Die Sympathieoffensive, mit der der neue Papst Franziskus die Evangelikalen umwirbt, geht mit unverminderter Intensität weiter. Besonders die Pfingstler scheinen für den Papst ein bevorzugter Kanal für Umarmungsgesten und Angebote zur „Versöhnung“ zu sein – vielleicht, weil sie nicht so „dogmatisch“ an protestantische Lehrgrundsätze gebunden sind und sich von symbolgeladenen „prophetischen“ Ritualen leichter beeindrucken lassen.
 
Am 28.Juli besuchte der Papst die Pfingstgemeinde Evangelical Church of Reconciliation, mit dessen Prediger Giovanni Traettino er eine langjährige Freundschaft pflegt. Dort hielt er vor 300 internationalen evangelikalen Gästen eine aufsehenerregende Rede, in der er sich zu einer ökumenischen „Einheit in der Vielfalt“ bekannte und alle Spaltungen als Werk des Teufels und Frucht des Neides unter Brüdern bezeichnete.

Damit verurteilte er natürlich auch die Reformation als einen schäbigen Irrweg und unterschlug die grundlegenden Anliegen der biblischen Wahrheit, um die es damals den Reformatoren gegangen war. Der Papst bat öffentlichkeitswirksam um Entschuldigung dafür, daß auch Katholiken an Gesetzen und Maßnahmen mitgewirkt hatten, die die „pfingstlerischen Brüder“ verfolgt und denunziert hätten.
 
Neben diesem spektakulären Schritt lädt Franziskus immer wieder im Hintergrund führende Evangelikale zu inoffiziellen Gesprächen ein, darunter auffallend oft charismatische Wohlstandsprediger, die Fürsten von Megagemeinden sind, wie etwa James Robison, Kenneth Copeland oder Joel Osteen. Ein bedeutender Vermittler dieser Kontakte war der inzwischen bei einem Motorradunfall umgekommene keltisch-anglikanische Bischof Tony Palmer. Palmer regte wohl auch an, daß für das Jahr des Reformationsjubiläums 2017 ein gemeinsames „Glaubensbekenntnis in Einheit für die Mission“ veröffentlicht werden sollte, für das schon ein Entwurf vorliegt.
 
Das römische Kirchenoberhaupt unternimmt große Anstrengungen, die Evangelikalen einzufangen und mit einer Umarmungsstrategie dazu zu verleiten, daß sie ihre Verteidigung der biblischen Wahrheit vollends ganz aufgeben und eine fragwürdige „Versöhnung mit Rom“ anstreben. Angesichts des geistlichen Niedergangs der Evangelikalen in den letzten Jahrzehnten scheint seine Strategie viel Aussicht auf Erfolg zu haben.

In den zurückliegenden 30 Jahren wurden zentrale Wahrheiten und Grundsätze wie die völlige Inspiration und Irrtumslosigkeit der Schrift mehr und mehr preisgegeben, die Durchsäuerung mit dem Verführungsgeist der Pfingst- und Charismatischen Bewegung griff immer mehr um sich, und die Irrlehren der Ökumene und der Mystik gewannen immer mehr Raum. In diesem Klima wird eine prinzipienlose Anbiederung an Rom immer wahrscheinlicher, und der Anfang dazu ist ja längst in vielen Dialogtreffen gemacht worden.

 
 
Schirrmacher und Tunicliffe: Führende Evangelikale biedern sich bei Rom an

 
Ein bezeichnendes Symptom evangelikaler Verblendung wird in der Nachricht offenbar, daß ein führender Evangelikaler sich jetzt umgekehrt beim Papst entschuldigt hat. Ausgerechnet in einem Interview mit Radio Vatikan sagte der Generalsekretär der Weltweiten Evangelischen Allianz (WEA), Geoff Tunicliffe: „Ich weiß, daß Protestanten, darunter Evangelikale, in der Vergangenheit Katholiken ausgegrenzt haben. Das tut mir sehr leid.“

Das ist genauso eine verlogene „Versöhnung“ auf Kosten der Wahrheit, wie sie Papst Franziskus betrieben hat. Die Irrlehren, der praktizierte Götzendienst und die letztlich antichristliche Ausrichtung der römischen Kirche werden einfach unter den Teppich gekehrt, genauso ihre teilweise grausame Verfolgungen; man übt sich in großen Versöhnungsgesten, die den einfachen Gläubigen an der evangelikalen Basis Sand in die Augen streuen.
 
Auf einer ähnlichen Ebene bewegt sich Tunicliffes Kollege Prof. Dr. Thomas Schirrmacher. Er gehört als Vorsitzender der Theologischen Kommission der WEA zu dem kleinen Kreis der Eingeweihten, die bei Franziskus zu vertraulichen Gesprächen eingeladen waren. Schirrmacher, der in jungen Jahren einmal ganz andere, „fundamentalistische“ Überzeugungen hatte, entwickelt sich immer mehr zu einem Motor der ökumenischen Zusammenarbeit zwischen Evangelikalen, der liberalen ökumenischen Bewegung und der Römischen Kirche.

