Wir wollen hier in aller Kürze einige Gedanken über das Gebet als Waffe in unseren geistlichen Kämpfen niederschreiben. Das ist ein sehr weites Feld voller kostbarer Früchte, und ich kann nur hoffen, wenigstens einige davon zu ernten und zu Erbauung unserer Leser weiterzugeben. Das tue ich in dem Bewußtsein, daß ich selbst auf diesem Gebiet noch viel zu lernen habe und nur soviel weitergeben kann, wie ich selbst schon in Gottes „Gebetsschule“ verstanden habe. Ich will es dennoch wagen, in der Hoffnung, daß dies bei aller Begrenztheit und Unvollkommenheit meiner Einsichten dennoch eine Hilfe für manche Leser sein kann.

Alle geistlichen Dienste und Werke können nur Frucht wirken, wenn sie durch den Geist Gottes geleitet und angetrieben werden und wenn sie auf das unsichtbare Wirken des allmächtigen Gottes in der Himmelswelt vertrauen statt auf eigene Kraft und Fleischeswirken. Das Bewußtsein der Untauglichkeit unserer menschlichen Kräfte angesichts der geistlichen Natur unseres Dienstes und unserer Kämpfe treibt den Gläubigen in Christus ins Gebet. Wir brauchen in unserem Dienst und Kampf allezeit den Beistand und Schutz unseres Vaters im Himmel, die Überwindermacht und Hilfe unseres verherrlichten Herrn Jesus Christus, die Führung und Kraftausrüstung durch den Heiligen Geist. All dies bekommen wir als Antwort auf unser Gebet.

Als von neuem gezeugte Kinder Gottes – und nur für solche schreibe ich meine Hinweise – ist das Gebet für uns der grundlegendste und alltägliche Ausdruck unseres geistlichen Lebens. Kein Kind Gottes kann auch nur einen Tag ohne Gebet auskommen, eigentlich nicht einmal einige Stunden, weil wir beständig in Verbindung mit unserem verherrlichten Herrn und Erlöser und mit unserem großen Gott und Vater im Himmel sein müssen, um als Gottesmenschen in einer feindlichen, finsteren Welt überleben zu können. Das innere Leben des Geistes in uns verlangt nach Gemeinschaft mit Gott, nach Bitten, um Schutz zu empfangen und unsere Mängel auszufüllen, aber auch nach Dank und Anbetung.

Als Kinder Gottes haben wir ja den Heiligen Geist in uns wohnen, und durch den Geist wohnt auch Christus in uns, und durch Christus auch der Vater (vgl. Joh 17,21-26; 14,14,23). Und dennoch erhalten wir, was wir an geistlichem Beistand brauchen, nicht einfach automatisch und haben diese Geisteswirkungen auch nicht zu unserer eigenen Verfügung, sondern Gott will es so, daß wir darum bitten und Er uns als Antwort auf unser Gebet all das gewährt, was wir brauchen. Wir sind nur irdene Gefäße, und unsere eigene Schwachheit und Abhängigkeit von Gott dient dazu, daß Gott verherrlicht wird und wir demütig bleiben.

Es gibt keine Gemeinschaft mit Gott ohne Gebet, so wie umgekehrt auch das Hören auf Gottes Wort auch grundlegend für die Gemeinschaft eines Gotteskindes mit Gott ist. Wie gesagt, das Thema „Gebet“ ist so weitläufig und tiefgründig, daß ich hier keineswegs beanspruchen möchte, über das Gebet im Allgemeinen zu schreiben; das haben andere vielfach getan.[1] Hier soll es um unser Gebetsleben in den geistlichen Kämpfen der Endzeit gehen. Wir wollen uns die Frage stellen: Wie können und sollen wir beten, um angesichts der Anfechtungen und Widerstände unserer Zeit unseren Glaubensweg und unseren Dienst siegreich zu bestehen?

Dabei möchte ich über drei Aspekte oder Arten von Gebet sprechen, die alle in unserem geistlichen Leben eine wichtige Rolle spielen, wobei ich die Betonung besonders auf die zweite Art legen möchte, das kämpferische, siegreiche Gebet.

