Im Januar 2014 veröffentlichte die Webseite das-wort-der-wahrheit.de eine Meldung in ihren „Aktuellen Notizen“, die unter dem Titel Missionale und emergente Einflüsse bei den „Freien Brüdern“ mehrere besorgniserregende Entwicklungen dokumentierte. Eine davon war die Veröffentlichung einer Buchbesprechung in der Zeitschrift Christ online, in der das Buch „Nachfolge auf neuem Kurs“ des emergenten Vordenkers Brian McLaren mit geringfügigen Vorbehalten empfohlen wurde. Ich möchte den Abschnitt der „Aktuellen Notizen“, der sich darauf bezieht, hier noch einmal anführen:
 

In derselben Ausgabe mit dem Thema „Jugendarbeit geht vorwärts“ hat jedenfalls ein Mitarbeiter auf S. 36 ein Buch des radikalen emergenten Ideologen Brian McLaren empfohlen. Dieses Buch, „Nachfolge auf neuem Kurs“, ist wie die anderen Bücher McLarens eine geschickte Verführung zum Abfall vom biblischen Glauben. McLaren ist ja einer der radikalsten und berüchtigtsten Verfechter der „neuen Art von Christentum“ der emergenten Bewegung. Er ist bibelkritisch, verkündet einen anderen Jesus und ein anderes Evangelium und sucht mit allen rhetorischen Mitteln den bibeltreuen Glauben lächerlich zu machen und zu bekämpfen (vgl. dazu R. Ebertshäuser, Aufbruch in ein neues Christsein?, S. 146-183).
 
Doch in der erwähnten Buchempfehlung heißt es über McLaren: „Seine Art, provokante Fragen zu stellen und kreative Ansätze zu verfolgen, ist erfrischend. Aber oft scheinen seine Denkansätze recht abstrakt und etwas wirklichkeitsfremd. Deshalb ist das Buch meiner Meinung nach nicht für Christen gedacht, die noch jung im Glauben sind. Man sollte schon ein gewisses Grundverständnis sowie Interesse an historischen Theorien mitbringen“. Fazit von „Christ-online“: das Buch erhält die Bewertung „lesenswert, qualifiziert“.
 
Das ist eigentlich ein Skandal. Dem wahrscheinlich recht jungen Rezensenten fehlen offensichtlich alle Grundlagen der biblischen Lehre, die ihn gewarnt hätten, damit er die geschickten Verführungsaussagen McLarens durchschauen könnte. Aber größere Verantwortung trifft den leitenden Redakteur Lothar Jung, der ja wohl kaum behaupten kann, er hätte nicht gewußt, wer Brian McLaren ist und was er vertritt. (Wer Näheres zu den Ansichten McLarens wissen möchte, kann Rezensionen einiger Bücher in dem Dokument Falsche Propheten der „Kirche des neuen Zeitalters“. Wichtige Bücher aus der Emerging Church-Bewegung kritisch gelesen nachlesen.)
 
Nach den vorangegangenen Debatten über Zerstörerisches Wachstum muß man sich fragen, was ihn bewegt hat, diese Rezension in „Christ-online“ zu genehmigen. Das erweckt den Eindruck, daß die vorangegangenen Empfehlungen emergenter Bücher durchaus kein „Versehen“ waren. In jedem Fall wurde und wird hier gefährliche Irreführung unter den Jugendmitarbeitern der „Freien Brüder“ verbreitet. Junge Christen, die solche Verführungsbücher lesen, können dadurch ernsten geistlichen Schaden erleiden. Doch so etwas zu fördern ist vor Gott ein schweres Vergehen. „Wer aber einem der Kleinen, die an mich glauben, Anstoß [zur Sünde] gibt, für den wäre es besser, daß ein Mühlstein um seinen Hals gelegt und er ins Meer geworfen würde.“ (Mk 9,2).
 
Auch eine weitere Rezension in dieser Ausgabe ist übrigens geistlich sehr bedenklich und irreführend, in der ein hauptamtlicher Referent für Jugendarbeit ein Buch von Leo Bigger, dem charismatisch-missionalen Gründer der ICF („International Christian Fellowship“) als „lesenswert“ empfiehlt.
 
