Biblische Leitlinien angesichts der Corona-Krise und vermehrter staatlicher Einschränkungen

 

III. Die Gemeinde Gottes und ihr Verhältnis zur weltlichen Obrigkeit

 

Wir haben gesehen, daß die Gemeinde Gottes eigentlich eine himmlische Stellung und Berufung hat, und demgemäß auch ein himmlisches Bürgerrecht. Geistlich gesehen hat uns diese Welt nichts zu sagen, hat auch nicht über uns zu bestimmen, weil wir Söhne des allmächtigen Gottes sind, der über Himmel und Erde regiert (vgl. Röm 8,14-17; 2Tim 2,11-12; Mt 17,25-26).

Und doch sind wir berufen, in dieser Welt zu leben und uns unter die ungerechten und verkehrten Verhältnisse zu stellen, die in dieser Welt herrschen. Wir sind berufen, einmal unter Christus als Könige (oder eher Prinzregenten) die Welt zu regieren (vgl. 1Kor 6,2; Offb 5,10; 2,26-27; 3,21), aber in der jetzigen Weltzeit ist es Gottes Wille, daß wir uns als priesterliches Eigentumsvolk und als Zeugen des Evangeliums bewußt einordnen und unterordnen unter die herrschenden Verhältnisse in dieser Welt, ohne uns von ihr versklaven oder an unserem Auftrag hindern zu lassen.

Das Verhältnis der Gemeinde Gottes zu den Obrigkeiten dieser Weltzeit hat zwei Seiten. Die eine wird in der Lehre von Römer 13 ausgeführt, die letztlich besagt: „Ordnet euch der weltlichen Obrigkeit unter!“, und die andere in Apostelgeschichte 5, wo uns der Grundsatz geoffenbart wird: „Man muß Gott mehr gehorchen als den Menschen!“. Beide Aussagen spielen eine wichtige Rolle, damit wir unseren Weg durch die sich zuspitzenden endzeitlichen Entwicklungen und konkret auch in der „Corona-Krise“ richtig finden können.

 

 

1. Die Lehre von Römer 13: Ordnet euch der Obrigkeit unter

 

Alle bewußten Bibelleser wissen, daß der Anfang von Römer 13 zentrale Aussagen über das Verhältnis des Christen zur Obrigkeit enthält. „Jedermann sei untertan der Obrigkeit“, wie Luther übersetzt, ist als Stichwort den allermeisten bekannt. Und doch ist es wichtig, daß wir diesen Lehrabschnitt sehr sorgfältig lesen und den geistlichen Zusammenhang mit der Gesamtlehre der Schrift beachten, damit wir nicht zu falschen Schlußfolgerungen kommen.

In der Vergangenheit hat eine falsche, überzogene Auslegung dieser Bibelstelle manche gläubigen Christen dazu verleitet, sich bedingungslos und geistlich blind einer gottlosen und bösen Obrigkeit zu unterwerfen, die sich anmaßte, den Gottesdienst und das Glaubensgut der heiligen Gemeinde zu reglementieren und nach ihren Vorstellungen umzumodeln. Das geschah unter der Hitler-Diktatur ebenso wie unter den kommunistischen Regimes von Lenin, Stalin und Mao Tsetung, und daraus müssen bibeltreue Christen die Lektion ziehen, daß wir ein ausgewogenes Verständnis dieser Schriftstelle gewinnen müssen, um uns nicht durch falsche Unterwerfung unter die Herrschenden an Gott zu versündigen.

Auf der anderen Seite hat eine unnüchterne und aufrührerische Mißachtung der Lehren von Römer 13 in der Geschichte der Christenheit auch mehrfach zu schlimmen Entgleisungen geführt, indem Christen sich verführen ließen, bewaffnete Aufstände gegen die Obrigkeit anzuzetteln oder sich an gewaltsamen politischen Protesten oder gar Bürgerkriegen weltlicher Gruppierungen zu beteiligen, um eine unliebsame Obrigkeit loszuwerden. Die Hugenottenkriege, die blutig niedergeschlagenen Camisardenaufstände oder auch die schlimmen Exzesse der Sektierer von Münster, die gewaltsam eine Art „Gottesreich auf Erden“ errichten wollten (1534-35), geben Zeugnis davon, wie gefährlich es sein kann, wenn wir die Aussagen von Römer 13 mißachten.

Was wir also brauchen, ist eine ausgewogene Lehre über die Beziehungen der einzelnen Gläubigen wie auch der Gemeinde Gottes zur irdischen Obrigkeit, und das wollen wir im folgenden versuchen darzustellen.

 

Die Aussagen von Römer 13 unter der Lupe

Wir wollen zunächst den Lehrabschnitt des Neuen Testaments näher betrachten, der Grundlegendes über unser Verhältnis als gläubige Christen zur Obrigkeit aussagt, und das ist der bekannte erste Abschnitt des 13. Kapitels im Brief an die Römer.

Jedermann (w. Jede Seele) ordne sich den Obrigkeiten unter, die über ihn gesetzt sind; denn es gibt keine Obrigkeit, die nicht von Gott wäre; die bestehenden Obrigkeiten aber sind von Gott eingesetzt. Wer sich also gegen die Obrigkeit auflehnt, der widersetzt sich der Ordnung Gottes; die sich aber widersetzen, ziehen sich selbst die Verurteilung zu.

Denn die Herrscher sind nicht wegen guter Werke zu fürchten, sondern wegen böser. Wenn du dich also vor der Obrigkeit nicht fürchten willst, so tue das Gute, dann wirst du Lob von ihr empfangen! Denn sie ist Gottes Dienerin, zu deinem Besten. Tust du aber Böses, so fürchte dich! Denn sie trägt das Schwert nicht umsonst; Gottes Dienerin ist sie, eine Rächerin zum Zorngericht an dem, der das Böse tut.

Darum ist es notwendig, sich unterzuordnen, nicht allein um des Zorngerichts, sondern auch um des Gewissens willen. Deshalb zahlt ihr ja auch Steuern; denn sie sind Gottes Diener, die eben dazu beständig tätig sind. So gebt nun jedermann, was ihr schuldig seid: Steuer, dem die Steuer, Zoll, dem der Zoll, Furcht, dem die Furcht, Ehre, dem die Ehre gebührt. (Röm 13,1-7)

Zum besseren Verständnis wollen wir diesen Abschnitt noch in einer wörtlicheren Übersetzung mit Hinweis auf einzelne Grundtextwörter wiedergeben:

1  Jede Seele möge sich unterordnen (hypo-tassò Imperativ Passiv = sich unterordnen) den Obrigkeiten (exousiais = Autoritäten, staatliche Mächte, Amtsgewalten, Herrscher, Obrigkeiten), die über ihm sind (hyper-echò = emporragen, überragen), denn es gibt keine Obrigkeit als nur von Gott; die Obrigkeiten aber, die bestehen, sind von Gott eingesetzt (tassò Partizip Perfekt Passiv = angeordnet, eingesetzt, beordert, bestimmt).

2  Wer sich daher der Obrigkeit entgegenstellt (anti-tassò Medium = sich widersetzen, sich auflehnen, sich entgegenstellen), der widersetzt sich (ant-histamai = sich entgegenstellen, widersetzen) der Anordnung (dia-tagè = Befehl, Anordnung, Verordnung) Gottes; diejenigen, die sich aber widersetzen, werden sich selbst ein Gericht (krima = Anklage, Verurteilung, Strafe, Gericht) zuziehen.

3  Denn die Regierenden (archontes = Herrscher, Regierender, Gebieter, Beamter, Statthalter) sind nicht zu fürchten (phobos = Schrecken, Furcht) wegen guter Werke, sondern wegen böser. Wenn du dich also vor der Obrigkeit nicht fürchten willst, so tue das Gute (to agathon = das Gute, Edle, Rechtschaffene), und du wirst Lob von ihr empfangen!

4  Denn sie ist Gottes Diener (diakonos = Diener, Gehilfe), dir zum Besten. Wenn du aber Böses tust, dann fürchte dich, dann sie trägt das Schwert nicht vergeblich. Sie ist ja Gottes Diener, ein Rächer zum Zorngericht (orgè = Zorn, Zorngericht) für den, der das Böse tut.

5  Deshalb besteht die Notwendigkeit (anangkè = Zwang, Notwendigkeit), sich unterzuordnen (hypo-tassò = sich unterordnen), nicht nur wegen des Zorngerichts, sondern auch wegen des Gewissens (syn-eidèsis = Mitwissen, Bewußtsein, Gewissen).

6  Deshalb bezahlt ihr ja auch Abgaben (phoros = „das Dargebrachte“, Steuer, Zoll, Abgabe), denn sie sind Gottes Bedienstete (leitourgos = Staatsdiener, öffentlicher Diener, Bediensteter), die eben zu diesem Zweck unablässig tätig sind (pros-kartereò Partizip = bei etwas beharren, andauernd auf etwas bedacht sein, unablässig tätig sein).