 

 

1.  Die Bitten der Kinder Gottes zum Vater

 

Die grundlegendste, einfachste Art des Gebets ist das Bitten des begnadigten Kindes zu Gott, seinem himmlischen Vater. Dieses Gebet beginnt schon in der ersten Stunde der Neugeburt aus dem Geist; es steht in Beziehung zu dem ersten Stadium des geistlichen Wachstums, dem kleinen Kind (vgl. 1Joh 2,12-14). Es ist schon dem unmündigen Kindlein, dem neugeborenen Gotteskind möglich und angemessen, aber es begleitet uns bis ins Erwachsenenalter des Glaubens und bleibt allezeit wichtig.

 

Das bittende Gebet als Ausdruck unserer Abhängigkeit von Gott

 

Gebet ist immer der Ausdruck vertrauensvoller Abhängigkeit von dem großen, ewigen Gott. Wir sind als Kinder Gottes in uns selbst unfähig und kraftlos und können von uns aus nichts tun:

Ich bin der Weinstock, ihr seid die Reben. Wer in mir bleibt und ich in ihm, der bringt viel Frucht; denn getrennt von mir (od. ohne mich) könnt ihr nichts tun. (…) Wenn ihr in mir bleibt und meine Worte in euch bleiben, so werdet ihr bitten, was ihr wollt, und es wird euch zuteilwerden. (Joh 15,5-7)

Der ewige Gott, der durch Jesus Christus unser himmlischer Vater geworden ist, kann alles tun; Ihm, dem Allerhöchsten und Allmächtigen, sind alle Dinge möglich. „Bei den Menschen ist dies unmöglich; aber bei Gott sind alle Dinge möglich“ (Mt 19,26). So wendet sich der Glaube des Kindes Gottes an den allmächtigen Vater und bittet. Als Kinder Gottes erbitten wir Schutz und Versorgung und Hilfe; wir bitten um alle guten Gaben von unserem himmlischen Vater im Wissen um Seine große Güte und Fürsorge (vgl. Mt 7,11; Jak 1,5-8.17). Wir dürfen unseren Gott und Vater in kindlicher Zuversicht und völligem Vertrauen um all das bitten, was wir benötigen und was Er uns verheißt, in der festen Erwartung, es auch zu empfangen.

Der kindliche Glaube aber wächst und geht weiter; je mehr der Christ reift, desto mutiger und umfassender wird er in seinen Gebeten. Wenn er gelernt hat, Gott zu dienen, dann erbittet er von Ihm geistliche Güter und Segnungen für den Dienst, bittet um das übernatürliche Eingreifen Gottes zugunsten Seiner Sache, bittet für andere Menschen, Ungläubige und Gläubige, bittet um die Dinge, die bei den Menschen unmöglich sind, bittet um Gnade und Kraft, um Weisheit und geöffnete Türen, um gebahnte Wege und veränderte Herzen – und die Zusage ist uns gegeben: wer bittet, der empfängt.

Bittet, so wird euch gegeben; sucht, so werdet ihr finden; klopft an, so wird euch aufgetan! Denn jeder, der bittet, empfängt; und wer sucht, der findet; und wer anklopft, dem wird aufgetan. Oder ist unter euch ein Mensch, der, wenn sein Sohn ihn um Brot bittet, ihm einen Stein gibt, und, wenn er um einen Fisch bittet, ihm eine Schlange gibt? Wenn nun ihr, die ihr böse seid, euren Kindern gute Gaben zu geben versteht, wie viel mehr wird euer Vater im Himmel denen Gutes geben, die ihn bitten! (Mt 7,7-11)

So ist die Bitte die einfachste, grundlegendste Art des Gebets, die uns aber immer durch unser ganzes Leben begleiten wird, die kindliche Bitte des begnadigten Menschengeschöpfes, das zum geliebten Kind geworden ist, an den himmlischen Vater. Es ist ein Gebet in Schwachheit und Niedrigkeit, in Beugung und Demut, ein ernstliches Bitten und Flehen zu Gott um des Erlösers Jesu Christi willen.

