Zeitgemäße Gedanken eines Predigers aus dem letzten Jahrhundert
Henry Allan Ironside
Die vorliegende Betrachtung wurde von Henry Allan Ironside (1876-1951) verfaßt, einem bekannten Bibellehrer und Prediger aus den USA. Ironside gehörte zu den beliebtesten Bibelauslegern seiner Zeit; seine erbaulichen und zugleich tiefschürfenden Auslegungen sind auch heute noch von vielen geschätzt. Er wirkte jahrzehntelang in den Reihen der amerikanischen Brüderversammlungen und war später der Hauptprediger der bekannten Moody Memorial Church in Chicago.
Selbst von einigten Gläubigen, die im Glauben gesund sind, wird öfters der Einwand vorgebracht, die Entlarvung irreführender Lehren sei ausschließlich negativ und bewirke keine wirkliche Erbauung. In letzter Zeit gab es eine allgemeine Stimmungsmache gegen jegliches negative Lehren. Aber die Brüder, die diese Haltung einnehmen, vergessen, daß ein großer Teil des Neuen Testaments, sowohl der Lehre unseres wunderbaren Herrn selbst als auch der Schriften der Apostel, genau aus dieser Art des Dienstes besteht – nämlich darin, den satanischen Ursprung der Verkündigung irreführender Lehrsysteme aufzuzeigen, die Petrus in seinem zweiten Brief so entschieden als „verderbliche Häresien“ kennzeichnet (2Pt 2,1), und die zerrüttenden Folgen, die daraus entstehen.
Unser Herr prophezeihte: „Und es werden viele falsche Propheten auftreten und werden viele verführen“ (Mt 24,11). In unseren Tagen sind so viele falsche Propheten aufgetreten, und erschreckend viele sind verführt worden! Paulus sagte voraus: „Denn das weiß ich, daß nach meinem Abschied räuberische Wölfe zu euch hineinkommen werden, die die Herde nicht schonen; und aus eurer eigenen Mitte werden Männer aufstehen, die verkehrte Dinge reden, um die Jünger abzuziehen in ihre Gefolgschaft. Darum wacht“ (Apg 20,29-31).
Nach meiner persönlichen Beobachtung zeigt es sich, daß diese reißenden Wölfe, allein oder in Rudeln, selbst die besonders begünstigten Herden nicht verschonen. Die Unterhirten in diesen „schlimmen Zeiten“ tun daher gut daran; die Warnung des Apostels zu beachten: „So habt nun acht auf euch selbst und auf die ganze Herde, in welcher der Heilige Geist euch zu Aufsehern gesetzt hat!“ (Apg 20,28). Es ist in unseren Tagen ebenso wichtig – eigentlich von immer größerer Wichtigkeit –, die vielen Spielarten falscher Lehren zu entlarven, die auf allen Seiten mehr und mehr überhand nehmen.
Wir sind dazu berufen, „für den Glauben zu kämpfen, der den Heiligen ein für allemal überliefert worden ist“ (Judas 1,3) und zugleich die Wahrheit in Liebe festzuhalten (Eph 4,15). „Der Glaube“ bedeutet die Gesamtheit der geoffenbarten Wahrheit, und für die ganze Wahrheit Gottes zu kämpfen macht auch einiges an negativer, abgrenzender Lehre notwendig. Hier haben wir keine Wahl. Judas sagte, daß er eigentlich ein anderes, angenehmeres Thema vorgezogen hätte: „Geliebte, da es mir ein großes Anliegen ist, euch von dem gemeinsamen Heil zu schreiben, hielt ich es für notwendig, euch mit der Ermahnung zu schreiben, daß ihr für den Glauben kämpft, der den Heiligen ein für allemal überliefert worden ist. Es haben sich nämlich etliche Menschen unbemerkt eingeschlichen, die schon längst zu diesem Gericht aufgeschrieben worden sind, Gottlose, welche die Gnade unseres Gottes in Zügellosigkeit verkehren und Gott, den einzigen Herrscher, und unseren Herrn Jesus Christus verleugnen“ (Jud 1,3-4). Auch Paulus ermahnt uns: „Habt keine Gemeinschaft mit den unfruchtbaren Werken der Finsternis, deckt sie vielmehr auf“ (Eph 5,11).
