In den evangelikalen Kreisen breitet sich immer mehr das liberal-ökumenische „Soziale Evangelium“ aus, nachdem es angeblich Gottes Wille sei, die Menschen schon hier und jetzt aus Armut und Unterdrückung zu erretten und mitten in dieser Welt Frieden und Gerechtigkeit auszubreiten. Die Aufgabe der Gemeinde bestehe demnach darin, sich mit den Armen zu solidarisieren, den Menschen soziale Gerechtigkeit zu bringen und dafür auch politisch aktiv zu kämpfen. Besonders die „Micha-Initiative“ hat sich die Verkündigung dieser irreführenden Botschaft zum Ziel gesetzt.
Die Bibel lehrt uns jedoch, daß die Gemeinde keinerlei politischen Auftrag hat, hier und jetzt Gerechtigkeit und Frieden in die Welt zu bringen, was angesichts der Sündigkeit der Menschen und der Gottfeindlichkeit dieser bösen Welt auch gar nicht möglich ist. Wirkliche Gerechtigkeit und Frieden kann nur der Messias selbst, der verherrlichte Herr Jesus Christus bringen, wenn Er vom Himmel her kommt, um Gericht an der Welt zu üben und Sein Reich aufzurichten. Das „Soziale Evangelium“ ist in diesem Sinne ein falsches Evangelium, das niemanden rettet und unter dem Fluch steht (Gal 1,6-9).
Doch die Verführung der Gemeinde zum sozialpolitischen Engagement gewinnt immer mehr Einfluß und Gewicht unter den Evangelikalen und rückt sie immer näher an die Positionen des Ökumenischen Weltrates der Kirchen, der dieses falsche Evangelium schon seit Jahrzehnten massiv verficht. In diesem Zusammenhang ist es nicht unwichtig, daß auch die römische Kirche verstärkt diese unbiblische Botschaft von der „Solidarität mit den Armen“ aufgreift.
Für die römisch-katholische Kirche ist das Soziale Evangelium nichts Neues. Das ihm zugrundeliegende Verständnis eines „Gottesreiches“, das von der Kirche in der Welt allmählich ausgebreitet wird, kann bis zu ihrem „Kirchenvater“ Augustinus zurückgeführt werden. Die katholische Kirche wollte schon immer „transformierend“ auf die Welt einwirken; im 19. und 20. Jahrhundert hat sie dafür eine ausführliche Soziallehre entwickelt, in der auch die Gedanken der „Solidarität mit den Armen“ nicht fehlen. Im 20. Jahrhundert ging die marxistische Irrlehre der „Befreiungstheologie“, die nachher die Linksevangelikalen stark beeinflußte, von katholischen Theologen aus. Die Führung wies zwar die Extreme dieser Strömung zurück, aber eine „gemäßigte“ Fassung der Befreiungstheologie hatte in ihren Reihen weiterhin Raum.
Es ist nun auffällig, wie betont der neue Papst aus Lateinamerika bei seinen Plänen für eine „Erneuerung der Kirche“ das soziale Thema in den Vordergrund stellt. Hier finden wir ein Echo der uns schon vertrauten falschen Lehren der Evangelikalen (die natürlich ihrerseits zumindest indirekt von Gedankengut der römischen Kirche beeinflußt sind). Wir wollen hier einfach einige Abschnitte aus dem neuen Apostolischen Schreiben des Papstes Franziskus I. Evangelii Gaudium zitieren:
Einen himmlischen Vater zu bekennen, der jeden einzelnen Menschen unendlich liebt, schließt die Entdeckung ein, dass er »ihm dadurch unendliche Würde verleiht«[141]. Bekennen, dass der Sohn Gottes unser menschliches Fleisch angenommen hat, bedeutet, dass jeder Mensch bis zum Herzen Gottes erhöht worden ist. Bekennen, dass Jesus sein Blut für uns vergossen hat, hindert uns, auch nur den kleinsten Zweifel an der grenzenlosen Liebe zu bewahren, die jeden Menschen adelt. Seine Erlösung hat eine soziale Bedeutung, denn »Gott erlöst in Christus nicht nur die Einzelperson, sondern auch die sozialen Beziehungen zwischen den Menschen«[142]
180. Aus einer Lektüre der Schrift geht außerdem klar hervor, dass das Angebot des Evangeliums nicht nur in einer persönlichen Beziehung zu Gott besteht. Und unsere Antwort der Liebe dürfte auch nicht als eine bloße Summe kleiner persönlicher Gesten gegenüber irgendeinem Notleidenden verstanden werden; das könnte eine Art „Nächstenliebe à la carte“ sein, eine Reihe von Taten, die nur darauf ausgerichtet sind, das eigene Gewissen zu beruhigen. Das Angebot ist das Reich Gottes (vgl. Lk 4,43); es geht darum, Gott zu lieben, der in der Welt herrscht. In dem Maß, in dem er unter uns herrschen kann, wird das Gesellschaftsleben für alle ein Raum der Brüderlichkeit, der Gerechtigkeit, des Friedens und der Würde sein.
