Als Bibellehrer, der seit vielen Jahren einen Wächter- und Aufklärungsdienst im Hinblick auf endzeitliche Verführungen in der Gemeinde tut, bekomme ich immer wieder Einblick in die Nöte vieler ernsthafter, bibeltreuer Kinder Gottes, die in der heutigen Zeit sehnsüchtig und oft vergebens nach einer gesunden biblischen Gemeinde suchen.

Das betrifft besonders auch Christen, die früher in charismatischen oder anderen verführten Kreisen unterwegs waren und dann aufgewacht sind. Sie wünschen sich eine gute geistliche Heimat, wo sie im Glauben gesund werden und wachsen können, und diese Suche ist viel zu oft vergeblich. Sie spüren, daß sie die Gemeinschaft einer gesunden Gemeinde brauchen, in der Gottes Wort klar und gesund gepredigt und ausgelebt wird – aber wo sind solche Gemeinden noch zu finden?

Ähnlich ergeht es vielen treuen Gläubigen, die ihre einstige geistliche Heimat durch die modernen Verführungstrends verloren haben und nun auf der Suche nach einer neuen sind. Viele haben erleben müssen, daß Gemeinden, die sich früher zumindest einigermaßen an biblische Grundsätze hielten, im allgemeinen Sog der Gemeindewachstumsbewegung, des Charismatismus und der Ökumene mitgerissen wurden, sodaß es bibeltreuen Kindern Gottes nicht mehr möglich war, in ihnen zu bleiben. Sie mußten sich absondern – aber wohin sollen sie nun gehen?

Immer wieder kommen auch Menschen durch Gottes Führungen zum Glauben, die zuvor in der katholischen Kirche, oft aber auch in esoterischen Kreisen waren. Sie haben sich vielleicht durch das Lesen der Bibel oder durch ein Traktat bekehrt, ohne Kontakt zu einer guten Gemeinde zu haben. Der Geist Gottes treibt sie nun, Gemeinschaft mit anderen Kindern Gottes zu suchen, aber sie finden in den modern-evangelikalen oder charismatischen Gemeinden, die sie wahrscheinlich am ehesten antreffen, nicht die geistliche Speise, nach der sie hungrig sind. Sie spüren oft im Herzen, daß diese Gemeinden nicht das Echte sind – aber wo finden sie eine echte bibeltreue Gemeinde?

 

 

Das Versagen der Hirten

 

So gibt es viel geistliche Not unter den heutigen Gläubigen in den Ländern des Westens, wobei ich hier nur über die deutschsprachigen Länder Näheres sagen kann. In gewisser Weise erinnert die geistliche Lage vieler Gläubiger heute an das Wort, das der HERR damals dem Propheten Hesekiel in bezug auf die geistliche Not des Volkes Israel gegeben hat:

Und das Wort des HERRN erging an mich folgendermaßen: Menschensohn, weissage gegen die Hirten Israels, weissage und sprich zu ihnen, den Hirten: So spricht GOTT, der Herr: Wehe den Hirten Israels, die sich selbst weiden! Sollen die Hirten nicht die Herde weiden? Das Fette verzehrt ihr, mit der Wolle bekleidet ihr euch, und das Gemästete schlachtet ihr, aber die Herde weidet ihr nicht! Das Schwache stärkt ihr nicht, das Kranke heilt ihr nicht, das Verwundete verbindet ihr nicht, das Verscheuchte holt ihr nicht zurück, und das Verlorene sucht ihr nicht, sondern mit Gewalt und Härte herrscht ihr über sie!

Und so haben sie sich zerstreut, weil sie ohne Hirten waren, und sind allen wilden Tieren des Feldes zum Fraß geworden und haben sich zerstreut. Auf allen Bergen und hohen Hügeln irren meine Schafe umher, und über das ganze Land sind meine Schafe zerstreut; und niemand ist da, der nach ihnen fragt, und niemand, der sie sucht.

Darum, ihr Hirten, hört das Wort des HERRN! So wahr ich lebe, spricht GOTT, der Herr: Weil meine Schafe zum Raub geworden sind, ja, weil meine Schafe allen wilden Tieren des Feldes zum Fraß geworden sind, weil sie keinen Hirten haben und meine Hirten nicht nach meinen Schafen fragen, und weil die Hirten nur sich selbst weiden und nicht meine Schafe, so hört, ihr Hirten, das Wort des HERRN!

