Anfang des Jahres 2013 gab es zwei eng verknüpfte Anlässe, die die offiziellen Vertreter der Evangelikalen stark bewegten und die einmal mehr deutlich machten, wo sie im Verhältnis zur katholischen Kirche stehen: der Rücktritt von Papst Benedikt XVI. und die Wahl von Franziskus I.
 
 

Evangelikale Achtungsbezeugungen für den scheidenden Papst

 
Es muß uns traurig machen und alarmieren, wieviel Sympathie der vordergründig wegen Altersschwäche zurückgetretene katholische Theologieprofessor im evangelikalen Lager genoß. Er wurde überwiegend als aufrechter gläubiger Christ gewürdigt, der sich um die „Verteidigung des Glaubens“ gegen die im Protestantismus vorherrschenden Liberaltheologie verdient gemacht habe („Defensor fidei“ – Verteidiger des Glaubens – ist ja einer der Titel, die sich die römischen Päpste selbst zugelegt haben).
 
Besonders seine relativ konservativ und bibelnah geschriebenen Bücher über „Jesus von Nazareth“ brachten dem deutschen Papst viele Sympathien verwirrter Evangelikaler ein, die nicht durchschauten, welche listige Dialektik hinter diesen Büchern steht. Sie sind wie manche anderen Initiativen der römischen Kirche darauf zugeschnitten, die weltweit bedeutsamer werdenden „Evangelikalen“ enger an Rom zu binden. Und diese Rechnung geht voll auf.
 
Fast niemand mehr unter den öffentlichen Stimmen aus diesem Lager erinnerte daran, daß die Kirche Roms ein falsches Evangelium vertritt, einen schlimmen Götzendienst mit dem „Meßopfer“ und dem falschen Jesus in der Oblate, daß sie Millionen von Menschen irreführt, indem sie ihnen vormacht, sie könnten durch die Kirche und ihre Sakramente die ewige Errettung erlangen. Praktisch alle Kommentatoren, die öffentliche Erwähnung fanden (z.B. in Idea), erweckten den Eindruck, die römische Kirche würde das biblische Evangelium verbreiten und sei die stärkste Kraft der Welt-Christenheit.
 
Hier einige Kostproben aus evangelikalen Kommentaren:
 
Der Allianz-Vorsitzende und Präses des Gnadauer Verbandes Michael Diener äußerte sich so:

„Die Deutsche Evangelische Allianz dankt Benedikt XVI. für die Klarheit, mit der er die geistliche Dimension aller christlichen Einigungsbemühungen deutlich gemacht hat. Sie ist dankbar dafür, in welch prägender Weise sich in seinen Jesusbüchern Glaube, Vertrauen in die Heilige Schrift und Wissenschaft verbunden hat und auch dafür, daß in vielen ethischen Fragen (Lebensrecht, Schutz von Ehe und Familie) der Grundkonsens zwischen Positionen der Deutschen Evangelischen Allianz und der katholischen Kirche immer wieder erkennbar geworden ist. (…) Die Deutsche Evangelische Allianz wird den Prozeß der Neuwahl eines Papstes im Gebet begleiten und wünscht sich, daß die katholische Kirche in ihren Lehren und Traditionen immer weiter zunehmend vom lebendigen Wort des lebendigen Gottes formen und prägen läßt.“

Ansgar Hörsting von den Freien Evangelischen Gemeinden, zugleich Präsident der Vereinigung Evangelischer Freikirchen, kommentierte u.a. so: „Daß Papst Benedikt XVI. zurücktritt, verdient Respekt. (…) Ich werde vor allem seine ‚Jesus-Bücher’ positiv in Erinnerung behalten. Sie sind bemerkenswert, weil sie sowohl die historische als auch die innere Dimension des Glaubens an Jesus Christus vermitteln.“
 
Und auch der Rektor der Freien Theologischen Hochschule in Gießen, Helge Stadelmann, ergriff die Gelegenheit, sich noch einmal lobend zu dem römischen Papst Ratzinger zu stellen:

„Daß Josef Ratzinger angesichts nachlassender Kräfte im Alter von fast 86 Jahren vom Amt des Papstes zurücktritt, zeigt das Verantwortungsbewußtsein dieses bedeutenden Mannes. (…) Vor allem aber hat er mit seinem Lehrschreiben ‚Gott ist Liebe’ und den 3 Bänden zu ‚Jesus von Nazareth’ Zentralpunkte christlicher Wahrheit in profund biblischer Weise in Erinnerung gerufen. Wer ermessen kann, in welchem Maß bibelkritische Theologie inzwischen selbst Kernpunkte des Glaubens auflöst, wird Benedikt XVI. dankbar sein für diese Schriften. Evangelikale sollte es nicht wundern, daß der Papst trotzdem katholisch ist und Lehrtraditionen teilt, die evangelische Christen nicht als biblisch erkennen können. Das eine von dem anderen zu unterscheiden lohnt sich aber in einer Zeit, in der alle Christen der Infragestellung biblischer Wahrheit und Werte ausgesetzt sind, wenn sie die Bibel ernstnehmen und öffentlich dafür eintreten.“ (Alle Zitate nach dem Medienmagazin proKOMPAKT 07/2013, S. 5-6)

Wie weit die ökumenische Verblendung schon bis in die Reihen ehemals bibeltreuer Christen vorgedrungen ist, mag die Tatsache veranschaulichen, daß in der letzten Ausgabe des Magazins ZEIT & SCHRIFT 2/2013, das von ehemals exklusiven Vertretern der Brüderbewegung herausgegeben wird, gleich zweimal Bücher des Papstes Ratzinger als geistliche Autorität angeführt werden.

In einer Auslegung zu Psalm 122 zitiert Horst van der Heyden Ratzingers Prolog Jesus von Nazareth völlig zustimmend und wie selbstverständlich als biblische Autorität (S. 9), und in einer Buchbesprechung „Von Jesus beten lernen“ äußert sich Ulrich Müller erst sehr kritisch und negativ über das Buch seines Mitbruders Wolfgang Bühne „Das Gebetsleben Jesu“, um dann überschwenglich das Buch „Das Beten Jesu“ von Ratzinger zu loben, wobei er dessen mystische Irrtümer und katholischen Verführungen übergeht oder verharmlost, wie der ehemalige Katholik Hans Werner Deppe in seinem Kommentar deutlich macht.
 
Müller ergeht sich in Lobesworten, die zeigen, daß er die biblische Unterscheidungsfähigkeit schon weitgehend verloren hat: „Ratzinger, dessen tiefgründige Trilogie über »Jesus von Nazareth« in den letzten Jahren zu Recht auch in evangelischen Kreisen große Verbreitung und dankbare Annahme gefunden hat, überzeugt in seinen Überlegungen zu den Gebeten Jesu mit strikter Bibelorientierung und einem konzentrierten Hören auf die Heilige Schrift. Wer sich die Zeit nimmt, Ratzingers Ausführungen zu folgen, wird einen tieferen Einblick in die Bibel gewinnen und neue Facetten im Beten Jesu entdecken.“ (S. 33).
 
 

Keine Illusionen über die römische Kirche!

 
Nur einige Gedanken sollen dazu angemerkt werden:
 
1. Diese führenden Evangelikalen haben alle die einstige evangelisch-protestantische Grundüberzeugung verlassen, daß die fundamentalen Lehren der römischen Kirche verderbliche Irrlehren sind, verführerische Gedankengebäude von Menschen, die die Grundwahrheiten des biblischen Evangeliums verleugnen. Sie gehen vielmehr davon aus, daß die römische Kirche eine im biblischen Sinn christliche Kirche sei und auch bereit und in der Lage sei, sich in den noch unterschiedlichen Ansichten zu reformieren. Das ist jedoch eine törichte Selbsttäuschung. Wer das prophetische Wort des NT studiert, der erkennt, daß der mit der römischen Kirche begonnene Abfall und die Entartung der Namenschristenheit nicht rückgängig gemacht werden kann, sondern im Gegenteil gesetzmäßig weiter fortschreitet, bis die Hure Babylon, die die römische Kirche schon jetzt darstellt, zur vollendeten Stadium der Welteinheitskirche ausgereift ist.
 
2. Wo die römische Kirche zum Schein biblische Wahrheiten betont, da tut sie es doch im unveränderlichen Rahmen ihrer unbiblischen, verderbenbringenden Dogmen, von denen kein Papst je abrücken wird oder abrücken kann. Sie tut es im Rahmen jener jesuitischen Moral, daß zur Förderung der Sache der Kirche jede Lüge, jede Täuschung legitim ist und die Wahrheit allezeit dialektisch einmal so und einmal anders ausgelegt werden kann. So ist es kein Widerspruch, daß gerade der „evangelikale“ Papst Ratzinger die ultrakonservative Pius-Bruderschaft mit ihren extremkatholischen Traditionen hofiert hat.
 