7  Gebt deshalb allen die Dinge, die ihr schuldig seid (opheilè Plural = das Schuldige, die Verpflichtung): Steuer (phoros), dem die Steuer, Zoll (telos), dem der Zoll, Furcht (phobos = Furcht, auch Ehrfurcht, Respekt), dem die Furcht, Ehre (timè = Ehre, Wertschätzung), dem die Ehre gebührt.

 

Der Zusammenhang der Aussagen von Römer 13

Was lehrt uns der Apostel Paulus in diesem Abschnitt? Zunächst wollen wir festhalten: Diese Ermahnungen sind an die einzelnen Gläubigen gerichtet, nicht ausdrücklich an örtliche Gemeinden. Diesen Unterschied sollten wir beachten, wir kommen später darauf zurück. Hier geht es um die Pflicht der Gläubigen als Staatsbürger eines weltlichen Reiches.

Vom Zusammenhang mit Römer 12 her geht es darum, daß auch dann, wenn die Staatsgewalt, wie das damals häufig der Fall war, die Gläubigen verfolgte und ihnen Böses antat, sie nicht zu Aufständen oder gewaltsamem Widerstand gegen die Regierenden greifen durften. Das ergibt sich aus den unmittelbar davorstehenden Versen:

Vergeltet niemand Böses mit Bösem! Seid auf das bedacht, was in den Augen aller Menschen gut ist. Ist es möglich, soviel an euch liegt, so haltet mit allen Menschen Frieden. Rächt euch nicht selbst, Geliebte, sondern gebt Raum dem Zorn [Gottes]; denn es steht geschrieben: »Mein ist die Rache; ich will vergelten, spricht der Herr«. »Wenn nun dein Feind Hunger hat, so gib ihm zu essen; wenn er Durst hat, dann gib ihm zu trinken! Wenn du das tust, wirst du feurige Kohlen auf sein Haupt sammeln.« Laß dich nicht vom Bösen überwinden, sondern überwinde das Böse durch das Gute! (Röm 12,17-21)

Also auch im Falle gewaltsamer Übergriffe durch Bevölkerungsgruppen oder Staatsvertreter haben die Kinder Gottes nicht das Recht, sich gewaltsam zu wehren oder gegen die Obrigkeit aufzubegehren. Sie sollen sich den über ihnen gesetzten Autoritäten unterordnen, insoweit und weil sie eine von Gott selbst bestimmte Ordnungsfunktion in der menschlichen Gemeinschaft ausüben. Sie dürfen nicht zum Schwert greifen, um ihre Sache zu verteidigen oder zu fördern: „Rächt euch nicht selbst, Geliebte, sondern gebt Raum dem Zorn [Gottes]“, denn es gilt: „alle, die zum Schwert greifen, werden durch das Schwert umkommen!“ (Mt 26,52).

Der Apostel Paulus stellt ohne genauere Begründung fest, daß alle Obrigkeit (jede Autorität / staatliche Macht) von Gott angeordnet und eingesetzt ist, und zwar, um diejenigen zu richten, die Böses tun, und die zu schützen, die Gutes tun. Unter „Obrigkeit“ sind ganz offenkundig in erster Linie die Vertreter der Exekutive, der ausübenden Staatsgewalt, zu verstehen. Es ist sicher nicht biblisch ausgewogen, wenn manche Ausleger hier meinen, heute sei damit das Grundgesetz oder gar das Volk als theoretischer „Souverän“ einer Demokratie gemeint. Nein, es geht um die, welche die tatsächliche Macht ausüben, um die Regierenden also.

Das geht auch aus der parallelen Aufforderung im 1. Petrusbrief hervor: „Ordnet euch deshalb aller menschlichen Ordnung unter um des Herrn willen, es sei dem König als dem Oberhaupt oder den Statthaltern als seinen Gesandten zur Bestrafung der Übeltäter und zum Lob derer, die Gutes tun.“ (1Pt 2,13-14). Dort werden also die Amtsautoritäten genannt, diejenigen, die Anordnungen treffen und die Regierungsgeschäfte führen – das wären in unseren heutigen Verhältnissen die Vertreter der Exekutive vom Bundeskanzler bis zum Bürgermeister.

Es ist aber auch deutlich, daß es in diesem Abschnitt nicht um eine absolute, bedingungslose „Unterwerfung“ unter alle Anordnungen der Obrigkeit geht. Mehrfach in Römer 13 und dann auch später in 1. Petrus 2 wird die „ordnungspolitische“ Aufgabe der Obrigkeit hervorgehoben, das Gute zu fördern und das Böse zu bestrafen. Das ist ihre von Gott gegebene Pflicht, und hierin sollten die Gläubigen, obwohl sie gar nicht zu diesem Weltsystem gehören, die Obrigkeit unterstützen und ihren Anweisungen gehorchen, weil dies Gottes Auftrag an sie ist.

 

Die ergänzenden Aussagen von 1. Petrus 3 und Titus 3

Wir wollen den wichtigen Abschnitt aus dem 1. Petrusbrief zu unserem Thema noch einmal ausführlich ansehen, damit auch der Zusammenhang erkennbar wird, in dem er geschrieben wurde.

Ihr aber seid ein auserwähltes Geschlecht, ein königliches Priestertum, ein heiliges Volk, ein Volk des Eigentums, damit ihr die Tugenden dessen verkündet, der euch aus der Finsternis berufen hat zu seinem wunderbaren Licht — euch, die ihr einst nicht ein Volk wart, jetzt aber Gottes Volk seid, und einst nicht begnadigt wart, jetzt aber begnadigt seid.

Geliebte, ich ermahne euch als Gäste und Fremdlinge: Enthaltet euch der fleischlichen Begierden, die gegen die Seele streiten; und führt einen guten Wandel unter den Heiden, damit sie da, wo sie euch als Übeltäter verleumden, doch aufgrund der guten Werke, die sie gesehen haben, Gott preisen am Tag der Untersuchung.

Ordnet euch deshalb aller menschlichen Ordnung unter um des Herrn willen, es sei dem König als dem Oberhaupt oder den Statthaltern als seinen Gesandten zur Bestrafung der Übeltäter und zum Lob derer, die Gutes tun. Denn das ist der Wille Gottes, daß ihr durch Gutestun die Unwissenheit der unverständigen Menschen zum Schweigen bringt; als Freie, und nicht als solche, die die Freiheit als Deckmantel für die Bosheit benutzen, sondern als Knechte Gottes. Erweist jedermann Achtung, liebt die Bruderschaft, fürchtet Gott, ehrt den König!

Ihr Hausknechte, ordnet euch in aller Furcht euren Herren unter, nicht nur den guten und milden, sondern auch den verkehrten! Denn das ist Gnade, wenn jemand aus Gewissenhaftigkeit gegenüber Gott Kränkungen erträgt, indem er zu Unrecht leidet. (1Pt 2,9-19)

Als drittes Zeugnis zu unserem Thema können wir den Titusbrief anführen, in dem es ebenfalls um die rechte Haltung der einzelnen Gläubigen gegenüber den Regierenden geht:

Erinnere sie, daß sie sich den Regierenden und Obrigkeiten unterordnen und gehorsam sind, zu jedem guten Werk bereit; daß sie niemand verlästern, nicht streitsüchtig sind, sondern gütig, indem sie allen Menschen gegenüber alle Sanftmut erweisen. (Tit 3,1-2)

Auch in diesen beiden Schriftstellen gilt es den Zusammenhang zu beachten. Es geht wiederum um den einzelnen Christen, nicht um die Gemeinde. Der Gläubige ist einerseits Himmelsbürger (Phil 3,20), Glied des heiligen Eigentumsvolks des HERRN und in geistlicher Hinsicht der Macht dieser Welt enthoben; er steht, geistlich gesehen, unter der direkten Herrschaft Gottes und des Herrn Jesus Christus, der unser Oberhaupt ist. In diesem geistlichen Sinn ist er nicht Teil dieses Weltsystems und auch den Machthabern dieser Welt nicht mehr unterworfen; das ist ja auch der geistliche Zusammenhang des Prinzips „Man muß Gott mehr gehorchen als den Menschen“, das wir später genauer ansehen werden.

Wir sind keine geängsteten, versklavten Untertanen der Welt, sondern in Christus Söhne des lebendigen Gottes, Erben des Reiches Gottes und künftige Prinzregenten. Wir können den Großen der Welt, wenn es Anlaß dazu gibt, mit Würde gegenübertreten als Boten des Allmächtigen, wie wir es auch an einem Daniel und einem Paulus sehen. Gerade deshalb brauchen wir als Christen die Ermahnung, uns dennoch in bestimmten Rahmen der weltlichen Obrigkeit unterzuordnen.