So spricht GOTT, der Herr: Siehe, ich komme über die Hirten, und ich will meine Schafe von ihren Händen fordern und will ihrem Schafeweiden ein Ende machen, und die Hirten sollen nicht mehr sich selbst weiden; denn ich will meine Schafe aus ihrem Maul erretten, daß sie ihnen künftig nicht mehr zum Fraß dienen sollen. (Hes 34,1-10)

Wir können dieses eindrückliche Bild der geistlichen Not der Schafe des Herrn natürlich nicht in allem auf unsere Situation beziehen, aber die Parallelen sind doch deutlich. Es ist ein ernster Gedanke, daß der heilige Gott vor allem die Hirten Seines Volkes für die geistlichen Mißstände verantwortlich macht, die dann letztlich die Schafe, das heißt die einfachen Gläubigen, in Not stürzen.

Das gilt auch für uns als Gemeinde Gottes: Für das Abweichen so vieler einstmals bibeltreuer Gemeinden in den Sumpf der heutigen evangelikal-charismatischen Irreführung werden in erster Linie einmal die Hirten zur Verantwortung gezogen werden, all die Pfarrer, Prediger, Pastoren, Älteste und Gemeindeleiter ungezählter Gemeinden, die einmal gut und biblisch gesund angefangen haben und dann – erst allmählich und dann immer massiver – von den klaren Linien des Wortes Gottes abwichen, um sich dem Zeitgeist anzupassen, um „die Jugend bei der Stange zu halten“, um feministisch verführten Frauen Raum zu geben, um populär zu werden und große Wachstumsraten zu erzielen usw.

Diese Hirten sind von ihrem Herrn abgewichen, dem sie eigentlich treu und demütig in der Aufsicht und Fürsorge für die ihnen anvertrauten Schafe dienen sollten. Dieses Abweichen hat viele Gesichter. Manche wollten groß werden, Erfolg haben, ein gutes Gehalt für ihre Bemühungen einstreichen; sie wollten angesehen sein bei den Mengen oder bei irgendwelchen liberalen Kirchenführern, sie haben in ihrem persönlichen Leben das Wort des Herrn mißachtet, mit der Folge, daß sie begannen, es auch in bezug auf ihre Gemeinden zu mißachten. Indem sie vom Wort Gottes abwichen, wendeten sie sich auch von dem verherrlichten Herrn ab, der dieses Wort gegeben hat. „Denn die Hirten sind töricht geworden und haben den HERRN nicht gesucht; darum hatten sie kein Gelingen, und ihre ganze Herde ist zerstreut“ (Jer 10,21).

Die Wurzeln des persönlichen Versagens und Abweichens sind sehr vielfältig, und kein Außenstehender kann sie genau beurteilen – aber die Früchte sind immer dieselben: In den Gemeinden wird der Geist Gottes betrübt, Sein Wirken wird ersetzt durch menschliche Betriebsamkeit, durch rhetorische Tricks und gruppendynamische Methoden; das Wort ist nicht mehr das Entscheidende, sondern die Show, die „Lobpreiszeit“, das Erlebnis. Der tiefste Schaden wird gar nicht mehr bemerkt: nicht mehr Christus, der Herr der Gemeinde, ist im Mittelpunkt, sondern der Mensch.

 

 

Die Not der Schafe

 

Dieser geistliche Niedergang in vielen christlichen Kreisen, besonders unter den Evangelikalen, hat dramatische Auswirkungen für die Schafe, für die einzelnen wahren Kinder Gottes. Diese Schafe erfahren nicht die rechte geistliche Fürsorge und Ernährung, die ihnen ihr guter Hirte, der Herr Jesus, das Haupt der Gemeinde, eigentlich zugedacht hat.

Manche Schafe folgen schließlich irgendwelchen Verführern nach, falschen Hirten, charismatischen Gurus etwa, oder liberalen Erfolgspredigern. Andere werden verwirrt und entmutigt; sie spüren, daß etwas falsch läuft in der Predigt, in der Gemeinde, aber sie erkennen nicht klar, was es ist. Sie leiden unter kraftlosen Predigten, die ihrem inneren Menschen keine Nahrung mehr geben, unter dem ekstatischen „Lobpreis“-Ritual, unter der leeren Geschäftigkeit. Sie sehen, wie falsche Lehre und Sünde in die Gemeinde eindringt, und kaum jemand kümmert es. Wenn sie den Leitern etwas sagen, werden sie zurechtgewiesen und eingeschüchtert.

So kommt es, daß immer mehr ernsthafte Gläubige geistlich heimatlos werden – zerstreut und vernachlässigt, wie das der Prophet Hesekiel beschreibt. Für manche spielt sich dies ab, während sie äußerlich noch in einer evangelikalen Gemeinde sind; andere mußten ihre völlig verführten Gemeinden verlassen und irren tatsächlich, geistlich gesprochen, umher, ohne daß ein Hirte nach ihnen fragt.

