Es ist beunruhigend, zu sehen, wie in verschiedene früher bibeltreu geprägte Kreise zunehmend das verführerische Gedankengut der missionalen Lehren, der „Gesellschaftstransformation“ und der Emerging Church eindringt. Das ist leider auch beim „Bibelbund“ der Fall, einer traditionsreichen Vereinigung eigentlich geistlich konservativ gesinnter Christen, die im besonderen für die Autorität, Inspiration, und Irrtumslosigkeit der ganzen Heiligen Schrift eintreten will. Nun könnte es eigentlich kaum einen krasseren Gegensatz geben als diese bibeltreu-konservative Überzeugung und die Ansichten der emergenten Strömung, die in ihrem innersten Wesen bibelkritisch ist und die Autorität der Bibel in zentralen Punkten verwirft.
 
Die emergente Bewegung erstrebt ja gerade eine „Reformation“ des Evangelikalismus weg von seinen „fundamentalistischen“ Wurzeln, hin zu einem Kompromiß mit Mystik, Liberaltheologie und Ökumene. Sie bekennt sich zwar nach außen hin noch vage zur Inspiration und Autorität der Bibel, aber in der Praxis hat sie bibelkritische Theologen wie David Bosch, Jürgen Moltmann oder Ernst Brueggemann zu ihren Autoritäten erhoben; sie geben der postmodernen Auflösung aller absoluten Wahrheit nach und folgen liberal-ökumenischen Lehren wie die von der „Missio Dei“ oder von der Verwirklichung des Reiches Gottes auf Erden schon hier und jetzt durch die Kirche.
 
Die allermeisten Mitglieder des Bibelbundes sind sicherlich entschieden gegen die Irrlehren der Emerging Church und wollen mit ihr nichts zu tun haben. Dennoch gibt es auch in den Reihen des Bibelbundes einige Leute, die seit Jahren immer wieder eine Lanze für Bücher brechen, die zu den Schlüsselwerken der emergenten Verführung gehören. Das wäre nicht möglich gewesen, wenn nicht Karl-Heinz Vanheiden, der langjährige verantwortliche Redakteur der Zeitschrift, diese Beiträge befürwortet oder zumindest geduldet hätte. Diese Tatsache ist mir durch meine Recherchen zu dem Buch Zerstörerisches Wachstum bewußt geworden, und in dieser Aktuellen Notiz will ich versuchen, die wichtigsten Fälle zu dokumentieren, in denen das Gedankengut und die Bücher der emergenten Bewegung in der Zeitschrift des Bibelbundes, Bibel und Gemeinde, empfohlen worden sind.

 
 
2008: Andreas Schmidt berichtet über die Emerging Church

 
Andreas Schmidt, seines Zeichens Jugendreferent bei der „Christlichen Jugendpflege“ der „Freien Brüdergemeinden“ und Lehrer an der Bibelschule Burgstädt, hat in der Zeitschrift Bibel und Gemeinde (BuG), die bis 2013 von seinem Bibelschulkollegen Karl-Heinz Vanheiden herausgegeben wurde, im Heft 3/2008 einen Aufsatz von zur Emerging Church veröffentlicht, der in bedenklicher Weise „neutral“ bis wohlwollend gehalten war und die schlimmen Verführungslehren der gesamten Bewegung sehr verharmloste. Der Titel dieses Aufsatzes lautet: „Emerging Church – Was will diese Bewegung?“
 
Grundlage war ein Referat, das Schmidt vor Mitarbeitern von Brüdergemeinden zu dem Thema gehalten hatte. Hierin äußert sich Schmidt zwar verhalten kritisch zur Emerging Church, bringt jedoch immer wieder auch wohlwollende Aussagen über die emergente Bewegung und behauptet: „Trotzdem lohnt sich die Beschäftigung mit diesem Denkansatz“ (37). Sein Aufsatz beweist, daß er sich recht gründlich in die Literatur dieser Bewegung eingearbeitet hat – und daß er die Lehren der Emerging Church über weite Strecken akzeptabel oder zumindest bedenkenswert findet. Er stellt sie völlig unkritisch und überwiegend positiv dar und weist verschiedentlich empfehlend auf das besonders verführerische Buch von Frost/Hirsch, Die Zukunft gestalten, hin.
 