Denn der Gläubige ist jetzt noch nicht vollendet in seiner Sohnesstellung (vgl. Röm 8,14-23); solange er auf Erden lebt, ist er immer noch als Fremdling (d.h. Bürger eines anderen Landes, der nur als Gast in dieser Welt weilt und dort kein Bürgerrecht hat) Teil der menschlichen Gesellschaft, in die er hineingestellt ist. Er hat nach Gottes Willen Teil an den Rechten und Pflichten, die ihm die politisch-weltliche Gemeinschaft gibt. Er kann und soll in ihr Gutes tun, Positives zum Gemeinschaftsleben beitragen, soweit dies in seiner Kraft und seinen Möglichkeiten steht. Das dient den Mitmenschen zum Zeugnis für das Evangelium. Aber er hat sich abzusondern von allem bösen Treiben dieser Gesellschaft, das widergöttlich ist, also den Geboten Gottes widerspricht.

 

Die Unterordnung unter die Obrigkeit ist bedingt und begrenzt

Die Unterordnung unter die Obrigkeit ist also für das Kind Gottes keine absolute, bedingungslose, sondern eine bedingte, relative. Das sehen wir gut an der parallelen Anweisung für die Hausknechte in 1. Petrus 2. Die Hausdiener sollten sich ihren Herrn unterordnen, soweit deren Befugnisse galten, d.h. in bezug auf ihre Arbeit. Sie durften keinesfalls irgendwelchen unmoralischen Anweisungen und Wünschen dieser Herren folgen, soweit diese den Geboten Gottes widersprachen, und waren auch nicht verpflichtet, z.B. in religiösen Dingen den Anweisungen der Herren sklavisch zu gehorchen.

Römer 13 weist also den einzelnen Christen an, daß er den Anordnungen der Obrigkeit gehorcht, die ihren von Gott gegebenen Auftrag betreffen, das Gute zu schützen und das Böse zu strafen. Das heißt konkret auf heute bezogen: Der Gläubige ist nach Gottes Willen verpflichtet, die Gesetze und Verordnungen der Obrigkeit in bezug auf Strafrecht und Gewerberecht, Steuern, Krankenversicherungspflicht, Bauordnung, Straßenverkehrsordnung, Brandschutz usw. einzuhalten, weil die Obrigkeit in diesem Bereich in Gottes Auftrag handelt.

Er soll alle angeordneten Regeln der Gemeinschaft einhalten, soweit sie nicht Gottes Geboten und Gottes Willen widersprechen. Nur wenn das der Fall sein sollte, hat er vor Gott das Recht, bestimmte Anweisungen nicht zu befolgen, muß dann aber still die Konsequenzen (Strafen seitens der Obrigkeit) tragen. Auch die Steuern hat er zu bezahlen, obgleich sie ihm vielleicht zu hoch erscheinen und das Geld mit Sicherheit auch für ungute Zwecke ausgegeben wird. Wenn eine Obrigkeit ihren von Gott gegebenen Ordnungsauftrag schlecht ausführt, ist das kein Grund zur Auflehnung, sondern eine solche unfähige, schwache oder korrupte Regierung müssen die Christen als Gericht Gottes mit tragen, sich mit darunterstellen und für sie beten.

Wenn er sich den legitimen Anweisungen der Obrigkeit nicht unterordnet, dann ist nicht nur der Gehorsam gegen die menschlichen Autoritäten verletzt, sondern auch die Beziehung zu Gott; deshalb sollen wir uns auch „um des Gewissens willen“ unterordnen (Röm 13,5b). Die Kinder Gottes müssen in einem solchen Fall auch eine Züchtigung von Gott fürchten, der eine eigenmächtige Widersetzlichkeit gegen die von Ihm eingesetzte Obrigkeit als Widersetzlichkeit gegen sich selbst ansieht (Röm 13,2b).

Im Licht der Lehre dieser Schriftstellen kann es keine Situation geben, in der es für Christen recht wäre, sich aktiv gegen eine böse Obrigkeit aufzulehnen oder sie stürzen zu helfen, indem sich die Christen etwa einer politischen Aufstands- oder gar Bürgerkriegsbewegung anschließen (vgl. Spr 24,21). In diesem Sinne läßt sich auch das Handeln Bonhoeffers gegen Hitler biblisch nicht rechtfertigen. Christen dürfen auch nicht in ihrem persönlichen Leben Gesetzesbruch begehen, um irgendwelche eigensüchtigen Ziele durchzusetzen. In diesem Sinne sind die Gebote in Römer 13 und 1. Petrus 2 zu verstehen.

Wer sich also gegen die Obrigkeit auflehnt, der widersetzt sich der Ordnung Gottes; die sich aber widersetzen, ziehen sich selbst die Verurteilung zu. (Röm 13,2)

Tust du aber Böses, so fürchte dich! Denn sie trägt das Schwert nicht umsonst; Gottes Dienerin ist sie, eine Rächerin zum Zorngericht an dem, der das Böse tut. Darum ist es notwendig, sich unterzuordnen, nicht allein um des Zorngerichts, sondern auch um des Gewissens willen. (Röm 13,4-5)

Denn das ist der Wille Gottes, daß ihr durch Gutestun die Unwissenheit der unverständigen Menschen zum Schweigen bringt; als Freie, und nicht als solche, die die Freiheit als Deckmantel für die Bosheit benutzen, sondern als Knechte Gottes. (1Pt 2,15-16)

Wir sollten aber hier schon festhalten, daß diese Lehre von der Unterordnung unter die weltliche Obrigkeit immer wieder auf den Bereich der menschlichen und zwischenmenschlichen Ordnung bezogen ist: „Ordnet euch deshalb aller menschlichen Ordnung unter um des Herrn willen, es sei dem König als dem Oberhaupt oder den Statthaltern als seinen Gesandten zur Bestrafung der Übeltäter und zum Lob derer, die Gutes tun (1Pt 2,13-14); „Gottes Dienerin ist sie, eine Rächerin zum Zorngericht an dem, der das Böse tut(Röm 13,4b).

Nirgends wird gesagt, wir müßten uns der menschlichen Obrigkeit in allem unterordnen, denn alle heidnische Obrigkeit hatte immer auch eine böse, widergöttliche Seite, und deshalb ist den Gläubigen die Unterordnung immer begrenzt und bedingt aufgetragen. Das gilt erst recht für die letzte Zeit, wo die Obrigkeit immer mehr offen gesetzlose, antichristliche Züge annimmt, indem sie zunehmend Böses gesetzlich legitimiert und Gutes bekämpft und bestraft.

 

 

2. Was die Bibel uns über die Obrigkeiten in dieser Weltzeit lehrt

 

Wir wollen in aller notwendigen Kürze einige Aspekte der Obrigkeit im Licht der Bibel betrachten. Gottes Wort gibt dazu sowohl im Alten wie im Neuen Testament viele wertvolle Hinweise und Belehrungen.

Wenn man die Aussagen der Bibel über die Staatsgewalt unter den Heidenvölkern zusammenfaßt, dann kann man sagen, daß alle weltliche Obrigkeit in diesem bösen Zeitalter einen Doppelcharakter trägt. Es ist sehr wichtig, daß wir beide Seiten beachten und berücksichtigen, wenn wir unser Verhältnis zu den Autoritäten dieses Weltlaufs bestimmen wollen.

 

1. Gott ist die oberste Autorität über aller menschlichen Obrigkeit

Der HERR, der ewige Schöpfergott, ist der Allherrscher, der König der Ewigkeiten, und thront hoch über allen Mächtigen der Erde. „Der HERR thront über der Wasserflut, ja, der HERR thront als König in Ewigkeit“ (Ps 29,20). „Der HERR hat seinen Thron im Himmel gegründet, und seine Königsherrschaft regiert über alles“ (Ps 103,19). „Aber der HERR ist in Wahrheit Gott; er ist der lebendige Gott und ein ewiger König. Vor seinem Zorn erbebt die Erde, und die Völker können seinen Grimm nicht ertragen“ (Jer 10,10).

Die strafende Hand Gottes gegen die Machthaber dieser Erde mußte schon der erste Weltherrscher, Nebukadnezar, erfahren, der sich allmächtig wähnt und den der HERR doch „seinen Knecht“ nennt (Dan 4,31-34; vgl. Jer 27,6). Dieselbe Erfahrung mußte auch der Pharao machen, der Mose und das Volk Israel am Auszug aus Ägypten hindern wollte (vgl. 2Mo 9,13-16; 15,1-16). Das mußte ein Sanherib erkennen, als er gegen Gott höhnte (vgl. Jes 37,14-38).

Und so erging es vielen anderen Mächtigen, seien sie aus Israel oder aus den Heidenvölkern: „Er beschneidet den Mut der Fürsten und ist furchtbar gegen die Könige auf Erden“ (Ps 76,13). „Die Herrschaft der Könige löst er auf und schlingt eine Fessel um ihre Lenden“ (Hi 12,18). „Er tut Mächtiges mit seinem Arm; er zerstreut, die hochmütig sind in der Gesinnung ihres Herzens. Er stößt die Mächtigen von ihren Thronen und erhöht die Niedrigen. Hungrige sättigt er mit Gütern, und Reiche schickt er leer fort“ (Lk 1,51-53).