Solches Bitten richtet sich je nach Anlaß auch zu unserem liebenden Herrn und Hirten Jesus Christus, dem Sohn Gottes, der zu unseren Gunsten eingreift und handelt nach Seinen Zusagen. Jedes Gebet, das wir an den Herrn Jesus richten, ist durch Ihn auch an den Vater gerichtet, der in Christus ist und Christus in Ihm (Joh 17,21; 14,10), wie unser Herr gesagt hat: „Ich und der Vater sind eins“ (Joh 10,30). Manche Gebete richten wir instinktiv eher an den Herrn Jesus, andere an den Vater, so wie der Geist uns leitet.

In diesem Sinne kann man wohl sagen, daß das Bitten im Namen Jesu Christi auch bedeutet, bei unseren Bitten Ihn selbst anzurufen, den verherrlichten Sohn Gottes, und die Verheißung ist, daß Er handeln wird auf unser Gebet in Seinem Namen hin:

Jesus spricht zu ihm: So lange Zeit bin ich bei euch, und du hast mich noch nicht erkannt, Philippus? Wer mich gesehen hat, der hat den Vater gesehen. Wie kannst du da sagen: Zeige uns den Vater? Glaubst du nicht, daß ich im Vater bin und der Vater in mir ist? Die Worte, die ich zu euch rede, rede ich nicht aus mir selbst; und der Vater, der in mir wohnt, der tut die Werke. Glaubt mir, daß ich im Vater bin und der Vater in mir ist; wenn nicht, so glaubt mir doch um der Werke willen!

Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Wer an mich glaubt, der wird die Werke auch tun, die ich tue, und wird größere als diese tun, weil ich zu meinem Vater gehe. Und alles, was ihr bitten werdet in meinem Namen, das will ich tun, damit der Vater verherrlicht wird in dem Sohn. Wenn ihr etwas bitten werdet in meinem Namen, so werde ich es tun. (Joh 14,9-14)

 

Das Gebet im Namen Jesu Christi

 

Das Gebet im Namen des Herrn Jesus Christus – wie tief und unergründlich ist dieser Gegenstand, und wie wenig sind die meisten von uns darin eingedrungen! Auch ich muß das von mir bekennen und kann nur einiges andeuten, was ich hoffentlich über diesen wunderbaren Gegenstand lernen durfte. Unser Herr sprach im Johannesevangelium über dieses Thema, als Er den Jüngern ankündigte, daß Er in Bälde zurück in den Himmel gehen würde, nachdem Er Sein Werk am Kreuz vollendet hätte. Dann wären sie ohne Ihn auf der Erde, und doch nicht – denn Er sprach von dem Heiligen Geist, der dann in ihnen Wohnung nehmen würde.

In diesem Zusammenhang lehrt Er sie über das Gebet in Seinem Namen, das die herrlichsten Verheißungen beinhaltet. Dann würden sie in Christus sein und bleiben können, und Christus würde durch Seinen Geist in ihnen sein und durch Seinen Geist in ihnen beten. Allen von neuem geborenen Kindern Gottes steht dieses Gebet im Namen Jesu Christi offen, es ist Ihr Geburtsrecht; und doch können wir die Dimensionen dieses Gebets nicht leicht erfassen oder gar ausschöpfen.

„Im Namen Jesu Christi beten“ bedeutet nach meiner Erkenntnis zuallererst: durch Seinen Namen und durch Sein Rettungswerk, aufgrund Seines Namens zu beten,[2] der uns den Himmel und den Zugang zu Gottes Thron aufschließt. Durch das vollkommene Sühnopfer und die Auferstehung des Herrn Jesus sind wir alle zu Gerechten und Geheiligten geworden, zu Versöhnten und Geliebten, die das herrliche Vorrecht geschenkt bekommen haben, dem ewigen Gott mit ihren Bitten und ihrer Anbetung zu nahen, Zugang zum Allerheiligsten und zum Gnadenthron zu haben, sodaß unsere Gebete erhörlich sind, durch das Werk und die Person unseres Erlösers Jesus Christus.

