Ein „68er“ auf der Suche nach dem wahren Leben

 

 

Vorbemerkung

 

In diesem Lebensbericht mit dem Titel „Von Karl Marx zu Jesus Christus“ möchte ich meinen Weg vom aufmüpfigen Jugendlichen zum eifrigen Kaderkommunisten, von dort zur Sinnsuche in Meditation und östlichen Religionen und dann zum gläubigen Christen nachzeichnen.

Auf der einen Seite soll mein Bericht auch ein Zeitzeugnis sein. Ich bin ein Kind der „68er“-Zeit, und ich möchte aus meiner Erfahrungsperspektive nachzeichnen, welche Einflüsse die Kulturrevolution der 68er Jahre, die ich intensiv miterlebte, für die damaligen jungen Menschen mit sich brachte.

Auf der anderen Seite will ich auch davon berichten, wie ich vom Glauben an Karl Marx und Buddha zum Glauben an den lebendigen Gott der Bibel und an seinen Sohn Jesus Christus gekommen bin. Das war aus meiner persönlichen Sicht das glückliche Ende einer jahrzehntelangen Suche nach dem Sinn meines Lebens.

Aber als Christ lernt man, seine Lebensführungen auch aus einer anderen Sicht zu sehen, aus der Sicht des lebendigen Gottes, der mich in seiner Liebe und Gnade zu sich gezogen hat. Gott hat mir geschenkt, daß ich ihn erkennen durfte, und hat in mein Leben eingegriffen, das sonst einen ganz anderen, für mich zerstörerischen Verlauf genommen hätte.

 

Leonberg, im April 2018                                                                      Rudolf Ebertshäuser

 

 

 

1
Bürgerlich-christlich, aber ohne Christus:
Behütete Kindheit in einer strebsamen Familie

 

Meine Eltern waren beide schon etwas älter, als ich 1953 als ihr erster Sohn auf die Welt kam. Ihr Leben war, wie das vieler anderer in ihrer Generation, in mehrfacher Hinsicht geprägt worden von der nationalsozialistischen Diktatur in Deutschland und vom Zweiten Weltkrieg. Beide kamen aus bescheidenen Verhältnissen und hatten eine konservative, nationalpatriotische Einstellung. Sie hatten sich im Großen und Ganzen positiv zum nationalsozialistischen Deutschland gestellt und waren nach dem Zusammenbruch des Hitlerregimes erschüttert und desillusioniert; sie fühlten sich als Betrogene.

Mein Vater und meine Mutter hatten an eine irreführende politische Ersatzreligion geglaubt und waren schwer enttäuscht worden. Nun lebten sie ohne lebendigen Glauben, ohne innere Beziehung zu dem Gott, zu dem sie sich als „Christen“ bekannten. Ihr Lebenssinn bestand darin, sich mit viel Fleiß und Einsatz ein abgesichertes, angenehmes Leben einzurichten.

 

Der Zusammenbruch Hitlerdeutschlands – ein Zusammenbruch der Ideale

Meine Eltern erlebten beide die Niederlage Hitlerdeutschlands als ein sehr belastendes, für sie demütigendes Geschehen. Sie hatten sich von den verführerischen Parolen Hitlers teilweise mitreißen lassen und manchen Propagandalügen der Nazis geglaubt, hatten aber sicherlich von vielem Schrecklichen, das unter Hitler geschah, nichts gewußt. Die Niederlage des „Dritten Reichs“ erschütterte sie schwer und zerstörte erst einmal auch ihre eigene Lebensgrundlage – beruflich, aber auch geistlich. Meine Eltern waren moralisch und geistig niedergeschmettert vom Zusammenbruch Deutschlands, den sie kaum verwinden konnten. Sie erfuhren nach Kriegsende von den Greueln der Nationalsozialisten und fühlten sich danach in ihren „Idealen“ verraten und von Hitler getäuscht, dem sie vertraut hatten.

Leider gelang ihnen keine tiefere Aufarbeitung der Nazizeit und eine völlige innerliche Distanzierung vom nationalistischen Denken. Sie bejahten den Weg des demokratischen Nachkriegsdeutschlands grundsätzlich als konservative CDU-Wähler, hatten aber immer wieder negative Empfindungen gegenüber den „Siegermächten“ angesichts des „Unrechts“, das Deutschland angeblich geschehen war. Sie konnten die Vergangenheit NS-Deutschlands und den schmerzlichen Bruch in ihrem eigenen Leben nie richtig verarbeiten. Die falsche Religion der nationalistischen „Vaterlandsliebe“ war ihnen weitgehend abhanden gekommen, aber an ihrer Stelle entstand ein Vakuum und eine Wunde, die nicht richtig heilen konnte.

 

Ehe und Familie im Nachkriegsdeutschland

Im Jahr 1947 heirateten meine Eltern; mein Vater war damals schon 34 Jahre alt, meine Mutter neun Jahre jünger. Die ersten Jahre im noch zerbombten Stuttgart waren schwierig; das junge Ehepaar lebte provisorisch in einer Einzimmer-Dachgeschoßwohnung; erst einige Zeit später bekamen sie eine bessere Wohnung und entschlossen sich, ein Kind zu bekommen. Ich wurde 1953 geboren; mein einziger Bruder zwei Jahre später.

Mein Vater arbeitete damals als Ingenieur in verschiedenen Firmen; meine Mutter verdiente als Schneidermeisterin noch Geld hinzu. Nach meiner Geburt beschlossen meine Eltern, ein Haus zu bauen, was angesichts der knappen finanziellen Mittel ein ziemliches Wagnis war. So wuchsen wir in recht bescheidenen Verhältnissen auf, denn die junge Familie mußte viele Jahre erhebliche Mittel für die Schuldentilgung aufwenden. Auf dem Speiseplan standen oft Milchreis, Brotsuppe, Knödel oder Grießbrei; erst nach vielen Jahren gab es auch Urlaubsreisen; mit dem Zelt und später einem Wohnwagen erkundeten meine Eltern Europa. Heute bin ich dankbar dafür, daß wir als Kinder nicht verwöhnt wurden, sondern sparsam und bescheiden aufgezogen wurden.

Mein Vater war ein begabter Ingenieur, strebsam und sehr fleißig. Nach einigen Jahren eröffnete sich ihm die Möglichkeit, als Dozent an die Ingenieurschule in Esslingen/Neckar zu wechseln, was seinen Neigungen sehr entgegenkam. Viele Jahre unterrichtete er dort als engagierter und beliebter Dozent (später Professor) zahlreiche Ingenieurstudenten; daneben war er Herausgeber einer technischen Zeitschrift und verfaßte auch technische Bücher. Jahrelang war er eine gefragte Autorität in seinem Fach und wurde öfters zu Firmenbesprechungen und Ingenieurstagungen eingeladen.

Für seine Kinder hatte der gütige, aber menschlich zurückhaltende Vater vielleicht nicht genügend Zeit; als seine beiden Söhne in die „Pubertätsjahre“ kamen, erlebte er ihre zunehmende Auflehnung und kritische Abgrenzung von den Eltern und ihren Idealen sicherlich als Kränkung und zog sich eher in die erfüllende berufliche Arbeit zurück.

Auch meine Mutter war mit der Erziehung ihrer zwei heranwachsenden Söhne, die zunehmend frech und wild wurden, viel stritten und nicht mehr gehorchten, sicherlich überfordert. Sie war aufgrund der traumatischen Erlebnisse ihrer Vertreibung emotional vielleicht nicht so belastbar, auch mußte sie zuhause neben Haushalt und Kindern Kleider für vermögende Kundinnen schneidern; außerdem versorgte sie ihre eigene Mutter und Großmutter, die mit im Haus wohnten.

Beide Eltern bemühten sich redlich um uns Kinder und gaben gewiß ihr Bestes, und ich bin heute sehr dankbar für meine Eltern und alles Gute, was ich durch sie empfangen durfte. Aber wir Kinder entwickelten uns im „Teenageralter“ in eine Richtung, die sie aufgrund ihrer eigenen, ganz anderen Prägung nicht verstehen und mit der sie auch nicht richtig umgehen konnten.

Ich bin heute sehr dankbar dafür, daß meine Eltern im Großen und Ganzen eine gute, harmonische Ehe führten. Sie lebten ohne Glauben und ohne Gott, akzeptierten aber die biblischen Werte der Ehe und der Treue und blieben auch angesichts gewisser Schwierigkeiten und Enttäuschungen beieinander. Sie haben mir dadurch eine Geborgenheit und innere Stabilität vermittelt, die ich umso höher schätze, je mehr ich sehe, wie katastrophal sich zerbrochene Ehen auf die Stabilität und Persönlichkeit der Kinder auswirken.

Meine Eltern gaben sich alle Mühe, uns nach menschlichen Maßstäben gut zu erziehen und uns vor allem eine höhere Bildung zu vermitteln – ein Gut, das sie aufgrund ihrer eigenen Lebenserfahrung sehr hoch achteten, während wir hochmütigen, selbstbezogenen Wohlstandskinder es leider ziemlich geringschätzten.

 

Die große Leere in der Sinnfrage

Doch ein großes Defizit wies meine Kindheit und Jugend auf, wie auch die so vieler junger Leute meiner Generation: Einen wirklichen Lebenssinn konnten meine Eltern uns nicht vermitteln. Für sie machten Werte wie Fleiß, Strebsamkeit, ein guter Beruf, Dienst fürs Vaterland, Wohlstand und bescheidener Lebensgenuß den Sinn des Lebens aus. Das war aber uns heranwachsenden jungen Leuten nicht genug; mit einem gewissen Spürsinn empfanden wir das Hohle und Unzureichende eines solchen „Wertefundaments“.

Doch meine Eltern konnten uns nichts Weiterführendes, Höheres anbieten. Sie waren zwar äußerlich „Christen“, d.h. getaufte Mitglieder der evangelischen Kirche, aber sie hatten keinen lebendigen Glauben an Jesus Christus. Einen Gottesdienst in der Kirche erlebten wir höchstens einmal im Jahr; die Bibel kam nur gelegentlich zu Weihnachten zu Ehren, wenn vielleicht einmal die Weihnachtsgeschichte vorgelesen wurde.

Meine Mutter war ursprünglich katholisch gewesen, aber ihrer Religion durch die NS-Ideologie und das politische Engagement entfremdet. Sie war um ihrer Heirat willen in die evangelische Kirche übergetreten, fühlt sich dort aber nicht recht zu Hause. Sie lebte bis ins Alter in einer katholisch geprägten Werkgerechtigkeit; sie meinte, sie hätte ja überwiegend Gutes getan und könne damit sicherlich vor Gott einmal bestehen. Im höheren Alter hat sie sich dann doch Christus zugewandt – wie ernsthaft das war, können wir aufgrund ihrer damals schon beginnenden Demenz nicht sagen; die Ewigkeit wird es offenbar machen.

Mein Vater hatte gläubige Eltern gehabt; sein eigener Vater war landeskirchlicher Pietist und hielt in seinem Haus auch „Stundenversammlungen“ ab. Erst viel später erfuhr ich, daß es in meiner Familie väterlicherseits in vielen Generationen gläubige Pietisten gegeben hat. Mein Vater jedoch, der älteste Sohn, lehnte den Glauben seiner Eltern schon als junger Mensch ab und schlug später ganz andere Wege ein. Er suchte sein Lebensglück im Aufbau einer gutbürgerlichen Existenz und verdrängte die Frage nach der Ewigkeit.

Im späteren Alter noch wurde das deutlich; er meinte zwar, die Bibel würde uns gute „Werte“ fürs Leben vorgeben, aber zu Gott hatte er keine wirkliche Beziehung. Meinen Glauben hielt er, obwohl er sich über meine Lebenswende in vielem freuen konnte, für „überzogen“ und „fanatisch“. Er war sich nicht der ernsten Tatsache bewußt, daß ein bloßes Wissen über Gott und ein äußerlich „anständiges“ Leben niemanden in den Himmel bringen, sondern nur die Umkehr und der persönliche Glaube an Jesus Christus.

Mein Vater starb mit 78 Jahren sehr plötzlich an einer Embolie. Er hatte um den Weg zur Vergebung gewußt, aber wenn er sich nicht im letzten Augenblick im Krankenhaus noch bekehrt hat, wird er die Ewigkeit in Finsternis und Gottesferne erleben. Es ist so wichtig, daß wir alle uns rechtzeitig ernsthaft die Frage stellen: Wo werde ich die Ewigkeit zubringen? Was geschieht mit meiner unterblichen Seele, wenn mein irdisches Leben zu Ende ist?

Beide Eltern waren nach dem Krieg, so scheint es zumindest mir, zu einer Art religionsloser „Gesinnungsethik“ gekommen; sie leugneten Gott nicht offen, aber Gott spielte in ihrem Leben keine erkennbare Rolle. Sie wollten auf menschlicher Ebene recht handeln und hofften so, irgendwann einmal bei dem „höheren Wesen“, dessen Existenz sie nicht geradeheraus ableugneten, das aber als sehr fern und unpersönlich empfunden wurde, günstig angenommen zu werden.

 

 

 

2
Entfremdung und Auflehnung:
Eine Jugend in den sechziger Jahren

 

Irgendwann ab dem zwölften Lebensjahr begann bei mir eine Entwicklung, die ich nicht verstand und die mir große innere Nöte bereitete. Ich fühlte mich seltsam mit mir selbst entzweit und „entfremdet“ – entfremdet meinen Eltern, auf deren Erziehung die ich zunehmend frech und auflehnend reagierte; aber auch entfremdet meinem Bruder, meinen Klassenkameraden und meiner ganzen Umgebung.

Es entwickelte sich bei mir das Gefühl einer Sinnlosigkeit und Leere; mein Leben erschien mir dumpf und eintönig. Ich zog mich zunehmend in mich selbst zurück, las sehr viel und träumte vor mich hin. Im Gymnasium, in dem ich anfangs ein relativ guter Schüler war, fielen meine Noten immer weiter ab. Ich lernte nur noch, wenn ich dazu „Lust“ hatte, und diese Lust stellte sich immer seltener ein.

 

Pubertäre Auflehnung gegen die Eltern und die beginnende Studentenrevolte

Diese kritische Zeit der „Pubertät“ – vor allem die Jahre 1966 bis 1970 – fiel nun zusammen mit einer gesellschaftlichen Entwicklung, die ich im nächsten Kapitel etwas ausführlicher schildern möchte. Im Fernsehen wurden Bilder langhaariger Studenten gezeigt, die gegen den Schah von Persien und den Vietnamkrieg, gegen jede Form von Unterdrückung und das „Establishment“ (die etablierte Gesellschaftsordnung und ihre Vertreter) demonstrierten. Meine Eltern waren entsetzt und stellten sich auf die Seite der Polizisten, die „Ruhe und Ordnung“ wiederherstellen sollten. Ich aber schlug mich gefühlsmäßig auf die Seite der Rebellen, auch wenn ich deren Gedanken und Motive nicht recht verstand. Es gab zunehmend hitzige Debatten in der Familie; ich stellte immer mehr die Werte meiner Eltern in Frage.

Das pubertäre Gefühl der Sinnlosigkeit und Enge, die Auflehnung gegen die Autorität meiner Eltern verband sich so mit einer politischen Bewegung der Auflehnung gegen alle Autorität der Gesellschaft. Das Leben meiner Eltern erschien mir leer und spießig, und sie hatten in meinen Augen keine glaubwürdigen Argumente gegen die alles hinterfragenden, aufmüpfigen Sprüche der linken Protestierer. Ihnen fühlte ich mich emotional mehr und mehr zugehörig und interessierte mich für ihre „Sache“ – zum Entsetzen meiner Eltern, die sicherlich viele Gefahren damals schon deutlich erkannten und mich vergeblich von dieser Radikalisierung abhalten wollten.

Angesteckt durch die Literatur dieser Studentenrevolte, durch Leute wie Rudi Dutschke, Bernd Rabehl und Günther Amendt (verbreitet durch blutrote Paperbacks des linken Rowohlt-Verlages, der den Sprechern der sozialistischen Studentenrevolte eine eifrig genutzte Plattform bot), begann ich als blutjunger Bursche die Schriften der Vordenker und Ideologen der neuen Bewegung zu lesen – Che Guevara, Sigmund Freud und Karl Marx, später auch Herbert Marcuse, Theodor W. Adorno, Hans Magnus Enzensberger und viele andere (zumeist in den regenbogenfarbigen Taschenbüchern der „Edition Suhrkamp“).

Ich verstand mit meinen 14, 15 Jahren nur relativ wenig von den geschraubten, mit Intellektuellenlatein gespickten Sätzen, aber sie vermittelten mir aufrührerische Gedanken, die mit meinem Lebensgefühl übereinstimmten: Rebellion ist gerechtfertigt! Das Alte, Etablierte ist grundfalsch! Alles, was mich einengt, ist schlecht und muß weg! Auf eine sehr selbstgerechte Weise verurteilte ich meine Eltern und die ganze ältere Generation; ich lehnte sie pauschal als „Nazis“ ab und gab ihnen die Schuld an allen Greueln der Hitlerjahre. Ich fühlte dumpf, ich müsse mich auflehnen, ausbrechen aus dem Mief des bürgerlichen Lebens, um mich selbst zu suchen und diese etablierte, satte Gesellschaftsordnung umzustürzen.

Diese neue Lebenseinstellung, die meine pubertäre Auflehnung gegen die Eltern auf zerstörerische Weise befeuerte und steigerte, prägte mein Verhalten immer mehr. Ich wurde meinen Eltern gegenüber immer selbstgerechter und rebellischer; sie reagierten darauf mit Hilflosigkeit und Rückzug, manchmal auch mit Zorn und Strafen, konnten aber bei mir nichts bewirken. Ich wurde auch in der Schule den Lehrern gegenüber immer frecher und herausfordernder.

Alle Autoritäten, so wurden wir gelehrt, sind böse und „repressiv“ (= unterdrückend), sie müssen entlarvt, lächerlich gemacht, mißachtet und letztlich gestürzt werden. Hier verbündete sich eine sozialistisch gefärbte antiautoritäre, teilweise geradezu anarchistische Weltanschauung mit einer durch die Freud’sche Psychoanalyse gespeisten Verklärung des „Lustprinzips“.