Auf der anderen Seite weiß der Ewige auch die Mächtigen der Erde in Seinem Sinne zu lenken, ohne daß ihnen dies bewußt sein müßte. „Gleich Wasserbächen ist das Herz des Königs in der Hand des HERRN; er leitet es, wohin immer er will“ (Spr 21,1). Der HERR kann den Völkern auch böse, harte Könige geben als ein Gericht über sie: „Und ich will die Ägypter in die Hände eines strengen Herrn ausliefern, und ein harter König soll über sie herrschen, spricht der Herrscher, der HERR der Heerscharen“ (Jes 19,4).

 

2. Die Obrigkeit als gottgewollte Ordnungsmacht

In den oben betrachteten Bibelworten aus Römer 13 und 1. Petrus 2 wird deutlich, daß die von Gott gewollte Funktion der Obrigkeit darin besteht, eine gerechte menschliche Ordnung aufrechtzuerhalten, die Übeltäter zu bestrafen und die Täter des Guten zu fördern. Das ist die Kernaussage des Schlüsselverses in Römer 13, der erklärt, weshalb die weltliche Obrigkeit Gottes Diener ist:

Wenn du dich also vor der Obrigkeit nicht fürchten willst, so tue das Gute, dann wirst du Lob von ihr empfangen! Denn sie ist Gottes Dienerin, zu deinem Besten. Tust du aber Böses, so fürchte dich! Denn sie trägt das Schwert nicht umsonst; Gottes Dienerin ist sie, eine Rächerin zum Zorngericht an dem, der das Böse tut. (Röm 13,3b-4)

Die Aufgabe der Obrigkeit ist es also, das Gemeinwesen (konkret die Stadt, die Nation oder die Gesellschaft) zu schützen vor der bösen Willkür einzelner Menschen oder von Menschengruppen, die sonst geneigt wären, ihre Macht auszunutzen, um Schwache zu bedrücken und auszunutzen. Die Bosheit und Gesetzlosigkeit des gefallenen sündigen Menschen macht diese Schutzfunktion nötig.

Wenn die Regierenden als „Gottes Diener“ angesprochen werden, dann nicht in einem umfassenden Sinn, als würden sie ausschließlich Gott dienen oder seien in allem von Ihm geleitet. Nein, sie dienen Gott nur indirekt und unbewußt, ohne Ihn zu erkennen (vgl. Jes 45,5: „Ich habe dich gegürtet, ohne daß du mich kanntest“). Der allmächtige, allwissende Gott lenkt die Herzen der Mächtigen wie die Wasserbäche, wenn es Seinen Regierungszwecken dient (Spr 21,1), und Er gebraucht auch böse, gottlose Herrschende als eine allgemeine Ordnungsmacht.

Durch die Obrigkeit will Gott der Bosheit der Menschen bestimmte Grenzen setzen und ein gewisses Maß an Gerechtigkeit und Schutz für den Einzelnen sicherstellen. Im weiteren Sinn gehört dazu auch der Schutz vor Kriegen von außen, aber auch die gemeinschaftliche Reaktion auf Naturkatastrophen, Seuchen oder wirtschaftliche Notlagen (vgl. die Hungersnot in Ägypten). Im Positiven ist es Aufgabe des Staates, gute Rahmenbedingungen für das Gedeihen des Einzelnen wie des Gemeinwesens herzustellen, etwa durch den Bau von Straßen, Bewässerungssystemen, Schutzdämmen oder Krankenhäusern.

Insoweit die Obrigkeit diese Funktion erfüllt, ist sie Gottes Diener und erfüllt den Auftrag Gottes. Insoweit sie diese Funktion nicht erfüllt, steht sie unter dem Gericht Gottes und wird von Ihm einmal dafür zur Rechenschaft gezogen (vgl. Ps 82,1-8). Es kommt vor, daß Gott als Gericht ziemlich unfähige, korrupte, boshafte Menschen als Herrscher über ein Volk einsetzt – und doch ist eine auch nur halbwegs funktionierende Ordnungsmacht immer noch besser als schrankenloses Chaos und die Willkür verbrecherischer Banden und Clanfürsten.

Solange und insoweit eine Regierung den göttlichen Auftrag einigermaßen erfüllt, das Böse zu bestrafen und das Gute zu fördern, ist sie Gottes Diener, und das, obwohl die Regierenden persönlich schlimme Sünder und Feinde Gottes sein mögen. Das war gewiß zu der Zeit der Fall, als der Apostel Paulus dem Römerbrief schrieb, denn damals (ca. 56 n. Chr.) herrschte ziemlich sicher bereits der Kaiser Nero in Rom (von 54-68 n. Chr.), der zwar zu Anfang eher gerecht und umsichtig regierte, sich aber später zur blutigen Christenverfolgung hinreißen ließ und sich auch anderer schlimmer Sünden schuldig machte. Auch der 1. Petrusbrief (ca. 64 n. Chr.) wurde zu Neros Regierungszeit verfaßt.

Wie schrecklich es ist, ohne funktionieren Obrigkeit zu leben, kann man vor allem in Afrika oder Lateinamerika immer wieder beobachten: Raubmorde auf offener Straße, Entführungen und Geiselnahmen, allgemeine Unsicherheit, Banden beherrschen ganze Städte, Bestechlichkeit regiert, der Einzelne bekommt keinen Schutz und kein Recht, die Armen und Schwachen werden rücksichtslos bedrückt und ausgebeutet.

Die Obrigkeit ist also trotz ihrer Sündigkeit und Gottfeindlichkeit Gottes Diener, indem sie einer allgemeinen Gesetzlosigkeit und Willkürherrschaft des Bösen Grenzen setzt und so Gottes universale Oberherrschaft über diese Welt unterstützt. Gott hat diese Welt unter der Herrschaft des Satans und der Sünde gelassen, bis Er Sein universales Reich anbrechen läßt, wie es auch aus den Offenbarungen des Propheten Daniel sichtbar wird (vgl. Daniel 2 und 7). In dieser „gegenwärtigen bösen Weltzeit“ (Gal 1,4) benutzt Gott die heidnischen Regierungen, um noch eine gewisse Ordnung zu bewahren. Dort, wo die Obrigkeit das nicht mehr tut, ist es ein zusätzliches Gericht Gottes für ein Volk, und diese Herrschenden ziehen sich selbst Gottes Gericht zu.

Wenn die Regierenden sich teilweise an biblische Gebote und Ordnungen halten und eine gewisse Gottesfurcht an den Tag legen, dann bedeutet das einen realen und spürbaren Segen für die selbst und für das Volk, das sie regieren. Gott gibt ihnen dann Weisheit und Gelingen in vielem, ohne daß der allgemeine gottfeindliche Charakter dieser Welt sich dadurch ändern würde. In diesem Sinn lag einiger Segen z.B. auf den deutschen Regierungen nach 1945, bis unter der Nachwirkung der 68er-Kulturrevolution die Regierenden immer offener biblische Gebote außer Kraft setzten.

 

3. Alle Obrigkeit hat teil an der Sündhaftigkeit dieser Welt
und steht unter der Macht der Finsternis

Doch es gibt auch eine andere Seite. Nach der Lehre der Bibel ist die Obrigkeit als führender Faktor dieser Welt ihrem Wesen nach ebenso widergöttlich und sündig, böse und willkürlich wie das Wesen dieses Weltsystems insgesamt. Wenn uns der Apostel Johannes sagt, „daß die ganze Welt sich im Bösen befindet“ (1Joh 5,19), dann schließt dies natürlich die Obrigkeit ein. In aller Regel sind die Mächtigen dieses Weltzeitalters ungläubig und damit unter der Herrschaft der Finsternis (Kol 1,13). Sie sind unter der Macht des Satans, des Fürsten dieser Welt, wie dieser selbst hervorhebt (vgl. Lk 4,5-6). Auch auf die Herrschenden dieser Welt trifft zu, was die Bibel über alle sündigen Menschen sagt:

— auch euch, die ihr tot wart durch Übertretungen und Sünden, in denen ihr einst gelebt habt nach dem Lauf dieser Welt, gemäß dem Fürsten, der in der Luft herrscht, dem Geist, der jetzt in den Söhnen des Ungehorsams wirkt; unter ihnen führten auch wir alle einst unser Leben in den Begierden unseres Fleisches, indem wir den Willen des Fleisches und der Gedanken taten; und wir waren von Natur Kinder des Zorns, wie auch die anderen. (Eph 2,1-3)

Denn auch wir waren einst unverständig, ungehorsam, gingen in die Irre, dienten mannigfachen Lüsten und Vergnügungen, lebten in Bosheit und Neid, verhaßt und einander hassend. (Tit 3,3)

Die Obrigkeiten haben Anteil an der Gefallenheit und Sündhaftigkeit dieser Welt. Oftmals unterstützen sie das Unrecht, bedrücken die Armen, verüben Grausamkeiten in Krieg und Frieden, bereichern sich selbst und mißbrauchen die ihnen übergebene Macht vielfältig. Eine wirklich in Gottes Augen gerechte Obrigkeit wird es erst geben, wenn der Messias herrscht. Vor dem tausendjährigen Friedensreich gibt es keine wirklich „christliche“ Obrigkeit und kann es sie auch nicht geben. Es mag vereinzelt gläubige Christen in hohen Stellungen geben, aber sie können im Rahmen dieser Welt nicht wirklich nach biblischen Maßstäben handeln.

