Michael Kotsch, Die Charismatische Bewegung.
Band 1: Geschichte – Personen – Organisationen;
Band 2: Praxis – Theologie – Geistesgaben.
Logos Aufklärung Band 64 u. 65. Lage (Lichtzeichen-Verlag) 2008. Geh., 142 bzw. 182 S.
Michael Kotsch, theologischer Lehrer an der Bibelschule Brake und Vorsitzender des Bibelbundes, hat in der Aufklärungsreihe der Arbeitsgemeinschaft für religiöse Fragen (inzwischen „AG Welt“) zwei ziemlich ausführliche Broschüren über die Charismatische Bewegung zusammengestellt. Es ist sicher wichtig, daß über diese einflußreiche und wachsende Bewegung aufklärende Information zur Verfügung gestellt wird. In Kotschs Werk findet der Leser eine ganze Reihe von sinnvollen Informationen und Fakten, z.B. zu verschiedenen Werken und Strömungen, zu einzelnen Personen oder Praktiken der Charismatiker. Leider bestehen jedoch in bezug auf die geistliche und biblische Bewertung der zusammengetragenen Fakten schwerwiegende Mängel und Unklarheiten, so daß die zwei Bände ihrem eigentlichen Anliegen, Aufklärung und damit auch kritische Einordnung zu geben, aus bibeltreuer Sicht nicht gerecht werden.
Im Band 1 beginnt Kotsch mit einer lehrmäßigen Darstellung der Charismen nach dem NT. Dort versucht er mit m.E. falschen und konfusen Argumenten, den Standpunkt zu entkräften, daß die biblischen Gnadengaben der Prophetie und der Wunderzeichen aufgehört haben. Kotsch argumentiert dialektisch und theologisch, anstatt Schrift mit Schrift zu vergleichen. Er endet mit der Einschätzung, daß wir heute noch echte Prophetie und echte Wunderzeichen zu erwarten haben. Das ist eine gefährliche Irreführung der Leser und eine Ablenkung von der alleinigen Autorität der Heiligen Schrift. Kotsch läßt offen, ob nicht solche echte Prophetie auch von (zumindest „gemäßigten“) Charismatikern kommen kann. Zu der irreführenden, verharmlosenden Bewertung der Charismatischen Bewegung trägt es wesentlich bei, daß Kotsch jede klare Aussage darüber vermeidet, welcher Geist eigentlich nun die Prophetien und Wunderzeichen und anderen Phänomene in der Charismatischen Bewegung wirkt.
Diese alles entscheidende Frage wird im Grunde beschönigend und falsch beantwortet, wenn Kotsch in der Einleitung von der Charismatischen Bewegung schreibt: „Ihre Merkmale sind eine starke Emotionalität, die Betonung des Heiligen Geistes und eine deutliche Innovationsfreudigkeit“ (1/S. 5). Auch später erweckt Kotsch immer wieder den Eindruck, es sei zumindest im Regelfall der Geist Gottes, der solche Dinge in der Charismatischen Bewegung wirke (vgl. auch 2/165). Man kann aber die Charismatische Bewegung nicht verstehen und sich von ihr auch nicht biblisch abgrenzen, wenn man nicht erkennt, daß der diese Bewegung prägenden und leitende Geist ein betrügerischer Geist von unten ist, wie es die Berliner Erklärung zu recht feststellt.
So liegt der entscheidende Mangel dieses Buches darin, daß der Verfasser sich einer klaren, biblisch begründeten Prüfung und Unterscheidung der Geister verweigert. Kotsch folgt hier dem heutigen modern-evangelikalen Trend, die Charismatische Bewegung als Wirken des wahren Geistes mit gewissen bedenklichen, unnüchternen Randerscheinungen zu sehen. Wer sie so darstellt, verfehlt ihr Wesen und trägt zur endzeitlichen Verführung der Gläubigen bei. Die Gläubigen werden nicht klar gewarnt und nicht zur Absonderung von diesem Geist und dieser Bewegung aufgefordert. Kotsch untermauert vielmehr mit seinen freundlich-oberflächlich und politisch korrekt gehaltenen Bewertungen den falschen Kurs der Allianz und der modernen Evangelikalen, die alle eine Zusammenarbeit mit den Charismatikern befürworten und praktizieren.