Da wir nun einen großen Hohenpriester haben, der die Himmel durchschritten hat, Jesus, den Sohn Gottes, so laßt uns festhalten an dem Bekenntnis! Denn wir haben nicht einen Hohenpriester, der kein Mitleid haben könnte mit unseren Schwachheiten, sondern einen, der in allem versucht worden ist in ähnlicher Weise [wie wir], doch ohne Sünde. So laßt uns nun mit Freimütigkeit hinzutreten zum Thron der Gnade, damit wir Barmherzigkeit erlangen und Gnade finden zu rechtzeitiger Hilfe! (Hebr 4,14-16)

Wir nahen Gott durch Christus, im Namen und durch den Namen unseres göttlichen Erlösers, der für unsere Schuld bezahlt hat und nun unser großer Hoherpriester geworden ist. Dieses „durch IHN“ finden wir immer wieder in Gottes Wort:

Darin ist die Liebe Gottes zu uns geoffenbart worden, daß Gott seinen eingeborenen Sohn in die Welt gesandt hat, damit wir durch ihn leben sollen. (1Joh 4,9)

Er war zuvor ersehen vor Grundlegung der Welt, aber wurde offenbar gemacht in den letzten Zeiten um euretwillen, die ihr durch ihn an Gott glaubt, der ihn aus den Toten auferweckt und ihm Herrlichkeit gegeben hat, damit euer Glaube und eure Hoffnung auf Gott gerichtet seien. (1Pt 1,20-21)

Und er kam und verkündigte Frieden euch, den Fernen, und den Nahen; denn durch ihn haben wir beide den Zutritt zu dem Vater in einem Geist. (Eph 2,17-18)

Daher kann er auch diejenigen vollkommen erretten, die durch ihn zu Gott kommen, weil er für immer lebt, um für sie einzutreten. (Hebr 7,25)

Durch ihn laßt uns nun Gott beständig ein Opfer des Lobes darbringen, das ist die Frucht der Lippen, die seinen Namen bekennen! (Hebr 13,15)

Und was immer ihr tut in Wort oder Werk, das tut alles im Namen des Herrn Jesus und dankt Gott, dem Vater, durch ihn. (Kol 3,17)

Wenn wir im Namen Jesu Christi und durch Ihn zu Gott, unserem Vater, kommen und Ihn im Gebet anrufen, dann ist der volle Wohlgeruch des vollkommenen Sühnopfers Jesu Christi wirksam für uns und macht uns angenehm, wohlannehmbar in dem Geliebten (vgl. Eph 1,6 ELB Fn; Röm 15,16; Offb 8,3-4).

Zugleich zeigt uns dieses „in meinem Namen“ auch an, daß wir als solche, die In Christus sind und in denen Christus ist, auch im Auftrag und in der Autorität des Herrn Jesus, des Sohnes Gottes beten dürfen; „denn gleichwie Er ist, so sind auch wir in dieser Welt“ (1Joh 4,17). Dazu möchten wir weiter unten noch mehr sagen.

 

Gottes Gnade als Grundlage unseres Betens

 

Die Grundlage für alles Gebet und für alle Gebetserhörung ist Gottes Gnade, Seine Huld und Herabneigung zu uns schwachen, irrenden Menschenkindern. Nicht unser Eifer, unsere Verdienste, unsere Gerechtigkeit machen unsere Gebete wohlannehmbar, sondern letztlich Gottes Gnade, die in dem für uns vergossenen Opferblut Jesu Christi offenbar wird, das jetzt auf dem Gnadenthron gesprengt ist und für uns spricht. Und dazu kommt noch der lebendige, verherrlichte Hohepriester Jesus Christus, der beständig für uns eintritt (Hebr 7,25-28; Röm 8,34).

Dieses Opferblut reinigt auch unsere Gewissen, sodaß wir dem heiligen Gott freimütig und zuversichtlich nahen können. Durch das vollkommene Sühnopfer des Sohnes Gottes ein für allemal gerechtfertigt und geheiligt und vollkommen gemacht (vgl. Hebr 10,10-14), können wir zuversichtlich zu unserem himmlischen Vater kommen, ohne Verklagung fürchten zu müssen (1Joh 3,19-22).

Der Verkläger will uns immer wieder vom Gebet und der Gemeinschaft mit Gott abhalten, indem er uns zur Sünde verführt und darin festhalten will; wir aber dürfen uns beständig durch des Blut des Lammes reinigen lassen und erst recht Gottes Angesicht suchen, wenn wir versucht und angefochten werden oder gar in Sünde gefallen sind.