Manche fallen räuberischen Wölfen zum Opfer, Irrlehrern und falschen Propheten, weil zu viele Gemeindeleiter es versäumt haben, zu wachen, weil sie die ernste Aufforderung des Herrn mißachtet haben, der durch den Apostel Paulus allen Hirten der Gemeinde einen Auftrag gegeben hat:

So habt nun acht auf euch selbst und auf die ganze Herde, in welcher der Heilige Geist euch zu Aufsehern gesetzt hat, um die Gemeinde Gottes zu hüten, die er durch sein eigenes Blut erworben hat! Denn das weiß ich, daß nach meinem Abschied räuberische Wölfe zu euch hineinkommen werden, die die Herde nicht schonen; und aus eurer eigenen Mitte werden Männer aufstehen, die verkehrte Dinge reden, um die Jünger abzuziehen in ihre Gefolgschaft. Darum wacht und denkt daran, daß ich drei Jahre lang Tag und Nacht nicht aufgehört habe, jeden Einzelnen unter Tränen zu ermahnen. (Apg 20,28-31)

Die Not der vielen vernachlässigten, irregeführten Gläubigen verlangt nach der Entstehung vieler neuer bibeltreuer Gemeinden, und seien es kleine Hausgemeinden, in denen diese Gläubigen einen treuen Hirtendienst, gute, biblisch fundierte Verkündigung und Lehre und auferbauende Gemeinschaft und Glaubenshilfe empfangen.

 

 

Der gute Hirte kümmert sich um Seine Schafe

 

Ich glaube, wir können aus Gottes Wort erkennen, daß diese Entstehung biblischer Gemeinden und Gemeinschaften auch der Wille des Herrn der Gemeinde ist, unseres Herrn Jesus Christus, der der gute Hirte Seiner Schafe ist. Er spricht durch den Propheten Hesekiel über die vernachlässigten Gläubigen des alten Gottesvolkes Israel, und wir sehen darin Sein Herz und Seine Gesinnung, die sich nicht verändern:

Denn so spricht GOTT, der Herr: Siehe, ich selbst will nach meinen Schafen suchen und mich ihrer annehmen! Wie ein Hirte seine Herde zusammensucht an dem Tag, da er mitten unter seinen zerstreuten Schafen ist, so will ich mich meiner Schafe annehmen und sie aus allen Orten erretten, wohin sie zerstreut wurden an dem Tag des Gewölks und des Wolkendunkels.

Und ich werde sie aus den Völkern herausführen und aus den Ländern zusammenbringen und werde sie in ihr Land führen; und ich werde sie weiden auf den Bergen Israels, in den Tälern und allen bewohnten Gegenden des Landes. Auf einer guten Weide will ich sie weiden; und ihr Weideplatz soll auf den hohen Bergen Israels sein, dort sollen sie sich auf einem guten Weideplatz lagern und auf den Bergen Israels fette Weide haben!

Ich selbst will meine Schafe weiden und sie lagern, spricht GOTT, der Herr. Das Verlorene will ich suchen und das Verscheuchte zurückholen und das Verwundete verbinden; das Schwache will ich stärken; das Fette aber und das Starke will ich vertilgen; ich will sie weiden, wie es recht ist. (Hes 34,11-16)

Nun, unser Herr Jesus handelt als der fürsorgliche, treue Hirte Seiner Schafe vom Himmel her und indem Er sie ganz persönlich bewahrt, stärkt, unterweist und tröstet. Das tut Er, weil Er uns alle so sehr liebt, daß Er uns mit Seinem Blut erkauft hat.

Der Dieb kommt nur, um zu stehlen, zu töten und zu verderben; ich bin gekommen, damit sie das Leben haben und es im Überfluß haben. Ich bin der gute Hirte; der gute Hirte läßt sein Leben für die Schafe. Der Mietling aber, der kein Hirte ist, dem die Schafe nicht gehören, sieht den Wolf kommen und verläßt die Schafe und flieht; und der Wolf raubt und zerstreut die Schafe. Der Mietling aber flieht, weil er ein Mietling ist und sich nicht um die Schafe kümmert.

