Dominik Klenk (Hrsg.): Lieber Bruder in Rom! Ein evangelischer Brief an den Papst. Knaur Verlag 2011, Taschenbuch, 160 S.

 

Es war auch einiges an cleverer Selbstdarstellung und umsatzwirksamer Nutzung eines großen Ereignisses bei diesem Buchprojekt im Spiel: Rechtzeitig vor dem breit in den Medien herausgestellten Besuch von Papst Benedikt XVI. in Deutschland brachte der weltliche Knaur Verlag ein Taschenbuch heraus, das von einem als „evangelikal“ geltenden Herausgeber zusammengestellt wurde und den Titel trägt: „Lieber Bruder in Rom! Ein evangelischer Brief an den Papst“.
 
Das Buch enthält 18 Briefe evangelischer Verfasser an Papst Benedikt, in dem sie ihre Wünsche an das Oberhaupt der römischen Kirche zum Ausdruck bringen. Neun dieser evangelischen Autoren kann man dem evangelikalen Lager zuordnen, die anderen sind zumeist Theologen und Funktionsträger in der evangelischen Kirchenwelt.

Was nun die Sprecher des Evangelikalismus in ihren Briefen vorbringen, ist schon eine Betrachtung wert, denn es wirft ein Licht auf die zunehmende Auflösung biblischer Grundlagen und Überzeugungen in dieser Bewegung und zeigt, wie weit sie sich schon für die römische Falschreligion und die Irrlehren der katholischen Kirche geöffnet hat (in Klammer finden sich Seitenangaben zu den Zitaten).

Zunächst wollen wir den Beitrag Ulrich Parzanys betrachten, der mit Abstand der bekannteste im Buch vertretene Evangelikale ist. Wie seine Kollegen redet er den Papst als seinen „Bruder“ an: „Sehr geehrter, lieber Bruder Benedikt“. Schon darin zeigt sich die heutige Vernebelung und Verführung im evangelikalen Lager. Die Reformatoren wußten noch, daß die Päpste Feinde des Evangeliums waren und sind. Sie sind als höchste Vertreter der römischen Kirche die Führer einer heidnischen, antichristlichen Religion, dem mit dem biblischen Christusglauben nichts zu tun hat. Sie sind als angemaßte „Stellvertreter Christi auf Erden“ in der Tat „Antichristen“, weil sie sich anstelle des erhöhten Hauptes der Gemeinde setzen und sich anmaßen, über die Kirche zu herrschen. Wie kann Parzany einen nicht wiedergeborenen Menschen, den höchste Irrlehrer eines nur scheinchristlichen religiösen Systems, als seinen Bruder in Christus anreden?

Als nächstes schmeichelt Parzany dem Papst wegen seiner Bücher über „Jesus von Nazareth“. Er schreibt: „In Ihren Jesus-Büchern haben Sie die Autorität und Glaubwürdigkeit der Heiligen Schrift stärker betont, als das heute in den Kirchen der Reformation geschieht“ (145). Das ist nur die halbe Wahrheit. In der Tat kann man vom Papst und der römischen Kirche Stellungnahmen lesen, die sich im Vergleich zu der radikalen Bibelkritik und dem Unglauben der allermeisten protestantischen Theologen „konservativ“ anhören.

 
Und doch unterschlägt Parzany, daß in den „Jesus-Büchern“ wie auch in der ganzen katholischen Kirchenlehre von wirklicher Bibeltreue und Glauben an die Inspiration und Irrtumslosigkeit der Bibel keine Rede sein kann; die historisch-kritische Theologie wird dort durchaus bejaht, wenn auch mit gewissen Einschränkungen, und ein wirklich evangelisches Schriftverständnis, wie es die Reformatoren hatten, kann die römische Kirche niemals zulassen; nach wie vor stellt sie die Tradition der Kirche und das päpstliche Lehramt auf dieselbe Stufe wie die Autorität der Bibel.