Nach einer informativen geschichtlichen Darstellung folgen Kurzbiografien führender Pfingstler und Charismatiker. Auch dort begegnet man immer wieder unverantwortlich verharmlosenden Behauptungen, etwa wenn ohne Distanzierung von Branham gesagt wird, er habe „göttliche Erscheinungen“ gehabt (1/S. 85), oder von Yonggi Cho: „In einer Vision beruft ihn Jesus in seinen Dienst“ (1/87). Über den berüchtigten Mitverursacher der falschen „Brownsville-Erweckung“, Steve Hill, wird ohne Kritik weitergegeben, Tausende von Besuchern in Pensacola seien zum Glauben gekommen (1/97) – was angesichts des dämonischen Charakters dieses betrügerischen Erweckungsspektakels auf jeden Fall in Frage zu stellen ist. Auch dem ähnlich spiritistisch tätigen Rodney Howard-Browne werden „tausende von Bekehrungen“ attestiert (1/99). Von dem Falschpropheten Rick Joyner wird behauptet, er habe in Konferenzen „Christen die Kraft des Heiligen Geistes“ vermittelt und sie angeleitet, „Heilungen, Wunder und Prophetie zu praktizieren“ (1/102). Von der „Brownsville-Erweckung“ heißt es auch bei John Kilpatrick beschönigend: „Begleitet von außergewöhnlichen Phänomenen (…) kam es zu einem geistlichen Aufbruch“ (1/105). Von einer spiritistischen Scheinerweckung zu sprechen wäre näher an der Wahrheit gewesen. Aber sehr oft wird auch das offenkundig widerbiblische und dämonische Geisterwirken in dieser Bewegung diplomatisch „neutral“ geschildert und ihr vermessener Anspruch für Wirklichkeit genommen.
Im Band 2 verstärkt sich diese Fehleinschätzung in gewisser Weise noch. Dort versucht Kotsch, bestimmte Züge der Charismatischen Bewegung darzustellen und zu bewerten: Charismatische Frömmigkeit (Gottesdienste, Lobpreis, Seelsorge, Geistesgaben, Leitungsstruktur/Mißbrauch); Charismatische Charismen (Geistestaufe, Zungenrede, Prophetie, Heilungen); Charismatische Sonderlehren (Verschiedene „Wort-des-Glaubens“lehren, Wohlstandsevangelium), um dann ein Resümee zu ziehen.
Auch hier finden wir wieder interessante Informationen in vielen Einzelfragen, verbunden mit einem schwerwiegenden Mangel an klarer biblischer Bewertung, so daß die angesprochenen Praktiken und Lehren für den Leser allesamt in einem Vakuum der Beliebigkeit und Neutralität bleiben. Wer etwa die verführerische, irrgeistig wirksame Macht des charismatischen Lobpreises aus eigener Erfahrung kennt, wundert sich über die irreführende Behauptung: „Zweifellos ist es eine Stärke des charismatischen Lobpreises, daß er die Emotionalität des Menschen anspricht und gleichzeitig die Vielfalt des Gotteslobes erweitert“ (2/14). Womit erweitert? Etwa mit Hiphop-Tanz als „Anbetung“ oder Rückwärtsstürzen als „Gotteslob“? Oder mit magisch mißbrauchten Proklamationsliedern, die man für die Dämonen singt, und berauschenden Euphorie- und Ekstasezuständen?
Auch eindeutig unbiblische und schwer schädigende Praktiken wie „Innere Heilung“, „Befreiungsdienst“ oder „Ruhen im Geist“ werden so dargestellt, als hätten sie auch etwas Gutes, und die behutsame Kritik wird mit nichtssagenden Floskeln ausgedrückt: „Nicht ganz unproblematisch ist … Bedacht werden sollte auch …“ (S. 17). „Über die Bibel hinaus aber gehen charismatische Interpretationen …“ (2/13). „Mit neutestamentlicher Theologie decken sich diese Vorstellungen [von geistlicher Kriegsführung, RE] und die benutzte Terminologie kaum“ (2/25). Typisch ist eine Aussage wie: „In der charismatischen Seelsorge wird gewöhnlich nur unzureichend zwischen menschlichen und göttlichen Visionen und Träumen unterschieden“ (2/21). Also gibt es heute in der charismatischen Seelsorge auch göttliche Träume und Visionen, auf die der Gläubige vertrauen kann? Und gibt es daneben nur menschliche Träume und Visionen? Keine dämonischen? Dann könnte man es ja durchaus mit dieser Art von „Seelsorge“ probieren!