So verweigerte ich in der Schule zunehmend alle „stumpfsinnige“ Lernleistung, zumindest in den Fächern, wo mich die Leistung mühsame Arbeit gekostet hätte. In jenen Jahren war es anfangs noch üblich gewesen, daß die Schüler aufstanden, wenn der Lehrer den Klassenraum betrat, und ihn gemeinsam begrüßten. Solche „militaristische“ Disziplin verweigerten wir bald und blieben sitzen, verspotteten die Lehrer zunehmend und machten sie lächerlich, provozierten sie mit Kreidewerfen, verweigerten die Mitarbeit und redeten dazwischen, wobei ich später zu diesem Zweck eine Zeitlang mitten im Unterricht aus der „Mao-Bibel“, einem kleinen roten Büchlein mit gesammelten „Worten des Vorsitzenden Mao Tse-tung“ laut vorlas.

„Wir“ – das war eine kleinere Clique von kritischen, zynischen und provozierenden Jungs (Mädchen gab es in dieser Gruppe eigentlich keine), die überwiegend aus gut situiertem Elternhaus kamen und eigentlich gute Schüler hätten sein können; aber das entsprach nicht unseren antibürgerlichen Idealen. Also übte man demonstrativ Verachtung gegenüber dem „stupiden, kapitalistischen“ Notensystem, das einen nur für „Sachzwänge“ und „Profitmaximierung“ abrichten sollte. Wir waren entschlossen, allen solchen Zwängen zu entfliehen. Wir waren arrogant und verletzend, ironisch und herabwürdigend gegen Mitschüler und Lehrer. Wehe dem, der die Zielscheibe unseres Spottes wurde!

Unser provozierendes, destruktives Verhalten brachte die meisten Lehrer fast zur Verzweiflung; bei unseren Mitschülern ernteten wir damit entweder stille Bewunderung oder kopfschüttelndes Unverständnis. Aber wir gaben den Ton in der Klasse an und terrorisierten nicht nur viele Lehrer, sondern auch manche lernwillige Mitschüler. Wenn man uns damals darauf hingewiesen hätte, wie egoistisch und mies unser Verhalten eigentlich war, hätten wir nur mit Unverständnis und Verachtung reagiert. Wir waren völlig von uns selbst eingenommen und tief davon überzeugt, daß wir im Recht waren. Ich war einer der schlimmsten in dieser Clique, ein Rädelsführer, der andere mitzog und zum Bösen anstiftete.

Im Laufe der Zeit veränderte sich meine schwammige, aus Sigmund Freud, Wilhelm Reich, Karl Marx und Marcuse seltsam gemischte Weltanschauung. Ich folgte damit einem Trend der Zeit. Aus motzigen antiautoritären Schnöseln wurden in jenen Jahren vielfach ausgesprochen autoritäre, der „Parteidisziplin“ fraglos folgende Kader kommunistischen Zuschnitts. Die alten Vordenker Freud und Reich wurden ausgemustert, und an ihre Stelle traten die großen Lehrer des klassischen Kommunismus: die Cheftheoretiker Marx und Engels, aber auch die blutigen Diktatoren Lenin, Stalin und Mao Tse-tung.

Auch ich vollzog, manchen Vorbildern aus dem SDS („Sozialistischen Deutschen Studentenbund“) folgend, diese Entwicklung in den Jahren 1969-1972. Ich las nicht mehr nur die Werke von Karl Marx und Friedrich Engels (ich war damals stolzer Besitzer einer vielbändigen Gesamtausgabe der „Marx/Engels Werke“), sondern auch von Lenin und Stalin, und fand mein Ideal in der „Großen Proletarischen Kulturrevolution“ des kommunistischen China. Mao Tse-tung wurde der neue Guru, während der Weg der Sowjetunion nach Stalin als Abweichung vom ursprünglichen Kommunismus verurteilt wurde.

Dahinter steckt natürlich eine tiefe Ironie, die ich damals absolut nicht erkannte. Auf der einen Seite zeugt es vom verdorbenen, nach Macht und Selbstverwirklichung verlangenden Herzen des Menschen, daß diejenigen, die lauthals nach der „Abschaffung jeglicher Macht“ gerufen hatten, bald darauf eine dogmatische Lehre fanatisch folgten, die massive Machtausübung einer Elite über das gewöhnliche Volk lehrte. Aus „Keine Macht für niemand!“ wurde: „Keine Macht für die, die heute herrschen, und alle Macht für uns!“

Auf der anderen Seite verdammten wir junge Rebellen von Herzen die ältere Generation, weil sie auf die Verführung eines Diktators wie Hitler hereingefallen waren, und gleichzeitig verehrten wir nun Diktatoren, die Hitler in ihrer Willkür und Grausamkeit kein bißchen nachstanden. Aber damals waren wir blind für solche Zusammenhänge.

An unserer Schule gründete ich eine „marxistisch-leninistische“ Schülerzelle, die eine linke Schülerzeitschrift herausgab. Wir organisierten sogar einen „Schulstreik“ mit Demonstration durch die Leonberger Innenstadt, was mir als einem der Rädelsführer einen zweifelhaften Ruf in unserem eher beschaulichen Städtchen einbrachte. Meine armen Eltern waren entsetzt und schämten sich; meine Mutter klagte, daß sie sich auf keinen Elternabend mehr traute.

Bald traten wir in Verbindung mit kommunistischen Gruppen in Stuttgart, und so kam ich einige Zeit später in die Redaktion des „Roten Signal“, einer Zeitschrift der MLSG, der „Marxistisch-Leninistischen Schüler-Gruppen“, die wiederum einer heute noch aktiven K-Gruppe zugeordnet waren, dem KABD („Kommunistischer Arbeiterbund Deutschlands“), der inzwischen als MLPD („Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands“) firmiert.

Es kann gut sein, daß ich auf den zahlreichen „Demos“ der damaligen Zeit unter roten Fahnen auch einmal, ohne es zu wissen, unserem ehemaligen Außenminister Joschka Fischer oder Winfried Kretschmann, dem derzeitigen Ministerpräsidenten von Baden-Württemberg, begegnet bin, die zu jener Zeit in anderen „K-Gruppen“ aktiv waren. Den heutigen Bundesvorsitzenden der „Linken“, Bernd Riexinger, habe ich jedenfalls in jenen Jahren in einem Kreis der Gewerkschaftsjugend kennengelernt. Die „68er“-Generation sitzt heute an den politischen Schalthebeln unseres Landes …

 

 

 

3
„Winds of Change“:
Die Kulturrevolution der sechziger Jahre

 

„Winds of Change“ – Winde der Veränderung, so hieß ein Musikalbum der Rockgruppe Eric Burden and the Animals, das 1967 herauskam, und dessen Titel den Geist jener Jahre treffend ausdrückt. Es würde ein ganzes Buch erfordern, wenn man die Welle der Veränderungen, ja, Umwälzungen richtig beschreiben wollte, die Mitte der 60er Jahre das zuvor noch in vielem „christlich“ geprägte Abendland, d.h. vor allem die USA und Westeuropa, überrollte und gründlich umgestaltete.

Aber dennoch möchte ich an dieser Stelle, vor allem für meine jüngeren Leser, versuchen, diese Zeitströmung zu kennzeichnen, die tiefgreifenden und bleibenden Einfluß auf unsere Zeit und die nachfolgenden Generationen hatte. Das tue ich aus meiner heutigen Sicht als überzeugter Christ; damals waren mir die meisten Zusammenhänge dieser Zeit kaum oder gar nicht bewußt.

 

Der radikale Umbruch vom „christlichen Abendland“ zur neo-marxistischen Kulturrevolution

Deutschland in den 50er und Anfang der 60er Jahre war ein Land, das wir uns heute überhaupt nicht mehr vorstellen können. Der Schock des nationalsozialistischen Regimes und des verlorenen Weltkrieges hatte in der Bundesrepublik eine gewisse äußerliche Rückbesinnung auf christliche Werte bewirkt. Nach dem Krieg waren für eine kurze Zeit die Kirchen voll gewesen; die Massenverführung der Nazis und ihre fanatische Ersatzreligion mit Hitler als falschem Messias-Erlöser hatten bei manchen zu einer heilsamen Ernüchterung geführt. Einige Menschen wandten sich aufrichtig dem christlichen Glauben zu; für andere bot er nur ein Wertegerüst, um wieder Halt zu bekommen. Die Stimme der Kirchen hatte damals jedenfalls moralisches Gewicht. In der Gesellschaft herrschte eine konservative Werteordnung vor.

Diese Werteordnung war, obgleich das vielen nicht so bewußt gewesen sein mag, stark von der Bibel und dem christlichen Glauben geprägt. Ehebruch war noch strafbar und bedeutete den Verlust des gesellschaftlichen Ansehens. Ehescheidung war erschwert und gesellschaftlich geächtet. Es gab noch den Kuppelei-Paragraphen, der es Vermietern verbot, unverheiratet zusammenlebenden Paaren Wohnraum zu vermieten. Gleichgeschlechtliche Beziehungen waren ebenso unter Strafe gestellt wie Abtreibung; Pornografie zu verbreiten war illegal. Es gab keine Miniröcke und so gut wie keine Kleidung mit „Sex-Appeal“. Gehorsam, Pflichterfüllung, Strebsamkeit, Fleiß, Sparsamkeit waren noch geachtete Tugenden. Lehrer, Polizisten, Richter und Bundespräsidenten waren noch Respektspersonen.

Auf der anderen Seite waren diese aus dem Christentum abgeleiteten „Werte“ vielfach schon unterspült und untergraben. Die allermeisten Menschen waren keine überzeugten gläubigen Christen, sondern eher äußerliche „Kultur-Christen“ ohne eine tiefe persönliche Glaubensbeziehung zu dem Herrn Jesus Christus. Viele Menschen waren in der Nachkriegszeit desillusioniert und innerlich haltlos; sie folgten den christlichen Werten eher aus Tradition und Sorge vor dem Chaos statt aus innerer Überzeugung.

Es gab damals schon viel Zynismus und Abwendung von Gott, innere Skepsis, eine große Verunsicherung über den Sinn und Zweck der menschlichen Existenz und oft genug ein Doppelleben hinter moralischer Fassade. Die große Enttäuschung der NS-Zeit einerseits und auch die Desillusionierung über den „realen Sozialismus“ im Osten hinterließ bei vielen Menschen eine innere Leere und Haltlosigkeit, die von der Jagd nach materiellen Gütern nur unzureichend überdeckt wurde.

Schon in den 50er Jahren kamen die ersten Vorboten der 68er-Flutwelle auf, etwa die atheistisch-nihilistische Philosophie des Existentialismus oder der Kult um die jungen Rebellen James Dean und Elvis Presley. Eine Zeitlang schienen die christlich-abendländischen „Werte“ noch standzuhalten; doch heimlich war schon längst der Materialismus, die Jagd nach Wohlstand und Lebensglück durch äußerliche Güter, zur bestimmenden religiösen Macht, zum obersten Götzen in Deutschland und Europa geworden. Das Haus des „christlichen Abendlandes“ war auf Sand gebaut worden, um das bekannte Gleichnis Jesu Christi anzuführen; als dann der Sturm kam, erwies sich, daß es rasch einstürzen sollte.

Der Sturm setzte so richtig in der Mitte der 60er Jahre ein. In den Jahren 1966–1968 erlebte die westliche Welt eine beispiellose Kulturrevolution, die sich in verschiedenen, miteinander verbundenen Wellen auswirkte. Diese Wellen hatten ihren Ursprung zumeist im angelsächsischen Raum, hauptsächlich in den USA, und sie rollten mit zerstörerischer Macht über ganz Westeuropa hinweg. Rußland und Osteuropa waren dagegen kaum betroffen; die dort herrschenden Kommunisten schirmten ihre Bevölkerung interessanterweise so gut wie möglich von diesen „dekadenten, zersetzenden“ Einflüssen ab. Diese Wellen der Veränderung können am besten als „Kulturrevolution“ eingeordnet werden; sie betrafen weder die wirtschaftlichen noch zunächst die politischen Machtverhältnisse, sondern das Denken und die Moral, die Lebensweise, die Sitten.

 

Prägende Einflüsse in der 68er-Kulturrevolution

Die 68er-Revolution setzte nicht, wie „klassische“ Revolutionen, bei den Zentren der politischen und wirtschaftlichen Macht an, sondern zielte auf die junge Generation, auf den Bildungs- und Ausbildungssektor sowie die Freizeit- und Kultureinrichtungen der Gesellschaft. Sie war weitgehend eine Jugendrevolte: Die Aktivisten, die sie propagierten und auslebten, waren 1966 überwiegend zwischen 18 und 28 Jahren alt und zumeist Studenten und Gymnasiasten aus gutbürgerlichen Akademikerfamilien. Aber die radikalen, das Bestehende und Überkommene umstürzenden Gedanken dieser Kulturrevolution strahlten auch auf ältere Menschen aus; sie hatten eine enorme langfristige Auswirkung auf die Politik und die Lebensweise der ganzen Gesellschaft der kommenden Jahrzehnte. Ihre Spätfolgen prägen uns noch heute.

Wir können in dieser Geistesbewegung verschiedene Strömungen und Einflüsse ausmachen, die etwa gleichzeitig auftraten und sich gegenseitig verstärkten und zu einer das Alte hinwegspülenden Flut wurden:

 

Neo-Marxismus

Ein solcher Einfluß war der Neomarxismus, der über die sozialistische Studentenbewegung vermittelt wurde. Er bezog seine Autorität nicht zuletzt aus dem Anspruch, die einzige wirkliche Alternative zum Faschismus zu sein, den er zu kritisieren und zu erklären suchte. Seine prominenten Sprecher waren ältere Studenten und Akademiker wie Rudi Dutschke und Bernd Rabehl; die intellektuellen Vordenker waren ältere linkssozialistische Soziologen und Philosophen wie Herbert Marcuse und Theodor W. Adorno, flankiert von kritischen Dichtern und Intellektuellen wie Hans Magnus Enzensberger und Erich Fried. Die wichtigsten Denker dieser Strömung gehörten der sogenannten „Frankfurter Schule“ an, die einen undogmatischen Marxismus mit Freudscher Psychoanalyse verbanden.

 

Antiautoritarismus und radikale Selbstverwirklichung

Mit dem Neomarxismus eng verbunden war die psychologisch motivierte Bewegung des Antiautoritarismus, der Selbstverwirklichung und der „Triebbefreiung“. Sie folgte einem populären Psychologismus, der sich auf Sigmund Freud und den kommunistischen Freudschüler Wilhelm Reich stützte. Reich, ein Apostel der „sexuellen Revolution“, der später in geistiger Umnachtung starb, predigte samt seinen Schülern radikale Triebenthemmung und Lustverwirklichung als Motor einer persönlichen und gesellschaftlichen Befreiung. Alle Autorität wurde als „unterdrückend“ und „einengend“ abgelehnt. Dies begann mit der Autorität des Vaters in der Familie; in gewisser Weise war diese ganze Bewegung ein Aufstand rebellischer Söhne gegen die von Gott eingesetzte väterliche Autorität und die mit ihr verbundenen Werte des Gehorsams, der Verantwortlichkeit, der Pflichterfüllung, der Treue. Und es war letztlich ein Aufstand gegen den Gott der Bibel, gegen seine Schöpfungsordnungen und seine göttliche Autorität. Die Bibel kennzeichnet diesen Geist treffend: „Warum toben die Heiden und ersinnen die Völker Nichtiges? Die Könige der Erde lehnen sich auf, und die Fürsten verabreden sich gegen den HERRN und gegen seinen Gesalbten: »Laßt uns ihre Bande zerreißen und ihre Fesseln von uns werfen!« (Psalm 2,1-3).

 

„Freie Liebe“

Unter dem Einfluß von Freud und Reich wurde die „freie Liebe“, der völlig unbeschränkte Geschlechtsverkehr jeder mit jedem einschließlich der Lebensform der „Kommune“ populär. Das war der Impuls zu einer umfassenden „sexuellen Revolution“, die sexuelle Zügellosigkeit geradezu zur revolutionären Pflicht und Befreiungsstrategie erklärte. Durch bewußten Bruch der „reaktionären“ Tabus und gesellschaftlichen Regeln sollten die Fundamente der Gesellschaftsordnung untergraben werden und so das verhaßte „System“ verändert werden. Das wurde wirksam gefördert durch die Einführung der „Antibabypille“ und flankiert durch Kampagnen zur Freigabe der Abtreibung, um unerwünschte Folgen der sexuellen „Freiheit“ bequem beseitigen zu können. Man wollte nur den Lustgewinn, nicht Kinder als Folge davon – die Familie war nämlich wie die Ehe für die Revolutionäre ein abzuschaffendes Überbleibsel einer reaktionären Weltanschauung. Die ideale Frau war die selbstbewußte, unabhängige Lustpartnerin, die Hetäre, die dem Mann keinerlei Verpflichtungen auferlegte und für kurzzeitige, auswechselbare „Beziehungen“ zur Verfügung stand. Auf Dauer, womöglich auf Treue angelegte Beziehungen wurden als „reaktionär“ und „einengend“ entschieden abgelehnt.

 

Feminismus

Die sexuelle Revolution wurde wiederum verstärkt und radikalisiert von der Bewegung des Feminismus, der „Frauenemanzipation“. Man forderte die „Befreiung“ der Frau vom Joch der Ehe, des Mutterseins, der Familie. Die Frau sollte dem Mann in allem völlig gleichberechtigt sein, sollte frei ihrer Lust leben können, ohne jegliche Grenzen und Verpflichtungen. Dazu mußte sie auch wirtschaftlich vom Mann unabhängig sein, um den „unterdrückenden“ Bindungen einer Ehe entfliehen zu können. Auf dem Gebiet der Mode wurde diese sexuelle Revolution vorangetrieben durch die Einführung des Minirocks, des Bikinis und insgesamt einer auf geschlechtliche Reize bedachten neuen Mode: bewußte Enthemmung und öffentliche Enthüllung, Durchbrechung aller Schambarrieren war der „revolutionäre“ Grundsatz der Mode seit Mitte der sechziger Jahre, und das setzt sich bis heute fort. Die Hose für die Frau war in jenen Jahren ein Symbol des Feminismus, der angestrebten Gleichmacherei von Mann und Frau; die Vermännlichung der Frau wurde durch immer kürzere Haarschnitte unterstrichen, während umgekehrt die Verweiblichung des Mannes durch lange Haare, Ohrringe usw. gefördert wurde. Gottes Schöpfungsordnung, über Jahrhunderte allgemein akzeptiert, wurde innerhalb weniger Jahre radikal angegriffen und ins Gegenteil verkehrt.