Da wir nun, ihr Brüder, kraft des Blutes Jesu Freimütigkeit haben zum Eingang in das Heiligtum, den er uns eingeweiht hat als neuen und lebendigen Weg durch den Vorhang hindurch, das heißt, durch sein Fleisch, und da wir einen großen Priester über das Haus Gottes haben, so laßt uns hinzutreten mit wahrhaftigem Herzen, in völliger Gewißheit des Glaubens, durch Besprengung der Herzen los vom bösen Gewissen und am Leib gewaschen mit reinem Wasser. (Hebr 10,19-22)

Diese Reinigung ist allerdings auch abhängig von uns – wenn wir gesündigt haben, so müssen wir unverzüglich darüber Buße tun und die Sünde vor Gott bekennen, wovon 1. Johannes 1 spricht.

Wenn wir sagen, daß wir Gemeinschaft mit ihm haben, und doch in der Finsternis wandeln, so lügen wir und tun nicht die Wahrheit; wenn wir aber im Licht wandeln, wie er im Licht ist, so haben wir Gemeinschaft miteinander, und das Blut Jesu Christi, seines Sohnes, reinigt uns von aller Sünde. Wenn wir sagen, daß wir keine Sünde haben, so verführen wir uns selbst, und die Wahrheit ist nicht in uns. Wenn wir aber unsere Sünden bekennen, so ist er treu und gerecht, daß er uns die Sünden vergibt und uns reinigt von aller Ungerechtigkeit. (1Joh 1,6-9)

Wenn wir in Sünde verharren, ohne uns reinigen zu lassen, dann ist der Zugang zu Gott im Gebet gehindert oder gar zeitweise versperrt, denn Sünde hindert die Erhörung unserer Gebete (vgl. Ps 66,18; Jes 59,1-2). Beständiges Bekenntnis und Wandel im Licht sichert uns ein reines Gewissen (1Tim 1,5.19; 3,9; 2Tim 1,3; Apg 24,16) und somit den freien Zugang zu Gott im Gebet (vgl. Ps 32,1-6; Hebr 10,22).

All unser Gebet ist daher vor Gott nur wohlgefällig und annehmbar durch Seinen Sohn Jesus Christus und um Seines Sühnopfers willen. Alle unsere Gebete geschehen durch Ihn und sind „Gott wohlgefällig durch Jesus Christus“ (vgl. 1Pt 2,5), um Seinetwillen, der sich für uns hingab und uns erlöst hat. Zugleich sind unsere Gebete erhörlich, weil sie durch den Heiligen Geist geleitet und gelenkt werden, der in uns wohnt und uns anleitet (vgl. Röm 8,26-27), nach dem Willen Gottes zu beten (vgl. 1Joh 5,14-15). Rechtes Gebet ist Gebet im Geist, in der Kraft des Geistes und unter der Leitung des Geistes Gottes (vgl. Eph 6,18; Jud 1,20; Joh 4,24).

 

 

Gottes Wesen und das Gebet

 

Das Gesagte berührt tiefere Fragen nach dem Wesen des Gebets, Fragen, die wir nur ansatzweise beantworten können. Weshalb möchte der allmächtige, allwissende Gott, daß Seine Kinder Ihn im Gebet anrufen? Er könnte uns doch alles geben, ohne daß wir Ihn darum bitten (vgl. Mt 6,8). Können wir Ihn, den Ewigen, etwa dazu bewegen, etwas zu tun, was Er nicht ohnehin wollte?

Haben wir Menschen es in der Hand, Gottes Arm zu lenken, wie es manche Christen sagen? Ist er gar von unseren Gebeten abhängig, wir es etwa Charismatiker behaupten? Manchen Gläubigen mögen diese Fragen schon bewegt haben. Nicht immer finden wir eine einfache, auf der Hand liegende Antwort auf solche Fragen. Manche Dinge sind einfach Geheimnisse, die uns Gott nicht geoffenbart hat, die wir erst in der Ewigkeit recht verstehen werden.