Viele Christen, die heute eine fast bedingungslose Unterwerfung unter die Obrigkeit befürworten, haben, so fürchte ich, die traurige Tatsache nicht nüchtern erkannt, daß die deutsche Obrigkeit von heute (und das gilt sinngemäß auch für diejenige der Schweiz und Österreichs) nicht mehr dieselbe ist wie vor 40 Jahren. Damals hatten wir im großen und ganzen eine christenfreundliche Regierung, die in vielem noch Gottes Ordnungen achtete und den Gläubigen allen nötigen Spielraum gewährte.

Heute aber nehmen die Regierungen in rasch zunehmenden Maß antichristlich geprägte Züge an. Das Alarmzeichen sollte für uns die Verabschiedung von Gesetzen sein, die die Gender-Umerziehung und die Homo-Ehe als Recht festschreiben. Je weiter diese antichristlichen Tendenzen fortschreiten (und das werden sie längerfristig unvermeidlich tun), desto größer muß die Distanz und Abgrenzung gläubiger Christen zu ihr sein – ganz vergleichbar der Situation unter dem Nationalsozialismus oder Kommunismus.

 

4. Alle Obrigkeit soll von uns Christen mit Respekt behandelt werden

Die Tatsache, daß Gott alle Obrigkeit, auch eine böse und unfähige, eingesetzt und mit einer hoheitlichen Aufgabe in Seinem Auftrag betraut hat, führt auch dazu, daß die Christen den Autoritäten, angefangen vom Lehrer über den Polizisten, den Chef im Betrieb, den Bürgermeister bis hin zum Bundespräsidenten mit Respekt und Ehrerbietung begegnen sollen. Das ist unabhängig von ihrem Charakter und ihrer Lebensführung zu beachten, weil wir ihre von Gott gegebene Amtsautorität achten sollen.

In diesem Sinn ist auch eine unfähige, korrupte und verdorbene Obrigkeit immer noch von Gott eingesetzt und zugelassen. Um diese göttliche Anordnung und Einsetzung zu bezeugen und Gott als obersten Herrscher zu verherrlichen, sind wir Kinder Gottes angewiesen, jede Obrigkeit zu ehren, d.h. uns ihr gegenüber respektvoll und ihrer Autoritätsstellung angemessen zu verhalten. Das schließt ein, daß wir uns jeder herabsetzenden, lästernden oder gar aufrührerischen und aggressiven Haltung enthalten:

Erweist jedermann Achtung, liebt die Bruderschaft, fürchtet Gott, ehrt den König! (1Pt 2,17)

So gebt nun jedermann, was ihr schuldig seid: Steuer, dem die Steuer, Zoll, dem der Zoll, Furcht, dem die Furcht, Ehre, dem die Ehre gebührt. (Röm 13,7)

Das schließt auch unser Reden über die Obrigkeiten ein. Manche Christen stehen, gerade in unserer letzten, antiautoritären Zeit und angesichts unseres demokratischen Systems in Gefahr, sich abfällig und respektlos über die Regierenden zu äußern, d.h. sie zu lästern, ihrem Ärger über sie in aggressiven und herabsetzenden Worten Luft zu machen. Das ist nicht recht.

Erinnere sie, daß sie sich den Regierenden und Obrigkeiten unterordnen und gehorsam sind, zu jedem guten Werk bereit; daß sie niemand verlästern, nicht streitsüchtig sind, sondern gütig, indem sie allen Menschen gegenüber alle Sanftmut erweisen. (Tit 3,1-2)

Wir sollten uns daran erinnern, daß über die Irrlehrer der letzten Zeit gesagt ist: „Verwegen und frech, wie sie sind, fürchten sie sich nicht, Majestäten zu lästern“ (2Pt 2,10; vgl. auch Jud 1,8-10). Dagegen gibt Gott uns ein deutliches Gebot, das der Apostel Paulus anführt, als er sich für seine scharfe Äußerung über den Hohenpriester entschuldigt: „Ich wußte nicht, ihr Brüder, daß er Hoherpriester ist, denn es steht geschrieben: »Über einen Obersten deines Volkes sollst du nichts Böses reden«“ (Apg 23,5; vgl. 2Mo 22,27).

Das schließt jedoch keinesfalls eine respektvolle, aber offene Kritik am Fehlverhalten der Obrigkeit aus, wie sie etwa ein Daniel zu äußern wagte: „Darum, o König, laß dir meinen Rat gefallen und brich mit deinen Sünden durch Gerechtigkeit und mit deinen Missetaten durch Barmherzigkeit gegen Elende, wenn dein Wohlergehen dauerhaft sein soll!“ (Dan 4,24). Ähnlich freimütig sprach der Apostel Paulus von den Stadthauptleuten von Philippi und ihrem Fehlverhalten, das er offen beim Namen nannte (vgl. Apg 16,37).

 

 

2. Der biblische Grundsatz: „Man muß Gott mehr gehorchen als den Menschen“

 

Nun wollen wir die Aussage aus Apostelgeschichte 5,29 näher betrachten, die lautet: Man muß Gott mehr gehorchen als den Menschen! Dabei geht es nach meiner Überzeugung nicht nur um einzelne Ausnahmesituationen, wie das damals über die Apostel verhängte Verbot, das Evangelium von Christus zu verkünden. Es geht um eine sehr grundsätzliche Frage. Bis zu welchem Grad sind gläubige Christen von Gott angehalten, der Obrigkeit zu gehorchen? Lehrt uns die Bibel bedingungslosen Gehorsam gegenüber den Regierenden, oder gibt es Einschränkungen? Wo ist die Grenze für unseren Gehorsam? Und was ist mit der Gemeinde Gottes? Inwieweit untersteht sie der Autorität der Obrigkeit?

 

Das Grundprinzip: Man muß Gott mehr gehorchen als den Menschen!

Als die Apostel nach der Kreuzigung und Auferstehung ihres Herrn und der Ausgießung des Heiligen Geistes begannen, in Jerusalem mit Vollmacht den Herrn Jesus als Messias zu verkündigen, entstand viel Unruhe im jüdischen Volk; eine größere Zahl von Juden bekehrte sich, darunter viele Priester. In dieser Situation trat die Regierung der Juden zusammen, der Hohe Rat (Sanhedrin), um die Apostel einzuschüchtern und in Schranken zu weisen.

Der Hohe Rat war keineswegs nur die religiöse Obrigkeit der Juden, wie manche Ausleger meinen, sondern er stellte zugleich auch das höchste Organ der politischen Selbstverwaltung dar, welche das römische Reich den Juden damals in begrenztem Umfang zugestand. In Angelegenheiten der Religion konnte er auch Gerichtsurteile fällen und Strafen verhängen. Die Ratsversammlung verhörte die Apostel und ermahnte sie, worauf die Apostel sich weigerten, der Anordnung ihrer Obrigkeit Folge zu leisten.

Und sie ließen sie rufen und geboten ihnen, überhaupt nicht mehr in dem Namen Jesus zu reden noch zu lehren. Aber Petrus und Johannes antworteten ihnen und sprachen: Entscheidet ihr selbst, ob es vor Gott recht ist, euch mehr zu gehorchen als Gott! Denn es ist uns unmöglich, nicht von dem zu reden, was wir gesehen und gehört haben! (Apg 4,18-20)

In Apostelgeschichte 5 sehen wir dann, daß der Hohe Rat, der die um sich greifende messianische Bewegung eindämmen wollte, die Apostel verhaftete und ins Gefängnis brachte. Doch ein Engel Gottes befreite sie, und sie verkündigten Christus im Tempel, was zu einem zweiten Verhör durch den Hohen Rat führte.

Und sie brachten sie und stellten sie vor den Hohen Rat; und der Hohepriester fragte sie und sprach: Haben wir euch nicht streng verboten, in diesem Namen zu lehren? Und siehe, ihr habt Jerusalem erfüllt mit eurer Lehre und wollt das Blut dieses Menschen auf uns bringen! Aber Petrus und die Apostel antworteten und sprachen: Man muß Gott mehr gehorchen als den Menschen! (Apg 5,27-29)

Angesichts der Drohungen der Mächtigen beriefen sich die Apostel mutig auf ihr Gewissen vor Gott und sprachen das gewichtige Wort: „Man muß Gott mehr gehorchen als den Menschen!“ Wir sehen schon aus dem Zusammenhang, daß es hier nicht um eine situationsbedingte Aussage geht, die vielleicht nur vor Gericht gelten würde. Nein, die Apostel erinnern die Obersten der Juden hier an einen uralten Grundsatz, der ihnen aus den Schriften des Alten Testaments sehr gut bekannt war und der sie zum Beispiel in der Makkabäerzeit zum mutigen Widerstand gegen eine gottfeindliche Obrigkeit geleitet hatte.