Das bedeutet nicht, daß wir diejenigen, die in Irrtümern gefangen sind, schroff und hart behandeln sollten – ganz im Gegenteil. Wenn der Einwand erhoben wird, daß die Entlarvung von falschen Lehren notwendigerweise eine lieblose Betrachtung von anderen bedeuten würde, die die Dinge anders sehen als wir, dann lautet unsere Antwort: Es war schon immer die Pflicht jedes treuen Dieners des Christus, vor jeglicher Lehre zu warnen, die Ihn weniger kostbar machen würde oder Zweifel an seinem vollendeten Erlösungswerk und der Allgenügsamkeit Seines gegenwärtigen Dienstes als unser großer Hoherpriester und Fürsprecher fördern würde.
Jedes System der Lehre kann danach beurteilt werden, was es über diese grundlegenden Wahrheiten des Glaubens verkündet. „Was denkt Ihr von dem Christus?“ (Mt 22,42) ist immer noch der wahre Prüfstein jedes Glaubensbekenntnisses. Der Christus der Bibel ist gewiß nicht der Christus irgendeiner der falschen „-ismen“. Jede der Sekten hat ihre abscheuliche Karikatur unseres wunderbaren Herrn.
Laßt uns, die wir um den Preis Seines kostbaren Blutes erkauft wurden, „gute Streiter Jesu Christi“ sein (2Tim 2,3). In einer Zeit, in der die Schlacht gegen die Mächte der Bosheit immer heftiger wird, brauchen wir von Gott geschenkte Tapferkeit. Wir begegnen ständig der Versuchung, Kompromisse zu schließen. „So laßt uns nun zu ihm hinausgehen, außerhalb des Lagers, und seine Schmach tragen!“ (Hebr 13,13). Es ist immer richtig, entschieden für das einzustehen, was Gott über die Person und das Werk Seines herrlichen Sohnes geoffenbart hat. Der „Vater der Lüge“ verkauft uns Halbwahrheiten und wendet besondere Kunst auf, raffinierte Irrtümer über den Herrn Jesus, unseren einzigen und völlig genügenden Erretter, zu erfinden.
Irreführende Lehre ist wie Sauerteig, von dem wir lesen: „Ein wenig Sauerteig durchsäuert den ganzen Teig“ (Gal 5,9; vgl. 1Kor 5,6). Wahrheit, die mit Irrtum vermischt ist, ist vollständigem Irrtum gleichzusetzen, außer daß sie unschuldiger aussieht uns deshalb gefährlicher ist. Gott haßt eine solche Vermischung! Jegliche irreführende Lehre beziehungsweise jegliche Mischung von Irrtum und Wahrheit erfordert eine entschiedene Entlarvung und Zurückweisung. So etwas zu dulden bedeutet, Gott und Seinem Wort untreu zu sein und Verrat an gefährdeten Seelen zu üben, für die Christus gestorben ist.
Irreführende Lehren zu entlarven ist eine äußerst unpopuläre Arbeit. Aber von jedem aufrichtigen Standpunkt aus betrachtet ist es eine lohnende Arbeit. Für unseren Erretter bedeutet sie, daß Er von uns, Seinen mit Blut Erlösten, die Treue empfängt, die Ihm gebührt. Für uns selbst sichert sie, wenn wie „die Schmach des Christus für größeren Reichtum halten als die Schätze Ägyptens“ (Hebr 11,26), eine tausendfache zukünftige Belohnung. Und für solche Seelen, die in der „Falle des Vogelstellers“ gefangen sind (Ps 91,3) – nur Gott weiß, wie viele es sind –, kann diese Arbeit Licht und Leben bedeuten, überströmendes und ewiges Leben.
Englischer Originaltext u.a. veröffentlicht unter: http://gotothebible.com/HTML/exposingerror.html
Übersetzung ins Deutsche von Rudolf Ebertshäuser
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Veröffentlicht auf das-wort-der-wahrheit.de 29. 9. 2014