demütigung empfangen hat, der läßt sich etwas sagen, prüft aber auch die Ermahnung der anderen und ist nicht sklavisch davon abhängig, sondern bewegt das Gesagte vor Gott.

Hast Du die Dinge in deinem Leben angenommen, die Gott in Seiner Weisheit so verordnet hat? Hast Du angenommen, wie Gott Dich geschaffen hat, auch wenn vielleicht Dein Aussehen nicht so ganz den Schönheitsidealen der Welt entspricht, wenn Du nicht so intelligent oder attraktiv oder beeindruckend bist, wie Du es Dir vielleicht gewünscht hast? Hast Du Deine gesundheitliche Situation angenommen? Hast Du Deine berufliche Entwicklung angenommen, die Arbeitsstelle, die Dir Gott gegeben hat?

Hast Du Deinen Ehepartner angenommen? Oder Deine Ehelosigkeit? Hast Du ein Ja zu Gottes Wegen mir Dir, oder bist Du unzufrieden? Murrst Du über Gottes Führungen? Bist Du undankbar, wie Israel in der Wüste? Bist Du womöglich in Gefahr, Gott durch bewußtes Sündigen zu versuchen? (Vgl. 1Kor 10,5-12.)

Wir müssen es zutiefst verstehen, daß die göttlichen Wege, die uns zu geistlicher Erfüllung und Reife führen, immer auch Kreuzeswege sind, daß ihn ihnen das Kreuz, das unser Eigenleben in den Tod bringt, immer eine Rolle spielt. Auch für unser geistliches Leben gilt, was Johannes der Täufer von dem Herrn Jesus sagt (Joh 3,30): „Er muß wachsen, ich aber muß abnehmen“. Das zu verstehen und hinter allen möglichen Nöten, Widrigkeiten und Anfechtungen die liebende Hand Gottes zu sehen, der mit dem allem die Absicht verfolgt, uns in das Bild Christi umzugestalten, ist ein ganz wichtiger Schlüssel für geistliche Reife und Fruchtbarkeit.

Nicht umsonst sagt der Herr in Seinem bekannten Gleichnis vom Weinstock und den Reben (Joh 15,1-2): „Ich bin der wahre Weinstock, und mein Vater ist der Weingärtner. Jede Rebe an mir, die keine Frucht bringt, nimmt er weg; jede aber, die Frucht bringt, reinigt er, damit sie mehr Frucht bringt“. Gott muß unser natürliches Wachstum, das Austreiben unseres ichhaften Eigenlebens, oft schmerzhaft beschneiden, damit wir als Rebe nicht nur Blätter, sondern auch Frucht bringen. Wer dies als Ausdruck von Gottes Liebe und Fürsorge annehmen kann und sich nicht dagegen aufbäumt, sondern dem Vater stillhält, der hat eine entscheidende Lektion geistlicher Reife gelernt. Gott gebe, daß wir sie alle lernen!

 
 
 

Ausharren, Geduld und Glaube in Krisen und Bedrängnissen

 

Mit dem letzten Punkt verbunden ist eine weitere Tatsache, mit der wir manchmal nicht genug rechnen: Ganz entscheidende Lektionen zu unserer geistlichen Reifung liegen nach Gottes weisem Plan in Nöten, Krisen und Bedrängnissen, die Er in unser Leben hineinverordnet, damit wir an ihnen wachsen.

Wie wichtig ist es, daß auch wir die geistliche Lektion lernen, die Paulus und Barnabas die frühen Jünger lehrten: „… dabei stärkten sie die Seelen der Jünger und ermahnten sie, unbeirrt im Glauben zu bleiben, und [sagten ihnen,] daß wir durch viele Bedrängnisse in das Reich Gottes eingehen müssen“ (Apg 14,22). Bedrängnisse, d. h. Situationen, die uns unter Druck und in die Enge bringen, gehören notwendigerweise zu unserem Glaubensleben dazu. Sie sind kein Zeichen, daß Gott uns vergessen hat oder nicht mehr liebt, sondern zeigen im Gegenteil, daß Er in unserem Leben wirksam ist!