Es ist ein Trauerspiel, wenn Parzany in bezug auf das zweite „Jesus-Buch“ des Papstes bekennt: „Ich danke Ihnen sehr herzlich für dieses große Werk. Mein Glaube an Christus und meine Freude zur Verkündigung des Evangeliums wurden durch die Lektüre gestärkt“ (145). Hier wird unterschlagen, daß Rom einen falschen Christus und ein falsches Evangelium verkündet, mit dem wir nichts gemeinsam haben können. Von solchen wahrhaft evangelischen und protestantischen Einsichten ist Parzany weit entfernt. Im Gegenteil appelliert er an den Papst, bei der Evangeliumsverkündigung mehr mitzuhelfen. Er sagt:

„Ich gestehe, ich hätte nicht gedacht, dass ich als evangelischer Christ einmal den Papst bitten würde, die Evangelisation in Europa stärker voranzutreiben. Aber nachdem die Gegner des Evangeliums keine konfessionellen Unterschiede machen, uns alle in einen Sack stecken und draufhauen, mag ich mich nicht mehr innerhalb der Christenheit durch Abgrenzung definieren. Ja, die Unterschiede in Lehren und kirchlichen Ordnungen sind beträchtlich. Ich sage nicht, dass sie belanglos sind. Aber ich bin überzeugt, dass unsere leidenschaftliche Liebe zu Jesus Christus uns stärker zusammenbindet, als die unterschiedlichen Erkenntnisse uns trennen können.“ (146).
 
Dieses Bekenntnis zu einer ökumenischen „Evangelisation“ Europas zeugt von tiefer geistlicher Verblendung bei dem wohl bekanntesten und einflußreichsten evangelikalen Verkündiger (vgl. zu Parzany auch die Schrift „Pro Christ“ oder biblische Evangelisation?). Der grundlegende Unterschied zwischen dem falschen römischen Evangelium der Sakramente und Werke und dem biblischen Evangelium der Gnade wird völlig verwischt. Der falsche römische „Jesus“ in der Oblate, der täglich neu für Sünden geopfert werden muß, wird mit dem biblischen Herrn Jesus Christus vermischt.
 
Das zeigt, wie weit Parzany selbst schon vom biblischen Evangelium abgedriftet ist. Parzany schließt mit einer Anspielung auf die von ihm aktiv geförderte Zusammenarbeit mit katholischen Gruppen (darunter glühende Marienverehrer) in der Aktion „Miteinander für Europa“ und mit einer Anspielung auf die neuen Irrlehren der Emerging Church, besonders die „narrative“ (= Geschichten erzählende) Theologie: „Wir haben auch und gerade in der postmodernen Zeit die Aufgabe, die Geschichte Gottes mit der Welt von der Schöpfung bis zur Vollendung und die großen Taten Gottes in Jesus Christus zu erzählen“ (147).

In ein ganz ähnliches Horn stößt Parzanys Nachfolger als Generalsekretär des CVJM, Roland Werner. Auch er appelliert unter dem Titel „Schalten Sie um auf Mission!“ an den Papst, mehr für die „Mission“ zu tun, wobei er den irregeleiteten Jesuiten Franz Xavier ausgiebig als Vorbild für Missionseifer hinstellt (130). Im weiteren betont Werner eine falsche Missionslehre, die in der römischen Kirche schon lange praktiziert wird: er setzt sich für die unbiblische Anpassung des Evangeliums an die Kultur und Religion der jeweiligen Völker ein („Inkulturation“). „Mission muss sich der wirklichen Bedürfnisse und Fragen der Menschen annehmen“ (133).

 
Das hört sich gut an, aber in der heutigen Missionspraxis wird unter solchen Stichworten wie „Kontextualisierung“ und „Anpassung an die Kultur“ leider zunehmend eine Anpassung auch der Botschaft des Evangeliums selbst an die anderen Religionen (die in dem „Kulturbegriff“ mit gemeint sind) praktiziert, und daraus folgend eine Vermischung zwischen „christlichen“ Elementen und Elementen heidnischer Religion.