Eine zentrale Dimension des Gebets ist, daß es ein tiefer Ausdruck unserer geistlichen Beziehung zu dem Allmächtigen ist. Schon die Beter des Alten Bundes wandten sich an Gott, weil Er der Gott ist, der Ihnen Gnade erwiesen, sie erwählt und berufen hatte, mit dem sie in einem Bund standen. Wir als Gläubige des Neuen Bundes stehen im Grunde auf einem viel höheren, erhabeneren Boden, was unsere Beziehung zu dem allmächtigen Schöpfergott betrifft.

Wir sind durch das Erlösungswerk des Sohnes Kinder Gottes geworden; der lebendige Gott ist unser Vater geworden. Unser Vater im Himmel, der ewige, allmächtige Gott, freut sich, die Gebete Seiner geliebten Kinder zu erhören und das Erbetene um des Herrn Jesus willen zu geben, weil er uns erwählt und berufen hat und uns liebt.

Ein wichtiger Gedanke, den wir schon erwähnt haben, ist damit verbunden, daß wir als erlöste Gläubige unsere Gebete durch Jesus Christus und aufgrund Seines Namens an Gott richten. Wir beten gewissermaßen auf Erden stellvertretend für den Herrn Jesus Christus, der unsere Gebete im Himmel bekräftigt und sich mit ihnen einsmacht, wenn wir in Seinem Geist und nach Seinem Wort und Willen beten. Einem solchen Gebet ist die Erhörung garantiert. Wir beten in seinem Namen, d.h. in Seinem Auftrag, „stellvertretend für Christus“ (vgl. 2Kor 5,20).

Dabei ist es ein tiefes Geheimnis, daß Gott Sein souveränes Wirken aus dem Himmel in gewisser Weise mit den Bitten von erlösten Menschen auf der Erde verknüpft. Gewiß könnte Er Seinen Willen auch ohne Zutun von Menschen durchführen, denn Er ist allmächtig, und Ihm ist nichts unmöglich. Aber Er will auf die Gebete der gläubigen Menschen hin handeln.

Es ginge zu weit, wenn man sagen würde, daß Gott sich grundsätzlich von unseren Gebeten abhängig machen würde oder nur das täte, was Menschen von Ihm erbitten. Doch unsere Gebete bewirken Sein Eingreifen vom Himmel her, das ist gewiß, weil Er es uns in der Bibel vielfältig zugesagt und gezeigt hat. Gott ist ein Gott, der uns hört, ein Gott, der Gebet erhört! „Du erhörst Gebet; darum kommt alles Fleisch zu dir“ (Ps 65,3). Das gilt sogar für Sünder, die in ihrer Not zu Gott schreien – wieviel mehr für Seine geliebten Kinder!

 

Gott verherrlicht sich durch unser Gebet

 

Auf jeden Fall dient das gnädige Erhören unserer Gebete der Verherrlichung des großen Gottes. Wenn begnadigte Menschen, die doch so klein, ohnmächtig und schwach sind in einer bösen, feindlichen Welt, ihre Stimme und ihr Flehen zu ihrem Gott erheben, um Ihn anzurufen und von Ihm Dinge zu erbitten, die sie für ihr Leben und ihren Dienst auf Erden benötigen, dann wird Gott durch ihre Abhängigkeit von Ihm und durch ihr Vertrauen, das sie in Ihn setzen, verherrlicht. Seine Barmherzigkeit und Gnade bewegt Ihn, einzugreifen und das Erbetene zu gewähren. Durch Sein übernatürliches Eingreifen verherrlicht sich Gott, und der Dank und das Lob der Gläubigen verherrlicht Ihn auch (vgl. 2Kor 1,11; 9,11-15).

Auf einer höheren Ebene können wir sagen: Alles erhörliche Gebet kommt letztlich von Gott selbst, der die Seinem Willen entsprechenden Anliegen durch Seinen Geist in das Herz Seiner erlösten Kinder auf der Erde gibt. Die von neuem geborenen Gottesmenschen lassen diese von Gott durch den Geist eingegebenen Anliegen dann im Glauben, der auch vom Geist gewirkt ist, wieder vor Gott aufsteigen, indem sie sich mit dem Anliegen Gottes ganz einsmachen und es als ihre Bitte und Anruf vor den Allherrscher des Universums bringen.