Mit geistlicher Reife ist auch dieses herausfordernde Wort des Jakobus verbunden:

Meine Brüder, achtet es für lauter Freude, wenn ihr in mancherlei Anfechtungen [od. Prüfungen, Versuchungen] geratet, da ihr ja wißt, daß die Bewährung eures Glaubens standhaftes Ausharren bewirkt. Das standhafte Ausharren aber soll ein vollkommenes Werk haben, damit ihr vollkommen [od. ausgereift, erwachsen] und vollständig seid und es euch an nichts mangelt. (…) Glückselig ist der Mann, der die Anfechtung erduldet; denn nachdem er sich bewährt hat, wird er die Krone des Lebens empfangen, welche der Herr denen verheißen hat, die ihn lieben. (Jak 1,2-4.12)

Eine wichtige geistliche Tugend, die für geistliches Reifwerden unerläßlich ist, wird in diesem Text genannt: das standhafte Ausharren oder die Geduld. Dieser geistliche Schlüsselbegriff (gr. hypomone) bezeichnet wörtlich ein standhaftes, geduldiges Darunterbleiben unter der Last, die Gott auferlegt – so lange, bis Gott sie wegnimmt. Genau diese geistliche Haltung brauchen wir, die wir so leidensscheu sind und am liebsten weglaufen würden, wenn Schwierigkeiten oder Bedrängnisse auf uns zukommen.

Wenn wir im Glauben und im Ausharren unter den uns von Gott auferlegten Lasten und Bedrängnissen bleiben, nicht in stoischer Gleichgültigkeit, sondern in liebender Gemeinschaft mit dem Vater, dann wirkt der Geist Gottes in uns und gestaltet uns um. Solche schmerzhaften, langsamen Wachstumsprozesse, die uns manchmal gar nicht so bewußt werden, sind oft die wichtigsten und kostbarsten.

 
 
 

Die erzieherische Rolle der Gemeinschaft

 
 
Ein wichtiges Bewährungsfeld für unser geistliches Leben sind die Beziehungen zu den Menschen, die Gott in unser Lebensumfeld gestellt hat – zunächst die Eltern, dann der Ehepartner, die Kinder, die Nachbarn und die Kollegen am Arbeitsplatz, und schließlich in besonderer Weise auch die Kinder Gottes, mit denen man in einer Gemeinde zusammen ist. Der Vater erzieht uns durch Menschen, die Er gebraucht. Er reinigt und läutert uns oftmals durch schwierige Menschen oder spannungsreiche Beziehungen, die uns Not machen, herausfordern, an unsere Grenzen bringen.

Gott will auf der einen Seite, daß wir lernen, unabhängig von Menschen zu werden, daß wir nicht mehr „Knechte der Menschen“ sind (vgl. 1Kor 7,23). Die Beziehung zu dem Herrn Jesus muß den ersten Platz in unserem Leben einnehmen:

Ihr sollt nicht meinen, daß ich gekommen sei, Frieden auf die Erde zu bringen. Ich bin nicht gekommen, Frieden zu bringen, sondern das Schwert! Denn ich bin gekommen, den Menschen zu entzweien mit seinem Vater und die Tochter mit ihrer Mutter und die Schwiegertochter mit ihrer Schwiegermutter; und die Feinde des Menschen werden seine eigenen Hausgenossen sein.

Wer Vater oder Mutter mehr liebt als mich, der ist meiner nicht wert; und wer Sohn oder Tochter mehr liebt als mich, der ist meiner nicht wert. Und wer nicht sein Kreuz auf sich nimmt und mir nachfolgt, der ist meiner nicht wert. Wer sein Leben findet, der wird es verlieren; und wer sein Leben verliert um meinetwillen, der wird es finden! (Mt 10,34-39)

So gehört es zur Schule Gottes, daß wir lernen, natürliche und seelische Bindungen an die Eltern, an Ehepartner oder Kinder, an andere zurückzustellen zugunsten der Hingabe an Christus und des Gehorsams gegen Sein Wort. Alle natürlichen und gottgewollten Beziehungen werden dadurch keineswegs angetastet oder zerstört; sie werden vielmehr geläutert und erneuert durch die Ausrichtung auf den Herrn allein.

Gottes Wille ist es ja, daß wir Ihn zuerst lieben und dann unseren Nächsten wie uns selbst (vgl. Mt 22,37-39). So erfahren die natürlichen Bindungen an Eltern, Ehepartner und Kinder usw. eine Reinigung von seelisch-selbstsüchtigen, krankhaften und sündigen Elementen, und werden auf die neue Grundlage der Agape-Liebe Gottes gestellt.