So haben schon die falschen „Missionare“ der römischen Kirche gearbeitet, und haben etwa in Lateinamerika ein furchtbares Gemisch aus entartetem „Christentum“ und heidnischer Zauberei und Animismus hervorgebracht. Wie viele echte biblische Missionare ringen darum, Menschen aus diesem todbringenden Religionsmischmasch herauszuführen und zum rettenden biblischen Glauben zu führen – aber mehr und mehr Evangelikale befürworten genau eine solche Vermischung als neue Strategie zur Weltevangelisation!

 
Werner grenzt sich auch gegen bibeltreue Gläubige ab, wenn er „das gegenseitige Bekämpfen christlicher Kirchen, das Schlechtmachen und Ausgrenzen anderer Konfessionen und Traditionen“ verurteilt (133). Demnach dürfte auch an der römischen Kirche und ihren Irrlehren keine Kritik geübt werden. Werner jedenfalls macht sich mit ihr weitgehend eins und meint, man könne gemeinsam die Evangeliumsbotschaft in der Welt verkündigen.

Der angesehene evangelikale Theologe Werner Neuer (Lehrer am Theologischen Seminar St. Chrischona) huldigt in seinem Brief dem Papst als Lehrer der Christenheit. Nachdem er durchaus zutreffend geschildert hat, wie die humanistische Ideologie der freien Geschlechterwahl („Gender Mainstreaming“) das biblische Menschenbild total verkehrt und die Menschen irreleitet, wendet er sich an den Papst, weil hier „das Zeugnis der Kirche zutiefst herausgefordert“ sei (99/100) und bittet ihn untertänig: „In dieser Situation, wäre es hilfreich und wegweisend, wenn Sie, verehrter und lieber Bruder Benedikt, die genannten Bedrohungen des biblischen Menschenbildes beispielsweise in einem Lehrschreiben aufzeigen und das Volk Gottes und die Menschheitsfamilie ermutigen würden (-…) Ich bin davon überzeugt, dass ein solches Lehrschreiben, auch in der evangelischen Christenheit, starke Beachtung finden würde. Neuer schließt mit: „In Dankbarkeit und mit Segenwunsch für Ihren apostolischen Dienst“ (101). Hier erkennt also ein „evangelischer“ (??) Theologe die Lehrautorität des Papstes an und spricht ihm einen „apostolischen“ Dienst zu – ein Zeichen völliger geistiger Kapitulation vor den unbiblischen Ansprüchen der römischen Kirche!

Aufmerksamkeit verdient auch das Schreiben der bekannten evangelikalen „Islamexpertin“ Christine Schirrmacher. Sie appelliert an den Papst „Begegnen Sie dem Islam fröhlich (!?) offensiv“ und wünscht sich Zusammenarbeit mit Rom: „über die Konfessionen hinweg teilen Christen bei Thema Islam viele gemeinsame Anliegen“ (83). Wie selbstverständlich redet sie dann davon, daß Evangelische und Katholische „in einen fruchtbaren Dialog mit den Muslimen eintreten“ sollten (83).

 
Wie andere Evangelikale auch ist Schirrmacher offenkundig über die Ökumene auch schon bis an den Punkt abgesunken, wo sie vom interreligiösen Dialog mit Angehörigen anderer Religionen für richtig hält. Einen solchen „Dialog“ kann es aber für echte Gläubige nicht geben, weil er immer auf der Grundlage geführt wird, daß auch in den nichtchristlichen Religionen Elemente der Wahrheit sind und sie denselben Gott verehren. Beides ist nach dem Zeugnis der Bibel nicht der Fall (siehe dazu auch unsere Stellungnahme Führende Evangelikale befürworten Dialog mit dem Islam).

Eine Andeutung in ihrem Brief kann man eigentlich nur so verstehen, daß Schirrmacher wie die römische Kirche davon ausgeht, daß Christen und Muslime denselben Gott verehren: „Auch hat Ihre Kirche bereits mit dem II. Vatikanischen Konzil die Frage nach dem ‚einen Gott’ gestellt, als viele Menschen in Europa vom Islam nur sehr wenig wussten“ (84).

