Viele Gläubige, besonders aus dem weiblichen Geschlecht, verbringen einen guten Teil ihrer freien Zeit damit, christliche Romane und erfundene Erzählungen zu lesen. Manchmal werden ganze Sagas mit einer nicht endenden Folge dicker Erzählbände verschlungen, die den Leser oder die Leserin in üppige Fantasiewelten entführen, wo es schöne männliche Helden gibt, noch schönere weibliche Heldinnen, die sich nach den Männern sehnen, Schurken und Schurkinnen, Intrigen und atemberaubende Wendungen – und meist ein Happy-End. Das sind die klassischen Elemente einer romantischen Geschichte, wie sie aus der weltlichen Romanliteratur bekannt sind – nur garniert mit ein paar christlichen Zutaten.
Aber auch bei anderen Büchern mit christlicher Fiktion, die vielleicht etwas anspruchsvoller sind, gäbe es aus geistlichen Gründen Bedenken anzumelden, ob eine solche Lektüre wirklich hilfreich und empfehlenswert ist. Es gibt ja „biblische“ Romane, bei denen die „Helden“ Elia oder Joseph heißen; es gibt „historische“ Romane, die uns mit mittelalterlichen Mönchen oder Ritterfräulein bekanntmachen wollen, oder Gegenwartsromane, die Lebensschicksale nacherzählen, die nicht selbst erlebt, sondern erfunden sind. Sind solche Darstellungen für unseren Glauben förderlich? Sind sie eine „harmlose Unterhaltung“, wie viele ihrer begeisterten Leser meinen?
Gerade der Umstand, daß hier jeweils Geschichten erzählt werden, die mehr oder weniger frei erfunden wurden, das heißt zu einem mehr oder weniger großen Teil der Phantasie des Autors entsprungen sind, und nicht eigenem Erleben, sollte uns nachdenklich machen. Unser Herr Jesus Christus ermahnt uns ja, in allem die Wahrheit zu sagen. „Deine Rede sei Ja, Ja – Nein, Nein; alles Übrige ist aus dem Bösen!“ – so sagt es unser Herr, und das bedeutet, daß wir Gläubige die Wahrheit sagen sollten und nichts als die Wahrheit. Was aber tut ein Schriftsteller, der Romane schreibt? Er denkt sich eine Situation aus, die so nie stattfand; er erfindet Charaktere, die es in Wirklichkeit so nicht gibt; er beschreibt Dialoge und Handlungen, die eben Erfindung sind, obwohl sie mit dem Anspruch auftreten, Wirklichkeit zu sein.
Solche fiktiven Werke entführen den Leser in eine Scheinwelt, in der sich seine Sehnsüchte und Wünsche spiegeln sollen; er soll sich mit dem Helden identifizieren, in ihn einfühlen, um mit ihm zu leiden und zu fiebern; er wird unter Spannung gesetzt, soll sich in die Handlung einleben und in ihr aufgehen. In dem allen übernimmt er, ohne daß es ihm bewußt wird, die Sichtweise und die Phantasien des Verfassers, der die Seele des Lesers fasziniert, lenkt und beeindruckt mit seinen Phantasiegebilden, aber auch mit mancherlei unterschwelligen Aussagen, die er in die Handlung einfügt, um den Leser von der Botschaft zu überzeugen, die er mit seinem Kunstwerk vermitteln will.
Diese ganzen Vorgänge spielen sich nun vielfach außerhalb der Kontrolle des menschlichen Verstandes ab; der Leser wird oft unbewußt in seinen Gefühlen aufgewühlt und gelenkt; der Buchautor, zumindest der Könner seines Faches, spielt sozusagen mit den Gefühlen des Lesers wie auf den Tasten eines Klaviers. Aber auch unbewußte, hintergründige Einstellungen des Autors, unreine Phantasien, Begierden, ungesunde Haltungen fließen in den fiktiven Text ein und werden auf den Leser ein Stück weit übertragen.
Es gibt also aus geistlich-biblischer Sicht zwei Einwände gegen das Lesen fiktiver Literatur, auch wenn sie christlich zu sein beansprucht. Der eine Einwand liegt darin, daß echte Erbauung nach der Bibel nur aus der Wahrheit und nicht aus der Lüge oder Täuschung kommen kann – und „Fiktion“ ist nun einmal nicht Wahrheit, sondern Unwahrheit und damit im weiteren Sinn eine „veredelte“ und raffiniert ausgebaute Lüge.
Erbaulich ist das Wort Gottes und wahre Gedanken, die auf dem Wort Gottes aufbauen. Und erbaulich ist die persönlich erlebte Wahrheit, die ein Gläubiger zeugnishaft weitergibt, oder auch die geschichtlich sauber rekonstruierte Wahrheit, die etwa einem historischen Sachbuch über die Reformation oder der Lebensgeschichte eines Gottesmannes wie etwa Spurgeon oder Menno Simons zugrundeliegt.