Schmidts Einwände sind eher gegen den extremen „revisionistischen“ Flügel der Bewegung gerichtet (Kester Brewin, Brian McLaren), während vor allem die „Rekonstruktionisten“ (zu denen er Frost, Hirsch und Cole zählt), als ernstzunehmende Erneuerungsbewegung eingestuft werden. Sicher auch aus eigener Erfahrung unter Jugendlichen der Brüderbewegung fragt er: „Wieso fallen diese Ideen besonders bei engagierten jungen Leuten aus evangelikalen Gemeinden auf fruchtbaren Boden?“
 
So bleibt unter dem Strich bei diesem Aufsatz in der Zeitschrift des Bibelbundes statt einer biblisch fundierten Abgrenzung ein vorsichtiges Plädoyer übrig, die emergenten Lehren ernst zu nehmen, wenn man die junge Generation gewinnen will. Diese verhalten positive Tendenz haben auch Vertreter der Emerging Church dankbar wahrgenommen und gelobt: Der mit A. Schmidt gut bekannte emergente ostdeutsche Aktivist David Decker, der in eine AGB-Brüdergemeinde geht, schreibt auf seinem Blog ekkaleo.de: „Emerging Bibelbund: Was macht die Emerging Church beim Bibelbund? Gute Frage! — Zunächst einmal: Sie wird ausführlich vorgestellt.“ Decker hebt anerkennend hervor, daß dies „eine sachliche Vorstellung, kein Verriß“ sei. Er resümiert: „Daher bin ich sehr dankbar, dass der Bibelbund – als durchaus wertkonservative Bewegung – den Mut hatte, diesen Artikel so zu bringen. Auch in dem Wissen, dass dies für den Verein die ein oder andere Diskussionswelle bringen wird. Doch nur mit diesem Ansatz wird es einen ergebnisoffenen Austausch geben. (…) Auf jeden Fall bietet dieser Artikel allen Interessenten und Neugierigen einen guten Einstieg zum Thema ‚Emerging Church‘, dies jedoch sachlich und konstruktiv. In dieser Hinsicht ist es ein gewinnender Beitrag zur wachsenden frommen Mainstream-Diskussion rund um Emerging Church im deutschsprachigen Raum.“ (Quelle: http://ekkaleo.de/2008-11/emerging-bibelbund/)

 
 
2010 und 2011: Weitere emergente Empfehlungen Schmidts in Christ-online

 
Andreas Schmidt, der auch im Redaktionsteam der Zeitschrift Christ-online sitzt, hat dort in der Ausgabe 1/2011 eine Empfehlung für das Buch Jesus for President von Claiborne und Haw veröffentlicht. Auch in diesem Buch Claibornes werden die Irrlehren des „sozialen Evangeliums“ ausgebreitet; die Aussagen der Bibel werden im Sinne des „gegenwärtigen Reiches Gottes“ und der „Gesellschaftstransformation“ umgedeutet. Es ist ein Manifest des Emerging Church-Gedankenguts. Die deutsche Ausgabe wird von Tobias Faix und Christina Brudereck eingeleitet und abschließend kommentiert. Schmidt führt zu dessen Gunsten u.a an: „Die Autoren lesen biblische Texte ‚gegen den (traditionellen) Strich‘. Dadurch muss der Leser seine eigene ‚Brille‘ hinterfragen.“ Zwar stellt er auch „fragwürdige Aspekte“ in dem Buch fest, kommt aber dennoch zu der Empfehlung (für Jugendmitarbeiter!), die Lektüre des Buches lohne sich.
 
Schwerer noch wiegt eine Empfehlung von Schmidt für das im emergenten Neufeld Verlag erschienene Buch von Frost/Hirsch, Der wilde Messias im Christ-online MAGAZIN 4/2010, S. 32. Die Empfehlung für dieses hochgradig verführerische und häretische Emerging-Church-Buch ist uneingeschränkt. Schmidt behauptet: „Es geht also nicht zuerst darum, Gemeinde äußerlich zu verändern, sondern den in die Kirche zurückzuholen, der sie ins Leben gerufen hat: Jesus.“ Daß Frost und Hirsch auf haarsträubende Weise einen falschen Jesus porträtieren, müßte diesem Bibelschullehrer eigentlich auf den ersten Seiten aufgefallen sein. Doch er kommt zu dem Schluß: „Ein Buch, mit dem sich jeder, der in der Gemeinde andere leitet, auseinandersetzen sollte“. Diese Buchempfehlungen in einer Zeitschrift der „Brüderbewegung“ zeigen, daß Schmidts Sympathien für die emergente Strömung nicht auf den Artikel von 2008 beschränkt waren.