Der hier festgestellte Grundsatz ist absolut und uneingeschränkt; er gilt eigentlich überall und immer und zieht sich übrigens auch durch die ganzen Bücher der Bibel. Für uns Gläubige ist der ewige Gott die höchste Autorität des Universums und die absolute Autorität unseres persönlichen Lebens.

Menschen haben nur insofern Autorität über uns, als sie ihnen von Gott gegeben ist. Wenn Menschen etwas von uns verlangen, was den Lehren und Geboten Gottes und unseres Herrn Jesus Christus widerspricht, dann gilt unser Gehorsam ganz klar Gott und nicht den Menschen. In diesem Sinne steht dieser Grundsatz höher und ist wichtiger und zentraler für unser ganzes Leben als das Gebot, der menschlichen Obrigkeit zu gehorchen, dort wo sie in Gottes Auftrag die Ordnung aufrechterhält.

Dieser Grundsatz prägt wie gesagt die ganze Bibel. Er äußert sich ganz dramatisch in der Auseinandersetzung zwischen Mose und dem Pharao, der ja wohlgemerkt die Herrschergewalt über Israel innehatte und dem die Israeliten zu gehorchen hatten, auch wenn er ihnen schwere Lasten aufbürdete. In dem Moment, wo Mose im Auftrag des allerhöchsten Gottes zum Pharao kam und forderte: „Laß mein Volk ziehen!“, da waren die Israeliten gerufen, dem Ruf Gottes mehr zu gehorchen als den Befehlen des Pharao.

 

Beispiele für den Widerstand des Glaubens gegen gottlose Obrigkeit

Der Grundsatz äußert sich auch im Leben Einzelner. Die hebräischen Hebammen werden dafür gelobt, daß sie, unter Lebensgefahr, dem Befehl des mächtigen Pharao ungehorsam waren. Von Moses Eltern heißt es lobend: „Durch Glauben wurde Mose nach seiner Geburt von seinen Eltern drei Monate lang verborgen gehalten, weil sie sahen, daß er ein schönes Kind war; und sie fürchteten das Gebot des Königs nicht (Hebr 11,23).

Mose wurde den Anordnungen des Pharao und seiner eigenen Pflegemutter ungehorsam, als er den Israeliten half und dann aus Ägypten floh. Dafür wird er von Gottes Wort gelobt (Hebr 11,24-27). Die heidnische Hure Rahab entschloß sich, dem Befehl ihrer Obersten ungehorsam zu sein und – ebenfalls unter Lebensgefahr – die feindlichen israelitischen Kundschafter zu verstecken (Hebr 11,31).

Die drei Freunde Daniels waren dem mächtigen König Nebukadnezar offen und mutig ungehorsam, als er von ihnen verlangte, sein Standbild anzubeten (Dan 3,26-28). Daniel selbst mißachtete die Anweisungen des Königs schon als junger Mann um des Herrn willen (Dan 1,8-10), und er tat es wieder, als seine Feinde ihn am Gebet hindern wollten (Dan 6,6-12). Aber auch David war seinem König Saul ungehorsam, als er vor ihm floh, und Jonathan war seinem Vater und König Saul ungehorsam, als er David unterstützte – beide taten dies nicht aus rein persönlichen Motiven, sondern um der Sache Gottes willen, der David zum König machen wollte.

Wir könnten noch viele Beispiele nennen. Der Prophet Micha war dem König Ahab und seinem Beauftragten bewußt ungehorsam, der ihm ein königliches Gebot übermittelte:

Der Bote aber, der hingegangen war, um Micha zu rufen, redete mit ihm und sprach: Siehe, die Worte der Propheten verkünden einstimmig Gutes für den König; so laß nun dein Wort auch sein wie das Wort eines jeden von ihnen und rede Gutes! Micha aber sprach: So wahr der HERR lebt, ich will reden, was mein Gott sagen wird! (2Chr 18,12-13)

Der Verfasser des Psalms 119 bekennt: „Sogar Fürsten sitzen und beraten sich gegen mich; aber dein Knecht sinnt nach über deine Anweisungen“ (V. 23); „Fürsten verfolgen mich ohne Ursache; aber vor deinem Wort fürchtet sich mein Herz“ (V. 161).

Wir können auf jeden Fall festhalten: Für jedes Kind Gottes ist der ewige, allmächtige Gott die höchste und letztverbindliche Autorität in seinem Leben, und damit auch das inspirierte Wort Gottes, durch das Er uns Seinen Willen und Seine Gebote und Lehren mitgeteilt hat. Gott selbst will nun, daß wir uns der menschlichen Obrigkeit unterordnen, insoweit ihre Autoritätsausübung nicht Seinem Wort und Willen widerspricht; wenn da aber ein Konflikt entsteht, sind wir berufen, Gott mehr zu gehorchen als den Menschen.

Konkreter gesagt können wir festhalten, daß die menschliche Obrigkeit dort keine Autorität hat, wo sie den Gläubigen Vorschriften machen will, die ihr Glaubensleben und ihren Dienst für Gott dirigieren oder einschränken wollen. Das ist genau der Bereich, den die beiden Aussagen der Apostel in der Apostelgeschichte ansprechen. Dagegen ist der Gläubige gehalten, sich der Obrigkeit bewußt unterzuordnen, wo sie den göttlichen Auftrag wahrnimmt, das Böse zu bestrafen und Frieden und Ordnung in der Gemeinschaft herzustellen.

 

Was tun, wenn die Obrigkeit Widergöttliches verordnet?

Alle heidnische Obrigkeit hat neben dem „politischen“ auch einen geistlichen und vielfach einen religiösen Aspekt. Biblisch gesehen ist der geistliche Charakter der weltlichen Staatsorgane widergöttlich, sie sind Finsternis und nicht Licht, und wir dürfen nicht in einem fremden Joch mit ihnen sein (2Kor 6,14-18).

Die Obrigkeit heidnischer Völker steht im Zusammenhang mit den Götzenreligionen bzw. Ideologien des jeweiligen Volkes. Die römische Obrigkeit zur Zeit von Petrus und Paulus sah sich als Hüterin der Götterverehrung; der Staat unterhielt vielfach Götzentempel, veranstaltete Götzenfeste, unterstützte heidnische Sitten und Gebräuche, organisierte Opfer für die Stadtgötter und für den Kaiser, womöglich auch okkulte und barbarische Umzüge und Feste usw. In alledem sollten die Christen sich den Anordnungen der Obrigkeit aus Gewissensgründen verweigern, was sie auch taten.

Heute hängen immer mehr formal a-religiöse („säkulare“) Staaten des ehemaligen „christlichen“ Abendlandes der Falschreligion des Humanismus an, der letztlich eine Menschenvergötterung darstellt und sich direkt gegen den ewigen Schöpfergott wendet, den er verleugnet. Dies ist wahrscheinlich die letzte und schlimmste Götzenreligion. Sie ist unmittelbar mit dem Antichristen selbst verbunden, der sich einmal zu Gott erklären und anbeten lassen wird (2Thess 2,3-4). Vieles, was von solch einer Obrigkeit ausgeht, können wir Christen überhaupt nicht bejahen oder befolgen.

Es gibt auch die Möglichkeit, daß die Obrigkeit Dinge befiehlt, die den Christen aus moralischen Gründen unmöglich sind. Ein Beispiel ist die Tötung aller Erstgeborenen Israels, die der Pharao befahl. Daß dies kein Einzelfall war, zeigt der Mordbefehl des Herodes gegen die Kinder Bethlehems (Mt 2,16). Heute werden z.T. (etwa in den USA) Kliniken in christlicher Trägerschaft gezwungen, Abtreibungen vorzunehmen. Aus der neueren Vergangenheit wäre hier die Verfolgung und Auslieferung aller Juden zu nennen, die das Hitlerregime anordnete, oder die Befehle zur Denunziation von Regimegegnern, die etwa Mao Tsetung in der Kulturrevolution erließ.

Was ist, wenn eine Regierung das Gesetz erläßt, daß man nicht mehr „Vater“ oder „Mutter“ sagen darf, sondern nur noch „Elter 1“ und „Elter 2“? Was ist, wenn eine Regierung anordnet, daß alle Schulkinder verpflichtend eine Umerziehungsveranstaltung besuchen müssen, bei der für Homosexualität und Genderwechsel geworben wird? Heute haben wir nach Jahrzehnten einer vorwiegend „christlichen“ Prägung der Regierenden die relativ neue Situation, daß immer mehr Regierende offen antichristliche Maßnahmen und Gesetze beschließen.

Es ist daher völlig berechtigt und notwendig, daß die Apostellehre des NT die Unterordnung der Christen unter die Obrigkeit bewußt auf deren Ordnungsfunktion begrenzt und nicht absolut und schrankenlos gebietet. Denn die Obrigkeit ist zwar Gottes Diener, aber sie hat auch eine andere, widergöttliche Seite, und die finden wir in der Bibel sehr klar aufgezeigt. An dieser Stelle ist es sinnvoll, etwas genauer auf die Rolle der menschlichen Obrigkeiten einzugehen, wie sie in Gottes Wort geschildert wird.