Solche „Aufklärung“ bewirkt keineswegs, daß verunsicherte Christen gewarnt werden und sich vor so etwas hüten, sondern sie erweckt den Eindruck, es könne durchaus etwas Göttliches daran sein. Wiederum unverantwortlich irreführend die Bilanz von Kotsch, „… dass charismatische Seelsorge insbesondere das übernatürliche Wirken Gottes im Blick hat. Das ist Stärke und Schwäche zugleich“ (2/23). Wenn in der charismatischen Seelsorge tatsächlich Gott übernatürlich wirken würde, wäre sie ja durchaus erstrebenswert – in Wahrheit ist es aber ein zerstörerischer, blendender, glaubensschädigender Irrgeist, der schlimme Spuren bei den Seelsorgeopfern hinterläßt! Hier versäumt Kotsch mit seiner wohlmeinenden diplomatischen Neutralität dringend notwendige Warnung und macht sich schuldig an möglichen Opfern, die sich aufgrund solcher verharmlosender Fehleinschätzungen auf diese charismatischen Praktiken einlassen. Wie sagt doch ein Sprichwort: „Barmherzigkeit mit den Wölfen ist Lieblosigkeit gegen die Schafe!“
Der Verfasser dieser Buchbesprechung kann als ehemaliger Charismatiker, der den Geist dieser Bewegung recht genau kennengelernt hat und sich intensiv biblisch mit ihr auseinandergesetzt hat, nur sagen: Hier wird über diese gefährliche Bewegung nicht aufgeklärt, sondern in wichtigen Punkten geradezu Vernebelung praktiziert. Das kommt noch einmal massiv in Kotschs Resümee zum Ausdruck. Im Sinne der „evangelikalen Correctness“ vermerkt er dort viele angebliche „Positive Herausforderungen durch charismatische Frömmigkeit“ und versteigt sich dabei zu Fehlurteilen wie: „Charismatische Christen begannen neu mit dem Eingreifen Gottes durch Zungenrede, Heilung und Prophetie zu rechnen“ (2/165); „Charismatische Christen heben die Gegenwart des liebenden und allmächtigen Gottes hervor“ (2/166); „Charismatische Christen haben die Bedeutung der praktischen Erfahrung und der eigenen Emotionen im Glaubensleben neu hervorgehoben“ (2/166-167). Wer die glaubenszerstörenden und irreführenden Praktiken, die hier so blumig und abgehoben gelobt werden, aus eigener Erfahrung kennt, kann sich nur über diese beschönigende Darstellung wundern. Sie wiegt umso schwerer, als Kotsch nach eigenen Aussagen mehrere Jahre Mitglied in einer charismatischen Gemeinde in der Schweiz war und daher nicht aus Unwissenheit so urteilt. Offenkundig hat er diese Bewegung nicht in der Tiefe durchschaut und sich nicht klar genug von ihr abgewandt.
Auch bei seinen „kritischen“ Anmerkungen findet sich keine klar ausgesprochene Wahrheit, keine klare Bewertung selbst der schlimmsten Lehren und Praktiken. Nirgends gibt Kotsch einen deutlichen Hinweis darauf, daß in dieser Bewegung dämonische Verführungsgeister wirken. Alles wird in „ausgewogenen“ Andeutungen verwässert. Dementsprechend fallen auch die Ratschläge für den Umgang mit Charismatikern aus. „Auch wenn zumeist [!] eine gemeinsame Gemeindearbeit nicht möglich ist, kann eine begrenzte projektbezogene Zusammenarbeit in einzelnen Fällen durchaus sinnvoll sein“ (2/176). „Der Idealfall wäre eine bereichernde Zusammenarbeit zwischen charismatisch orientierten und anderen Christen in der Gemeinde [!!]. In der Realität ist das leider [!!] jedoch nur selten möglich“ (2/176). Charismatische Christen können laut Kotsch „für viele Gemeinden eine wahre Bereicherung sein“ (2/177). Damit bestätigt Kotsch den Widerruf der Berliner Erklärung und die Öffnung der modernen Evangelikalen für die Zusammenarbeit mit Charismatikern. Für Tausende von bibeltreuen Christen, die die „Bereicherung“ durch charismatische Einflüsse in ihren Gemeinden leidvoll erlebt haben, muten Kotschs Aussagen wie Hohn an.