 

Naive Illusionen über das Wesen der römischen Kirche

 
Kürzlich suchte Schirrmacher über ein ungewöhnliches Interview mit dem kritischen Nachrichtenblatt TOPIC seine Theorien über den neuen Papst auch unter konservativen Evangelikalen zu streuen (vgl. TOPIC 8/2014, S. 1-2). Er verglich den neuen Papst mit Gorbatschow, dem revolutionären neuerer, dessen Initiativen den Kalten Krieg beendeten und zur Auflösung des sowjetischen Imperiums führten. Sichtlich beeindruckt berichtete er davon, wie er, Geoff Tunicliffe und WEA-Botschafter Brian Stiller vor kurzem persönlich durch einen Anruf vom Papst für das Gespräch eingeladen wurden. Mit bei dem Gespräch dabei waren die drei Extremcharismatiker Kenneth Copeland, James Robison und John Arnott, der berüchtigte „Vater des Toronto-Segens“. Auch Rick Warren sei eingeladen gewesen, war jedoch verhindert.
 
Schirrmacher behauptete, Papst Franziskus sei in der Rechtfertigungsfrage „erstaunlich eng am evangelischen Verständnis“ und sehe auch die Rolle der Bibel eher wie die reformatorische Theologie. Er habe jedoch viele Feinde im katholischen Klerus. Laut Einschätzung Schirrmachers „habe Franziskus das Zeug, die gesamte katholische Kirche so aufzubrechen wie einst Gorbatschow den Ostblock. Dies könne bedeuten, daß Teile der katholischen Kirche implodieren [in sich zusammenfallen], aber auch, daß es zu einem gewaltigen Aufbruch komme, vor allem im globalen Süden.“
 
Solche Aussagen beweisen, wie geistlich blind und illusionsgelenkt die Führung der WEA ist. Es ist ein grundlegender Fehler, wenn man die Umarmungsstrategie und die wohlkalkulierten Äußerungen des Jesuiten Franziskus für bare Münze nimmt. Als Jesuit hat der Papst sein Leben verschworen, sich immer und mit allen Mitteln für den Triumph der römischen Kirche einzusetzen; dazu gehören auch Lüge und Täuschung jeglicher Art. Der Papst versucht jetzt, der entarteten römischen Machtkirche ein anderes, demütigeres, menschlich ansprechenderes Gesicht zu geben, aber das Endziel ist nach wie vor die Vorherrschaft dieser babylonischen Kirche über alle Menschen der Welt
 
Die römische Kirche hat seit dem II. Vatikanischen Konzil ihre Strategie und Taktik den veränderten Bedingungen angepaßt, aber das heißt in keiner Weise, daß sie ihr Wesen verändert hätte. Sie tut jetzt alles, um die Evangelikalen zu gewinnen und zeigt sich dafür von einer sehr vorteilhaften Seite – aber sie hat natürlich damit keine einzige ihrer antichristlichen Dogmen verworfen. Doch erschreckend viele Evangelikale sind dafür blind und laufen freudig in die Arme Roms.
 
Es zeugt von trauriger Selbsttäuschung, denn Schirrmacher ganz von sich selbst eingenommen wähnt, er könne in seinem verfehlten Dialogen mit dem römischen Apparat sogar Kardinäle beeindrucken und evangelisieren. Ganz stolz berichtet er, die WEA werde in allen Konsultationen sehr ernst genommen: „Ja, wir sind mitten drin und vertreten kompromißlos unsere biblischen Positionen [!!]. Selbst auf der Vatikansynode konnten wir vor Papst, Kardinälen und Erzbischöfen vortragen, wie wir ‚Evangelisation‘ verstehen. im zweiten Satz sagten wir dann bereits, daß das Evangelium ausschließlich aus der Heiligen Schrift entnommen werden dürfe, die der oberste Maßstab und Richter in allen Fragen des Glaubens und des Lebens ist“.
 
Einzig einige Evangelikale in Italien und den Ländern Lateinamerikas, die die katholische Kirche von ihrer anderen Seite kennengelernt haben, warnen vor der Umarmungstaktik des Papstes und mahnen zu mehr Unterscheidungsvermögen und Distanz. Alle bibeltreuen Gläubigen müssen sich verstärkt vor den Täuschungsversuchen der ökumenischen Kräfte in acht nehmen und dürfen sich nicht dazu verleiten lassen, den Kampf für den biblischen Glauben und die Absonderung von allem Babylonischen aufzugeben.
 
Ihr aber, Geliebte, da ihr dies im voraus wißt, so hütet euch, daß ihr nicht durch die Verführung der Frevler mit fortgerissen werdet und euren eigenen festen Stand verliert! Wachst dagegen in der Gnade und in der Erkenntnis unseres Herrn und Retters Jesus Christus! Ihm sei die Ehre, sowohl jetzt als auch bis zum Tag der Ewigkeit! Amen. (2Pt 3,17-18)
 

 
Rudolf Ebertshäuser   das-wort-der-wahrheit.de   29. 9. 2014

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