 

 

3. Die Stellung der Gemeinde Gottes
zur weltlichen Obrigkeit und ihren Anordnungen

 

Wir wollen nun die beiden sich ergänzenden Anweisungen von Römer 13 (einschließlich 1. Petrus 2 und Titus 3) und Apostelgeschichte 5 auf die Stellung der Gemeinde Gottes (nicht des einzelnen Christen) zur Obrigkeit beziehen und versuchen, ein Gesamtbild zu bekommen.

Die einzelnen Christen, so haben wir gesehen, sollen sich als Staatsbürger, als Glieder der jeweiligen Gesellschaft und Gemeinschaft der Obrigkeit unterordnen, soweit sie ihre gesellschaftliche Ordnungsfunktion wahrnimmt; wenn die Obrigkeit sie daran hindern will, den Geboten Gottes zu gehorchen, sollen sie Gott mehr gehorchen als den Menschen.

Die Gemeinde Gottes aber, die Versammlung der Kinder Gottes, die Gott berufen hat, Ihn im Geist und in der Wahrheit anzubeten und Ihm als Zeugen zu dienen, wird nirgends geboten, sich der Obrigkeit unterzuordnen. Das kommt daher, daß sie als Gemeinde gar nicht irgendeiner weltlichen Obrigkeit untersteht noch unterstehen kann. Die Gemeinde ist keine staatsbürgerliche Vereinigung, sondern ein himmlischer Organismus! Sie untersteht daher als solche nicht dem Gebot, sich der Obrigkeit unterzuordnen.

 

Die Gemeinde steht unter der Autorität des Christus, nicht der weltlichen Obrigkeit

Die Gemeinde ist das heilige Volk Gottes, über das ausschließlich Gott regiert, und zwar durch Jesus Christus, welcher der Gemeinde als Haupt und oberster Hirte gegeben ist. Die Gemeinde ist ihrer geistlichen Stellung nach kein Bestandteil der Welt; ihre Obrigkeit ist der erhöhte Herr und sonst niemand. Über die Gemeinde und ihre Gemeinschaft, ihren Gottesdienst, ihre Ordnungen und ihre Leitung hat die weltliche Obrigkeit keinerlei von Gott verordnete Autorität.

Damit steht die Gemeinde grundsätzlich geistlich gesehen über der weltlichen Obrigkeit, weil sie dem angehört und unterstellt ist, der aus Haupt über alles, als Herrscher über alles in den Himmeln thront, unserem Herrn Jesus Christus, dem Sohn Gottes, der von sich bezeugt: „Mir ist gegeben alle Macht im Himmel und auf Erden“ (Mt 28,18). Das lehrt uns der Apostel Paulus:

Die (Macht) hat er wirksam werden lassen in dem Christus, als er ihn aus den Toten auferweckte und ihn zu seiner Rechten setzte in den himmlischen [Regionen], hoch über jedes Fürstentum und jede Gewalt, Macht und Herrschaft und jeden Namen, der genannt wird, nicht allein in dieser Weltzeit, sondern auch in der zukünftigen; und er hat alles seinen Füßen unterworfen und ihn als Haupt über alles der Gemeinde gegeben, die sein Leib ist, die Fülle dessen, der alles in allen erfüllt … (Eph 1,20-23)

Denn in ihm ist alles erschaffen worden, was im Himmel und was auf Erden ist, das Sichtbare und das Unsichtbare, seien es Throne oder Herrschaften oder Fürstentümer oder Gewalten: Alles ist durch ihn und für ihn geschaffen; und er ist vor allem, und alles hat seinen Bestand in ihm. Und er ist das Haupt des Leibes, der Gemeinde, er, der der Anfang ist, der Erstgeborene aus den Toten, damit er in allem der Erste sei. (Kol 1,16-18)

Die Gemeinde darf als geistlicher Organismus und heiliges Priestertum eben gerade keine andere Obrigkeit über sich anerkennen außer dem Herrn Jesus Christus. Diese Wahrheit wurde durch das Staatskirchentum über Jahrhunderte verleugnet und verdunkelt; das Zeugnis der Täufer, der Baptisten und auch der Brüdergemeinden hat sie dann wieder neu auf den Leuchter gestellt.

Vor Gott hat die weltliche Obrigkeit kein Recht, sich in die geistlichen Belange der Gemeinde einzumischen. Wenn sie der Gemeinde vorschreiben will, was sie predigen soll, wen sie wie in ihre Leitung oder zum Predigtdienst beruft, ob und wann sie singt oder Abendmahl hält oder das Evangelium verkündet usw., dann sündigt sie und begeht einen Übergriff gegen Gottes höhere Autorität.

In einem solchen Fall haben die Gläubigen keinerlei Verpflichtung vor Gott, solchen Anweisungen zu gehorchen; im Gegenteil, sie haben die Pflicht, diese Übergriffe zurückzuweisen und Gott mehr zu gehorchen als den Menschen. Das ist übrigens genau der Sinn der berühmten Worte unseres Herrn: „Gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist, und Gott, was Gottes ist!“ (Mk 12,17).

 

Wo eine Gemeinde sich der weltlichen Obrigkeit fügen kann und soll

Auch wenn die Gemeinde als geistlicher Organismus der weltlichen Obrigkeit nicht untersteht, kann es Situationen geben, wo sie um ihres Zeugnisses unter den Ungläubigen willen oder um ihre Versammlungen noch aufrechtzuerhalten, bestimmte Zugeständnisse an weltliche Auflagen macht. Dazu ist sie aber nicht vom Wort Gottes oder vom Gewissen her durch ein Unterordnungsgebot verpflichtet, sondern das müssen die Verantwortlichen nach ernster Abwägung vor Gott entscheiden. Solche Zugeständnisse mögen manchmal nötig sein, bergen aber auch manche Gefahren, wie etwa die Geschichte der registrierten Gemeinden in der Sowjetunion gezeigt hat.

Grundsätzlich muß eine Gemeinde nach geistlich-biblischen Gesichtspunkten prüfen, wieweit sie sich der weltlichen Obrigkeit in bezug auf bestimmte Gesetze und Verordnungen fügt. Solange diese nicht ihrem geistlichen Auftrag schaden bzw. ihn hindern, sollte es eigentlich selbstverständlich sein, daß eine Ortsgemeinde sich an die Gesetze der Obrigkeit hält; das auch deshalb, weil dadurch ihr Zeugnis vor ihren Nachbarn und der ungläubigen Umgebung am besten unterstrichen wird.

Insoweit eine örtliche Gemeinde in ihren äußerlichen Belangen auch Bezüge zu ihrem weltlichen Umfeld hat, soll sie sich ebenfalls der Obrigkeit unterordnen, soweit dies nicht ihren Dienst für Gott blockiert oder einschränkt, aber niemals in geistlichen Dingen. So sollten etwa weltliche Vorschriften in bezug auf das Hauseigentum des Gemeindehauses beachtet werden, Versicherungs- und Brandschutzvorschriften u.ä. Aber eine örtliche Gemeinde darf sich nicht vorschreiben lassen, wie sie dem Herrn dient, wie sie ihre Leiter bestimmt, ob sie Jugendarbeit macht, ob sie singt oder wie sie das Mahl des Herrn feiert oder Taufen abhält.

 

Wie sich eine Gemeinde gegenüber staatlichen Übergriffen verhält

Falls die Obrigkeit versuchen sollte, sich in die heiligen Angelegenheiten des Gottesdienstes einzumischen und der Gemeinde darin Vorschriften zu machen, ist die Gemeinde von Gott aus nicht an diese Vorschriften gebunden; hier zählt nicht Römer 13, sondern Apostelgeschichte 5: „Man muß Gott mehr gehorchen als den Menschen!“ Wenn eine Gemeinde sich einer willkürlichen, gegen Gottes Gebote gerichteten Einmischung der weltlichen Obrigkeit in einer geistlichen Frage unterwerfen sollte, dann ist sie damit Gott und ihrem Herrn und Oberhaupt Jesus Christus ungehorsam.

Wenn etwa der Staat versuchen sollte, Gemeinden zu verbieten, sich zu versammeln, dann wiegt das Gebot Gottes, die eigenen Versammlungen nicht im Stich zu lassen, weitaus schwerer als das Verbot der weltlichen Machthaber (vgl. Hebr 10,25). Dasselbe gilt grundsätzlich auch für ein Verbot, zu singen, oder für ein Verbot des Abendmahls. Wie wir gesehen haben, kann es Gründe geben (z.B. echte gefährliche Seuchen mit hoher Ansteckungsgefahr), wo eine Gemeinde auch auf Auflagen der Obrigkeit in solchen Bereichen eingeht, aber dann muß sie jeweils konkret unter Gebet prüfen, was der Wille Gottes ist.