Seine Hinweise auf eine manchmal ratsame Trennung von Charismatikern sind demzufolge auch nur taktisch begründet. Er plädiert für regelmäßigen Dialog auf Leitungsebene: „Stattdessen sollten sich die entsprechenden Gemeindeleitungen in regelmäßigen Abständen ergebnisoffen [!!] mit der Sichtweise und den Argumenten der jeweils anderen Gruppe auseinandersetzen, um daraus Anregungen für die eigenen Gemeindepraxis [!] zu beziehen. Dadurch (…) besteht gegebenenfalls die Möglichkeit für behutsame Veränderungen [!!], bei denen die ganze Gemeinde mitgenommen werden kann“ (2/178-179). Damit wird die üble, raffinierte Unterwanderung evangelikaler Gemeinden durch die Charismatik aktiv gefördert, die ja wie ein Sauerteig wirkt, der am Ende den ganzen Teig durchsäuert. Es ist geradezu hinterlistig (und in bedenklicher Übereinstimmung mit der weltlichen Umprogrammierungstaktik von Rick Warren), wenn hier eine unmerkliche Einführung charismatischer Einflüsse über die Gemeindeleitung befürwortet wird. Kotsch gibt in seiner „Aufklärungsbroschüre“ Tips zur charismatischen Umprogrammierung von bibeltreuen Gemeinden, statt der nötigen Absonderung das Wort zu reden!
Insgesamt folgt Kotsch in seinen schwammigen, theologisch-pseudowissenschaftlichen Einschätzungen ganz dem Kurs der Evangelischen Allianz und der modernen Evangelikalen. Er befürwortet ausdrücklich eine „gemäßigte“ Spielart der Charismatik und erhebt lediglich gewisse maßvolle Bedenken gegen „extreme“ Strömungen und Praktiken – was angesichts seines Ansehens als „bibeltreuer Theologe“ und seiner Funktionen als Vorsitzender des „Bibelbundes“ und neuerdings der „AG Welt“ (ehemals ARF) einige Fragen aufwirft. Früher jedenfalls hatte der „Bibelbund“ noch eine deutliche Abgrenzung gegenüber der Pfingst- und Charismatischen Bewegung; aber auch dort sind klare Positionen in den letzten Jahren bedenklich in Fluß geraten.
Das Werk Kotschs macht in vielen Passagen den Eindruck, ziemlich hastig ohne gründliche Sichtung und Prüfung vorwiegend aus Internetquellen zusammengestellt worden zu sein. Zahlreiche teilweise auffällige Druckfehler (Johann statt Jonathan Paul; Jugend für eine Mission statt Jugend mit einer Mission) verstärken den Eindruck, daß eine sorgfältige Durcharbeitung unterblieben ist. In einigen Fällen, etwa bei dem sehr einflußreichen Leiter Peter Wenz, fehlen in der Biographie wichtige Fakten (z.B. seine Verstrickung in die häretische „Wort des Glaubens“-Bewegung). Man vermißt ausführlichere Informationen über die neuerdings sehr aktive „Wort+Geist“-Bewegung und Helmut Bauer. Alles in allem ist dieses Werk nur für solche Leser sinnvoll, die einige illustrative Fakten und ein rein äußerliches Wissen über die Charismatische Bewegung suchen. Zur geistlichen Orientierung ist es leider nicht tauglich.
Rudolf Ebertshäuser Überarbeitete Fassung Dezember 2009 das-wort-der-wahrheit.de