Dennoch sind die Beter, die begnadigten, geliebten Menschen auf der Erde keineswegs einfache Sprechmaschinen, Lautsprecher, die bloß weitergeben würden, was ihnen eingegeben wurde. Das Geheimnis liegt darin, daß Gott uns Menschen durch Seinen Geist bewegt, die göttlichen Anliegen ganz zu unseren zu machen und gerade aus der Stellung der Schwachheit und Niedrigkeit darin an den großen Gott zu appellieren. Wenn unser Herz nicht in unseren Gebeten ist, dann werden sie auch nicht erhört werden.

Doch der Appell des Glaubens aus der Ohnmacht an die göttliche Allmacht, aus der Not an die göttliche Gnade und Barmherzigkeit hat eine wunderbare Wirksamkeit, eben weil Gott die Liebe ist und voller Güte und Erbarmen. Der Beter appelliert in Demut, im Bewußtsein seiner Unfähigkeit und Nichtigkeit an die herrliche Macht Gottes, dem nichts unmöglich ist, denn er weiß: „Bei Gott sind alle Dinge möglich“ (Mt 19,26).

Würde er voller Selbstbewußtsein und Hochmut beten, so würde er nicht erhört, denn „Gott widersteht dem Hochmütigen, dem Demütigen aber gibt er Gnade“ (1Pt 5,5). Würde der Beter unbereinigte Schuld und Sünde mit vor Gottes Thron bringen, dann würden seine Bitten ebenfalls nicht erhört werden, denn unbereinigte Sünde und auch böse Motive beim Gebet würden die Erhörung verhindern (vgl. Jak 4,3).

Wenn aber der Beter von seiner Sünde umkehrt und sie bekennt, wenn er im Bewußtsein seines Versagens und seiner Schuld und der Gerechtigkeit von Gottes Gerichten an Gottes Gnade und Barmherzigkeit appelliert (vgl. Psalm 32; Psalm 51), dann wird er erhört, weil unser Gott ein Gott der Gnade und der Barmherzigkeit ist und Lust an der Gnade hat (vgl. Ps 103,1-18; Mi 7,18). Immer erhört Gott um Seinetwillen, um Seines Namens willen, um Seiner Gnade und Treue willen, und das verherrlicht Ihn und erniedrigt den Widersacher und macht seine Anschläge zuschanden, wie uns das Buch Hiob zeigt.

So gibt das Gebet der Gebeugten und Geringen dem herrlichen Gott eine Gelegenheit, Seine Güte und Allmacht zu offenbaren, und das ist Ihm wohlgefällig, denn Er möchte sich im Leben der Seinen verherrlichen. Es gefällt Ihm auch, auf die Bitte der Seinen hin dem Satan und den Feinden Gottes auf Erden Niederlagen zuzufügen; auch so verherrlicht Er sich (vgl. 1Mo 14,4.17.18; 1Chr 29,11.13).

 

Erhörliches Gebet

 

Der Beter ruft Gott an im Bewußtsein Seiner liebenden Fürsorge, Seiner Güte und Treue, und er wird gewiß Erhörung erleben, denn unser Gott ist voller Liebe, und er sorgt für uns (1Pt 5,7). Er ruft Gott an und beruft sich auf Gottes gnädige Zusagen und Verheißungen, und es gefällt Gott wohl, solchen Glauben an Sein Wort zu belohnen und dem Betenden Erhörung zu gewähren.

Das erhörliche Gebet des Glaubens braucht immer als seine Grundlage das Wort Gottes. Dieses Wort ist Gottes Offenbarung Seines Willens und Seiner Gedanken, hinter diesen lebendigen und wirksamen Gottesworten (Hebr 4,12) stehen die unsichtbaren geistlichen Realitäten, mit denen wir in unserem geistlichen Leben zu tun haben. Deshalb muß unser Gebet immer vom Wort Gottes und der gesunden Lehre der Bibel geleitet und geprägt sein. Zugleich sollten sich unsere Gebete auch immer bewußt auf das Wort Gottes, besonders auf seine Verheißungen und Zusagen, stützen und diese im Vertrauen vor Gott bringen, daß unser allmächtiger und treuer Gott und Vater Sein Wort wahrmacht und nach Seinem Wort handeln wird.