 

Rock- und Popkultur

Ein machtvoller kultureller Einfluß, der diese Entwicklungen vorantrieb, war die Rock- und Popmusik mit der sie begleitenden Popkultur – einer von Rockmusik und lustbetontem Tanz, sexueller Hemmungslosigkeit und radikaler Ablehnung christlich-bürgerlicher Werte gekennzeichneter Lebensstil, der innerhalb weniger Jahre einen unheimlichen Einfluß auf die junge Generation der sechziger und siebziger Jahre wie auch auf die folgenden Generationen erlangte. Die Rockmusik hat ihre Wurzeln in der Götzenanbetung afrikanischer Stämme, und sie hatte und hat einen gewaltigen enthemmenden, umprogrammierenden Einfluß auf die Jugend. Unter diesem Einfluß werden Rebellion und Lustverwirklichung, Zuchtlosigkeit und Verantwortungslosigkeit, ungezügeltes Geschlechtsleben und Leistungsverweigerung sowie Realitätsflucht bis hin zum bewußten Drogenkonsum gefördert. Inzwischen ist die Rockmusik und die mit ihr verbundene Kultur zu einer vorherrschenden, fast alle Gesellschaftsbereiche prägenden kulturellen Einrichtung geworden.

 

Esoterische Spiritualität

Verbunden mit der Rock- und Popmusik war wiederum ein einflußreicher Strom esoterischer Spiritualität und fernöstlicher religiöser Einflüsse, die teils über die Rockmusiker selbst, teils über hinduistische und buddhistische Missionare, Gurus und Swamis in den Westen kamen. Ein Motor war auch die damals prominente New-Age-Bewegung mit ihrer heidnisch-mystischen, fernöstlich geprägten Spiritualität. Manche Intellektuelle, so etwa der Physiker Frithjof Capra, verbanden westlichen Humanismus mit asiatischer Mystik und propagierten eine neue, spirituelle, ganzheitliche Weltsicht. Der Gott der Bibel und der Glaube an Jesus Christus wurden verächtlich abgelehnt; stattdessen gab es eine vielgestaltige Bewegung zur spirituellen „Selbstverwirklichung“ durch „Erleuchtung“ mithilfe von Yoga, Zen und vielen anderen Meditationstechniken. Man wollte das Aufgehen in einer Gottheit, das Gefühl des Einsseins mit dem All erreichen; das Glaubensbekenntnis dieser Religionen war: „Du bist schon eins mit Gott und bist selbst Gott; du mußt es nur erkennen, und dann bist Du vollkommen“.

 

Die 68er-Geistesströmung krempelt die junge Generation um

Diese mächtige Geistesströmung prägte auf die eine oder andere Weise viele, sehr viele junge Menschen, die damals aufwuchsen. Die meisten wurden von ihr nur bis zu einem gewissen Grad geformt und verließen nicht völlig die normalen Spuren; unter dem Einfluß der antiautoritären Grundstimmung und der Popkultur lebten sie mehr oder weniger konsequent nach den neuen Werten, ohne ganz aus dem bürgerlichen Leben „auszusteigen“.

Gerade diese Gruppe vollzog bewußt oder unbewußt den „Marsch durch die Institutionen“, den einige Vordenker schon in den 68er Jahren proklamiert hatten. Sie, die ja meist einen bürgerlich-akademischen Hintergrund hatten, machten Karriere als Juristen oder Soziologen, als Professoren oder Wirtschaftsmanager, als Lehrer oder Beamte. Und sie nahmen die Weltanschauung der 68er-Zeit mit, wenn auch manchmal pragmatisch abgemildert.

Andere aber ließen sich tiefer auf gewisse Unterströmungen dieser Welle ein und wurden zumindest zeitweise zu „Aussteigern“. Manche wurden von der Hippie- und Drogenwelle erfaßt und endeten oftmals als heroinsüchtige Junkies mit dem „goldenen Schuß“. Andere schlossen sich fernöstlichen Sekten an und versuchten ihr bürgerliches Ich unter Anleitung eines Gurus im Nirwana zu verlieren. Darunter waren übrigens erschreckend viele ehemalige Aktivisten aus der antiautoritären Studentenbewegung. Einige, darunter auch ich, stiegen von einem schwammigen Antiautoritarismus zunächst einmal in die Disziplin einer kommunistischen Revoluzzertruppe um.

 

 

 

4
Die Ersatzreligion des „Marxismus-Leninismus“
und mein Leben als Polit-Aktivist einer K-Gruppe

 

Nach dem Abitur, das ich aufgrund meiner Leistungsverweigerung mit einem sehr mittelmäßigen Notendurchschnitt bestanden hatte, wußte ich nicht, was ich weiter machen sollte. Zunächst wollte ich eine Berufslehre als Schriftsetzer machen und in die Arbeiterklasse eintauchen, was damals als lobenswerter Lebensweg für die zumeist bürgerlichen Jungkommunisten empfohlen wurde.

Die „K-Gruppen“ (eine Bezeichnung für damals aufgekommene kommunistische Gruppen, deren Namen alle mit „K“ begannen: KBW, KPD-ML, KABD), zu denen ich damals gehörte, förderten einen künstlichen Übergang vom Kleinbürgertum in die Arbeiterklasse, weil sie kaum „echte“ Arbeiter in ihren Reihen hatten. Ich schaute mich bei einem kleinen Unternehmen in Stuttgart um, das damals noch mit Bleisatz arbeitete.

Doch bevor der Ausbildungsvertrag abgeschlossen wurde, bekam ich, zur Erleichterung meiner Eltern, etwas Zweifel an meiner Eignung zum Proletarier und versuchte mich in einem Architekturstudium an einer Fachhochschule, das ich jedoch nach zwei Semestern abbrechen mußte. Meine konsequente Lernverweigerung besonders in den naturwissenschaftlichen Fächern rächte sich nun; in allen Fächern, die mit Mathematik, Physik oder Ähnlichem zu tun hatten, schnitt ich schlecht ab.

Schließlich landete ich an der Universität Stuttgart, wo ich ab dem Wintersemester 1974 die Fächer Germanistik und Anglistik (deutsche bzw. englische Sprache und Literatur) studierte. Ich hatte keine Ahnung, was ich einmal mit diesem Studium anfangen sollte; ich wählte einfach die Fächer, die mir am meisten lagen. In diesen sprachlichen Fächern hatte ich im Gymnasium trotz meiner Verachtung fürs „Pauken“ immer recht gute Noten gehabt. Ohnehin war das Studium für mich zunächst nur eine Nebenbeschäftigung, eine Basis für meine intensiven Aktivitäten im Dienste der kommunistischen Revolution, der ich mein ganzes Leben widmen wollte.

 

Ein Blick auf die kommunistische Ideologie, der ich anhing

Was bewegte mich damals, diesen Weg einzuschlagen? Die Ideologie der Kommunisten ist, aus meiner heutigen Sicht gesehen, eine regelrechte Ersatzreligion, die ihren Anhängern Glauben und Hingabe, Opfer und Selbstverleugnung im Dienst einer „höheren Sache“ abverlangt. Der Kommunist glaubt an eine anonyme höhere Macht im Ablauf der Weltgeschichte, die mit zwingender Notwendigkeit durch die vorbereitenden Stadien der Feudalwirtschaft und des Kapitalismus zum Sozialismus und dann zum Kommunismus, der höchsten Stufe des menschlich-gesellschaftlichen Lebens, voranschreitet.

Der Ideologie des Marxismus liegt ein unerbittlich konsequenter Evolutionsglaube zugrunde. Der Marxist ist fest davon überzeugt, daß die Weltgeschichte bestimmt wird vom Fortschritt in der Entwicklung der technischen Warenproduktion; der menschliche Fortschritt in der Entwicklung der Produktionsmittel bestimmt angeblich die Fortentwicklung der Produktionsverhältnisse (des Wirtschaftssystems), während die Gesellschaft, Kultur und Politik lediglich den „Überbau“ darstellt, welcher der Fortentwicklung der ökonomischen „Basis“ folgt.

Marx behauptete, in diesem Fortgang ein unaufhaltsam wirkendes geschichtliches Gesetz entdeckt zu haben, nachdem die Entwicklung der Produktionsmittel (der technische Fortschritt) zunächst den Übergang vom „Feudalismus“ (der antiken und mittelalterlichen Lehenswirtschaft) zum „Kapitalismus“, die wirtschaftliche Macht der Kapitaleigner über die Produktionsmittel, notwendig machte.

Die technische Fortentwicklung sowie die dem Kapitalismus eigene Tendenz zu zyklischen Krisen verlange aber nun die Einführung des „Sozialismus“, der durch eine Vergesellschaftung der Produktionsmittel unter der Kontrolle der Arbeiterklasse (des Proletariats) gekennzeichnet sei. Nach der „Diktatur der Bourgeoisie“ (der bürgerlichen Klasse, besonders der Unternehmer) komme also mit geschichtlicher Notwendigkeit die „Diktatur des Proletariats“, die wiederum den Übergang zum paradiesischen Endstadium des „Kommunismus“ einleite.

Es ist bezeichnend, daß der Marxismus, der als höchstes Ideal die Abschaffung aller Machtstrukturen verkündet, in sich selbst ganz und gar auf Machtausübung ausgerichtet ist. Jeder gesellschaftlichen Stufe entspricht eine Machtstruktur, die dann jeweils gewaltsam durch eine höhere, der nächsten gesellschaftlichen Evolutionsstufe entsprechende Machtstruktur abgelöst wird. Dem Feudalismus entspricht die Diktatur der Feudalherren, des Adels; dem Kapitalismus entspricht die Diktatur der Bourgeoisie, des industriellen Bürgertums, und dem Sozialismus entspricht die Diktatur des Proletariats, der Arbeiterklasse.

Diese Diktatur, das sah Marx eiskalt und im scharfen Gegensatz zu vielen Anarchisten, konnte praktisch nur durch die „Avantgarde“, die revolutionäre Elite der kommunistischen Partei ausgeübt werden, die dies stellvertretend für die Proletarier tun mußte, zumindest bis irgendwann das Bewußtsein der Massen so weit verändert war, daß sie selbst zur Übernahme der Herrschaft befähigt waren. Wie schon die radikalen Humanisten der französischen Revolution kennt der Marxismus also keine wirkliche „Demokratie“ (Volksherrschaft“), sondern hält die erzieherisch wirkende Diktatur einer fortgeschrittenen Elite über die unmündigen Massen für unumgänglich.

Der „Kommunismus“ (die Gesellschaft, in der alles gemeinsam ist; von lat. communis = gemeinsam, im Besitz der Gemeinschaft) ist das quasi-religiöse Zukunftsideal der Kommunisten, um dessentwillen sie (zumindest die ernsthaften unter ihnen) bereit sind, ihr Leben zu opfern, aber auch Aufstände und Bürgerkriege anzuzetteln und zu morden. Nach der Marx’schen Ideologie ist Gewalt immer der notwendige Geburtshelfer neuer gesellschaftlicher Zustände, und das kommunistische Ideal kann nur erreicht werden, wenn man zuvor die Kapitalistenherrschaft durch blutige Aufstände, Gewalt und Terror stürzt, wobei der Zweck da schon bei Marx fast alle Mittel rechtfertigte.

Nach Marx braucht es nach dem Sturz der Kapitalisten eine längere Übergangsphase, in der die Arbeiterklasse durch ihre Elite, die kommunistische Kaderpartei, eine rücksichtslose und blutige Diktatur über die Vertreter des „alten Regimes“ ausübt, bis deren Macht auch über die Gedanken der Menschen ganz ausgerottet ist. Dabei spielte die Ideologie, die Weltanschauung, eine große Rolle. Die Partei müsse alles tun, um das Volk zur marxistisch-materialistischen Weltanschauung umzuerziehen. Dabei war besonders auch das Christentum mit seiner Jenseitshoffnung für die Marxisten ein schlimmer Feind („Religion ist das Opium des Volkes“), der ausgerottet werden mußte, wenn die Einführung des Kommunismus gelingen sollte.

Im Kommunismus sollten dann alle Waren im Überfluß vorhanden sein, so daß jeder arbeiten und konsumieren konnte, wie es seinen Bedürfnissen entsprach. Wirtschaftlich war also eine Überflußgesellschaft das Ziel, in der alle Bedürfnisse völlig befriedigt würden, in der es keine Macht mehr gab, weil der „neue kommunistische Mensch“ sich bewußt sozial verhalte, so daß Verteilungskämpfe und Unruhen ausgeschlossen wären. Es gäbe weltweiten Frieden und völlige Gerechtigkeit; die Klassenunterschiede wären überwunden, ebenso Leid und Krankheit. Ein Paradies auf Erden also – aber ohne Gott, vom Menschen selbst errichtet.

 

Eine faszinierende Utopie – aber ein großer Irrtum

Dieses Ideal einer paradiesischen Überflußgesellschaft übte auf viele junge Menschen in der 68er-Zeit eine große Anziehungskraft aus. Es ist keine realistische gesellschaftliche Perspektive, sondern eine von Wunschdenken geprägte Utopie, ein gedanklicher Zukunftsentwurf ohne wirklichen Realitätsbezug. Doch die Faszination dieses Ideals läßt sich nicht nur aus der intellektuellen Überzeugungskraft der Marx’schen Gedanken erklären. Dieses Ideal hat eine religiöse Dimension.

Das höchste Ziel des Marxismus bzw. Kommunismus, die zukünftige kommunistische Gesellschaft, ist interessanterweise sehr stark angelehnt an die Bibel. Karl Marx übernahm im großen und ganzen das Bild des künftigen messianischen Friedensreiches, wie es die Propheten des Alten Bundes zeichnen, und paßte dieses Ideal seiner Ideologie an. Marx war Jude und kannte die Propheten sicherlich gut – er hatte allerdings dem Glauben seiner Vorväter wie auch dem christlichen Glauben schon als Student abgeschworen und sich (nach einigen Biographen) einem esoterisch-okkulten Geheimzirkel angeschlossen.

Im Kommunismus, so glauben es die Marxisten, würde es eine schrankenlose Selbstentfaltung und Selbstverwirklichung des Menschen geben; alle heutigen Übel der menschlichen Existenz wären ausgerottet – Armut und Hunger, ja, jede Form des Mangels; Ungerechtigkeit, Ausbeutung und Unterdrückung, alle Arten von Ungleichheit würden abgeschafft sein. Der Mensch würde im Überfluß, in einem utopischen Schlaraffenland leben; er wäre der Notwendigkeit zu entfremdeter Arbeit enthoben und würde seine Tätigkeit allein nach seinen Bedürfnissen richten – erst ein wenig töpfern, dann Bilder malen, einige Stunden in der Warenherstellung arbeiten, dann sich fortbilden usw.

Diese Utopie, im Grunde die Wiederkehr des Paradieses, spricht eine tief im Herzen des in Sünde gefallenen Menschen wurzelnde Sehnsucht an – nur der entscheidende Umstand ist, daß Gott aus diesem Paradies radikal ausgeschlossen bleibt. Gott ist nach dem fanatischen Glauben der Marxisten nur eine menschliche Erfindung, eine große Illusion. Die Welt ist nichts anderes als sich selbst bewegende Materie.

Der Mensch ist als höchstes Produkt der darwinistischen Evolution sein eigener Gott und Leitstern und kann niemanden über sich dulden. Der „Gott“ der Marxisten ist eine anonyme, verborgene Macht, welche die Geschicke der Menschen nach aus sich selbst entstandenen historischen Urgesetzen leitet. Diese Gesetze meinen die Marxisten mithilfe des „dialektischen Materialismus“ entschlüsselt zu haben.

Aus der Sicht der Bibel, die nach meiner festen Überzeugung wahr ist und alleine eine Überwindung solcher verführerischer politisch-religiöser Denkgebäude ermöglicht, erweisen sich die Grundannahmen des Marxismus als verhängnisvolle Täuschungen. Das philosophische Fundament des Marxismus ist der erwähnte „dialektische Materialismus“. Nach ihm besteht der Kosmos nur aus sich selbst bewegender Materie; der menschliche Geist ist nur Ausfluß materieller Vorgänge, und Gott existiert angeblich nicht. Der Materie wohnen bestimmte Gesetze inne, die alle zu einer Evolution, einer allmählichen Höherentwicklung führen. Hier ist der Marxismus eine feste Allianz mit dem Darwinismus und seinen Evolutionsvorstellungen eingegangen.

Doch der Materialismus und die Evolutionstheorie gehören zu den tiefsten Irrtümern der modernen Menschheit. Sie können weder die Frage nach der letzten Ursache von allem beantworten, denn sie bleiben die Antwort darauf schuldig, woher denn die Materie kommt und woher ihre beobachtbaren Gesetzmäßigkeiten stammen. Eine solche staunenswerte und überaus komplexe, vielfältig voneinander abhängige Anordnung verschiedenster Elemente, wie wir sie in der Schöpfung („Natur“) finden, kann niemals durch blinden Zufall entstanden sein. Viele Prozesse gerade des organischen Lebens sind so komplex, daß sie unmöglich evolutionär erklärt werden können. Hinter der Schöpfung, das zeigen die Ergebnisse der Naturwissenschaften im Grunde eindrucksvoll, muß ein überaus intelligenter Konstrukteur, ein dem Menschen weit überlegener Schöpfer stehen.

