Heutzutage wird die Leugnung der biblischen Lehre vom Sühnopfer Jesu Christi in evangelikalen Kreisen immer mehr akzeptiert. So lesen wir in einer idea-Meldung vom 21. 10. 2009 u. a. folgendes:

„Wie versteht man den Tod Jesu Christi am Kreuz richtig? Diese Frage stand im Mittelpunkt der Herbstkonferenz der Studentenmission in Deutschland (SMD) in Marburg. Vor rund 600 Besuchern des Treffens unter dem Motto „Aufkreuzen – Freude – Anstoß – Aufbruch“ wandte sich der Tübinger Theologieprofessor Hans-Joachim Eckstein gegen die Vorstellung, daß Gott ein Menschenopfer gefordert habe oder daß zur Versöhnung Blut fließen mußte.“ Eckstein behauptete, Jesus Christus sei von den römischen und jüdischen Autoritäten wegen seiner Gerechtigkeit hingerichtet worden. „Das Kreuz steht für die Entmachtung der vermeintlich Mächtigen“.

Der Vortrag Ecksteins ist ein trauriges Beispiel für die verführerische Rhetorik einer „neo-orthodox“ auftretenden bibelkritischen Theologie. Im ersten Teil behandelt er, angeblich ganz objektiv, den „historischen Fakt“ der Kreuzigung. Das stellt er in einer rein diesseitigen, verzerrten Sicht dar: Nicht Gott, sondern die Menschen hätten Jesus von Nazareth zu Tode gebracht; sein Tod habe keine von vorneherein geplante Heilsfunktion gehabt, sondern er sei von den Mächtigen wegen seiner Gerechtigkeit getötet worden. Hier zieht Eckstein Vergleiche zu Bonhoeffer u.a. „gerechten Menschen“. Damit folgt er den bösartigen Fehldarstellungen der Emerging Church und der liberalen Theologie, die heute immer mehr unter den Evangelikalen Einzug halten. Das hat der idea-Korrespondent ganz richtig festgestellt.

In dem idea-Bericht wurde jedoch nicht auf den zweiten und dritten Teil von Ecksteins „Bibelarbeit“ eingegangen. In einer subtil verführerischen Weise stellt Eckstein im zweiten Teil das „Kreuzesereignis“ aus der „Sicht der ersten Christen“ dar. Dieser psychologische und zutiefst bibelkritische Ansatz zeigt nach Eckstein, daß die ersten Christen vor der Notwendigkeit gestanden hätten, den Tod ihres geliebten Meisters im nachhinein eine höhere Notwendigkeit beizulegen, einen Sinn. Hier finden wir ein Echo der alten liberaltheologischen Leier vom „Gemeindemythos“, der angeblich den Schriften des NT zugrundeliege. Die Aussagen des NT über das Sühnopfer Christi werden nicht als göttliche Offenbarung akzeptiert, sondern als bloßer Sinndeutungsversuch der Menschen abgewertet.

Im dritten Teil schließlich stellt Eckstein in dialektischer Raffinesse eine weitere Sichtweise scheinbar gleichberechtigt neben die beiden anderen, die „theologische Deutung“. Nach dieser könne man das Kreuzesgeschehen so auffassen, daß Gott selbst den Tod auf sich nahm, um Menschen Heil zu bringen. Dabei wendet sich Eckstein jedoch deutlich gegen die biblische Lehre vom Zorn Gottes, den der Sohn stellvertretend tragen mußte. Nach seinen verführerischen Lehren sei Gott nur voraussetzungslose, annehmende Liebe.

 

So spricht er zwar vage noch von einer nicht näher definierten sühnenden Bedeutung des Kreuzestodes Jesu Christi, aber die unbequeme biblische Wahrheit, das eigentliche „Ärgernis des Kreuzes“ wird von ihm verleugnet. Die Tatsache, daß jeder Sünder unter dem ewigen Zorngericht Gottes steht, bestreitet Eckstein im Endeffekt; er ergeht sich in Aussagen über die bedingungslose Liebe Gottes zu allen Menschen, die letztlich auf eine Allversöhnung à la Karl Barth hinauslaufen.

