Hans Peter Royer: Dunkler als Finsternis – heller als Licht. Holzgerlingen (SCM Hänssler) 2010

 

Wir waren leider bereits einmal gezwungen, uns kritisch mit Hans Peter Royer zu beschäftigen (vgl. unseren Beitrag „Was Hans Peter Royer bewegt“). Diesmal geht es um sein 2010 erschienenes Buch „Dunkler als Finsternis – heller als Licht“, das ich auf Anraten eines Bruders gelesen habe, der Royer verteidigen wollte. Oberflächlich betrachtet ist es ein eher evangelistisches Plädoyer für Jesus Christus, recht flott geschrieben, mit vielen Anekdoten und geistreichen Bemerkungen. Doch wenn man es genauer liest, kommen eine ganze Reihe verwirrende und beunruhigende Einzelheiten ans Licht.

Der evangelikale Leser legt bei Büchern, die für den Glauben werben, in der Regel keine sehr klaren Maßstäbe an; oftmals muß der gute Zweck herhalten, um manches Zweifelhafte zu rechtfertigen. Doch dieses Buch enthält so viel Irreführendes und Verkehrtes, daß man davor im Grunde warnen muß. Das kommt daher, daß Royer schon stark von den letzten Verführungstrends in der evangelikalen Szene beeinflußt ist, und diese Einflüsse kommen in dem Buch an verschiedenen Stellen zum Tragen. Ich will hier nur einige Stichworte nennen (Seitenzahlen verweisen auf das Buch; Hervorhebungen von RE):

1. Royer behandelt die Bibel immer wieder in diesem Buch als eine spannende, faszinierende Geschichte und spielt herunter, daß sie Lehre, absolute Wahrheitsaussagen über Gott, Christus, den Menschen, die Sünde, das Erlösungswerk usw. enthält. Das wird schon in der Einleitung auf S. 12 deutlich: „Darum hat Gott uns das größte aller Abenteuer in der ‚Heilsgeschichte’ geschenkt, im Evangelium seines Sohnes. Es ist eine Geschichte, die so spannend ist, daß ‚Krieg der Sterne’ dagegen langweilig erscheint. Die ganze Bibel erzählt vom Kampf zwischen Gut und Böse …“. Royer folgt hier erkennbar den Lehren der „narrativen (= erzählenden) Theologie“, die die Bibel nur als eine faszinierende Geschichte darstellt und ihre Lehre, ihre objektiven Wahrheitsaussagen und natürlich die Gebote unterbelichtet bzw. ausblendet.

Die „narrative Theologie“ gehört zu den Kerndogmen der Emerging Church. Sie versteht die Bibel einseitig als undogmatische Erzählung. Es besteht kein Zweifel, daß die Bibel Erzählung enthält, und zwar ein inspiriertes, wahres geschichtliches Zeugnis der Taten Gottes. Aber die Bibel enthält, auch im AT, eine Fülle von Lehre, von ewigen Wahrheitsaussagen, die man nicht unter den unverbindlichen Begriff „Geschichte“ fassen kann. In dem Buch kommt diese bibelkritische Umdeutung der Bibel zu einer „Erzählung“ immer wieder zum Ausdruck.

Originalton Royer: „Die Bibel ist die größte Erzählung aller Zeiten – und in diese Geschichte will Gott jeden Menschen hineinnehmen. Ist man erst einmal Teil dieses Abenteuers (!), bestimmt es unsere Realität“ (alles S. 12). „Das Charakteristische für Israels Anbetung war etwas anderes: nämlich das Erzählen von den Taten Gottes, der größten Erzählung der Geschichte. Man sagt nicht in erster Linie, wie Gott ist, sondern wie er in der Geschichte gehandelt hat“ (S. 111).

Das ist zumindest eine sehr einseitige, verflachte Aussage, die dem Anspruch von Gottes Wort überhaupt nicht entspricht (Das AT enthält nicht nur Erzählungen von Gottes Handeln, sondern sehr viele Aussagen über Gottes Wesen). Auch sonst fällt auf, daß Royer kaum die Bibel auslegt und erklärt, dafür aber viele fragwürdige, unbiblische „Geschichten“ erzählt – ganz nach dem Muster der modernen Evangelikalen und der Emerging-Church-Autoren. Eine davon ist von dem irreführenden Starautor Max Lucado (S. 66-68). Andere Geschichten (Mythen) sind ähnlich irreführend so die eines „Männchens vom Mars“ auf S. 98.