Der zweite Grundirrtum des Marxismus (und mit ihm des modernen Humanismus) besteht darin, daß der Mensch völlig verkannt wird. Einerseits wird er als ein sinnloses Produkt des Zufalls im Universum angesehen, als Nachfahre der Amöben und Affen, als zufällig intelligentes Tier, das sich selbst seinen Weg im Universum bahnen müsse. Damit wird dem Menschen seine Würde und sein Lebenssinn genommen, und er wird aller moralischen Schranken beraubt, die über reines Zweckmäßigkeitsdenken hinausgehen. Der Marxismus kann keine überzeugende Antwort darauf geben, was der Mensch ist und wozu der Mensch lebt.

Zum anderen behauptet die marxistisch-humanistische Weltanschauung, der Mensch sei von Natur aus gut und werde nur durch die Umstände (Erziehung/Familie, Gesellschaft) beeinträchtigt oder zum Bösen geführt. Damit kann der Marxismus die verhängnisvolle Neigung des in Sünde gefallenen Geschöpfes Mensch zur Eigensucht und zur Grausamkeit, zum Ungehorsam und zur Machtmißbrauch gegen andere nicht erklären und auch nicht überwinden.

Im Gegenteil – der Sozialismus ist gerade ganz besonders von diesen Eigenschaften des unerlösten, sündigen Menschen gekennzeichnet, wo immer er aus den Lehrbüchern in die Wirklichkeit umgesetzt wurde. Die vom Marxismus verheißene „Selbsterlösung“ des Menschen ist gründlich gescheitert, und seine trügerischen Lehren berauben die Menschen der Chance zu einer wirklichen Erlösung von ihrer Sünde, die sie nur bei Gott und bei Jesus Christus finden könnten. Das gilt aber auch von dem heute so weit verbreiteten nichtreligiösen Humanismus, der fast schon die moderne Ersatzreligion des Westens darstellt.

 

Was die Bibel über den Ursprung des Seins und die Sinnbestimmung des Menschen sagt

Die Bibel als das Buch, in dem der lebendige Gott sich selbst und seine Absichten mit der Menschheit geoffenbart hat, bezeugt uns etwas ganz anderes, und ich möchte jeden Leser ermutigen, sie daraufhin zu erforschen. In der Bibel finden wir die Botschaft des Gottes, der Himmel und Erde erschaffen hat, und der auch den Menschen zu einem ganz bestimmten Zweck gebildet hat. Die Bibel ist ein lebensrettendes und lebensprägendes Buch der Wahrheit Gottes. Ihre Worte wurden von menschlichen Verfassern niedergeschrieben, aber von Gott selbst geredet und eingegeben. Deshalb ist sie ein ganz besonderes Buch, das „Buch der Bücher“.

Die Worte, die ich zu euch rede, sind Geist und sind Leben. (Jesus Christus in Johannes 6,63)

Herr, zu wem sollen wir gehen? Du hast Worte ewigen Lebens; und wir haben geglaubt und erkannt, daß du der Christus bist, der Sohn des lebendigen Gottes! (Simon Petrus in Johannes 6,68-69)

Die Bibel bezeugt uns zum einen, daß die Welt von dem allmächtigen, ewigen, lebendigen Gott erschaffen wurde, der als Geist in der unsichtbaren Ewigkeitsdimension lebt, die wir Menschen nicht messen und erforschen können, und die über diesem materiellen Universum steht. Er ist der Unfaßbare und Ehrfurchtgebietende, der Ewigseiende, der Allwissende und Allgegenwärtige. Er hat den Menschen in seinem Ebenbild geschaffen, damit er als sein Diener und Haushalter die Erde bebaue und bewahre, und damit er als Priester dem wahren Gott diene und ihn anbete. Das ist unsere wahre Berufung, unser wirklicher Lebenssinn, und nur wenn wir ihn finden, können wir ein erfülltes, gutes Leben führen.

Denn so spricht der HERR, der Schöpfer der Himmel – Er ist Gott -, der die Erde gebildet und bereitet hat – Er hat sie gegründet; nicht als Einöde hat er sie geschaffen, sondern um bewohnt zu sein hat er sie gebildet -: Ich bin der HERR, und sonst ist keiner! (…) Wendet euch zu mir, so werdet ihr gerettet, all ihr Enden der Erde; denn ich bin Gott und keiner sonst! (Jesaja 45, 18 u. 22)

Doch die Bibel zeigt uns auch, was wir alle irgendwo empfinden – die Existenz einer Geistesmacht des Bösen, des Satans oder Teufels (Diabolos), der in dieser Welt mächtig wirksam ist und überall Zerstörung und Tod, Grausamkeit und Haß, Mord und Gewalt schürt. Diese böse Macht ist seit dem Sündenfall des Menschen aufgrund er Zulassung des allmächtigen Gottes der „Fürst dieser Welt“, ja der „Gott dieser Welt“. Alles Böse und Schreckliche, alles Perverse und Notvolle, das auf dieser Erde geschieht, geht letztlich von Satan aus, der die ihm dienenden sündigen Menschen anstiftet und verleitet.

Und so wurde der große Drache niedergeworfen, die alte Schlange, genannt der Teufel und der Satan, der den ganzen Erdkreis verführt; er wurde auf die Erde hinabgeworfen, und seine Engel wurden mit ihm hinabgeworfen. (Offenbarung 12,9)

Die sündigen Menschen aber, die von Gott ansonsten nichts wissen wollen, klagen regelmäßig den gütigen, gerechten Gott der Bibel wegen dieser bösen Dinge an und fragen: „Wie kann Gott das zulassen?“ Nun, wegen ihrer Sünde und Abkehr von Gott läßt Gott es zu! Der Mensch erwählte sich die Schlange zum Gott, und nun muß er die schlimme Willkürherrschaft dieses bösen gefallenen Engels tragen, bis er umkehrt zu dem wahren Gott, der ihn liebt und sein Bestes will.

… und ich will dich erretten von dem Volk und den Heiden, unter die ich dich jetzt sende, um ihnen die Augen zu öffnen, damit sie sich bekehren von der Finsternis zum Licht und von der Herrschaft des Satans zu Gott, damit sie Vergebung der Sünden empfangen und ein Erbteil unter denen, die durch den Glauben an mich geheiligt sind! (Jesus Christus zu Paulus in Apostelgeschichte 26,17-18)

Die Bibel teilt uns auch eine weitere, für uns nicht angenehme, aber so entscheidend wichtige Wahrheit mit: daß nämlich der Mensch, wie die (wirklich geschehene, nicht bloß „symbolische“!) Geschichte des Sündenfalls in 1. Mose 3 bezeugt, sich dem Satan geöffnet und seinen Schöpfergott verlassen hat, sodaß er geprägt wurde von Bosheit und Auflehnung, Eigensucht und zerstörerischen Begierden. Der Mensch wandte sich im Unglauben und Ungehorsam von seinem Gott ab, dem er alles verdankt, und seither lebt er in geistlicher Finsternis und kann Gott nicht mehr erkennen. Stattdessen dient er allerlei falschen Göttern (Götzen), die ihm keine Vergebung der Schuld und kein ewiges Leben geben können.

Wie nun? Haben wir etwas voraus? Ganz und gar nicht! Denn wir haben ja vorhin sowohl Juden als Griechen beschuldigt, daß sie alle unter der Sünde sind, wie geschrieben steht: »Es ist keiner gerecht, auch nicht einer; es ist keiner, der verständig ist, der nach Gott fragt. Sie sind alle abgewichen, sie taugen alle zusammen nichts; da ist keiner, der Gutes tut, da ist auch nicht einer! (Der Apostel Paulus in Römer 3,9-12)

Denn es wird geoffenbart Gottes Zorn vom Himmel her über alle Gottlosigkeit und Ungerechtigkeit der Menschen, welche die Wahrheit durch Ungerechtigkeit aufhalten, weil das von Gott Erkennbare unter ihnen offenbar ist, da Gott es ihnen offenbar gemacht hat; denn sein unsichtbares Wesen, nämlich seine ewige Kraft und Gottheit, wird seit Erschaffung der Welt an den Werken durch Nachdenken wahrgenommen, so daß sie keine Entschuldigung haben. Denn obgleich sie Gott erkannten, haben sie ihn doch nicht als Gott geehrt und ihm nicht gedankt, sondern sind in ihren Gedanken in nichtigen Wahn verfallen, und ihr unverständiges Herz wurde verfinstert. (Der Apostel Paulus in Römer 1,18-21)

Über viele Jahrtausende bewahrten die meisten Menschen bei allem Götzendienst und Sündenleben noch eine gewisse Ahnung, daß es einen höchsten Gott und Schöpfer geben müsse; in vielen Religionen finden wir Spuren dieses Ahnens. Die Athener weihten deshalb einen ihrer zahllosen Altäre dem „unbekannten Gott“ (vgl. Apostelgeschichte 17,22-31). Erst im 19. Jahrhundert begann der hochmütige, von sich selbst eingenommene Mensch der letzten Zeiten, die Existenz Gottes ganz zu leugnen; der Marxismus ist nur eine Variante des damals entstandenen humanistischen Atheismus (der Leugnung, daß es überhaupt einen Gott gibt). Diese Ersatzreligion nährt den Wahn, der Mensch könne sich selbst erlösen und zu einem gottähnlichen Wesen aufsteigen.

Der Narr spricht in seinem Herzen: »Es gibt keinen Gott!« Sie handeln verderblich, und abscheulich ist ihr Tun; da ist keiner, der Gutes tut. (König David in Psalm 14,1)

Die Bibel dagegen bezeugt, daß der in Sünde gefallene Mensch einen Erlöser, einen Retter von oben braucht und sich eben nicht selbst aus seiner Sünde retten kann. Ohne diesen Erlöser muß jeder Mensch vor dem lebendigen Gott als seinem Richter stehen und muß aufgrund von Gottes Gerechtigkeit wegen seiner Übertretungen und Auflehnung gegen Gott zum ewigen Tod im unauslöschlichen Feuer verurteilt werden. Doch weil Gott die Menschen verschonen wollte, sandte er in seiner Liebe seinen eigenen Sohn Jesus Christus, der Mensch wurde und am Kreuz stellvertretend für uns alle unsere Schuld und Sünde auf sich nahm, um mit seinem eigenen Leben den Preis dafür zu bezahlen. Das bedeutet Erlösung – Loskauf des todgeweihten Schuldners durch die Bezahlung der Schuld!

… denn dies ist gut und angenehm vor Gott, unserem Retter, welcher will, daß alle Menschen gerettet werden und zur Erkenntnis der Wahrheit kommen. Denn es ist ein Gott und ein Mittler zwischen Gott und den Menschen, der Mensch Christus Jesus, der sich selbst als Lösegeld für alle gegeben hat. (Der Apostel Paulus im 1. Timotheusbrief 2,2-6)

Wenn ein sündiger Mensch sich von seiner Sünde abkehrt und zu Jesus Christus wendet, wenn er ihm seine verkehrten Taten bekennt und sein Leben ganz übergibt, um fortan für Jesus Christus zu leben statt für sich selbst, dann kommt der Sohn Gottes in sein Leben und macht es neu. Dann zieht der Heilige Geist Gottes in das Herz dieses gläubigen Menschen und gestaltet sein Denken und Fühlen, sein Streben und Tun gründlich um, sodaß der Gläubige innerlich eine neue Schöpfung wird und nunmehr für den lebendigen Gott lebt.

Er ist ein Kind Gottes geworden. Er hat nun das wahre, göttliche, ewige Leben empfangen und hat die Gewißheit, hier auf Erden von Gott getragen und bewahrt zu werden und nach diesem Leben die Ewigkeit im Himmel, in glückseliger Gemeinschaft mit Gott und mit seinem Retter Jesus Christus zubringen zu dürfen. Hier auf der Erde darf er gemeinsam mit anderen Christen Gott dienen und die Botschaft von Jesus Christus auch anderen Menschen weitersagen.

Denn sie selbst erzählen von uns, welchen Eingang wir bei euch gefunden haben und wie ihr euch von den Götzen zu Gott bekehrt habt, um dem lebendigen und wahren Gott zu dienen, und um seinen Sohn aus dem Himmel zu erwarten, den er aus den Toten auferweckt hat, Jesus, der uns errettet vor dem zukünftigen Zorn. (Der Apostel Paulus im 1. Thessalonicherbrief 1,9-10)

Dieser Weg zu Lebenserfüllung und Wiederherstellung der verlorengegangenen Gemeinschaft mit Gott, den die Bibel zeigt, ist wahr und real; das habe gleich vielen Millionen Menschen auch ich erfahren und über 30 Lebensjahre erprobt. Die Ideen des Marxismus, des Neomarxismus und nichtreligiösen Humanismus dagegen sind ein verhängnisvoller Irrglaube, der niemanden aus seiner Sündenverstrickung und Gottentfremdung retten kann, sondern die Menschen nur immer weiter in die Gottesferne hineinführt.

 

Der trügerische Anspruch der Selbsterlösung bei dem Marxisten

Stolz habe ich, wie alle Kommunisten und Sozialisten, wahrscheinlich über hundertmal mit geballter Faust die „Internationale“ gesungen, in der es heißt:

Es rettet uns kein höh’res Wesen, / kein Gott, kein Kaiser noch Tribun! / Uns aus dem Elend zu erlösen / können wir nur selber tun!

Wie kläglich bin ich selbst mit meiner „Selbsterlösung“ gescheitert! Nach langen Irrwegen mußte ich zugeben, daß ich sehr wohl einen Retter brauchte – den Sohn Gottes, der sich für mich am Kreuz hingab. Als ich mein Leben Ihm anvertraute, wurde es wirklich neu und heil, in einer Weise, wie ich sie mir zu meinen kommunistischen Zeiten niemals hätte träumen lassen. Damals war ich ein irregeleiteter Zyniker, der nur eine abstrakte, ideologische Hoffnung hatte, um das Elend seines Alltagslebens zu übertünchen.

Aber die Kommunisten und Marxisten sind mit ihrer atheistischen Anmaßung auch kollektiv, im Weltmaßstab grandios gescheitert. Der lebendige Gott hat dafür gesorgt, daß ihr Hochmut und ihre Selbstüberschätzung gründlich zuschanden wurden. Sie konnten sich nicht selber erretten. Der Zusammenbruch des Sowjetkommunismus in Rußland und Osteuropa ist ein eindrucksvoller Beweis für die Verlogenheit des Marxismus.

Marx und nach ihm Lenin, Stalin und Mao hatten immer wieder damit geprahlt, daß die geschichtlichen Tatsachen die Wahrheit ihrer Lehre beweisen würden. Der Kollaps dieses menschenverachtenden, korrupten und bösartigen Regimes brachte für alle Welt den Beweis, daß die marxistischen Vordenker völlig in die Irre gingen. Die schrecklichen Mißstände im kommunistischen China, wo die Partei während der „Kulturrevolution“ zig Millionen Menschen dahinschlachtete und danach ihre politische Macht nur durch Einführung eines begrenzten Staatskapitalismus sichern konnte, belegt das Versagen dieser Ideologie genauso deutlich wie der offene Zusammenbruch des Sowjet-Imperiums.

So erlitten die stolzen Atheisten mit ihrem Anspruch, aus eigener Kraft eine ideale Gesellschaft und einen neuen Menschen zu schaffen, völligen Bankrott. Aus heutiger Sicht kann ich nur sagen: Welch eine schreckliche Anmaßung! Wie töricht, wenn der gefallene, von Sünde geprägte Mensch behauptet, er könne sich selbst erlösen! Das marxistische Menschenbild ist, wie das allgemein humanistische, ein großer Selbstbetrug. Die Bibel zeigt dagegen, daß der Mensch von Natur aus verdorben und unfähig zum wirklich Guten ist und deshalb einen übernatürlichen, göttlichen Erlöser und Retter braucht – Jesus Christus, den Sohn Gottes, der am Kreuz für unsere Sünde starb, um uns zu erlösen. Gerade diese lebensverändernde Rettungsbotschaft wollte der Marxismus bekämpfen und ausrotten.

Der Marxismus rühmte sich, eine „wissenschaftliche Weltanschauung“ zu sein, die jeden Glauben überwunden habe. Doch in Wahrheit war der Marxismus ein verhängnisvoller Irrglaube, der den Menschen zu seinem eigenen „Gott“ machte und ihm göttliche Fähigkeiten zuschrieb. Dieser Wahn scheiterte an der schlichten Wirklichkeit, und die beweist, daß der Mensch kein Gott ist, kein vollkommenes Wesen, sondern ein elender Sünder, getrieben von zerstörerischen Begierden.

Wenn man solchen Menschen Macht gibt, dann verhalten sie sich eben nicht selbstlos und zum Wohl der Allgemeinheit, sondern irgendwann verdirbt sie der Zugang zu Macht und Reichtum, und sie mißbrauchen beides in ihrem Eigeninteresse. Der Mensch kann weder sich selbst noch seine Mitmenschen erretten. Wir brauchen tatsächlich ein „höh’res Wesen“, das uns rettet – und das ist allein Jesus Christus, der Sohn des lebendigen Gottes, der Mensch wurde, um unsere Schuld zu tilgen und uns wieder mit unserem Schöpfergott zu versöhnen, von dem wir uns abtrünnig weggewandt hatten.

 

Alltag eines „Weltveränderers“

Nun, damals, zu Anfang der siebziger Jahre, war ich noch überzeugter Marxist-Leninist, und kein Zweifel trübte meinen eifrigen Glauben an die „Sache des Kommunismus“. Ich lebte das Leben eines kommunistischen Asketen, verbrachte meine Zeit mit Flugblatteinsätzen und Verkauf der Parteizeitung „Rote Fahne“ vor Werkstoren, mit Büchertischen an der Uni und „persönlicher Agitation“ zur Gewinnung von Anhängern, mit Zellen- und Leitungssitzungen sowie dem Studium der Partei-Schulungsliteratur und der vielen dicken Bände von Schriften der Führer Marx, Engels, Lenin, Stalin und Mao-Tse-tung, über denen ich viele Stunden verbracht hatte.