Auch ein Verbot, Evangeliumsschriften oder Bibeln zu drucken und zu verbreiten, kann und darf nicht einfach befolgt werden. Viele gläubige Christen haben die Gesetze der kommunistischen Diktaturen bewußt gebrochen, um Bibeln hinter den Eisernen Vorhang zu schmuggeln oder in geheimen Druckereien zu drucken und zu verbreiten. Dasselbe gilt für Verbote etwa der Straßenpredigt oder des Zeugnisgebens.

Wir haben zahlreiche Fälle aus den Diktaturen der jüngeren Vergangenheit, wie etwa die Nationalsozialisten versuchten, die Gemeinden an den Staat zu binden (Auflösung der Alten Versammlung) und ihnen gewisse Vorschriften aufzuerlegen, sowohl in bezug auf ihre Organisation als auch in bezug auf Inhalte der Predigt. Ähnliches finden wir bei den Kommunisten in der früheren Sowjetunion, die z.B. den Gemeinden verboten, Jugendarbeit zu machen. Noch massiver sind teilweise die Unterdrückungsmaßnahmen des Staates in China, so daß dort viele Gemeinden nur im Untergrund existieren können.

In solchen Fällen sind die Gläubigen berufen, Gott mehr zu gehorchen als den Menschen. Gemeinden haben immer wieder solchen obrigkeitlichen Ge-boten den Gehorsam verweigert und sich gegen staatliche Anordnungen so versammelt, wie sie es vor Gott für richtig befanden. Sie haben, wo möglich, legale Mittel genutzt, um gegen Unterdrückungsmaßnahmen Einspruch einzulegen und eine Änderung zu erreichen, z.B. über Petitionen oder Gerichtsklagen.

Daß christliche Gemeinde die Möglichkeit haben, wo es das politische System erlaubt, auf dem Rechtsweg gegen einschränkende Maßnahmen vorzugehen, können wir aus dem Verhalten des Apostels Paulus ableiten, der mehrfach sein römisches Bürgerrecht und die damit verbundenen Vorrechte geltend machte, z.B. gegenüber den Stadthauptleuten von Philippi (Apg 16,37) und auch gegenüber dem Prokurator Festus (Apg 25,9-12). Das Verbot, vor Gericht zu klagen, wird im NT nur in bezug auf Auseinandersetzungen von Gläubigen untereinander ausgesprochen (vgl. 1Kor 6,1-8).

Grundsätzlich kann auch eine bedingte Befolgung gewisser Einschränkungen in Erwägung gezogen werden, um die Gemeinden aufrechtzuerhalten oder zeitweise zu schützen. Das muß jede Gemeinde vor Gott prüfen und nach der Führung des Herrn entscheiden. Aber dieser Weg ist nur begrenzt gangbar.

 

Gemeinden im friedlichen Widerstand gegen einen antichristlichen Staat

Wenn die Obrigkeit die Gemeinden in ihrem Kernbereich angreifen oder reglementieren will, müssen die Gläubigen Gott mehr gehorchen als den Menschen. Das bedeutet manchmal eine halblegale Existenz mit vielen polizeilichen Schikanen; wenn die Unterdrückung zu hart wurde, haben die Gläubigen auch immer wieder versucht, sich illegal zu treffen und kleine Untergrundgemeinden zu organisieren, wie etwa in China.

Zu diesem Weg gehört dann auch das bewußte Ja zum Leiden, zum Erdulden von Verfolgungs- und Strafmaßnahmen des Staates. Die Gemeinde wird keinen Aufruhr veranstalten, keine Gewalt anwenden, um gegen den Staat die Berücksichtigung ihrer Interessen zu erzwingen. Vielfach wurden unter dem Kommunismus gerade Älteste und Diener der Gemeinden verhaftet und in Gefängnisse oder Straflager verschleppt. In solchen Situationen bewiesen die Gläubigen oft große Standhaftigkeit im Leiden, Glaubensmut und den festen Entschluß, der gottlosen Obrigkeit nicht nachzugeben.

Und letztlich erwies sich auch, daß Jesus Christus der Sieger ist und die Pforten des Totenreichs Seine Gemeinde nicht überwältigen können (Mt 16,18). Immer wieder hat die Gemeinde Verfolgungen überstehen können und ist oft gestärkt und geläutert aus solchen Zeiten der Bedrängnis hervorgegangen (vgl. auch Phil 1,27-30).

Gott aber sei Dank, der uns den Sieg gibt durch unseren Herrn Jesus Christus! Darum, meine geliebten Brüder, seid fest, unerschütterlich nehmt immer zu in dem Werk des Herrn, weil ihr wißt, daß eure Arbeit nicht vergeblich ist im Herrn! (1Kor 15,57-58)

 

Sollen Christen sich an den politischen Kämpfen und Bewegungen dieser Welt beteiligen?

Eine letzte Frage wollen wir noch kurz anschneiden. Angesichts linkssozialistischer Anfeindungen und Einschränkungen haben gläubige Christen vor allem in den USA oft den Weg gewählt, offen irgendwelche weltlich-konservative Politiker zu unterstützen und in politische Parteien oder Bewegungen mitzuarbeiten, um die Rahmenbedingungen für die christlichen Gemeinden zu verbessern und die Gesellschaft vor antichristlichen Entwicklungen (etwa geförderte Abtreibungen) zu schützen.

Auch in der gegenwärtigen „Corona-Krise“ gibt es Christen, die mit dem politischen Protest gegen die staatlichen Einschränkungen, wie er etwa in der „Querdenken“-Bewegung sichtbar wird, sympathisieren und z.T. auf deren Demonstrationen mitlaufen – manchmal mit christlichen Sprüchen oder Kreuzen. Manche christliche Prediger kommentieren Fragen der Tagespolitik und äußern sich sehr kritisch, z.T. sogar abfällig oder ausfallend, gegenüber den Regierenden und ihrer Politik. Ein solches politisches Engagement ist nach dem Verständnis der weltlichen Demokratien staatlicherseits erlaubt und theoretisch sogar z.T. erwünscht; die andere Frage ist jedoch, ob es in Gottes Willen ist.

Dazu finden wir meines Wissens keine direkte Antwort in der Bibel, weil für ein solches politisches Engagement unter den damaligen Verhältnissen für die einfache Bevölkerung, zu der die Christen meist zählten, wenig Raum war. Es ist jedoch klar, daß der Herr Jesus Seine Jünger im klaren Gegensatz zur militanten Bewegung der Zeloten (einer der zwölf Jünger, Simon, war ein ehemaliger Zelot, Lk 6,15) von allem Kampf zur Veränderung der Verhältnisse fernhielt und ihnen nur die Aufgabe gab, das Evangelium zu bezeugen. Dagegen bekannte der Herr: „Mein Reich ist nicht von dieser Welt; wäre mein Reich von dieser Welt, so hätten meine Diener gekämpft, damit ich den Juden nicht ausgeliefert würde; nun aber ist mein Reich nicht von hier“ (Joh 18,36).

Die Gemeinde ist aufgrund ihrer göttlichen Berufung nicht beauftragt, sich in die politischen Bewegungen und Kämpfe dieser Welt einzumischen. Das gehört nach meiner Überzeugung zu den „fremden (od. unpassenden, unangemessenen, unvereinbaren) Dingen“, in die wir uns nicht mischen sollen (vgl. 1Pt 4,15: „Keiner von euch soll daher als Mörder oder Dieb oder Übeltäter leiden, oder weil er sich in fremde Dinge mischt“). Wir sollten das aus mindestens drei Gründen nicht tun.

  1. weil wir für Gott geheiligt und nicht von dieser Welt sind, sondern unser Bürgertum im Himmel haben (Phil 3,20); wir sind in dieser Welt Fremdlinge und Gäste ohne Bürgerrecht und von daher geziemt es sich uns nicht, uns an den Streitigkeiten und Bewegungen dieser Welt zu beteiligen – wir würden dadurch unsere himmlische Berufung herabsetzen oder gar verleugnen;
  2. weil wir den Auftrag als Herolde des Christus und Priester haben, alle Menschen zu Christus und Seinem ewigen Heil zu rufen und ihnen die Rettungsbotschaft zu verkünden (vgl. 1Pt 2,9), und dafür ist es wichtig, sich außerhalb der politischen Lager und Kämpfe zu stellen und uns nicht mit ihnen zu beflecken (vgl. Jak 1,27), damit wir alle erreichen können;
  3. weil wir als Zeugen Jesu Christi verkünden, daß diese Welt unheilbar böse ist und bald im Gericht vergehen wird, und daß allein Sein kommendes Königreich Frieden und Gerechtigkeit auf Erden bringen wird und nicht die zeitlichen Kämpfe politischer Parteien heute, die von der Sünde gezeichnet und verdorben sind; dazu paßt es nicht, sich mit Weltmenschen zusammen an der „Verbesserung“ dieser Welt zu beteiligen.

 

 

Dieser Beitrag ist ein Auszug aus der ESRA-Schrift von Rudolf Ebertshäuser: Gemeinde und Obrigkeit im Spannungsfeld endzeitlicher Entwicklungen. Biblische Leitlinien angesichts der Corona-Krise und vermehrter staatlicher Einschränkungen