182. (…) Man kann nicht mehr behaupten, die Religion müsse sich auf den Privatbereich beschränken und sie existiere nur, um die Seelen auf den Himmel vorzubereiten. Wir wissen, dass Gott das Glück seiner Kinder, obwohl sie zur ewigen Fülle berufen sind, auch auf dieser Erde wünscht, denn er hat alles erschaffen, »damit sie sich daran freuen können« (1 Tim 6,17), damit alle sich daran freuen können. Daraus folgt, dass die christliche Umkehr verlangt, »besonders […] all das zu überprüfen, was das Sozialwesen ausmacht und zur Erlangung des Allgemeinwohls beiträgt«.[149]
183. (…) Ein authentischer Glaube – der niemals bequem und individualistisch ist – schließt immer den tiefen Wunsch ein, die Welt zu verändern, Werte zu übermitteln, nach unserer Erdenwanderung etwas Besseres zu hinterlassen. Wir lieben diesen herrlichen Planeten, auf den Gott uns gesetzt hat, und wir lieben die Menschheit, die ihn bewohnt, mit all ihren Dramen und ihren Mühen, mit ihrem Streben und ihren Hoffnungen, mit ihren Werten und ihren Schwächen. Die Erde ist unser gemeinsames Haus, und wir sind alle Brüder.
187. Jeder Christ und jede Gemeinschaft ist berufen, Werkzeug Gottes für die Befreiung und die Förderung der Armen zu sein, so dass sie sich vollkommen in die Gesellschaft einfügen können; das setzt voraus, dass wir gefügig sind und aufmerksam, um den Schrei des Armen zu hören und ihm zu Hilfe zu kommen.
202. Die Notwendigkeit, die strukturellen Ursachen der Armut zu beheben, kann nicht warten, nicht nur wegen eines pragmatischen Erfordernisses, Ergebnisse zu erzielen und die Gesellschaft zu ordnen, sondern um sie von einer Krankheit zu heilen, die sie anfällig und unwürdig werden lässt und sie nur in neue Krisen führen kann. Die Hilfsprojekte, die einigen dringlichen Erfordernissen begegnen, sollten nur als provisorische Maßnahmen angesehen werden. Solange die Probleme der Armen nicht von der Wurzel her gelöst werden, indem man auf die absolute Autonomie der Märkte und der Finanzspekulation verzichtet und die strukturellen Ursachen der Ungleichverteilung der Einkünfte in Angriff nimmt,[173] werden sich die Probleme der Welt nicht lösen und kann letztlich überhaupt kein Problem gelöst werden. Die Ungleichverteilung der Einkünfte ist die Wurzel der sozialen Übel.
(http://www.vatican.va/holy_father/francesco/apost_exhortations/documents/papa-francesco_esortazione-ap_20131124_evangelii-gaudium_ge.html)
Insgesamt muß man den aufsehenerregenden Beginn der Amtszeit des neuen Papstes Franziskus I. als eine Sympathieoffensive der römischen Weltkirche deuten, die mit neuen Methoden versucht, sich ein demütiges und fortschrittliches Image zu verschaffen. Mit der für Rom eher ungewohnten massiven Betonung „progressiver“ sozialpolitischer Anliegen versucht man nicht nur das Kirchenvolk aus den Ländern der „Dritten Welt“ neu an sich zu binden, sondern die Verkündigung des Sozialen Evangeliums durch den neuen Papst bildet auch eine nützliche Brücke zu der ökumenischen Weltbewegung und zu den Evangelikalen.
In der Forderung nach „christlicher Weltveränderung“ sind sich die drei einflußreichsten Blöcke der äußerlichen Namenschristenheit nunmehr erstaunlich einig, und es ist zu erwarten, daß diese verführerische Sicht, die geradezu zu gemeinsame Aktionen einlädt, in einer weiteren Förderung der Einheitsbestrebungen äußert, an deren Ende die große babylonische Weltkirche stehen wird.
Rudolf Ebertshäuser das-wort-der-wahrheit.de 27. 1. 2014
Dieser Artikel enthält Auszüge aus dem Buch Soll die Gemeinde die Welt verändern?, das sich mit der Ausbreitung des Sozialen Evangeliums unter den Evangelikalen beschäftigt.
Zu diesem Beitrag können Sie auf unserer Webseite folgende Schriften herunterladen:
Ökumene – wohin führt die Einheit aller Namenschristen?
Weiterführende Literatur:
Rudolf Ebertshäuser: Zerstörerisches Wachstum. Wie falsche Missionslehren und verweltlichte Gemeindebewegungen die Evangelikalen unterwandern. Steffisburg (Edition Nehemia) 3. Aufl. 2015; gebunden, 544 S.
Rudolf Ebertshäuser: Soll die Gemeinde die Welt verändern? Das „Soziale Evangelium“ erobert die Evangelikalen. Steffisburg (Edition Nehemia) 2014, Taschenbuch, 276 S.
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