Immer wieder sammelten wir uns zu Demonstrationen und anderen Polit-Aktionen. Der gemeinsame Marsch mit Gleichgesinnten unter wehenden roten Fahnen und Transparenten mit auswechselbaren Parolen, die meist begannen mit „NIEDER MIT …“ oder „KAMPF DEM …“, vermittelte uns das erhebende Gefühl, wir seien auf dem richtigen Pfad. Es wurden Parolen gerufen wie „Gemeinsam sind wir stark!“, „Hoch die internationale Solidarität!“. Wir sangen die Internationale, ballten die Fäuste und fühlten uns stark und frei. Dann gab es auch viele Propaganda-Veranstaltungen, wo wir hingingen, um von unseren Führern zündende Reden zu hören und uns neu für den „revolutionären Kampf“ zurüsten zu lassen.

Nur gelegentlich dachte ich etwas unbehaglich darüber nach, daß von mir auch erwartet wurde, im Falle eines bewaffneten Aufstandes zum Sturz des herrschenden Systems, der unser erklärtes strategisches Ziel war, zur Waffe zu greifen und andere zu töten. Eigentlich scheute ich im persönlichen Leben Gewaltanwendung und beschränkte mich auf rhetorische Waffen, aber aufgrund der „höheren Notwendigkeit“ wäre ich auch dazu im Prinzip bereit gewesen – gewiß auch zur Verfolgung gläubiger Christen, denn diese waren ja „Reaktionäre“, die der proletarischen Revolution im Wege standen, und mit solchen Kräften durfte man um der Sache willen nicht zimperlich umgehen …

Meine ganzen politischen Aktivitäten überdeckten nur mühsam die innere Leere und Not meines Lebens. Ich hatte Sehnsucht nach einer dauerhaften, tiefen Beziehung zu einer Frau, hatte aber massive Schwierigkeiten damit. Nach den in diesen Kreisen vorherrschenden Idealen der „freien Liebe“ war das alles ganz einfach, aber mein innerliches Verlangen strebte nach einer verbindlichen Liebesbeziehung, in der ich mich dem Gegenüber anvertrauen und ganz öffnen konnte.

Das paßte nicht zu dem damals üblichen Stil, wie man potentielle Partner „anmachte“ und „aufriß“ und dann gegebenenfalls auch bald wieder wechselte, wenn etwas nicht paßte. Alle Versuche zum Aufbau einer Liebesbeziehung endeten kläglich. So lebte ich voller Sehnsüchte nach Lebenserfüllung und in innerlicher Zerrissenheit, die ich durch meinen Aktivismus überspielte.

Um mich herum nahm ich am Rande manches wahr, was mich gelegentlich irritierte – z.B. daß „führende Genossen“ ein zerrüttetes Leben als Alkoholiker führten, zynisch und innerlich kaputt, sodaß ihre Ehe geschieden wurde; daß die Ehefrau eines eifrigen Genossen, Mutter mehrerer Kinder, ein ehebrecherisches Verhältnis mit einem ledigen Mitgenossen pflegte; daß junge Frauen angehalten wurden, mit zu gewinnenden Sympathisanten ins Bett zu gehen, um sie näher an die Gruppe zu binden. Dennoch war mein Glaube an den Kommunismus ziemlich ungebrochen, als ich unverhofft in eine ernste Krise schlidderte.

 

 

5
Die große Sinnkrise:
Ein ehemaliger Politaktivist
auf der Suche nach dem Sinn des Lebens

 

In unserer K-Gruppe wurde wieder einmal eine „Säuberungsaktion“ durchgeführt – das heißt, die Führung erklärte gewisse Gedanken und Deutungen der marxistischen Klassiker für eine gefährliche Abweichung von der Wahrheit, die unbedingt zu verwerfen war. Solche „Säuberungen“ gab es immer wieder einmal, und sie wurden mit rigoroser Härte ausgeführt. Meist ging es um Feinheiten irgendwelcher Theorien, die kaum jemand nachvollziehen konnte; aber im Endergebnis wurden die Betroffenen zu „Feinden des Proletariats“ erklärt; sie wurden ausgeschlossen, und jeder Kontakt zu ihnen wurde verboten.

 

Der heilsame Zerbruch der kommunistischen Ideale

Nichtsahnend war ich nun (etwa 1977) in das Visier der „Säuberer“ aus der höheren Leitungsebene geraten. Mir wurde eine Abweichung von der „proletarischen Linie“ vorgeworfen, und innerhalb weniger Wochen war ich als „Abweichler“ ausgeschlossen. Die „Kritik und Selbstkritik“, die von mir erwartet worden war und die ich versucht hatte zu leisten, war nicht zur Zufriedenheit der Leitung ausgefallen, und man schloß mich als einen „Parteischädling“ aus der kommunistischen Hochschulgruppe aus.

Wie gut, daß ich nicht in einem Land des „real existierenden Sozialismus“ lebte – sonst hätte mich dieser Vorfall wahrscheinlich das Leben gekostet! So kostete es mich nur den Verlust aller meiner Freunde und meines gesamten sozialen Umfeldes innerhalb weniger Tage – und den Verlust einiger törichter Illusionen, die ich schon viel zu lange genährt hatte.

Das Erleben dieses Ausschlußprozesses stürzte mich in eine tiefe, aber heilsame Krise. Ich war plötzlich meines bisherigen Lebenssinnes beraubt und fand mein bisheriges Weltbild in Scherben vor. Nun erst begann ich über meinen bisherigen Weg und den kommunistischen Glauben nachzudenken, dem ich angehangen war. Ich stand im Austausch mit einigen anderen, denen es ähnlich ergangen war.

Allmählich dämmerte mir das Sektenhafte, Unehrliche, Verbiegende der kommunistischen Theorie und Praxis. Irgendwann wurde mir bewußt, daß die kommunistische Ideologie gründlich irrte, wenn sie die ungerechten Gesellschaftsstrukturen als Wurzel alles Bösen geißelte. Ich empfand immer deutlicher, daß die Wurzel des Übels, das eigentliche Problem im Herzen des Menschen lag – auch in meinem Herzen. Mit mir, mit uns mußte etwas nicht stimmen, wenn wir so herzlos, sektenhaft und brutal handeln konnten.

Etwa um diese Zeit erreichten mich auch glaubhafte Tatsachenberichte über die Greuel, die von den chinesischen Kommunisten während der „Großen Proletarischen Kulturrevolution“ an der Bevölkerung begangen worden waren. Diese „reinigende, erneuernde“ Massenbewegung war unser großes Ideal gewesen. Sie hatte uns die Hoffnung gegeben, daß China unter Mao wirklich auf dem Weg zu ersehnten kommunistischen Idealgesellschaft war, während wir den Sozialismus in der DDR und der Sowjetunion als entartet ablehnten. Und nun wurde offenbar, daß auch das ein übler Betrug und eine große Enttäuschung war.

In mir wuchs die Überzeugung, daß keinerlei Spielart von politischer Gesellschaftsveränderung eine echte Alternative war. Viele ehemalige K-Gruppen-Anhänger wanderten in andere linke Gruppen ab – zur DKP (DDR-nahe „Deutsche Kommunistische Partei“) oder zu den Gewerkschaftslinken, später vielfach zu den „Grünen“. Das alles war für mich keine Alternative; ich konnte und wollte nicht länger im Einsatz für eine „politische Sache“ vor mir selber davonlaufen.

Das führte zunächst dazu, daß ich mich wieder neu mit Psychologie beschäftigte, allerdings nicht mehr mit Freud und Reich, sondern mit der humanistischen Selbstfindungspsychologie, beispielsweise mit den Büchern Erich Fromms, aber auch mit Psychologen aus der New-Age-Bewegung, sowie C. G. Jung. In mir wuchs auch die Überzeugung, es müsse doch etwas Göttliches, Übernatürliches geben, eine „andere Dimension des Seins“. Der primitive „dialektische Materialismus“ hatte seine Überzeugungskraft für mich verloren.

 

Auf dem Weg in den Irrgarten des New Age

Eine wichtige Zeit war für mich der einjährige Aufenthalt als Sprachassistent für Deutsch in London im Rahmen meines Anglistikstudiums 1978-1979. Damals begann ich mich mit esoterischer, meist fernöstlicher Literatur zu beschäftigen und wollte ein neues Leben beginnen, einen Weg der persönlichen Sinnsuche und Selbstverwirklichung gehen. In dieser Zeit kam ich wieder mit der bunten „alternativen“ Szene in Berührung, von der ich mich in meinen marxistischen Jahren ferngehalten hatte.

Wenn Gott nicht schon vorlaufend seine gnädige Hand über mir gehalten hätte, wäre ich in diesem London-Jahr mehrfach in gefährlichen Sackgassen gelandet. Ich lernte in dieser Zeit haschischrauchende Freaks und Aussteiger aus der Leistungsgesellschaft kennen, zwielichtige Anarcho- und Sponti-Anhänger aus der Londoner Hausbesetzerszene, aber auch handfeste Zauberer und Anhänger der Druidenreligion oder des Pyramidenkults. Ich wurde zu einem „Alternativen“, zu einem Anhänger der New-Age-Bewegung, offen für alles Mögliche.

In dieser Zeit und danach begann ich mich unter dem Einfluß des New-Age-Denkens intensiver mit fernöstlichen Religionen zu beschäftigen. Ich las deren religiösen Grundschriften – das „Tao-Te-King“ und andere Klassiker des Taoismus, das „I-Ging-Orakelbuch“ und Konfuzius, die „Bhagavadgita“ und die „Upanischaden“ des Hinduismus, buddhistische Klassiker und auch das „Tibetanische Totenbuch“. Das Lesen allein genügte mir nicht; ich begann auch zu meditieren und wurde, um meine spirituelle Suche zu fördern, zum Vegetarier. Das Essen von Fleisch, so versicherten verschiedene fernöstliche Gurus, sei für die spirituelle Höherentwicklung hinderlich, während Pflanzenkost diese sehr fördere.

In diesen Jahren versuchte ich es eine Zeitlang mit Yoga und nahm Unterricht bei einem Inder, der gegen gutes Honorar Yogakurse zur „Entspannung“ hauptsächlich für sinnsuchende Hausfrauen anbot. Ich besuchte auch einen Kurs in buddhistischer Zen-Meditation (übrigens gehalten von einem evangelischen Pfarrer in einem Haus, das der evangelischen Landeskirche gehörte!). Schließlich lernte ich noch Tai Chi bei einem chinesischen Meister, der uns in die fließenden Bewegungen dieser tanzähnlichen Meditationsform einführte und dabei versicherte, daß der Fortgeschrittene, wenn er die magische „Chi“-Energie gut beherrsche, auch ohne weiteres einen Menschen durch seine bloße Berührung töten könne. Das entsprach aber dann doch nicht meinem eigentlichen Verlangen, weshalb ich diesen Kurs enttäuscht abbrach.

In dieser Zeit der religiösen Suche lernte ich viele esoterische Richtungen kennen. Ich las anthroposophische Schriften und beschäftigte mich mit dem jüdisch-mystischen Chassidismus; ich interessierte mich für die islamischen Sufi-Mystiker und für die Drogenexperimente von Carlos Castaneda, für indianische Schamanen und tibetische Lamas. Daneben besuchte ich auch für eine Woche ein katholisches Kloster und versuchte, in den dort angebotenen „Stundengebeten“ religiöse Erfüllung zu finden. Zeitweise träumte ich sogar davon, Theologie zu studieren und ein (liberal-esoterischer) landeskirchlicher Pfarrer zu werden, um so meine Sinnsuche zum Beruf zu machen.

 

Die Anziehungskraft und Gefährlichkeit der esoterischen „Erleuchtung“

All die verschiedenen Stationen meines religiösen Weges sollten zu einem mystischen Erlebnis führen, das ich mir ersehnte – die „Erleuchtung“, einen Moment, in dem der Mensch angeblich sein „Einssein mit dem Universum und mit Gott“ erfahren könne. Die verschiedensten „erleuchteten Meister“ der zumeist fernöstlichen Disziplinen versprachen dem Schüler, der geduldig auf dem Pfad der körperlichen und geistigen Meditationsübungen ausharre, daß er gewiß einmal zu diesem gottgleichen Seinszustand durchdringen könne. Dann sei er eins mit dem Höchsten und könne alles erkennen, aber auch auf magische Weise die Naturkräfte beherrschen und überwinden und sich der Hilfe verschiedener Geistwesen bedienen.

Allerdings lösten die Ausführungen dieser Leute über diesen Zustand der Entgrenzung, der Auflösung des bewußten Ich im „All-Einen“, im Nichts des „Nirwana“, bei mir auch gewisse Ängste und Bedenken aus. Die Aufforderung, den Verstand völlig auszuschalten und sich völlig der Übung, der inneren Erfahrung oder auch dem Guru auszuliefern, war für mich verlockend, aber auch bedrohlich.

Die Warnungen verschiedener „Meister“, daß das Streben nach Erleuchtung auch zu schrecklichen Erfahrungen mit bösen Geistwesen oder zum Verlust des Verstandes und zu Wahnzuständen führen könne, machten mich ebenfalls etwas zurückhaltend. So kam es, daß ich mich nie völlig in einen „spirituellen Weg“ hineingab, sondern immer wieder suchend und skeptisch zwischen den verschiedenen Wegen hin- und herirrte. Im nachhinein ist mir bewußt, daß hier schon die bewahrende Gnade Gottes in meinem Leben wirksam war, der nicht wollte, daß ich in einer Okkultsekte ende.

Es ging in all diesen Lehren immer um die „andere Dimension“, die Jenseitswelt der Geistwesen, die wir nicht erkennen konnten, die uns aber beeinflußte und die anscheinend den Schlüssel zu unserer Sinnerfüllung und Selbstfindung zu besitzen schien. Durch körperliche und geistige Meditationsübungen versuchten die esoterischen Sinnsucher in diese Welt einzudringen, die faszinierende Selbsterfahrung und schließlich höchste Erfüllung durch Selbstauflösung und Einswerden mit einem anonymen Göttlichen versprach.

Auf der einen Seite lockte mich dieses Eindringen in die Geisteswelt; fasziniert las ich so manche Berichte von Menschen, die überwältigende „spirituellen Erlebnisse“ gemacht hatten. Aber auf der anderen Seite hielt mich eine gewisse Furcht zurück. Was, wenn dieses Eindringen in die Geisteswelt mißlang und ich von bösen Mächten verführt oder angegriffen würde? Der esoterische Weg, den ich auf meiner Sinnsuche gefunden hatte, war verlockend und zwielichtig, verheißungsvoll und bedrohlich zugleich, und so schreckte ich davor zurück, mich auf Gedeih und Verderb an ihn auszuliefern.

 

 

 

6
Selbsterlösung oder Erlösung durch Jesus Christus?
Ein Suchender zwischen esoterischer Selbstverwirklichung
und der Botschaft der Bibel

 

Meine religiöse Sinnsuche ließ mich trotz immer neuer Ausflüge in bisher unentdeckte „Erleuchtungswege“ leer und unzufrieden. Neben der Gefährdung der psychischen Gesundheit, die offenkundig mit vielen meditativen Erkundungen der Anderswelt verbunden war, störte mich auch zunehmend, daß die verschiedenen „erleuchteten Meister“ alle behaupteten, in die Wahrheit des höchsten Seins eingeweiht zu sein – aber die Lehren dieser Meister widersprachen sich in den verschiedensten Gesichtspunkten, und manches daran erschien mir geradezu unsinnig oder auch ziemlich fragwürdig.

Ich nahm auch Anstoß an der Verquickung zwischen „reiner“ Erleuchtung und Selbstauflösung einerseits und handfester Magie andererseits, die mir immer wieder begegnete. Viele esoterische „Wege“ versprechen nämlich neben höchsten spirituellen Zielen auch Macht über die Materie, Hellseherei und Kontakt zu angeblich hilfreichen Geistwesen, die einem Gesundheit, langes Leben und materiellen Erfolg sicherten. Diese magischen Rezepte schienen mir in einem häßlichen Widerspruch zu den hehren Bekenntnissen zu stehen, daß alles Materielle niedrig und böse und eigentlich unwirklich sei.

 

Vergebliche „Selbstfindung“ durch Jung’sche PsychotherapieÜber die ganze Zeit hinweg hatte ich mich immer wieder mit den Schriften des Schweizer Psychologen C. G. Jung beschäftigt, der mir eine interessante Brücke zwischen abendländisch-psychologischem Denken und den esoterischen Schulen des Ostens zu sein schien. Seine Vorstellungen von einer spirituellen Selbstfindung („Individuation“) schienen mir etwas seriöser zu sein als die radikalen und unausgegorenen Rezepte der fernöstlichen Gurus. Er machte Anleihen bei fast allen mir schon etwas vertrauten spirituellen Wegen und suchte eine Art Zusammenfassung und Anwendung für den abendländischen religiösen Menschen anzubieten.

So entschloß ich mich, andere Wege erst einmal zurückzustellen und eine Jung’sche Psychotherapie zu beginnen. Längere Zeit saß ich einmal in der Woche bei einem Therapeuten und brachte Mitschriften meiner Träume mit, denn die Untersuchung der Träume ist der angebliche Königsweg zur Selbstfindung, den Jung empfahl. Durch die Konzentration auf die Botschaft der Träume sollte es zu einer Reaktion der jenseitigen Geistesmacht kommen, die Jung als das „kollektive Unbewußte“ bezeichnete und bei der die Schlüssel zur Selbstfindung liegen sollten. Das Ziel war, zu großen, bedeutsamen und persönlichkeitsverändernden Träumen zu kommen, durch die sich die Kräfte („Archetypen“) des kollektiven Unbewußten offenbaren würden und die dann zu einer Vertiefung und Vervollkommnung des Selbst führen sollten.

Der katholische Arzt und Psychotherapeut, der mich betreute, erschien mir jedenfalls weit vertrauenswürdiger als die exotischen Gurus und Seelenführer, von denen ich sonst gehört oder gelesen hatte. Er bemühte sich wirklich um mich, aber Gott sei Dank kam es auch in dieser Therapie nicht zu dem erhofften „großen Erlebnis“, das nur einen okkulten Charakter gehabt hätte. Denn C. G. Jung ist, ungeachtet seiner gelegentlichen Bezüge zur katholischen Religion, ein gefährlicher Esoteriker und praktizierender Okkultist gewesen, der bekannte, daß ihm viele seiner Bücher von einem Geistwesen diktiert worden seien. Die Jung’sche Psychoanalyse hätte mich im weiteren Verlauf nur tiefer in die Finsternis und Okkultismus verstrickt.