All unser kindliches Beten und Flehen sollte immer verbunden sein mit Lob und Dank für unseren Gott und für unseren wunderbaren Erretter Jesu Christus, der uns die Versöhnung schenkte und uns Heil und Frieden erwarb. Der Dank ist wie die Bitte Ausdruck unseres Glaubens, unserer kindlichen Beziehung des Vertrauens zu dem Allmächtigen. Unser Gebet sollte mit Danksagung gewürzt sein, sie sollte zusammen mit Lob und Anbetung als beständiger Wohlgeruch unsere Gebete begleiten (vgl. Ps 50,14-15.23; Eph 5,20; Phil 4,6; Kol 3,17; 4,21Tim 2,1; 1Thess 1,2; 5,18;).

Sorgt euch um nichts; sondern in allem laßt durch Gebet und Flehen mit Danksagung eure Anliegen vor Gott kundwerden. (Phil 4,6)

… sagt allezeit Gott, dem Vater, Dank für alles, in dem Namen unseres Herrn Jesus Christus (Eph 5,20)

Seid in allem dankbar (od.: sagt in allem Dank); denn das ist der Wille Gottes in Christus Jesus für euch. (1Thess 5,18)

Wir sagen Gott Dank für Seine Güte und Gnade und Treue; wir danken Ihm für vergangene Gebetserhörungen, aber auch dafür, daß Er in der Sache, die wir jetzt von Ihm erbitten, eingreifen und helfen wird. Das ist Ausdruck unseres Glaubens, daß Gott uns erhört und uns beisteht, ist Ausdruck der Zuversicht (Hebr 11,1) und Antwort auf das Bewußtsein der Herrlichkeit und Allmacht unseres Gottes. In diesem Sinne ist unser Lob und Dank wie ein Aufwind, der unsere Bitten vor Gott trägt.

Verbunden mit unseren Bitten und Gebeten sollte deshalb beständig Lob und Anbetung Gottes zu Gott emporsteigen. Sie sind im weiteren Sinne ein wesentlicher Bestandteil des Gebetslebens von uns Kindern Gottes, auch wenn das Gebet im engeren Sinne im Neuen Testament als Bitten verstanden wird (gr. proseuchè, deèsis).

In Lob und Anbetung erheben wir uns von den unmittelbaren Anliegen auf eine höhere Ebene, richten unseren Glaubensblick auf Gott aus, auf unseren Herrn Jesus, auf Seine Taten und Verheißungen, auf Sein wunderbares Wesen, wobei der Lobpreis vielleicht mehr mit den Taten zu tun hat und die Anbetung sich mit Gottes Wesen und Person selbst beschäftigt. In Lob und Anbetung erfüllen wir unsere höchste Berufung, denn Gott sucht Anbeter.[3]

 

[1] Hier möchte ich nur auf einige Werke verweisen, die für mich selbst hilfreich waren, ohne daß ich den Verfassern in allem folgen könnte, was sie schrieben: Anonym: Der kniende Christ; B. Peters, Lehre uns beten; John R. Rice: Bitten und empfangen; L. A. T. Van Dooren: Gebet – lebensnotwendiges Atmen; H. E. Alexander, Der Siegesweg; Bounds, E. M.: Kraft durch Gebet; Spurgeon, C. H.: Betet ohne Unterlaß. Gedanken und Predigten über das Reden mit Gott (Bibliographische Angaben in den Literaturhinweisen am Ende).

[2] Die Präposition en tò onomati mou, „in“ meinem Namen, kann auch übersetzt werden: „durch“ meinen Namen (instrumentale Bedeutung).

[3] Hier möchte ich auf mein Buch verweisen: Der priesterliche Auftrag der Gemeinde und seine endzeitliche Gefährdung (Steffisburg: Edition Nehemia 2016), das sich mit dem priesterlichen Dienst der Anbetung ausführlich beschäftigt; wertvoll ist dazu auch B. Peters: Lasst uns anbeten!.

 

 

Dieser Beitrag ist ein Auszug aus der Schrift von Rudolf Ebertshäuser: Gebet und geistlicher Kampf. Hinweise für Gläubige, die dem Herrn dienen wollen. Diese Schrift kann hier als PDF heruntergeladen werden.

 

 

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