3. Das öffentliche Eintreten für die Bibel und „biblische Werte“ hat für die römische Kirche einen zutiefst taktischen Charakter. Sie tritt in ihren eigenen Reihen die biblischen Grundwerte vielfach mit Füßen (siehe den Zölibat und die hurerischen Beziehungen vieler Priester zu illegitimen Frauen sowie die vielen Skandale um kinderschändende Priester). Es steht schlimm um die Evangelikalen, wenn sie sich um eines eindrucksvolleren Auftritts vor der Welt willen mit der römischen Kirche verbünden und über ihre Irrlehren und Greuel bewußt hinwegsehen. Mit ihren lobhudelnden Stellungnahmen verwirren und verführen sie die ihnen anvertrauten Gläubigen und ziehen sie mit hinein in das babylonische System der Ökumene, in dem sie längst eine feste und unverzichtbare Rolle spielen.
 
4. Viele evangelikale Führer steuern heute bewußt und sehenden Auges auf eine engere Zusammenarbeit und ökumenische Einheit mit der Kirche Roms zu. Sie tun dies wahrscheinlich aufgrund ihres Strebens nach Geltung und Einfluß in der Welt, aber auch, weil sie den schlichten, einfachen, starken Glauben der Bibel längst verlassen haben. Ihr Kurs steht in klarem Widerspruch zu dem, was die Bibel lehrt. Die Bibel lehrt uns, daß Christus und Belial, Licht und Finsternis keine Gemeinschaft haben können und die wahre Gemeinde zur Absonderung gerufen ist (2. Korinther 6). Die Bibel fordert uns ausdrücklich auf, die Hure Babylon zu verlassen, anstatt sich in ihre Reihen zu drängeln: „Und ich hörte eine andere Stimme aus dem Himmel, die sprach: Geht hinaus aus ihr, mein Volk, damit ihr nicht ihrer Sünden teilhaftig werdet und damit ihr nicht von ihren Plagen empfangt!“ (Offb 18,4).
 
 

Vorschußlorbeeren für den Jesuiten Franziskus I.

 
Die Wahl des neuen Papst Franziskus I. signalisiert, daß die römische Kirche ihre Bemühungen um die Verführung der Evangelischen und besonders der Evangelikalen noch steigert. Auf der einen Seite ist es von Bedeutung, daß erstmals in der Geschichte der katholischen Kirche ein Angehöriger des Jesuitenordens zum Oberhaupt der weltweiten Kirche ernannt wurde.
 
Als geschworene Kämpfer für die (letztlich gegen Christus und Seine wahre Gemeinde gerichtete) Herrlichkeit und Macht der römischen Kirche sind die Jesuiten von jeher die schlimmsten Feinde des wahren evangelischen Glaubens gewesen. Ihre Fähigkeit, die Wahrheit zu verdrehen und mit allen Mitteln, auch denen der Täuschung, der Lüge, der scheinbaren Toleranz, den Einfluß der falschen Kirche Roms zu vermehren, haben sich immer wieder in der Geschichte erwiesen. Die Jesuiten haben ihre finsteren Ziele und Methoden ebensowenig geändert wie die römische Kirche insgesamt; nur ihre Taktik ist zur Zeit auf sanfte Umarmung und Einvernahme ausgerichtet. Daß dies so wenige Evangelikale durchschauen, ist ein trauriges Anzeichen dafür, daß sie ihr evangelisches Glaubenserbe längst verlassen haben.
 
Der einflußreiche evangelikale Theologe Dr. Rolf Hille, inzwischen Direktor für ökumenische Angelegenheiten bei der Weltweiten Evangelischen Allianz, richtete in einem Idea-Gastkommentar den Appell an seine Leser: „Evangelikale, seid gespannt auf Franziskus!“ Darin wirbt er indirekt dafür, daß der Papst doch als Sprecher der weltweiten Christenheit angesehen werden sollte: „Der Papst ist im Zeitalter der Globalisierung nicht nur Oberhaupt für die 1,2 Milliarden Katholiken. Das zeigt sich allein dadurch, dass 5.000 Journalisten aus aller Welt zur Berichterstattung über das Konklave nach Rom geeilt waren. Diese Medienpräsenz bewirkt, dass der Papst zunehmend als der Repräsentant der weltweiten Christenheit verstanden wird – ungeachtet der Tatsache, dass sich Protestanten kritisch von ihm abgrenzen. Die öffentliche Wahrnehmung ist eine andere.“
 