In der Zwischenzeit hatte ich mein Magisterstudium der Anglistik und Germanistik beendet. Ich war mir lange unsicher gewesen, was ich danach beruflich machen sollte, aber nach einigem Hin und Her wurde mir klar, daß ich ins Verlagswesen gehen wollte. Bücher haben mich seit meiner Kindheit fasziniert, und so entschloß ich mich, Verlagslektor zu werden. Dieser Beruf reizte mich –  Buchmanuskripte, die andere geschrieben haben, inhaltlich und äußerlich zu bearbeiten, zu korrigieren und für den Druck fertig zu machen.

Tatsächlich fand ich in einem Stuttgarter Verlag für Kunstbücher und Bildbände eine Anstellung als Lektoratsassistent. Diese Arbeit interessierte mich sehr und machte mir auch wirklich Freude. Nach vielen Jahren des „Trockenschwimmens“ in Schule und Universität endlich Praxis, endlich eine sinnvolle Arbeit!

 

Meine Beschäftigung mit der Bibel

In jener Zeit hatte ich auch begonnen, in der Bibel zu lesen. Das Christentum, das ich bislang nur in der Form der liberaltheologischen evangelischen Kirche kennengelernt hatte, war für mich eigentlich nicht ernsthaft in meiner „spirituellen Sinnsuche“ vorgekommen. Meine Zuwendung zur Bibel entsprang vordergründig einer Enttäuschung über die vielen dunklen, verworrenen, einander widersprechenden esoterischen Weisheitsbücher und Erleuchtungswege.

Irgendwie dachte ich, daß die Bibel vielleicht für uns Europäer doch einen besseren, leichter gangbaren spirituellen Weg eröffnete als die verstiegenen Traditionen des Fernen Ostens. Der Nebel der esoterischen Lehren wich allmählich, als ich mich in die Bibel, das Buch der Bücher, vertiefte. Durch Gottes Gnade las ich offenen Herzens, neugierig und suchend in diesem Buch, das seit meiner Konfirmationszeit viele Jahre unbeachtet in meinem Bücherregal verstaubt war – und die Bibel sprach zu mir. Mehr und mehr konnte ich die großartige Botschaft dieses Buches fassen. Insbesondere das Johannesevangelium sprach mich tief in meinem Herzen an.

Im Lesen dieses besonderen Buches erkannte ich, daß Jesus Christus mehr war als bloß ein „erleuchteter Meister“ unter vielen, wie das New Age lehrte. Die Worte, die ich da las, waren wirklich „Geist und Leben“, von ungewöhnlicher Kraft und Klarheit. Ich erkannte immer mehr: Jesus Christus war tatsächlich der, der Er zu sein beanspruchte: der Sohn des lebendigen Gottes, der Messias und Erretter, der Weg, die Wahrheit und das Leben.

Wenn ich in der Bibel las, dann wurde mein Herz warm; ich empfand immer klarer, daß der Weg, den der Herr Jesus Christus verkündigte, etwas Wahres und Echtes war; er unterschied sich für mich positiv von den ganzen esoterischen Wegen, die ich zuvor studiert und ausprobiert hatte. Allerdings wurde mir auch immer deutlicher, daß Jesus Christus von mir eine klare, entschiedene Lebensumkehr erwartete, einen Bruch mit der Sünde und dem Bösen in meinem Leben.

Das forderte mich zunächst heraus, denn der Esoteriker Jung lehrte das ganze Gegenteil: Nach seiner Auffassung gehöre das Böse zur Persönlichkeit des Menschen dazu, und der Mensch müsse es bejahen und bewußt in seine Person eingliedern, um nicht zu verkrüppeln und sich zu blockieren. Die beiden Wege, das merkte ich immer deutlicher, waren nicht vereinbar; ich mußte mich entscheiden.

 

 

7
Der Wendepunkt der Umkehr:
Der Schritt zum Glauben an Jesus Christus

 

In dieser Phase meiner Suche griff Gott souverän und gnädig ein. Ich entschloß mich in dem entscheidenden Jahr 1983, meinen Sommerurlaub in Spanien zu verbringen – u.a. zum Bergwandern in den Pyrenäen. Auf der Rückreise wollte ich noch eine Woche nach Taizé gehen – in eine christliche Mönchskommunität, von der mir einige junge Leute aus meiner Heimatstadt begeistert erzählt hatten, wie toll es dort sei, und daß man dort echtes Christsein kennenlernen könne. Nun, ich wollte das mal ausprobieren.

Ich war recht mißtrauisch, aber ich sagte mir, daß ich ja jederzeit wieder abreisen könne, wenn das Ganze sich als Fehlinformation herausstellen sollte. Aus heutiger Sicht ist diese mystische und ökumenische Kommunität der allerletzte Ort, an dem man Jesus Christus wirklich kennenlernen kann, denn die dort gepflegte katholische Spiritualität hat mit echtem christlichem Glauben nichts zu tun. Aber es gefiel Gott, mich gerade an diesem Ort zum Glauben zu rufen – ganz direkt, ohne Zutun der Mönche mit ihren mystischen Ritualen.

Ich hatte zu dieser Zeit schon begonnen, zu Jesus Christus zu beten und Ihn zu suchen. Einmal, einige Zeit vorher, hatte ich einen schlimmen Alptraum gehabt, in dem eine dämonische Macht bedrohlich nach mir griff. In dem Traum rief ich laut zu Jesus Christus – und die böse Macht mußte weichen. Das beschäftigte mich danach noch ziemlich. Das große Hindernis für Hinwendung zu Jesus Christus war letztlich meine mystische Prägung. Ich meinte, ich müßte auf eine übernatürliche Offenbarung des Sohnes Gottes warten, bevor ich zu ihm kommen dürfe – auf einen Traum, eine Vision, ein Wunderzeichen, das mir zeigte, daß Christus mich angenommen hätte. Doch auf dieses Zeichen wartete ich vergeblich.

Und nun, ausgerechnet in dem mystischen Taizé, wurde mir ganz einfach und unspektakulär klar, daß Gott etwas anderes von mir erwartete – ich sollte mein Leben schlicht im Glauben an Christus ausliefern, ohne auf irgendein Erlebnis, eine Offenbarung zu warten; ich sollte mich Christus ganz übergeben, und dann würde ich erfahren, was ich geglaubt habe.

Damals faßte ich den Schritt der Bekehrung in ein Bild, das mir eindrücklich war: Die Lebensübergabe an Christus war wie eine Fahrt in einem Boot auf dem offenen Meer, bei der ich Ruder, Segel und das Steuer über Bord werfen müßte, um zu sagen: „So, Herr, nun übernimm Du mein Leben ganz und gar!“. An dieser Vorstellung und an meinem Glauben klebten noch manche verdrehte Gedanken, aber am Abend jenes Tages, an dem ich das erkannte, habe ich mein Leben im Gebet dem Herrn Jesus übergeben – ganz und gar, bedingungslos, im Glauben.

In der darauffolgenden Nacht wachte ich einige Male auf, und mein Herz war erfüllt von Danksagung und Gebet zu meinem Gott, zu meinem Herrn und Erlöser. Wenn ich zuvor gebetet hatte, dann hatte ich immer das Gefühl, daß diese Gebete nur bis zur Zimmerdecke gingen, um dann wieder herunterzufallen. Nun wußte ich: meine Gebete kommen im Himmel an! Ich habe eine ganz neue, echte Beziehung zu meinem Herrn Jesus! Ich hatte große Freude und großen Frieden im Herzen in jenen Tagen. Auch das Bibellesen war plötzlich anders, tiefer, klarer, erfüllender.

Ich bekannte am folgenden Tag freudig einem Taizé-Mönch, daß ich mich bekehrt hatte – und war etwas verwundert, daß meine Mitteilung bei ihm eine sehr zurückhaltende Reaktion auslöste und er sich nicht wirklich mit mir freute. Heute ist mir klar, daß er mit seinem mystisch-katholischen Glauben darin wahrscheinlich eher eine Verirrung sah.

Gott gebrauchte diese Tage in Taizé, um die entscheidende, von mir lange ersehnte Wende in meinem Leben zustandezubringen. Später wurde mir anhand der Bibel klar, daß die in Taizé gepflegte falsche Frömmigkeit des ökumenischen Mönchtums mit der Lehre der Bibel gar nicht vereinbar ist. Die Mönche selbst mit ihren Kerzenritualen und lateinischen Gesängen hatten mich auch nur am Rande beeindruckt; vieles fand ich befremdlich. Doch ich kam als ein neuer, innerlich völlig veränderter Mensch aus meinem Urlaub zurück. Das waren Tage der Gnade Gottes, der sich über mich erbarmte und mir Vergebung und Erfüllung, Frieden und Heilung schenkte.

Ich erinnere mich noch, wie ich in meinem ersten Eifer für Christus mit einem jungen Mann vom CVJM sprach und entrüstet war, als ich erfuhr, daß er mit einer Freundin zusammenlebte. Voller Überzeugung sagte ich ihm, daß das doch falsch sei; er müßte um den Willen Gottes beten und dann sich entweder trennen oder sie sofort heiraten. Obwohl ich früher selbst in diesem falschen, sündigen Lebensstil gelebt hatte, war mir instinktiv klar, daß dieser Weg des „Zusammenlebens“ ohne Ehe widergöttlich war und nicht zu einer Christusnachfolge paßte.

Ohne daß ich es ahnte, hatte der gnädige Gott auch auf diesem Gebiet schon Vorsorge getroffen. In dieser schicksalshaften Woche in Taizé sollte ich nicht nur den Herrn Jesus finden, sondern danach auch meine liebe Frau, die mich seither all die Jahre auf meinem Lebensweg begleitet hat. In Taizé wurden die vielen Gäste jeweils in Kleingruppen aufgeteilt, in denen man sich austauschte. Ganz und gar nicht zufällig fand sich eine junge Frau, mit der ich schon beim Schlangestehen vor der Essensausgabe in ein Gespräch gekommen war, mit mir in derselben Gruppe.

Es ergaben sich im Laufe der Tage manche Gespräche, und in einem dieser Gespräche standen wir plötzlich vor der Frage, ob Gott uns füreinander bestimmt hat. Für mich war es in meinem jungen, einfältigen Glauben ganz klar, daß eine unverbindliche Freundschaft gar nicht in Frage kam, und eine Ehe nur dann, wenn Gott selbst das ganz klar zeigte. Das tat Er dann am folgenden Tag, und damit waren wir so gut wie verlobt, auch wenn es bis zur Verlobung noch ein wenig dauerte.

Für uns beide war klar, daß wir mit intimer Gemeinschaft warten wollten bis zum Schluß des Ehebundes, so wie es Gottes Gedanken entspricht. Als wir dann 1984 heirateten, bekamen wir die Gnade eines wirklich reinen Neuanfangs geschenkt; seither dürfen wir erfahren, wie segensreich Gottes Lebensordnung der Ehe für alle ist, die sie im Vertrauen auf Jesus Christus zu verwirklichen suchen.

So hatte Gott in Seiner Güte und Voraussicht sehr rasch nach meiner Bekehrung zu ihm eine für mich sehr notvolle und heikle Frage gelöst. Nach einigen zerbrochenen „Freundschaften“ ohne verbindliche Ehebeziehung hatte ich eigentlich schon vor meiner Entscheidung für Christus immer mehr das Verlangen gehabt, keine unverbindliche Beziehung, sondern einen christlichen Ehebund vor Gott einzugehen; damals beeindruckte mich das Buch des katholischen Psychologen Theodor Bovet über die Ehe sehr. Aber nach den gescheiterten Beziehungen hatte ich kaum noch Mut und Hoffnung, daß so etwas für mich möglich sei.

Nun nahm der Herr mir diese Frage aus der Hand. Er schenkte mir das, was die tiefste Sehnsucht in meinem Herzen in bezug auf das irdischen Leben war: eine treue, erfüllte, gesegnete Ehe mit einer lieben Frau. Nach fast 30 Ehejahren sind wir beide dafür immer wieder zutiefst dankbar. Es ist nicht unser Verdienst; es ist Gottes Gnadengeschenk!

 

 

 

8
Schritte in ein neues Leben:
Als Kind Gottes auf dem Glaubensweg

 

Mit dem Schritt der Hinwendung zu Jesus Christus, der ganzen Übergabe meines Lebens an den Sohn Gottes war eine gründliche Veränderung meines Lebens geschehen. Zuvor war ich ein einsamer Rebell gewesen, ein in die Welt geworfenes Wesen, das nicht wußte, woher es kam und wohin es ging, ein Wesen, das sich selbst seine Gesetze machte und alleine seinen Weg durch den dunklen Dschungel des Lebens finden mußte.

Ich wußte nicht, was gut für mein Leben war, welches der rechte, zum Glück führende Weg für mich wäre. Ich war darauf angewiesen, meinen Weg durch Versuch und Irrtum zu finden, mit schmerzlichen Folgen, wenn etwas „schiefging“, ohne recht zu wissen, wie es besser werden sollte. Ich war verletzlich und innerlich wund, und doch verletzte ich mit meinem eigensüchtig und eigenwillig gelebten Leben viele Menschen um mich herum. Ich war spöttisch und zynisch und hart gegen andere, und sehnte mich doch nach Reinheit, Liebe, Geborgenheit, nach guten, heilsamen Beziehungen zu meinen Mitmenschen.

 

Befreiung von der Schuld des Lebens

In meinen „autonomen“ Jahren als Mensch ohne Gottesbeziehung lud ich viel Schuld auf mich. Ich kränkte und belastete vor allem die Menschen aufs Schlimmste, die mir am nächsten standen – meine Eltern. Ich war voller Auflehnung und Ablehnung ihnen gegenüber, folgte ihren gutgemeinten Geboten und Ratschlägen nicht, beleidigte sie, richtete sie mit erschreckender Überheblichkeit gegen ihrer Verstrickung in den Nationalsozialismus und war blind dafür, daß ich doch in eine ebenso bösartige totalitäre Ideologie verstrickt war. Ich verletzte und belastete auch andere Menschen in meiner Umgebung – meinen Bruder und andere Familienangehörige, meine Lehrer und Mitschüler.

Ich sündigte mit tausend „kleinen“ Sünden, die für den gottfernen Menschen „normal“ sind. Ich belog immer wieder meine Eltern und andere Mitmenschen. Ich wußte zwar irgendwo, daß das nicht gut ist, aber ich tat es dennoch, wie alle Menschen (vgl. Römerbrief, 3. Kapitel). Ich betrog andere zu meinem Vorteil.

In meinen „linken Jahren“ stahl ich gelegentlich Bücher bei einem bekannten linken Buchhändler in Stuttgart (als ich ihm das später bekannte und den Schaden wieder gutmachte, reagierte er erstaunt und sagte: „Ich weiß genau, daß ganz viele Linke hier mich beklauen, aber daß einer kommt und das zugibt und wiedergutmachen will, das ist mir noch nie passiert!“). Ich haßte Menschen – und Haß wird von Gott gleichgesetzt mit einem innerlich begangenen Mord (vgl. 1. Johannesbrief 3,15)! Ich verleumdete andere und verspottete sie, war frech und provozierend, faul und aufsässig.

Ich verletzte auch manche junge Frauen, zu denen ich eine Beziehung knüpfen wollte und die ich aus Bindungsängsten oftmals dann wieder verließ, oder die mich verließen. Ich glaubte an das verlogene Ideal der „freien Liebe“, die keine verbindliche Treue in der Ehe nötig habe, und versuchte dementsprechend zu leben – aber ich wurde davon nicht glücklich, sondern mußte schmerzlich meine Beziehungsdefizite und Fehlhaltungen erkennen.

Heute weiß ich, daß diese unverbindlichen Beziehungen zutiefst egoistisch und verkehrt waren. Gott hat die Liebe zwischen Mann und Frau und besonders auch die Geschlechtlichkeit bewußt und aus gutem Grund in den Schutzraum der Ehe gestellt, einer verbindlichen Treuebeziehung auf Lebenszeit. Wenn der gottferne Mensch sie daraus herauslöst und nach „Liebe“ ohne Treue sowie nach „geschlechtlicher Erfüllung“ ohne wirkliche Liebe und Verantwortung sucht, dann entsteht daraus nur Böses. Gottes Gebote und Ordnungen für das Verhältnis von Mann und Frau sind zutiefst gut und richtig; sie sind heilsam und befreiend, wenn man sie bewußt auslebt. Das kann ich nach 30 Jahren Ehe nur von Herzen bezeugen.