 
Auf dem II. Vatikanischen Konzil war in der Erklärung „Nostra Aetate“ die Grundlage für einen Vereinigung der Weltreligionen im Sinne der weltweiten Hure Babylon gelegt worden. Die römische Kirche erkannte darin an, daß die nichtchristlichen Religionen auch Elemente der Wahrheit und Gottesverehrung enthielten und insbesondere die Muslime auch den einen Gott verehrten. Es sieht ganz so aus, als würde Schirrmacher diesen völlig unbiblischen Standpunkt billigen. Ihren Brief schließt sie mit den irreführenden Worten „Im Glauben an Jesus Christus verbunden, grüßt Sie herzlich“.

Auch die übrigen Beiträge des Buches zeugen vom geistlichen Tiefstand und der Verführung unter den heutigen Evangelikalen. Der Gründer der „Jesus-Freaks“ Martin Dreyer geht so weit, den Papst in seinem unterwürfig-verehrenden Brief „Heiliger Vater“ (39) zu nennen – trotz Matthäus 23,9. Ansonsten ist sein Brief von unverhohlener Selbstdarstellung und plumper Werbung für seine Bibelverfälschung „Volxbibel“ geprägt. Der Vorstandsvorsitzende von „World Vision“ Deutschland, Christoph Waffenschmidt, will den Papst in eine Kampagne gegen „Armut, Hunger, Krankheit, Unterdrückung und Konflikte“ mit einspannen (78) und macht sich damit für das falsche „soziale Evangelium“ stark, für das die römische Kirche durchaus offen ist.

 
Es ist recht fragwürdig, daß trotz der Enthüllungen über die schlimmen Zustände und die mystischen Verirrungen bei den „Marienschwestern“ (vgl. das Buch „Wenn Mauern fallen“) die leitende „Schwester Joela“ eine Stimme in diesem Buch bekommt, um sich für Israel einzusetzen (109). Die charismatische Pfarrerin Astrid Eichler macht Werbung für den Zölibat, den sie aber gerne als freiwillige Möglichkeit in der römischen Kirche sähe. Der Herausgeber Dominik Klenk, Prior der ökumenischen Kommunität „Offensive Junger Christen“, klagt über die zunehmende Hast und Hetze unseres Lebens und wünscht sich vom Papst Impulse zur Stille aus der römischen Mystik und Liturgie für die Evangelischen.

Das Buch ist ein weiteres Symptom dafür, wie offen einflußreiche Evangelikale heute die ökumenische Zusammenarbeit mit der römischen Kirche anstreben und dabei eine Führungsrolle des Papstes willig akzeptieren. Während liberale Protestanten gelegentlich im Vorfeld des Papstbesuches auch Kritisches von sich gaben, waren die Stellungnahmen der führenden Evangelikalen, auch in idea spektrum, fast einhellig positiv für den römischen Machthaber. In ihrem Streben nach Gehör bei der Welt und religiöser Anerkennung hoffen sie, daß etwas von dem trügerischen Glanz und dem Einfluß der römischen Kirche auf sie abfärben könnte.

Für die echten bibeltreuen Gläubigen dagegen ist es ein fundamentaler Grundsatz unseres geistlichen Weges, daß wir uns von der römischen Kirche und allen Bestrebungen zu einer unbiblischen Zusammenarbeit oder gar Vereinigung mit ihr fernhalten. Wer die römische Kirche und ihre verderbenbringenden Irrlehren verharmlost oder annimmt, der verführt und zerstört die wahre Gemeinde, die nur in der Absonderung von der Hure Babylon ihren Weg nach Gottes Willen gehen kann. „Geht hinaus von ihnen und sondert euch ab, spricht der Herr, und rührt nichts Unreines an!“ (2Kor 6,17). „Geht hinaus aus ihr, mein Volk, damit ihr nicht ihrer Sünden teilhaftig werdet und damit ihr nicht von ihren Plagen empfangt!“ (Offb 18,4).

 
 
Rudolf Ebertshäuser    das-wort-der-wahrheit.de   10. 10. 2011
 
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Die Ökumenebestrebungen in der Endzeitchristenheit

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