2. Royer fordert in seinem Buch, „dass wir die gesamte Bibel mit Jesus auslegen müssen“ (S. 83). Das klingt zunächst durchaus zutreffend, aber im Mund der neuen „postmodernen“ Umdeuter der Bibel beinhaltet dies auch eine Ablehnung der Apostellehre und berechtigt sie scheinbar, bestimmte Aussagen (z.B. was Paulus über die Frau lehrte) einfach als „nicht in Übereinstimmung mit Jesus und seiner Liebe“ abzutun. Auch bei Royer wird die Aufforderung, alles „durch die Brille Jesu“ auszulegen, gegen die gesunde Lehre der Bibel gerichtet: „Der vom Gesetz geprägte Mensch … beginnt in der Regel, theologische Grenzen zu definieren, abzustecken und zu verteidigen. Rechtgläubigkeit und Pharisäertum gewinnen dann die Oberhand und werden irrtümlicherweise als die rechten Glaubensvorbilder angesehen“ (S. 82/83). Doch die Bibel selbst, besonders der Apostel Paulus in seinen Briefen, steckt deutliche Grenzen zwischen gesunder Lehre und Irrlehre ab! Wer diese Grenzen verwischt und als unwichtig darstellt, verführt die Gemeinde Gottes!

3. Royer stellt den biblischen Glauben sehr einseitig dar. Er überbetont das Erlebnis, das Abenteuer, das Subjektive. Er redet zuwenig von der Sündhaftigkeit des Menschen. Es ist auch irreführend, wenn er sagt, „Die Bibel berichtet, dass der Ursprung von Sünde nicht im Menschen liegt“, sondern beim Teufel (S. 24). Auch wenn der Teufel vor dem Menschen sündigte und den Menschen zur Sünde verführte, gibt die Bibel dennoch dem Menschen die Verantwortung für seine Sünde.

Royer macht auch unehrfürchtige und verkehrte Aussagen: „Gott ist ein Gentleman“ (S. 44). Es ist eine humanistische Verflachung und Verkehrung des biblischen Gottesbildes, wenn er, ausgehend von der uralten mystischen Deutung des Hoheliedes, schreibt: „Nein, ein einziger Blick aus unseren Augen erobert das Herz Gottes!“ (S. 73). Dementsprechend soll der Gläubige „verliebt in Christus“ sein (S. 107). An anderer Stelle macht Royer eine geradezu mystische, hinduistisch gefärbte Aussage: „Darum ist der eine Gott die Quintessenz aller Dinge“ (S. 102). So ein Satz kann nicht aus der Bibel geschöpft werden, die zwischen dem Schöpfer und dem geschaffenen eine deutliche Trennlinie zieht, sondern aus den trüben Quellen der „neuen Spiritualität“.

4. Das Schlimmste ist, daß Royer auch die biblische Erlösungslehre und das Evangelium von Christus verfälscht. Anstatt klare Aussagen über den Sühnetod Jesu Christi zu machen, erzählt er in typischem Emerging-Church-Stil auf S. 46-47 eine erfundene „Geschichte“, die ein angebliches „Gespräch“ zwischen Jesus und dem Satan schildert. Jesus fragt darin den Satan: „Wieviel möchtest du für diese Menschen?“, und der Satan antwortet schließlich: „Alle deine Tränen und dein ganzes Blut“, worauf der falsche „Jesus“ dieser Geschichte so reagiert: „Jesus sagte: ‚Abgemacht!’ Und er bezahlte den Preis.“

Hier verkündet Royer indirekt und deshalb umso wirksamer die Irrlehre, Jesus Christus habe das Lösegeld dem Satan bezahlt! Das ist sehr bedeutsam, weil es einer der Kernpunkte der Emerging-Church-Häresie ist, daß das biblische Sühnopfer des Sohnes Gottes verleugnet wird. Die Irrlehrer des falschen postmodernen Glaubens verwerfen die Aussagen der Bibel, daß Christus an unserer Stelle das Zorngericht Gottes trug und deshalb Sein Blut als Lösegeld Gott darbrachte (vgl. u.a. Hebr 9,11-12; Röm 3,24-26; Kol 1,20). In seinem Buch Du mußt sterben, bevor du lebst … (2006) hatte Royer noch die biblische Lehre bezeugt; nunmehr verbreitet er eine verdorbene Falschlehre, und das mithilfe einer Legende (2Tim 4,3-4)!

5. Royer verharmlost die Irrlehre der Allversöhnung (einer weiteren Lehre, die in der Emerging Church an Bedeutung gewinnt) und kokettiert mit ihr, wenn er sagt: „So sehr ich manche Vertreter dieser Lehre schätze und auch persönlich aus diesen Argumenten einen Funken Hoffnung hege, so sehr muss ich dennoch festhalten, dass die Bibel als ganzes es nicht so lehrt“ (S. 43). Das ist so ein typisch neo-evangelikaler Verwirrsatz. Was nun? Ist diese Lehre unbiblisch – dann kann ich doch daraus keine Hoffnung hegen! Ist sie vielleicht dennoch wahr, obwohl die Bibel es nicht so lehrt?