 
 
2011 – 2014: Emergente Buchempfehlungen durch Schmidt, Vanheiden und Mack

 
In Bibel und Gemeinde 1/2011 wird Schmidt die Gelegenheit gegeben, auf S. 73-75 das Buch des bekannten anglikanischen Liberaltheologen und Vordenkers der Emerging Church, N. T. (Tom) Wright, Worum es Paulus wirklich ging, zu besprechen. Darin stellt Wright seine Verführungslehre von der „Neuen Paulusperspektive“ dar – eine dreiste theologische Umdeutung der Paulusbriefe, die die emergenten Irrlehren von der Gesellschaftstransformation und deren Ablehnung einer persönlichen Erlösung durch das Blut Christi unterstützt. Schmidt bringt zwar einige milde Bedenken vor, empfiehlt aber schlußendlich das Buch als „eine sehr gut lesbare und zugleich herausfordernde Einführung in die Neue Paulusperspektive, deren Argumente uns sicherlich in Zukunft noch weiter beschäftigen werden“. N. T. Wright ist unter den ausländischen Gastdozenten im emergenten Studiengang „Gesellschaftstransformation“, und seine verfälschende Sicht der Rechtfertigungslehre gehört zu den theologischen Wegbereitern der Emerging Church. Wie kann ein solches Buch in der Bibelbund-Zeitschrift empfohlen werden?
 
Der damals noch verantwortliche Redakteur Karl-Heinz Vanheiden selbst hat in BuG 3/2011 (S. 78-79) eine verhalten positive Besprechung von Neil Coles Buch Organisch leiten veröffentlicht, in der (neben gewissen Kritikpunkten) positiv hervorhebt, das Buch gebe „viele Denkanstöße“; man finde „viele einfache biblische Prinzipien für Leitung und Multiplikation von Gemeinden … Ein durchaus herausforderndes Buch“. Neil Cole gehört neben Alan Hirsch zu den Vordenkern der emergenten Bewegung. Vanheiden scheint den missionalen Gemeindegründungsbewegungen recht aufgeschlossen gegenüberzustehen, die neben Cole und Alan Hirsch auch David Watson propagiert. Vanheiden hat ja den missional-emergent ausgerichteten Gemeindegründer Watson in der Erklärung „Gesundheit statt Zerstörung“ ausdrücklich gelobt und verteidigt. Übrigens hat Vanheiden in BuG 1/2012, S. 14 auch die irreführenden missionalen Vorträge auf dem GemeindeNEUdenken-Kongreß 2009 empfohlen, die wir in dem Buch Zerstörerisches Wachstum auf den Seiten 373-379 behandeln.
 
Noch bedenklicher ist eine betont positive Buchbesprechung des Verführungsbuches von Alan Hirsch, Vergessene Wege in Bibel und Gemeinde 4/2013, S. 72-73 (vgl. die kritische Rezension dieses Buches auf den Seiten 420-437 in Zerstörerisches Wachstum sowie als PDF-Dokument auf dieser Webseite). Der Rezensent, Matthias Mack aus Pirma, der in der dortigen AGB-Brüdergemeinde Diakon ist, hat an der BTA Wiedenest und an der Akademie für christliche Führungskräfte studiert und seine Masterarbeit an der UNISA geschrieben. Er bescheinigt Hirschs Buch „viele bedenkenswerte Ansätze für das Gemeindeleben in unserem Kontext. Gerade für Christen in Leitungsverantwortung in Kirchen und Gemeinden ist dieses Buch sehr zu empfehlen…“
 
Damit nicht genug: in Bibel und Gemeinde 2/2014 S. 80-81 empfiehlt Mack ein weiteres Schlüsselbuch der missional-emergenten Irreführung, das den Lesern von Zerstörerisches Wachstum gut bekannt ist (vgl. dort die S. 187-191): David Boschs Hauptwerk Mission im Wandel (engl. Transforming Mission). Mack lobt in der Zeitschrift des Bibelbundes, der doch dem Kampf gegen die Bibelkritik verpflichtet ist, den „persönlichen Glauben“ des offen bibelkritischen und ökumenischen Theologen und empfiehlt dieses Standardwerk der missionalen Theologie mit den Worten: „Dieses herausragende Werk stellt eine relevante Grundlage für den Bereich der Missionstheologie dar. Dabei beinhaltet es sehr viele bemerkenswerte Aussagen für unsere heutige Gemeindearbeit … Es ist eine Pflichtlektüre für alle, die sich intensiv mit Missionstheologie und –geschichte auseinander setzen wollen“.