Obwohl ich mich als „aufgeklärt“, gebildet und wissend bezeichnet hätte, lebte ich in einer großen Finsternis und Unwissenheit. Die Welt und das Leben war für mich ein großes Rätsel, undurchsichtig, und ich konnte keinen Sinn, keinen klaren Weg für mich erkennen. Ich lehnte den lebendigen Gott ab, der mich geschaffen hatte, und Seine Offenbarung in der Bibel. Ich war innerlich tot, voller Auflehnung gegen Gottes Güte und Autorität, und lebte ein Leben im Aufruhr gegen Gott und voller Übertretung Seiner guten Gebote und Ordnungen. Heute muß ich noch manchmal darüber nachdenken, wie wahr und zutreffend die Bibel meinen damaligen Herzenszustand beschreibt:

Denn auch wir waren einst unverständig, ungehorsam, gingen in die Irre, dienten mannigfachen Lüsten und Vergnügungen, lebten in Bosheit und Neid, verhaßt und einander hassend. (Der Apostel Paulus im Titusbrief 3,3)

Das sage und bezeuge ich nun im Herrn, daß ihr nicht mehr so wandeln sollt, wie die übrigen Heiden wandeln in der Nichtigkeit ihres Sinnes, deren Verstand verfinstert ist und die entfremdet sind dem Leben Gottes, wegen der Unwissenheit, die in ihnen ist, wegen der Verhärtung ihres Herzens … (Der Apostel Paulus im Epheserbrief 4,17-18)

 

Die Torheit meines Atheismus und das Schicksal des Menschen vor Gott

Der moderne Mensch lehnt es ab, an den lebendigen Gott zu glauben; er erklärt Gott kühn für „tot“, für eine bloße Einbildung, und so hielt ich es ja auch viele Jahre lang. Dahinter steht der Wunsch, ohne Verantwortung vor einem höheren Wesen unbeschränkt den eigenen Willen tun zu können. Instinktiv spürt der Mensch: „Wenn ich anerkenne, daß es einen Gott gibt, ein höchstes Wesen, das mich geschaffen hat, dann bin ich diesem Gott auch Rechenschaft schuldig; dann hat dieser Schöpfer auch Anspruch auf mein Leben. Wenn ich so tue, als gebe es keinen Gott, kann ich ja tun und lassen, was ich will!“

Denn der Gottlose rühmt sich der Gelüste seines Herzens, und der Habsüchtige sagt sich los vom HERRN und lästert ihn. Der Gottlose sagt in seinem Hochmut: »Er wird nicht nachforschen!« Alle seine Gedanken sind: »Es gibt keinen Gott«! (Psalm 10,3-4)

Doch so leicht kann der Mensch es sich nicht machen. Gott verschwindet nicht aus seinem Leben, wenn er Ihn verleugnet, ebensowenig wie der Himmel und das Sonnenlicht verschwinden, wenn ein Blinder behauptet, es gäbe sie nicht. Der Tod, dem jeder Mensch unweigerlich unterworfen ist, mahnt und erinnert uns alle, daß etwas nicht stimmt mit unserem Leben, mit unserer selbstzufriedenen, selbstherrlichen Existenz hier in dieser Welt; genauso mahnen uns Erfahrungen von Krankheit und Leid: wir sind auf einem falschen Weg, wir müssen umkehren und unseren Schöpfer suchen, den wir verlassen haben, sonst geht unser Leben zugrunde!

Du läßt den Menschen zum Staub zurückkehren und sprichst: Kehrt zurück, ihr Menschenkinder! (…) Denn wir werden aufgerieben durch deinen Zorn und schnell hinweggerafft durch deinen Grimm. Du hast unsere Missetaten vor dich hingestellt, unser geheimstes Tun in das Licht deines Angesichts. Denn alle unsere Tage schwinden dahin durch deinen Zorn; wir verbringen unsere Jahre wie ein Geschwätz. Unser Leben währt siebzig Jahre, und wenn es hoch kommt, so sind’s achtzig Jahre; und worauf man stolz ist, das war Mühsal und Nichtigkeit, denn schnell enteilt es, und wir fliegen dahin. Wer erkennt aber die Stärke deines Zorns, deinen Grimm, so wie es der Furcht vor dir entspricht? Lehre uns unsere Tage richtig zählen, damit wir ein weises Herz erlangen! (Mose in Psalm 90,3-12)

Der Mensch ist das höchste der Geschöpfe Gottes, und er ist seinem Schöpfer Rechenschaft schuldig über sein ganzes Leben, das er von Gott bekommen hat. Es gibt ein Gericht Gottes am Ende dieses Lebens, und kein Mensch wird diesem Gericht entrinnen, weil er die Existenz Gottes und seine Verantwortlichkeit bestreitet. Im Gegenteil, das erhöht noch die Schuld, die jeder Mensch ohnehin vor dem gerechten, heiligen Gott ansammelt.

Der Mensch hat eigentlich den Auftrag und die höhere Bestimmung, seinem Schöpfer zu dienen, dessen Gebote zu erfüllen und ihn zu ehren und anzubeten. Das ist der wahre, höchste Sinn unseres Lebens, den unser Schöpfer selbst vorgegeben hat. Jeder Mensch hat die Lebensaufgabe, ein heiliger Priester Gottes auf Erden zu sein, ein Anbeter und ein Diener, der die Erde im Auftrag Gottes treuhänderisch verwalten soll.

Und nun, Israel, was fordert der HERR, dein Gott, von dir, als nur, daß du den HERRN, deinen Gott, fürchtest, daß du in allen seinen Wegen wandelst und ihn liebst und dem HERRN, deinem Gott, dienst mit deinem ganzen Herzen und deiner ganzen Seele, indem du die Gebote des HERRN und seine Satzungen hältst, die ich dir heute gebiete, zum Besten für dich selbst? (Mose im 5. Buch Mose 10,12-13)

Und Jesus sprach zu ihm: »Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben mit deinem ganzen Herzen und mit deiner ganzen Seele und mit deinem ganzen Denken«. Das ist das erste und größte Gebot. (Matthäusevangelium 22,37-38)

Jeder Mensch hat diesen Auftrag verfehlt und daher vor Gott sein Leben verwirkt. Der Tod ist der Lohn der Sünde. Und dieser Todeszustand im Feuer der Hölle, fern von Gott, ist die unvermeidliche Konsequenz eines Lebens ohne und gegen Gott. Aus diesem gerechten Gericht Gottes kann nur einer den Menschen retten: Jesus Christus, der Sohn Gottes, der eben dafür Mensch wurde und als unser Stellvertreter all unsere Fehltritte und Sünden, all unser Versagen vor Gott auf sich nahm und mit seinem Leben und Blut für unsere viele Schuld bezahlt hat. Von ihm steht geschrieben:

»Er hat keine Sünde getan, es ist auch kein Betrug in seinem Mund gefunden worden«; als er geschmäht wurde, schmähte er nicht wieder, als er litt, drohte er nicht, sondern übergab es dem, der gerecht richtet. Er hat unsere Sünden selbst an seinem Leib getragen auf dem Holz, damit wir, den Sünden gestorben, der Gerechtigkeit leben mögen; durch seine Wunden seid ihr heil geworden. Denn ihr wart wie Schafe, die in die Irre gehen; jetzt aber habt ihr euch bekehrt zu dem Hirten und Hüter eurer Seelen. (Der Apostel Petrus im 1. Petrusbrief 2,22-25)

Der Tod Jesu Christi am Kreuz, das durfte ich bei meiner Bekehrung im Glauben annehmen, hat alle meine Schuld und Sünde vor Gott und den Menschen getilgt; mir ist vergeben worden um dieses Opfertodes willen. Weil ich nun Jesus Christus angehöre, bin ich vor Gott als so gerecht und rein angesehen wie Jesus Christus selbst.

Der auferstandene Sohn Gottes im Himmel ist mein Fürsprecher und Hoherpriester, der für mich eintritt; er ist mein Zugang in den Himmel; durch Ihn darf ich einmal auf ewig in die Herrlichkeit der Gemeinschaft mit Gott eintreten, wenn dieses Leben auf Erden beendet ist. Diese Begnadigung und ewige Rettung von Schuld und Tod bietet Gott in Seiner Liebe und Barmherzigkeit jedem Menschen an, der bereit ist, umzukehren von seinem falschen Weg und an Jesus Christus zu glauben.

 

Erste Schritte im Glaubensleben als Christ

Nach meiner Umkehr zu Gott war mein Leben innerlich ein völlig neues geworden. Ich lebte nun in dem Bewußtsein, daß meine ganze aufgehäufte Schuld und Sünde, die vielen Übertretungen meines Lebens, vor Gott völlig vergeben und für immer getilgt waren. Ich durfte von neuem beginnen. Wie viele Menschen wünschen sich das sehnlich nach Fehlentscheidungen und schmerzlichen Katastrophen – aber wie wenige erkennen, daß allein Jesus Christus die Chance für einen solchen echten Neuanfang gibt, weil Er allein die aufgehäufte Schuld der Vergangenheit tilgt und uns die Kraft zu einem anderen Leben nach den guten Maßstäben Gottes gibt!

Darum: Ist jemand in Christus, so ist er eine neue Schöpfung; das Alte ist vergangen; siehe, es ist alles neu geworden! Das alles aber [kommt] von Gott, der uns mit sich selbst versöhnt hat durch Jesus Christus und uns den Dienst der Versöhnung gegeben hat; weil nämlich Gott in Christus war und die Welt mit sich selbst versöhnte, indem er ihnen ihre Sünden nicht anrechnete und das Wort der Versöhnung in uns legte. (Der Apostel Paulus im 2. Korintherbrief 5,17-19)

Siehe, ich mache alles neu! (Jesus Christus in Offenbarung 21,5)

Leben als Christ – das bedeutet ein Leben in der lebendigen, täglich, stündlich, jedem Moment gelebten Gemeinschaft mit Jesus Christus als dem neuen Herrn meines Lebens, und mit dem allmächtigen Gott, der Himmel und Erde gemacht hat, und der nun mein Vater geworden ist. Vorbei ist die Einsamkeit, der verbissene „Kampf ums Dasein“. Ich darf nun wissen: Der große, unergründliche, allwissende und allmächtige Gott, der das Universum schuf und auch mich gemacht hat, Er ist jetzt mein liebender, gütiger Vater geworden, der mich führen und leiten will, der mich beschützt und versorgt. Diese Fürsorge offenbarte Gott schon im Alten Testament am Volk Israel, und das Neue Testament bekräftigt sie vielfach. Nur zwei Bibelworte will ich erwähnen, die mich immer wieder ansprachen und ermutigten:

Und nun, so spricht der HERR, der dich geschaffen hat, Jakob, und der dich gebildet hat, Israel: Fürchte dich nicht, denn ich habe dich erlöst! Ich habe dich bei deinem Namen gerufen; du bist mein. Wenn du durchs Wasser gehst, so will ich bei dir sein, und wenn durch Ströme, so sollen sie dich nicht ersäufen. Wenn du durchs Feuer gehst, sollst du nicht versengt werden, und die Flamme soll dich nicht verbrennen. Denn ich bin der HERR, dein Gott, der Heilige Israels, dein Erretter! (Der Prophet Jesaja in Jesaja 43,1-3)

Wir wissen aber, daß denen, die Gott lieben, alle Dinge zum Besten dienen, denen, die nach dem Vorsatz berufen sind. (…) Was wollen wir nun hierzu sagen? Ist Gott für uns, wer kann gegen uns sein? Er, der sogar seinen eigenen Sohn nicht verschont hat, sondern ihn für uns alle dahingegeben hat, wie sollte er uns mit ihm nicht auch alles schenken? Wer will gegen die Auserwählten Gottes Anklage erheben? Gott [ist es doch], der rechtfertigt! Wer will verurteilen? Christus [ist es doch], der gestorben ist, ja mehr noch, der auch auferweckt ist, der auch zur Rechten Gottes ist, der auch für uns eintritt! (Der Apostel Paulus im Römerbrief 8,28-34)

Gott, der ewige, hoch erhabene Schöpfer und Regent des Alls, ist nun für mich; er ist mein Gott geworden. Das ist der gewaltige Unterschied nach der Bekehrung zu Christus, der alles anders macht. Auf der einen Seite weiß ich, daß alle Ereignisse in meinem Leben nicht dem blinden Zufall oder der Macht eines anonymen „Schicksals“ entspringen, sondern von meinem Vater im Himmel so geplant und gesandt wurden zu meinem Besten – auch das Schwere und Leidbringende. Auf der anderen Seite darf ich alles, was mich bewegt und belastet, meinem Vater im Himmel, meinem gütigen Herrn Jesus Christus im Gebet bringen und Ihn um Führung und Bewahrung, um Veränderung der Umstände, um innere Kraft, um Weisheit und Liebe bitten.

Dieses beständige Leben in der Gemeinschaft mit einem liebenden, allmächtigen Gegenüber, mit Gott, der täglich vielfältig in meine Leben eingreift, mich führt und korrigiert, meine Gebete erhört, zu mir spricht durch die Bibel – das gehört für mich heute noch zum Größten und Herrlichsten bei all dem vielen Guten, das Gott mir in meinem neuen Leben mit ihm geschenkt hat.

In den Jahren meiner „spirituellen Suche“ fern von dem wahren Gott hatte ich auch Hermann Hesses Roman „Der Steppenwolf“ gelesen – damals ein Kultbuch der Hippies und Aussteiger. In diesem düsteren Werk schildert Hesse, der tragischerweise so nahe am christlichen Glauben aufwuchs und ihn doch verworfen hat, die Einsamkeit eines Menschen auf dem gefährlichen Weg der „Selbstfindung“. Damals fühlte auch ich mich wie solch ein einsamer Steppenwolf – doch diese blind tappende Pfadsuche und dieses „Auf-sich-selbst-Geworfensein“ war nun endgültig vorbei.

 

Die Bedeutung der Bibel für das Leben des Christen

Als Kind Gottes durfte ich nun lernen, nach den Geboten und Lehren der Bibel zu leben, die das Wort des lebendigen Gottes ist und alles enthält, was ein Mensch braucht, um ein gutes und Gott wohlgefälliges Leben zu führen. Das Bibellesen ist mir seit meiner Bekehrung zu einem Bedürfnis und einer lieben Gewohnheit geworden, und es ist kein Tag vergangen, an dem ich nicht dieses außergewöhnliche Buch Gottes aufgeschlagen hätte und mit persönlichem Gewinn darin gelesen und über die Worte Gottes nachgedacht hätte.

Die Bibel ist für den Christen das große Lehrbuch des Lebens, in dem der ewige Gott uns zeigt, wer Er ist, und wer sein Sohn ist, wie wir uns selbst und die Umwelt um uns herum sehen und darauf reagieren sollen. Die Bibel ist ein faszinierendes Buch, das uns den Weg zu einem guten, Gott wohlgefälligen Leben zeigt, das uns ermutigt und tröstet, aber auch ermahnt und korrigiert.

Unsere westliche Kultur hat die Bibel völlig verkannt und ins Abseits geschoben. Einst wußten die Christen noch, daß die Bibel ein besonderes Buch ist, das Buch, in dem der lebendige Gott, der Schöpfer des Universums, sich durch die menschlichen Werkzeuge der alttestamentlichen Propheten und der neutestamentlichen Apostel geoffenbart hat. Die Bibel ist Gottes Wort – von Gottes Geist eingegeben, eine übernatürliche Offenbarung von höheren, göttlichen Wahrheiten, die dem Menschen von Natur verschlossen sind, weil er in die unsichtbare Dimension der Geisteswelt nicht hineinsehen kann, in der Gott lebt.

Wir „modernen Menschen“ des 20. und 21. Jahrhunderts brauchen deshalb dieses 2.000 Jahre alte Buch ganz dringend, um Antworten auf die wirklich wichtigen Fragen des Lebens zu finden, auf die unsere moderne Wissenschaft und Weltanschauung keine Antworten geben kann – Fragen, die ich mir früher auch stellte: Woher komme ich? Warum existiere ich überhaupt in dieser Welt? Was ist ein gutes Leben? Weshalb gibt es Schuld und Leid, Krankheit und Tod in dieser Welt? Wohin gehe ich nach dem Tod? Was ist der Sinn meines Lebens?

Heute meint der „aufgeklärte“ westliche Mensch, die Bibel als ein Märchenbuch, als eine Sammlung von Mythen und Geschichten abtun zu können, die längst als unwahr und veraltet erwiesen sei. An dieser menschlichen Überhebung über die Bibel kranken auch die großen christlichen Kirchen, die den wahren christlichen Glauben leider längst verlassen haben.

Das ist die große Not des „christlichen“ Abendlandes: daß es dort so viel leeres, hohles Traditionschristentum gibt, das den schlichten Glauben an die Bibel und an den Sohn Gottes längst verlassen hat und sich an religiösen Zeremonien und sinnentleerten Predigten festhält. Solches „Christentum“, ob protestantisch oder katholisch, hatte ich auf meiner Suche immer wieder angetroffen, und es hat mich eher von Christus abgehalten als zu Ihm hingeführt. Aber in der Bibel und im Leben von den heute wenigen echten Christusgläubigen können wir noch erkennen, was der Herr Jesus Christus wirklich gelehrt und für seine Nachfolger gewollt hat.

Ungeachtet der allgemeinen Mißachtung der Bibel haben immer wieder Menschen in Not, auf der Suche nach Gott und dem Sinn des Lebens sich zu diesem wunderbaren Buch gewandt und erfahren, daß die Heiligen Schriften des alten und neuen Bundes lebendig und kräftig sind, daß sie Worte voller Trost und Klarheit, voller Ermutigung und göttlicher Wahrheit enthalten, die ein Menschenleben völlig umkrempeln und heilen können, wenn man sie im Glauben annimmt. In der Bibel fand ich auch zum Glauben an Jesus Christus; dieses Buch hat mich zu Christus geführt und dadurch mein Leben neu gemacht.

 

Die Freude der Gemeinschaft mit Gott

Im Laufe dieses neuen Lebens lernte ich den Gott des Himmels und der Erde, den Gott der Bibel immer mehr kennen. Vor allem in der ersten Zeit verbrachte ich Stunden über der Bibel und sog die Erzählungen von den Taten Gottes in der Geschichte Israels, vom Wirken des Sohnes Gottes, Jesus Christus, auf der Erde und all die anderen Inhalte in mich auf.

Ich lernte auch, die Bibel in mein Alltagsleben umzusetzen, nach dem Wort Gottes zu leben. Das äußerte sich auch darin, daß ich mein Leben von zerstörerischen, unguten Einflüssen reinigte. Viele esoterische und andere irreführende Bücher sowie meine Rock- und Popschallplatten landeten auf der Müllkippe. Ich machte einiges an Diebstählen wieder gut und entschuldigte mich bei meinen Eltern, bei vielen Lehrern und anderen Menschen, die ich verletzt und geschädigt hatte. Ich fing an, für Menschen zu beten, die mir feindlich gesinnt waren, und ihnen freundlich zu begegnen. Ich begann, im Alltag Fehler ehrlich zuzugeben und mich dafür zu entschuldigen, anstatt sie zu vertuschen und anderen die Schuld zuzuschieben.

Ich lernte, im Gebet einen intensiven Umgang mit meinem Gott und Vater sowie mit meinem Herrn Jesus Christus zu pflegen. Jeden Tag begann (und beginne) ich damit, Gott zu danken, Ihn zu loben und Ihm dann meine Anliegen für den Tag zu bringen. Ich bete für meine Frau, für meine Kinder, für andere Angehörige, für meine Freunde und Feinde, für Vorgesetzte und Kollegen am Arbeitsplatz, für Nachbarn, für meine christliche Gemeinde, für Missionare, für Politiker und Verantwortliche in unserem Land und weltweit… Im Gebet können wir gläubige Christen in einigen Minuten um die ganze Welt reisen und die unterschiedlichsten Anliegen, kleine und große, vor Gott bringen. Und Gott ist ein Gott, der Gebet erhört! Wie oft durfte ich das zusammen mit meiner lieben Frau erfahren!