Genau diese Möglichkeit legt Royers Bemerkung nahe und betreibt damit einmal mehr die Relativierung biblischer Lehre. Dabei bezeugt die Bibel sehr deutlich das Gegenteil, und deshalb kann es keine solchen „Hoffnungen“ geben, wenn man die biblische Lehre ernst nimmt. Aber Royer schürt ja in seinem Buch ein Vorurteil gegen „Lehre“ und „Dogma“; immer wieder in seinem Buch hören wir die Einflüsterung: Nimm es nicht so genau mit der Lehre, die „Liebe“ und das „Leben“ sind viel wichtiger!

6. Zum Schluß läßt Royer noch einmal seiner Abneigung gegen die gesunde Lehre freien Lauf. Ganz ähnlich wie viele Autoren der Emerging Church richtet er seine Polemik gegen die gesunde Lehre der Apostel, die dem „undogmatischen, liebenden Jesus“ entgegengesetzt wird, der angeblich in den Evangelien auftritt. „Leider sind wir immer wieder versucht, Jesus Christus als ein nachahmenswertes Vorbild anzubeten und Paulus als einen gelehrten Christuslehrer auszulegen. Wenn wir den Apostel Paulus vom geisterfüllten Christusträger zum intellektuellen Christuslehrer degradieren, füllen wir damit unsere theologischen Studierstuben mit Zank und Streit und nehmen den Kirchengemeinden das Leben. Wir rauben dem Evangelium die ganze Kraft und Dynamik. Die Bibel wird damit herabgewürdigt zu einem Buch guter Lehren göttlicher Dinge und kluger Ratschläge für ein frommes Leben“ (S. 116).

Das ist ein direkter Angriff gegen die gesunde Lehre der Apostel, die ja nach der Bibel die Lehre des erhöhten Christus ist. Der Apostel Paulus war tatsächlich zuallererst „Christuslehrer“, und das unter der Inspiration seines Herrn (vgl. Kol 1,25-28; 2Tim 1,11; 1Kor 1,13; 1Kor 14,36-37)! Für ihn war die Lehre sehr wichtig, und er hat Timotheus und uns nicht umsonst ermahnt: „Wenn du dies den Brüdern vor Augen stellst, wirst du ein guter Diener Jesu Christi sein, der sich nährt mit den Worten des Glaubens und der guten Lehre, der du nachgefolgt bist. (…) Bis ich komme, sei bedacht auf das Vorlesen, das Ermahnen und das Lehren. (…) Habe acht auf dich selbst und auf die Lehre; bleibe beständig dabei! Denn wenn du dies tust, wirst du sowohl dich selbst retten als auch die, welche auf dich hören.“ (1Tim 4,6.13.16).

Daß die Lehre des Paulus dem Evangelium die Kraft und den Gemeinden das Leben raube, ist eine schlimme Irreführung. Aber es kommt darin auch zum Ausdruck, daß die Irrlehrer des postmodernen „undogmatischen Christentums“ in der Lehre des Apostels Paulus ein Hindernis für ihre Verführung sehen. Deshalb müssen sie diese „gesunde Lehre“ auf irgendeine Weise abwerten und in Vergessenheit bringen.

Was ist Royers Ersatz für die biblische Lehre? Ein Gemisch aus Mystik und Charismatik: „Wenn wir die Kräfte des Neuen Testaments in ihrer ursprünglichen Reinheit und Absicht entdecken, dann erschließt sich uns die Kraft Gottes und kann unser ganzes Leben verändern. Dann entdecken wir die Nähe Gottes in uns als die Realität aller Realitäten und beginnen, alles in der Welt von diesem Standpunkt aus zu verstehen und zu bewerten. Und anstatt immer nur grübelnd nachzudenken, entdecken wir den zwanglosen Zugang zu Gott in Jesus Christus, unserem Herrn“ (S. 116/117). Diese Äußerungen sind erkennbar von der Lektüre des Mystikers „Bruder Lorenz“ geprägt.

Insgesamt ist dieses Buch nach meiner Überzeugung nicht biblisch gesund und weist deutliche Spuren verführerischer Lehren auf. Hans Peter Royer ist, das ist für mich nach der Lektüre dieses Buches noch klarer geworden, tatsächlich von Mystik, „neuer Spiritualität“ und postmodernen Emerging-Church-Gedanken beeinflußt. Dieses Buch bestätigt nur die Diagnose, die ich aus dem Interview gewonnen habe. Es ist von daher sehr bedauerlich und auch etwas befremdlich, daß dieses Buch in der eigentlich bibeltreuen Zeitschrift „Gemeindegründung“ enthusiastisch empfohlen wurde (Gemeindegründung 106, 2/11, S. 16). Wir müssen in der heutigen Zeit wachsam sein, damit wir nicht in den Sog des verfälschten „postmodernen Christentums“ geraten, das zwar immer noch vertraute Begriffe verwendet, aber etwas ganz anderes, völlig Unbiblisches damit meint.

 

Rudolf Ebertshäuser    das-wort-der-wahrheit.de     11. 10. 2011

 

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