Diese raffinierte Verfälschung des Evangeliums wurde dabei mit so vielen fromm klingenden Phrasen vernebelt und garniert, daß es den Verfasser nicht wundert, daß niemand aufstand und aus Protest den Saal verließ. Leider fehlt den meisten heutigen Evangelikalen das geistliche Unterscheidungsvermögen; sie können Irrlehren kaum mehr als solche erkennen. Die bibelkritischen Kernsätze, die darauf zielten, die verkrusteten „fundamentalistischen“ Auffassungen vom Sühnopfer Christi aufzubrechen und die Menschen auf eine neue, für die Welt und die Bibelkritiker akzeptable Sicht vom Kreuz umzupolen, waren geschickt getarnt hinter evangelikalen Frömmigkeitssprüchen.

Daß der zugrundeliegende Bibeltext ausgerechnet 1. Korinther 1,18-31 war, wo von dem „Wort des Kreuzes“ die Rede ist, zeigt, wie abgebrüht die akademischen Theologen in der Lage sind, den klaren Sinn eines Bibelwortes durch intellektuelle Turnübungen in sein Gegenteil zu verwandeln. Hier wurde nicht die Wahrheit der Schrift verkündet und gelehrt, wie es Gott geboten hat, sondern hier wurde das Schriftwort zum Anlaß für philosophisches Geschwätz genommen (vgl. Kol 2,8). Der Vortrag versuchte, das Ärgernis des Kreuzes wegzuerklären, anstatt sich kühn dazu zu bekennen.

Dabei bleibt die ernste Tatsache bestehen, daß das von Eckstein rhetorisch geschickt vorgestellte „zeitgemäße“ Deutung des Kreuzes die Verbreitung eines anderen Evangeliums bedeutet. Die Bibel lehrt völlig klar und eindeutig, daß der Tod des Herrn Jesus Christus am Kreuz ein von Gott zuvor verordnetes Sühnopfer für unsere Sünden ist (1Joh 2,2). Wir sind losgekauft durch das Blut des Lammes (1Pt 1,18-19). „Doch er wurde um unserer Übertretungen willen durchbohrt, wegen unserer Missetaten zerschlagen; die Strafe lag auf ihm, damit wir Frieden hätten“ (Jes 53,5).

Niemand kann Bibelstellen wie Römer 3,23-26, 1. Korinther 15,3, 1. Timotheus 2,5-6 oder 1. Petrus 2,22-25 und zahlreiche weitere anders verstehen, ohne sie gründlich zu verdrehen. Wer das stellvertretende Sühnopfer des Lammes Gottes für uns leugnet, wer bestreitet, daß es einen gerechten Zorn Gottes über uns Sünder gibt, ein Gericht Gottes, das Christus als Mensch stellvertretend für uns erdulden mußte, der ist ein Verführer und kein wahrer Christ – ganz gleich, welch schöne Sprüche er als Tarnung für seine Irrlehre einsetzt.

Daß dieser Vortrag von einer evangelikalen, vorgeblich der Verbreitung des Evangeliums dienenden Vereinigung wie der SMD unwidersprochen gehalten werden konnte, zeigt, daß die modernen Evangelikalen das biblische Evangelium längst hinter sich gelassen haben, auch wenn sie sich in Worten noch dazu bekennen. Die jahrzehntelange Vermischung mit dem Sauerteig der („gemäßigten“) Bibelkritik hat dazu geführt, daß der schleichende Abfall vom biblischen Glauben immer weiter um sich fressen kann, ohne daß jemand Alarm schlägt oder protestiert. Man ist viel mehr darum besorgt, die Anerkennung der abgefallenen Kirche und der akademischen Theologie zu erringen, als in der Torheit der Kreuzesverkündigung noch Seelen zu echter Bekehrung zu rufen.

„Geliebte, da es mir ein großes Anliegen ist, euch von dem gemeinsamen Heil zu schreiben, hielt ich es für notwendig, euch mit der Ermahnung zu schreiben, daß ihr für den Glauben kämpft, der den Heiligen ein für allemal überliefert worden ist. Es haben sich nämlich etliche Menschen unbemerkt eingeschlichen, die schon längst zu diesem Gericht aufgeschrieben worden sind, Gottlose, welche die Gnade unseres Gottes in Zügellosigkeit verkehren und Gott, den einzigen Herrscher, und unseren Herrn Jesus Christus verleugnen“ (Judas 3-4).

 
 

Rudolf Ebertshäuser   das-wort-der-wahrheit.de  

 

Dazu können Sie auf dieser Webseite lesen:

Grundaussagen des biblischen Evangeliums

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