Was aber sündige und zerstörerische Beziehungen angeht, z. B. zum anderen Geschlecht oder zu Menschen, die einen früher zur Sünde verleiteten, so bedeutet die Christusnachfolge in diesen Fällen einen klaren Abbruch um des Herrn willen. Auch in diesen Dingen ist der Herr eifersüchtig, und wenn wir in solchen falschen, sündigen Bindungen beharren, kann es in unserem geistlichen Leben nicht vorwärtsgehen.

Auf der anderen Seite gehört es zu den wichtigen Lektionen im Leben eines Kindes Gottes, auf der Grundlage der Agape-Liebe Gottes Menschen anzunehmen und zu lieben, denen wir als Unbekehrte aus dem Weg gegangen wären, oder mit denen wir in bösen Streit gekommen wären. Es ist wichtig, daß wir lernen, Böses zu ertragen – Verleumdungen und Klatsch etwa, Intrigen im Beruf oder auch Spannungen unter Gläubigen in der Gemeinde. Es ist wichtig, daß wir lernen, nicht unser eigenes Recht zu suchen, unseren Ruf nicht zu verteidigen, nicht wiederzuschmähen, wenn wir geschmäht werden, zu segnen statt zu fluchen.

Gott hat uns vielleicht im Beruf unter einen schwierigen Vorgesetzten gestellt und möchte, daß wir lernen, ihm zu gehorchen und ihm aufrichtig zu dienen, obwohl uns das größte Mühe macht. Oder er mutet uns zu, manche Lasten in unserer Ehe zu tragen, die für Weltmenschen womöglich ein Scheidungsgrund wären, und geduldig Liebe zu üben. Er läßt es vielleicht zu, daß wir schwierige Kinder haben, die uns vielleicht gerade an unseren wundesten Punkten Not machen und unsere Geduld bis zur Grenze beanspruchen.

Gott läßt manchmal auch unter Seinen Kindern schmerzhafte Konflikte zu, die eigentlich nicht sein sollten – das alles mit dem Ziel, daß wir einen christusähnlichen Charakter entwickeln.

So zieht nun an als Gottes Auserwählte, Heilige und Geliebte herzliches Erbarmen, Freundlichkeit, Demut, Sanftmut, Langmut; ertragt einander und vergebt einander, wenn einer gegen den anderen zu klagen hat; gleichwie Christus euch vergeben hat, so auch ihr. Über dies alles aber [zieht] die Liebe [an], die das Band der Vollkommenheit ist. (Kol 3,12-14)

Hier gilt es besonders, das seelische Eigenleben in den Tod zu geben, konsequent Vergebung zu üben, zu segnen und für den Bruder, die Schwester zu beten, die uns vielleicht sehr verletzt oder schlecht behandelt haben. Hier zielt Gott auf unsere eigene Selbstgerechtigkeit und Selbstsucht, die in solchen Situationen sterben muß. Wir müssen demütig anerkennen, daß wir im Grunde nicht „besser“ sind als der andere, der uns Schwierigkeiten macht. Auch wir haben alle möglichen sündigen Regungen in unserem Fleisch; auch wir haben schon andere verletzt und vor allem unserem Herrn Mühe gemacht mit unseren Sünden!

Wenn wir in zwischenmenschlichen Beziehungen fleischlich reagieren, dann ziehen wir uns verletzt zurück und verbittern, oder wir schlagen um uns und versündigen uns durch Verleumdungen oder böse Vergeltungsaktionen. Das bedeutet geistlichen Stillstand und zusätzliche Züchtigungen!

Wir müssen unseren Hochmut fahren lassen und anerkennen, daß Gott diese schmerzlichen Erfahrungen zugelassen hat, und daß wir solche demütigenden Lektionen brauchen! „Es ist gut für mich, daß ich gedemütigt wurde, damit ich deine Anweisungen lerne“ (Ps 119,71). Genau diese Anerkenntnis der Tatsache, daß Gott all das zu unserer Erziehung zugelassen hat, ist ein Schlüssel dafür, daß wir in solchen Situationen geistlich reifen. „… denn von mir aus ist diese Sache geschehen!“ (2Chr 11,4). „Wir wissen aber, daß denen, die Gott lieben, alle Dinge zum Besten dienen, denen, die nach dem Vorsatz berufen sind“ (Röm 8,28).