Erfreut betont Hille, wie offen der neue Papst als argentinischer Bischof auf die evangelikalen und pfingstlerischen Kreise zugegangen sei, ohne im Geringsten den rein taktischen Charakter dieser Offenheit zu erwähnen: „Dass der Papst Katholik bleibt, ist anzunehmen. Deshalb sollte man sich über seine Marienfrömmigkeit und Hinweise auf Ablässe etc. nicht allzu sehr wundern. Erstaunlich ist vielmehr, dass der Erzbischof von Buenos Aires in seiner Heimat ganz unbefangen den Austausch und die Gebetsgemeinschaft mit evangelikalen Christen praktizierte. Das ist deshalb ungewöhnlich, weil die katholische Kirche in Lateinamerika ansonsten gegenüber den evangelikalen und pfingstkirchlichen Bewegungen äußerst kritisch ist. Schon einige Millionen ihrer Mitglieder sind zu ihnen konvertiert. Doch Jorge Mario Bergoglio lässt sich nicht allein davon bestimmen. So ist zu hoffen, dass das Gespräch zwischen Vertretern der Weltweiten Evangelischen Allianz mit dem Päpstlichen Rat zur Förderung der christlichen Einheit positive Impulse erhält.“
 
Auch andere Evangelikale haben den neuen Papst begrüßt, so auch Prof. Thomas Schirrmacher, der Vorsitzende der Theologischen Kommission der Weltweiten Evangelischen Allianz. „Wie Schirrmacher gegenüber idea sagte, habe der Papst in einem kurzen Gespräch mit den evangelikalen Vertretern gesagt, dass zwischen beiden Seiten bei den anstehenden Aufgaben mehr Gemeinsamkeiten bestünden als Unterschiede, die trennten.“ (IdeaSpektrum 26/2013, S. 12). Der lateinamerikanische Evangelist Lius Palau teilte nach dessen Wahl der Zeitschrift Christanity Today mit, er sei mit Bergoglio befreundet, und er behauptet: „Er ist ein sehr auf die Bibel ausgerichteter Mann, ein sehr auf Jesus Christus ausgerichteter Mann (…) er ist wirklich auf Jesus Christus und das reine Evangelium ausgerichtet (…) er kennt ganz sicher das reine Evangelium und ist ihm verpflichtet.“ Solche Aussagen sagen mehr über die Blindheit des evangelikalen Evangelisten als über die tatsächliche Haltung des Papstes!
 
Interessant ist die starke Betonung des neuen Papstes auf die „Solidarität mit den Armen”, die auch in seiner Namenswahl zum Ausdruck kommt. Hier wird die römische Kirche ein bereitwilliges Gegenüber in den heutigen Evangelikalen finden, die von dem falschen Sozialen Evangelium verführt sind und immer stärker sozialpolitische Veränderung und „Gesellschaftstransformation“ predigen. Ja, es sind „Fortschritte“ zu erwarten – eine fortschreitende Verführung der Evangelikalen und fortschreitende Einverleibung der evangelischen Namenschristenheit durch die römische Kirche. Doch wir sollten und von solchen verderblichen „Fortschritten“ fernhalten und keine falschen Hoffnungen auf das neue Oberhaupt der römischen Kirche setzen.

 
 
Quellen:
 

Rolf Hille: „Evangelikale, seid gespannt auf Papst Franziskus!“, in: IdeaSpektrum 12/2013, S. 3
 
„Der neue Papst und die Evangelikalen“, in: TOPIC 4/2013, S. 1-2.
 
Hans Werner Deppe: „Die Brüderbewegung und „katholische Evangelikale““, in: http://www.cbuch.de/shopnews.php/news_id/365
 
Ulrich Müller: „Von Jesus beten lernen – zwei aktuelle Publikationen“, in: Zeit & Schrift 2/2013, S. 30-33. Online: http://www.zs-online.de/download/zs21307.pdf
 
Horst von der Heyden: „Psalm 122 (Teil 1)“, in: Zeit & Schrift 2/2013, S. 4-11. Online: http://www.zs-online.de/download/zs21302.pdf
 
„“Rom“ tritt unter Franziskus demütiger auf“; in: IdeaSpektrum 26/2013, S. 12. Online: http://epaper.idea.de/?showPage=12&showIssue=2193206&showVolume=2013
 
http://www.christianitytoday.com/ct/2013/march-web-only/luis-palau-pope-francis-drinks-mate-evangelicals-bergoglio.html
 

Rudolf Ebertshäuser    das-wort-der-wahrheit.de    25. 6. 2013

 

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Die Hure Babylon und die endzeitliche Christenheit
 
 
 

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