 
 
Der Bibelbund braucht eine Kurskorrektur

 
Es ist bemerkenswert, daß Vanheiden, inzwischen nicht mehr Schriftleiter bei Bibel und Gemeinde, aber noch für die Rezensionen zuständig, diese Empfehlung eines missional-emergenten Schlüsselbuches genehmigt hat, nachdem die Diskussion über das Buch Zerstörerisches Wachstum schon voll im Gange war und er spätestens aus diesem Buch über Hirschs Ausrichtung informiert sein mußte. Solche Vorgänge werfen die Frage auf, wo Karl-Heinz Vanheiden in bezug auf die emergente Bewegung selbst steht, wenn er diesen zahlreichen pro-emergenten Beiträgen Raum in Bibel und Gemeinde gab. Es stellen sich aber auch Fragen in bezug auf die Wachsamkeit und die Aufsichtspflicht des Bibelbund-Vorstandes.
 
Damit soll natürlich nicht bestritten werden, daß viele Beiträge in der Zeitschrift Bibel und Gemeinde auf bibeltreuem Boden stehen. Es gab auch zum Thema „Emerging Church“ dort einen deutlich kritischen Beitrag von Benedikt Peters; aber die irreführenden Aussagen des Schmidt-Artikels wurden nie richtiggestellt. Eigentlich sollte es in dieser Zeitschrift ja so sein, daß die Leser sich darauf verlassen können, daß darin nur Bücher empfohlen werden, die dem Anliegen des Bibelbundes auch entsprechen. Hier haben die wirklich noch konservativen Brüder im Bibelbund Deutschland sowie auch im Bibelbund Schweiz, der klarer steht als der deutsche, eine ernste Verantwortung, solche verdeckte Werbung für bibelkritisch-ökumenisches Gedankengut zu unterbinden und durch entsprechende Gegendarstellung dem entstandenen Schaden entgegenzuwirken.
 
Im Bibelbund Deutschland gibt es leider neben vielen aufrichtig bibeltreuen Gläubigen auch einen einflußreichen „offen-modernen“ Flügel, der missional-emergentes Gedankengut ebenso wie andere neo-evangelikale Einflüsse nicht entschieden ablehnt, sondern als notwenige „Anstöße zu Neuerung“ duldet oder sogar fördert. Hier spielte zumindest früher neben Vanheiden und Schmidt (die beide an der Bibelschule Burgstädt lehren) auch die FTA Gießen eine bedauerliche Rolle; diese nach akademischer Anerkennung strebende Einrichtung gibt ja den missionalen Falschlehren über ihre Dozenten Stephen Beck, Klaus W. Müller und Friedemann Walldorf ausdrücklich Raum. Allerdings haben sich einige führende Köpfe aus Gießen anscheinend etwas aus der Bibelbundarbeit zurückgezogen, seit die nunmehrige FTH die Anerkennung der weltlich-akademischen Behörden sucht.
 
Insgesamt muß man beim Bibelbund Deutschland seit vielen Jahren leider beobachten, daß durch den Einfluß akademischer Theologen und pragmatischer Führer, die nicht mehr wachsam sind, die geistliche Linie mehr und mehr verwässert wird und in Richtung eines konservativ gefärbten Neo-Evangelikalismus tendiert. Das war in den 80er Jahren des 20. Jahrhunderts noch deutlich anders. Es wäre zu hoffen, daß die wirklich noch bibeltreuen Brüder diese Entwicklungen Einhalt gebieten und den Kurs des Bibelbundes wie auch seiner Zeitschrift wieder in ein positiveres Fahrwasser steuern können, so wie es dem eigentlichen Anliegen dieser Vereinigung entspricht und wie es den Herrn ehrt.
 

 
Rudolf Ebertshäuser    das-wort-der-wahrheit.de      5. 6. 2014

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