Die bewußte geistliche Einordnung und Unterordnung in den Beziehungen des Lebens, im persönlichen Bereich der Ehe und Familie sowie des Berufes und besonders auch in der geistlichen Gemeinschaft einer biblischen Ortsgemeinde sind ganz wichtige Erziehungs- und Bewährungsfelder. Wenn wir hier Lektionen überspringen und Gott aus der Schule laufen, dann erleiden wir geistlichen Schaden, und unsere Reifung wird blockiert. Wenn wir aber die Lektionen lernen, die Gott hier für uns bereitet hat, dann kann Er uns weiterführen, zubereiten und gebrauchen.

 
 
 

Heiligung und bewußte Ganzhingabe

 

Einen letzten Punkt will ich noch nennen – es gäbe gewiß noch manches zu sagen und zu erwägen, aber ich möchte und muß mich beschränken. Wir können nicht wirklich zu geistlichem Wachstum und Fruchtbarkeit kommen, wenn wir als Gläubige uns nicht heiligen für Gott und uns Ihm ganz und uneingeschränkt weihen und zur Verfügung stellen.

Die Weltförmigkeit und eigensüchtige Ichhaftigkeit ist gewiß das größte Hindernis für geistliche Reife und Gesinnung unter uns heutigen Christen im westlichen „Abendland“. Unser großer Wohlstand und die Selbstentfaltungsmöglichkeiten in unserer Gesellschaft machen uns geistlich arm; die Anpassung an die Welt im Denken und Handeln vieler Christen beraubt Gott ihres Opfers und ihrer Hingabe – in Wahrheit aber beraubt es diese Gläubigen noch viel mehr.

Wie nötig haben wir gerade heute die Ermahnung aus Röm 12,1-2:

Ich ermahne euch nun, ihr Brüder, angesichts der Barmherzigkeit Gottes, daß ihr eure Leiber darbringt als ein lebendiges, heiliges, Gott wohlgefälliges Opfer: das sei euer vernünftiger Gottesdienst! Und paßt euch nicht diesem Weltlauf an, sondern laßt euch [in eurem Wesen] verwandeln durch die Erneuerung eures Sinnes, damit ihr prüfen könnt, was der gute und wohlgefällige und vollkommene Wille Gottes ist.

Gott sucht bei uns die bewußte, vollständige Hingabe unseres Lebens, unseres Leibes und Geistes, unserer Zeit und Kraft an Ihn; das ist das einzige Opfer, mit dem wir auf Seine Dahingabe Seines Sohnes für uns angemessen reagieren können – aus Liebe und Dankbarkeit für die Erlösungstat Jesu Christi. Eine solche Hingabe ist nicht irgendein Werk „höherer Frömmigkeit“, nein, es ist der selbstverständliche Schritt, den wir alle schon bei unserer Bekehrung hätten vollziehen müssen – oder vollzogen und danach wieder zurückgenommen haben.

Diese Ganzhingabe ist zugleich eine wesentliche Voraussetzung für ein wirklich geisterfülltes, fruchtbringendes Leben und für echte Reife im Glauben. Und sie öffnet uns den Genuß geistlicher Segnungen in der Gemeinschaft mit unserem Herrn, von dem uns unsere eigensüchtige Selbstverwirklichung fernhält.

Solche Hingabe muß aber verbunden sein mit einer echten Heiligung von Leib, Seele und Geist und mit dem Ablegen der Weltförmigkeit in unserem Denken und Handeln; daran erinnert uns der 2. Vers. Viele westlichen Christen haben sich viel zu sehr an diese Welt angepaßt, man kann auch sagen: die gleiche äußere Gestalt angenommen wie die Menschen dieser Welt.