Ich bin der gute Hirte und kenne die Meinen und bin den Meinen bekannt, gleichwie der Vater mich kennt und ich den Vater kenne; und ich lasse mein Leben für die Schafe. (Joh 10,10-15)

Meine Schafe hören meine Stimme, und ich kenne sie, und sie folgen mir nach; und ich gebe ihnen ewiges Leben, und sie werden in Ewigkeit nicht verlorengehen, und niemand wird sie aus meiner Hand reißen. Mein Vater, der sie mir gegeben hat, ist größer als alle, und niemand kann sie aus der Hand meines Vaters reißen. (Joh 10,27-29)

Doch zugleich ist es der ausdrückliche Ratschluß Gottes, daß die erretteten Gläubigen in Christus als Glieder des geistlichen Leibes des Christus, der Gemeinde, auch untereinander Gemeinschaft haben. Sie sollen sich gegenseitig mit ihren geistlichen Gaben erbauen und durch vom Herrn berufene und ausgerüstete Hirten geweidet und gehütet werden, sodaß sie alle miteinander hinwachsen zu Christus hin und, gesund im Glauben, zur Einheit des Glaubens und der Vollerkenntnis kommen und geistlich reif werden.

Der gute Hirte wirkt eben Seine Auferbauung und Stärkung Seiner Jünger nicht nur in der direkten Gemeinschaft mit Ihm (die zweifellos die Grundlage und das Wichtigste ist), sondern auch durch andere Gläubige, die er gebraucht, um uns zu formen, zu unterweisen und zu ermutigen, und insbesondere auch durch die erbauenden Dienstgaben auf örtlicher und überörtlicher Ebene, die Hirten, Lehrer und Evangelisten. Das lehrt uns der Apostel Paulus, wie wir oben schon sahen, im 4. Kapitel des Epheserbriefs (vgl. Eph 4,11-16).

Dieser Ratschluß, mit dem wir uns später noch mehr beschäftigen wollen, kann eigentlich nur in biblisch gesunden örtlichen Gemeinden ausgeführt werden, in denen, nachdem die Dienste der Apostel und Propheten aufgehört haben, die nur für die Anfangszeit bestimmt waren, weiterhin Hirten, Lehrer und Evangelisten zur Auferbauung der Heiligen wirken.

 

 

Biblische Gemeinden sind notwendig, damit Gott verherrlicht wird!

 

Wir brauchen also in der heutigen Zeit biblisch ausgerichtete, treue Gemeinden, in denen die gottesfürchtigen Gläubigen gesammelt, erbaut, unterwiesen und seelsorgerlich gestärkt werden. Das ist von großer Bedeutung, nicht nur um der liebenden Fürsorge des guten Hirten Jesus Christus für die erlösten Gläubigen willen. Nein, solche Gemeinden sind auch notwendig zur Ehre und Verherrlichung Gottes in einer Zeit des Niedergangs und der Verführung, in der allzuviele untreue, ja abgefallene „christliche Gemeinden“ und „Kirchen“ die Ehre Gottes beschmutzen und die Wahrheit Gottes verdunkeln.

Bibeltreue Gemeinden, die nach dem Wort Gottes leben und es getreulich verkündigen, verherrlichen Gott und bezeugen die letztendliche Niederlage des Teufels und aller Mächte der Bosheit. Sie bezeugen die Treue des Herrn der Gemeinde, der verheißen hat: „Ich werde … meine Gemeinde bauen, und die Pforten des Totenreichs werden sie nicht überwältigen!“ (Mt 16,18 – eigene Übersetzung).

Im letzten ist die Gemeinde Gottes vor allem deshalb hier auf der Erde, um Gott zu verherrlichen und ein kraftvolles Zeugnis für Seine Wahrheit, für Seinen Namen, für Seine Gnade und Herrlichkeit abzulegen:

Mir, dem allergeringsten unter allen Heiligen, ist diese Gnade gegeben worden, unter den Heiden den unausforschlichen Reichtum des Christus zu verkündigen, und alle darüber zu erleuchten, welches die Gemeinschaft ist, die als Geheimnis von den Ewigkeiten her in Gott verborgen war, der alles erschaffen hat durch Jesus Christus, damit jetzt den Fürstentümern und Gewalten in den himmlischen [Regionen] durch die Gemeinde die mannigfaltige Weisheit Gottes bekannt gemacht werde, nach dem Vorsatz der Ewigkeiten, den er gefaßt hat in Christus Jesus, unserem Herrn … (Eph 3,8-11)

Die Verherrlichung unseres großen Gottes und Vaters, die Ehre des Gottes, der uns berufen hat in Christus, das Zeugnis Seiner Gnade und Allmacht in einer finsteren Welt sollten für jeden Gemeindegründer und Gemeindebauer das tiefste und höchste Anliegen sein, wenn er sich Gott in diesen schweren Zeiten zur Verfügung stellt in dem anspruchsvollen, herausfordernden, aber auch überaus gesegneten Werk des biblischen Gemeindebaus.

 

 

Auszug aus dem Buch von Rudolf Ebertshäuser: Biblischer Gemeindebau in der Endzeit