Aber wir haben keine Verheißung, daß der Geist der Wahrheit, der Geist Gottes, der uns doch alleine aufbauen kann, dort wirkt, wo nicht die lautere Wahrheit das Fundament bildet. In die Phantasie eines Menschen mischen sich unweigerlich, selbst wenn er wiedergeboren ist, unreine Elemente aus der Seele, aus den fleischlichen Begierden, aber auch aus der Finsternis. Jeder, der seine Phantasien und Träumereien einmal etwas kritisch und bewußt überprüft, wird das bestätigen. Aus der Phantasie eines Menschen kann deshalb nichts wahrhaft Erbauliches, geistlich Gesundes und Förderliches kommen.
Der zweite geistliche Einwand gegen das Lesen von fiktiven Werken liegt in der Wirkweise dieser Werke, die fast immer die Gefühle unter Umgehung des Verstandes ansprechen und den Leser aus der Realität in eine künstliche, verkehrte Scheinwelt entführen. Und viele Leser lassen sich nur allzu gerne entführen, um den oft unangenehmen Herausforderungen der Wirklichkeit zu entfliehen.
Der Leser wird unterschwellig beeinflußt und von Dingen geprägt, die er gar nicht erfassen und kontrollieren kann – wir aber sind aufgerufen, in allem wachsam, nüchtern, bewußt und selbstbeherrscht zu leben. Und wir sind gerufen, in der Wirklichkeit zu leben, dort dem Herrn zu dienen und uns zu bewähren. Wie oft vergißt eine junge christliche Leserin oder ein Leser vor lauter Schmökern und Romanphantasieren die Alltagspflichten, wie etwa das Zimmer aufzuräumen oder der Mutter beim Tischdecken zu helfen! Auch für Leser im fortgeschritteneren Alter bedeutet die Realitätsflucht der Erzählungen immer auch ein Realitätsverlust, ein Sich-Entziehen aus den Pflichten und Aufgaben des Alltags.
Es liegt auf der Hand, daß so etwas das geistliche Leben und den inneren Menschen nicht stärken kann, sondern eigentlich schwächt. Diese Art von Zerstreuung stärkt das seelisch-fleischliche Element im Gläubigen und befleckt nicht selten den Geist. Welches ledige junge Mädchen könnte eine „christliche“ Liebesgeschichte nach der anderen verschlingen, ohne daß ungesunde Vorstellungen, Phantasien und Sehnsüchte genährt würden?
Es ist bezeichnend, daß in der heutigen Zeit der fortschreitenden Verführung immer öfters schlimme Irrtümer und Irrlehren durch Romane und Fiktion verbreitet werden. So hat der Vordenker der Emerging Church Brian McLaren seine häretischen Auffassungen von einer „neuen Art von Christ“ in einer fiktiven Erzählung verkleidet („A New Kind of Christian“). William P. Young verpackte seine lästerliche Vorstellung von einem humanistischen, toleranten „Gott“ in den Weltbestseller-Roman „Die Hütte“, und eines der schlimmen Verführungsbücher, die unklare Christen aus biblischen Gemeinden weglocken wollen, „Der Schrei der Wildgänse“, hat seine trügerische Botschaft in fiktive Form gefaßt.
Man wird erinnert an das ernste Wort der Heiligen Schrift:
Denn es wird eine Zeit kommen, da werden sie die gesunde Lehre nicht ertragen, sondern sich selbst nach ihren eigenen Lüsten Lehrer beschaffen, weil sie empfindliche Ohren haben; und sie werden ihre Ohren von der Wahrheit abwenden und sich den Legenden (gr. mythoi = Mythen, erfundenen Geschichten, Erzählungen, Legenden) zuwenden. (2Tim 4,3-4)
So können wir unseren Lesern nur den Rat geben, ihre Zeit nicht mit dem Lesern christlicher und noch viel weniger weltlicher Romane zu vergeuden, die bestenfalls Ablenkung und Zeitvergeudung bringen, meist aber noch viel mehr, nämlich geistliche Befleckung und die Schwächung des inneren Menschen, der geistlichen Kraft und Sammlung für das Wesentliche, die wir in der heutigen Zeit so dringend brauchen. Nutzen wir doch die Lesezeit, die wir durch diesen Verzicht gewinnen, für Besseres! Nehmen wir uns Zeit für mehr Gebet! Lesen wir mehr in Gottes Wort, studieren wir es; lesen wir gute Bibelauslegungen und bibeltreue Sachbücher, dann werden wir zugerüstet, um in der heutigen herausfordernden Zeit den guten Kampf des Glaubens zu kämpfen und zu überwinden!
Rudolf Ebertshäuser das-wort-der-wahrheit.de 27. 1. 2014