Das innere Wesen und die Stellung ist heilig; wir sind Kinder Gottes, nicht von der Welt – wie kann es da sein, daß man im äußerlichen Verhalten und Lebensstil kaum noch Unterschiede zu den Ungläubigen sieht? Solche Weltförmigkeit im Beruf, in der Kleidung, dem Fernsehkonsum, in der Freizeitgestaltung und dem Konsumverhalten übt einen zerstörerischen, lähmenden Einfluß auf unser geistliches Leben aus! Vergessen wir nie die Mahnungen aus der Schrift:

Ihr Ehebrecher und Ehebrecherinnen, wißt ihr nicht, daß die Freundschaft mit der Welt Feindschaft gegen Gott ist? Wer also ein Freund der Welt sein will, der macht sich zum Feind Gottes! (Jak 4,4)

Habt nicht lieb die Welt, noch was in der Welt ist! Wenn jemand die Welt lieb hat, so ist die Liebe des Vaters nicht in ihm. Denn alles, was in der Welt ist, die Fleischeslust, die Augenlust und der Hochmut des Lebens, ist nicht von dem Vater, sondern von der Welt. Und die Welt vergeht und ihre Lust; wer aber den Willen Gottes tut, der bleibt in Ewigkeit. (1Joh 2,15-17)

Wenn wir uns in aller Nüchternheit und Bewußtheit dafür entscheiden, mit unserer Eigensucht und Verweltlichung zu brechen, unser Eigenleben auf den Altar Gottes zu legen und uns Christus und Seiner Herrschaft ganz zu unterwerfen, dann gewinnt unser Glaubensleben wieder Kraft und Innigkeit, und der Herr kann uns gebrauchen und innerlich weiterführen, damit wir „hinwachsen in allen Stücken zu ihm hin, der das Haupt ist, Christus“ (Eph 4,15). 

 
* * *
 
Zum Abschluß unserer Betrachtung möchte ich uns noch einmal das Vorbild des Paulus vor Augen stellen, der als reifer Christ und Diener Jesu Christi wenige Jahre vor seinem Heimgehen im Philipperbrief ein Bekenntnis seiner geistlichen Erfahrungen und Überzeugungen niedergeschrieben hat, das uns allen Ansporn sein darf:

Aber was mir Gewinn war, das habe ich um des Christus willen für Schaden geachtet; ja, wahrlich, ich achte alles für Schaden gegenüber der alles übertreffenden Erkenntnis Christi Jesu, meines Herrn, um dessentwillen ich alles eingebüßt habe; und ich achte es für Dreck, damit ich Christus gewinne und in ihm erfunden werde, indem ich nicht meine eigene Gerechtigkeit habe, die aus dem Gesetz kommt, sondern die durch den Glauben an Christus, die Gerechtigkeit aus Gott aufgrund des Glaubens, um Ihn zu erkennen und die Kraft seiner Auferstehung und die Gemeinschaft seiner Leiden, indem ich seinem Tod gleichförmig werde, damit ich zur Auferstehung aus den Toten gelange.

Nicht daß ich es schon erlangt hätte oder schon vollendet wäre; ich jage aber danach, daß ich das auch ergreife, wofür ich von Christus Jesus ergriffen worden bin. Brüder, ich halte mich selbst nicht dafür, daß ich es ergriffen habe; eines aber [tue ich]: Ich vergesse, was dahinten ist, und strecke mich aus nach dem, was vor mir liegt, und jage auf das Ziel zu, den Kampfpreis der himmlischen Berufung Gottes in Christus Jesus. Laßt uns alle, die wir gereift sind, so gesinnt sein; und wenn ihr über etwas anders denkt, so wird euch Gott auch das offenbaren. (Phil 3,7-15)

Möge unser gnädiger Gott und Vater uns eine solche Gesinnung und geistliche Reife schenken! Möge Er in uns das Verlangen wecken, zu einem tragfähigen, gereiften Menschen in Christus heranzuwachsen, damit der Herr Jesus Christus, unser wunderbarer Erlöser und Herr, mit uns zu Seinem Ziel kommt und sich durch unser Leben verherrlichen kann!

 
 
 
 
Dieser Beitrag ist ein gekürzter Auszug aus der ausführlicheren Schrift von Rudolf Ebertshäuser Geistliche Reife im Glaubensleben. Eine biblische Ermutigung zu geistlichem Wachstum
 
 

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Weiterführende Literatur

Rudolf Ebertshäuser, Christus – unsere Heiligung. Eine biblische Ermutigung zu einem geheiligten Leben für Gott. Steffisburg (Edition Nehemia)  2011BBÂ##@ S.

Rudolf Ebertshäuser, Auf dem Weg zur geistlichen Reife. Biblische Hilfen für unser geistliches Wachstum. Steffisburg (Edition Nehemia)  2010BB“ S.

 

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