Eine der ersten erhörten Gebete nach meiner Bekehrung betraf meinen Ausweis, den ich dringend brauchte und trotz gründlicher Suche nicht finden konnte. Plötzlich kam mir der Gedanke: „Du könntest ja auch dafür beten!“ Ich bat meinen Vater im Himmel darum, und in den nächsten Sekunden brachte ein einziger Griff in einen Stapel meinen Ausweis zutage! Das mögen Skeptiker als Zufall abtun, aber für mich war es so eindrücklich, daß ich geradezu einen Schreck bekam. Seitdem hat unser treuer Gott sicherlich viele Tausende von Gebeten erhört.

Eine unserer Töchter bekam als kleines Kind einen großen epileptischen Anfall. Die Ärzte sagten, sie müsse wahrscheinlich lebenslang starke Medikamente nehmen. Wir beteten intensiv, und danach trat kein einziger solcher Anfall mehr auf. Viele Jahre später bewarb sich eine unserer Töchter bei einer Ausbildungsstelle, die wir sehr geeignet fanden. Sie erhielt eine Absage, aber wir beteten weiter und rieten ihr, sie solle sich noch einmal bewerben, falls jemand zurückträte. Kurze Zeit später hielt sie die Zusage dieses Betriebs in Händen.

Wir erlebten in vielen kleinen und großen Dingen die Fürsorge, den Schutz und die Hilfe unseres großen Gottes und Vaters. Einmal, als wir in einem kurzfristigen finanziellen Engpaß waren, fanden wir plötzlich einen Briefumschlag mit einer größeren Geldsumme im Briefkasten. Über die vielen Jahre, in denen ich als freiberuflicher Bibellehrer und Referent in Gemeinden kein festes Einkommen erhielt, hatte es uns nie an irgend etwas gefehlt; Gott sorgte immer für uns und unsere große Kinderschar.

 

Das Geschenk von dreißig Jahren Ehe und Familie

Ein kostbares Geschenk ist mir auch nach 30 Jahren die Ehe mit meiner Frau Undine. Ich war ja überzeugt, daß ich nie zu einer stabilen, glücklichen Ehebeziehung fähig sein würde. Doch Gott hat mich auch in dieser Hinsicht innerlich verändert und beziehungsfähig gemacht. Er hat mir eine gute, liebe, treue Frau an die Seite gestellt, die mich in vielem sehr gut ergänzt. Ich durfte lernen, meine Frau mit der Liebe Jesu Christi zu lieben, sie zu ermutigen, ihr beizustehen, auf ihren Rat zu hören, aber auch, als Mann die geistliche Verantwortung für meine Frau und meine Kinder zu übernehmen und der Familie vorzustehen.

In alldem habe ich zahlreiche Fehler und Versäumnisse begangen, und durfte immer wieder die Vergebung und gnädige Zurechtbringung meines himmlischen Vaters erfahren. Als Christ zu leben, bedeutet nicht, alles perfekt zu machen. Wir versagen, sündigen immer wieder auch und dürfen gerade auch in unserem Versagen sehen, wie Gott an uns arbeitet und uns reinigt und zum Guten verändert. Im Laufe der Jahre darf man erleben, wie Gott tiefgreifende Charakterveränderung, Befreiung von negativen Haltungen und Denkmustern und innere Erneuerung schenkt. Unsere Ehe ist durch Gottes Gnade im Laufe der Jahre immer tiefer und erfüllender geworden, statt schal und kalt zu werden, wie dies leider bei manchen der Fall ist.

Für meine Frau und mich war es eine persönliche Führung Gottes, daß wir viele Kinder bekommen und aus Gottes Hand dankbar annehmen wollten. Gott hat uns zehn Kinder geschenkt, und an ihnen durften wir sehr viel lernen über christliche Liebe und Vergebung; wir durften Geduld und Barmherzigkeit lernen, Opferbereitschaft und Verzicht auf manche Bequemlichkeit. Unsere Kinder sind für uns wirklich eine „Gabe des Herrn“ (Psalm 127,3), und wir sind dankbar für jedes einzelne von ihnen. Sie alle wurden von Gott erbeten und werden bis heute mit Gebeten begleitet. Was für ein Segen ist es, beten zu können, wenn man selbst oder Mitmenschen Not leiden!

Gerade auch in bezug auf unsere Kinder durften wir so viele erhörte Gebete erleben, so viel Fürsorge und Hilfe Gottes, daß wir es gar nicht alles aufzählen könnten. Natürlich gab es auch Sorgen und Schwierigkeiten, aber wir staunen immer wieder über Gottes Treue und sind dankbar, daß unser himmlischer Vater uns immer wieder neu die Kraft für diese große Lebensaufgabe gegeben hat und gibt.

 

 

 

9
Ein Herr, der voller Liebe, Treue und Güte ist.
Ein Rückblick nach über 30 Jahren der Nachfolge Jesu Christi

 

Wenn ich nach über 30 Jahren zurückblicke, dann kann ich nur zutiefst dankbar sein für die Gnade Gottes, der mir die Augen geöffnet hat für das wahre Leben; das in Jesus Christus zu finden ist und das jedem Menschen angeboten wird. Mein Leben mit dem Herrn Jesus Christus ging durch manche Höhen und Tiefen; ich habe manches Versagen meinerseits zu beklagen, aber immer war die Liebe und Vergebung meines Herrn unwandelbar für mich da.

Ich ging eine Zeit auf verkehrten Wegen und folgte christlichen Kreisen, die ungesunde, nicht der Bibel entsprechende Lehren verkündeten, aber ich durfte das erkennen und wieder zurechtkommen. Gottes Güte, Gnade und Barmherzigkeit haben mich nicht einen Tag verlassen, seit ich Ihm angehören darf. Gott ist gnädig, gütig und treu, das kann ich nur von Herzen bezeugen.

Lobe den HERRN, meine Seele, und vergiß nicht, was er dir Gutes getan hat! Der dir alle deine Sünden vergibt und heilt alle deine Gebrechen; der dein Leben vom Verderben erlöst, der dich krönt mit Gnade und Barmherzigkeit; der dein Alter mit Gutem sättigt, daß du wieder jung wirst wie ein Adler. (…) Barmherzig und gnädig ist der HERR, geduldig und von großer Güte. (Psalm 103,2-8)

Vom ersten Tag meiner Umkehr an war mir klar, daß mit diesem großen Gott leben bedeutet, ihm zu dienen, für ihn zu wirken in einer Welt, die nichts von Gott hält. Das habe ich in aller Schwachheit versucht. Gott hat es dann geschenkt, daß ich über sieben Jahre lang vollzeitlich an der Revision einer deutschen Bibelübersetzung, der Schlachter-Bibel, als Redaktionssekretär mitwirken durfte.

Diese Jahre einer intensiven Beschäftigung mit Gottes Wort waren für mich ein großes Vorrecht und eine Segenszeit. Nach dem Ende dieser Arbeit gab mir Gott die innere Führung, meine ganze Zeit der Lehre und Verkündigung von Gottes Wort in mündlicher und schriftlicher Form zur Verfügung zu stellen. Ich durfte in dieser Zeit einige Bücher schreiben und auch eine Webseitenarbeit im Internet beginnen. In alldem habe ich Gottes Segen und Beistand so vielfältig erfahren, daß ich nur staunen kann.

So kann ich nach diesen dreißig Jahren von ganzem Herzen bezeugen: Der Gott der Bibel ist der wahre Gott, der allmächtige, heilige und gerechte Schöpfer und Regent des Universums; Er ist real und erfahrbar; Er ist treu und steht zu den Zusagen, die Er in der Bibel gemacht hat. Er ist der Richter, vor dem einmal alle Geschöpfe Rechenschaft geben müssen; Er ist aber auch der barmherzige, gnädige Retter-Gott, der jedem bereit ist zu vergeben, der aufrichtig nach Vergebung sucht und den Retter annimmt, den Gott gesandt hat: Jesus Christus, Seinen geliebten Sohn.

Dieser Sohn Gottes, der Herr und Retter Jesus Christus, ist seit über dreißig Jahren mein persönlicher Herr, den ich kennenlernen durfte, dem ich dienen darf, der mich all die Jahre wunderbar beschützt und gestärkt, getröstet und zurechtgebracht hat. Er ist der einzige Retter, an den wir Menschen uns wenden können. Er schenkt uns Vergebung unserer Sünden, wenn wir an Ihn glauben; um uns zu retten, hat Er, der Unschuldige, alle Schuld und Sünde der ganzen Menschheit auf sich genommen und am Kreuz die Strafe dafür getragen und uns so erlöst, freigekauft von Tod und Gericht.

Durch den Glauben an Ihn wird ein Mensch zu einem geliebten Kind Gottes, von neuem geboren durch den Geist Gottes, innerlich neu gemacht. Das habe ich erfahren dürfen, und das haben schon Millionen Menschen auf der ganzen Welt erfahren dürfen.

Was ich erlebt habe und noch erleben darf, kann vielleicht ein Abschnitt aus dem Epheserbrief verdeutlichen, in dem der Apostel Paulus die große Gnade Gottes gegenüber irregegangenen, sündigen Menschengeschöpfen beschreibt:

… euch, die ihr tot wart durch Übertretungen und Sünden, in denen ihr einst gelebt habt nach dem Lauf dieser Welt, gemäß dem Fürsten, der in der Luft herrscht, dem Geist, der jetzt in den Söhnen des Ungehorsams wirkt; unter ihnen führten auch wir alle einst unser Leben in den Begierden unseres Fleisches, indem wir den Willen des Fleisches und der Gedanken taten; und wir waren von Natur Kinder des Zorns, wie auch die anderen.

Gott aber, der reich ist an Erbarmen, hat um seiner großen Liebe willen, mit der er uns geliebt hat, auch uns, die wir tot waren durch die Übertretungen, mit dem Christus lebendig gemacht – aus Gnade seid ihr errettet! – und hat uns mitauferweckt und mitversetzt in die himmlischen [Regionen] in Christus Jesus, damit er in den kommenden Weltzeiten den überschwenglichen Reichtum seiner Gnade in Güte an uns erweise in Christus Jesus.

Denn aus Gnade seid ihr errettet durch den Glauben, und das nicht aus euch – Gottes Gabe ist es; nicht aus Werken, damit niemand sich rühme. Denn wir sind seine Schöpfung, erschaffen in Christus Jesus zu guten Werken, die Gott zuvor bereitet hat, damit wir in ihnen wandeln sollen.   (Der Apostel Paulus im Epheserbrief 2,1-10)

 

 

 

10
Der Gott, der sich finden läßt.
Eine Ermutigung für Suchende

 

Am Ende dieses Lebensberichts möchte ich alle meine Leser ermutigen. Der Gott, der sich mir geoffenbart und mein Leben so gnädig gewendet und in seine Hand genommen hat, dieser Gott der Bibel läßt sich gerne finden von jedem Menschengeschöpf, das ihn aufrichtig sucht. Er hat in seinem Wort eindringliche Aufrufe zur Umkehr und zum Glauben niederschreiben lassen, die allen seinen Menschengeschöpfen gelten:

Wohlan, ihr Durstigen alle, kommt her zum Wasser; und die ihr kein Geld habt, kommt her, kauft und eßt! Kommt her und kauft ohne Geld und umsonst Wein und Milch! Warum wiegt ihr Geld ab für das, was kein Brot ist, und euren Arbeitslohn für das, was nicht sättigt? Hört doch auf mich, so sollt ihr Gutes essen, und eure Seele soll sich laben an fetter Speise! (…)

Sucht den HERRN, solange er zu finden ist; ruft ihn an, während er nahe ist! Der Gottlose verlasse seinen Weg und der Übeltäter seine Gedanken; und er kehre um zu dem HERRN, so wird er sich über ihn erbarmen, und zu unserem Gott, denn bei ihm ist viel Vergebung. Denn meine Gedanken sind nicht eure Gedanken, und eure Wege sind nicht meine Wege, spricht der HERR; sondern so hoch der Himmel über der Erde ist, so viel höher sind meine Wege als eure Wege und meine Gedanken als eure Gedanken. (Der Prophet Jesaja in Jesaja 55,1-9)

Denn ich weiß, was für Gedanken ich über euch habe, spricht der HERR, Gedanken des Friedens und nicht des Unheils, um euch eine Zukunft und eine Hoffnung zu geben. Und ihr werdet mich anrufen und hingehen und zu mir flehen, und ich will euch erhören; ja, ihr werdet mich suchen und finden, wenn ihr von ganzem Herzen nach mir verlangen werdet; und ich werde mich von euch finden lassen, spricht der HERR. Und ich werde euer Geschick wenden … (Der Prophet Jeremia in Jeremia 29,11-14)

Viele suchende Menschen haben schon gebetet: „Gott, wenn es dich gibt, dann zeige mir das und offenbare dich mir!“, und Gott hat geantwortet. Gott offenbart sich in seinem Wort, der Bibel, die er als eine Botschaft an die von ihm abgedrifteten Menschen hat niederschreiben lassen. Gott offenbart sich in seinem Sohn Jesus Christus, von dem die Bibel vielfältig Zeugnis ablegt, in den Evangelien, der Apostelgeschichte und den Briefen, in der Offenbarung und auch im Alten Testament.

Wer die Bibel liest mit einer solchen Bitte zu Gott, der wird erleben, daß in diesem erstaunlichen Buch der Gott der Bibel lebendig zu ihm spricht und er diesen Gott erkennen kann. Besonders das erste Buch Mose, das Johannesevangelium, der Prophet Jesaja Kapitel 40 – 66, die Psalmen und der Römerbrief seien als Einstieg empfohlen, wobei es wichtig ist, eine klassische wortgetreue Übersetzung wie die Lutherbibel, die Schlachterbibel oder die Elberfelder Bibel zu benutzen.

Ich kann nur jeden ermutigen, der diese Zeilen gelesen hat, sich aufrichtig an den Herrn Jesus Christus zu wenden und ihm sein Leben anzuvertrauen. Das ist die wichtigste, die bedeutungsschwerste Entscheidung im Leben jedes Menschen – sich für oder gegen Jesus Christus zu entscheiden. Wer sich aufrichtig von seinem Weg des Eigenwillens, der Auflehnung gegen Gott und der Sünde abkehrt, wer seine Sünden Gott bekennt und Jesus Christus als seinen Retter und Herrn annimmt, der wird durch ihn wahres, ewiges Leben in der Gemeinschaft mit dem lebendigen Gott finden.

Denn so sehr hat Gott die Welt geliebt, daß er seinen eingeborenen Sohn gab, damit jeder, der an ihn glaubt, nicht verlorengeht, sondern ewiges Leben hat. Denn Gott hat seinen Sohn nicht in die Welt gesandt, damit er die Welt richte, sondern damit die Welt durch ihn gerettet werde. Wer an ihn glaubt, wird nicht gerichtet; wer aber nicht glaubt, der ist schon gerichtet, weil er nicht an den Namen des eingeborenen Sohnes Gottes geglaubt hat.

Darin aber besteht das Gericht, daß das Licht in die Welt gekommen ist, und die Menschen liebten die Finsternis mehr als das Licht; denn ihre Werke waren böse. Denn jeder, der Böses tut, haßt das Licht und kommt nicht zum Licht, damit seine Werke nicht aufgedeckt werden. Wer aber die Wahrheit tut, der kommt zum Licht, damit seine Werke offenbar werden, daß sie in Gott getan sind. (Jesus Christus im Johannesevangelium 3,16-21)

Wir wissen aber, daß das Gesetz alles, was es spricht, zu denen sagt, die unter dem Gesetz sind, damit jeder Mund verstopft werde und alle Welt vor Gott schuldig sei, weil aus Werken des Gesetzes kein Fleisch vor ihm gerechtfertigt werden kann; denn durch das Gesetz kommt Erkenntnis der Sünde. Jetzt aber ist außerhalb des Gesetzes die Gerechtigkeit Gottes offenbar gemacht worden, die von dem Gesetz und den Propheten bezeugt wird, nämlich die Gerechtigkeit Gottes durch den Glauben an Jesus Christus, die zu allen und auf alle [kommt], die glauben.

Denn es ist kein Unterschied; denn alle haben gesündigt und verfehlen die Herrlichkeit, die sie vor Gott haben sollten, so daß sie ohne Verdienst gerechtfertigt werden durch seine Gnade aufgrund der Erlösung, die in Christus Jesus ist. Ihn hat Gott zum Sühnopfer bestimmt, [das wirksam wird] durch den Glauben an sein Blut … (Der Apostel Paulus im Römerbrief 3,19-25)

Denn der Lohn der Sünde ist der Tod; aber die Gnadengabe Gottes ist das ewige Leben in Christus Jesus, unserem Herrn. (Der Apostel Paulus im Römerbrief 6,23)

Jesus Christus spricht in der Bibel mit großer Liebe zu allen Menschen, wer sie auch sein mögen, und bietet ihnen Seine Gnade und Erlösung an:

Kommt her zu mir alle, die ihr mühselig und beladen seid, so will ich euch erquicken! Nehmt auf euch mein Joch und lernt von mir, denn ich bin sanftmütig und von Herzen demütig; so werdet ihr Ruhe finden für eure Seelen! Denn mein Joch ist sanft und meine Last ist leicht. (Matthäusevangelium 11,29)

Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Wer mein Wort hört und dem glaubt, der mich gesandt hat, der hat ewiges Leben und kommt nicht ins Gericht, sondern er ist vom Tod zum Leben hindurchgedrungen. (Johannesevangelium 5,24)

Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Wer an mich glaubt, der hat ewiges Leben. (Johannesevangelium 6,47)

Der ist ewig glücklich, der dieses Angebot im Glauben annimmt.

 

 

Kurzfassung        © Rudolf Ebertshäuser         Veröffentlicht auf Das-Wort-der-Wahrheit.de       April 2018

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