Es stellt sich die Frage, in welche Richtung eigentlich die Jugendmitarbeiter der „Freien Brüder“ von den Verantwortlichen geprägt wurden. Es hat ja nicht an zahlreichen Schulungen und Seminaren gefehlt; doch welche Impulse sind dort vermittelt worden? Wenn die „Christliche Jugendpflege“ der Lehre gefolgt wäre, die heute noch offiziell die Grundlage der „Freien Brüder“ darstellt, hätten solche Dinge gar nicht passieren können. Aber der Eindruck verstärkt sich, daß der von Jung erwähnte „frische Wind“ inzwischen aus missionaler und teilweise sogar emergenter Richtung weht und die „Bewegung“ dorthin geht.
 
Diese Aktuelle Notiz war vermutlich der Anlaß, daß verschiedene verantwortliche Brüder sich an Lothar Jung wandten und ihn um Klarstellung baten. Daraufhin hat Jung auf einer Webseite der „Christlichen Jugendpflege“ eine kritische Buchbesprechung über McLarens umstrittenes Buch veröffentlicht (http://www.christ-online.de/index2.php?option=com_mkpostman&task=view&Itemid=147&id=219#rezi). Darin steht u.a. (Unterstreichungen von RE):
 
Wie jemand, der nach eigenem Bekenntnis, das Wort Gottes so sehr liebt, dem Wort Gottes so Gewalt antun kann, hat mich zutiefst erschrocken. Dieses Buch entwickelt seine Thesen immerzu auf dem Hintergrund von Fehlentwicklungen und Defiziten. McLaren formuliert das in Bezug auf seine eigene konservative, evangelikale Geschichte sehr deutlich. So bietet er vielen, die genauso oder ähnlich empfinden, neue Lösungswege an, die verführerisch klingen. Fragen zu stellen und nachzudenken ist nichts Verwerfliches ‐ im Gegenteil. Aber sich auf eine Suche zu machen, indem man Gottes Wort, unseren einzigen Kompass (Ps 119,105), relativiert, das ist nicht nur höchst gefährlich, sondern das ist teuflisch (1Mo 3,1: Hat Gott wirklich gesagt … ?).
 
Mir geht dabei folgender Gedanke durch den Kopf: Bei Unzufriedenen Interesse zu wecken ist leicht, aber nicht zu sagen wo die Reise hingeht, das ist gefährlich. Wenn McLaren tatsächlich einer der Vordenker der weltweiten Emerging Church Bewegung ist, und wenn auch Vertreter von Emergent Deutschland ihn als Inspirator sehen, dann bleibt mir leider nichts anderes übrig als vor diesem Einfluss zu warnen – und für diese Geschwister zu beten.
 
Brüdern und Schwestern, die eine Sehnsucht nach geistlichem Aufbruch und geistlicher Erneuerung haben, fühle ich mich von Herzen verbunden. Vielleicht können die Worte aus Offb 3,8+10 uns Mut machen (…) Vermutlich hätte ich nie eine Buchbesprechung zu diesem Buch geschrieben, wenn nicht in christonline MAGAZIN 6‐2013, für das ich verantwortlich zeichne, eine leider nicht ausreichend differenzierte Buchrezension zu „Nachfolge auf neuem Kurs“ erschienen wäre. Das ist versehentlich geschehen. Dafür entschuldigen wir uns. Die Gedanken von Brian McLaren entsprechen nicht unseren Überzeugungen. Wir distanzieren uns davon.
 
Lothar Jung (Leiter der CJ‐Jugendarbeit), gemeinsam mit Oliver Last und Andreas Schmidt (beide vom CJ‐Leitungsteam)      Dillenburg‐Manderbach, den 26.03.2014
 
 
Nun ist es sicherlich positiv, daß Lothar Jung als Verantwortlicher für die Jugendarbeit der „Freien Brüder“ sich deutlich von Brian McLaren und seinem Buch distanziert. Es ist bemerkenswert und sehr zutreffend, daß er den Geist von McLarens bibelkritischem Infragestellen sogar als teuflisch kennzeichnet. Es ist sehr zu hoffen, daß die offenkundig nicht wenigen jungen Leute, die in seinem Verantwortungsbereich Sympathien für die emergente Bewegung haben, sich diese Warnung zu Herzen nehmen.
 
Einige der besorgten Brüder aus dem bibeltreuen Lager werden sich nach Erscheinen dieser Distanzierung vermutlich erleichtert zurücklehnen und sagen: „Endlich! Jetzt ist ja alles geklärt. Schwamm drüber! Schluß mit der unangenehmen Auseinandersetzung!“ Man möge es mir verzeihen, wenn ich das nicht so sehen kann. Ich weiß, daß ich mich schon manches Mal als Unruhestifter unbeliebt gemacht habe, weil ich gewisse Dementis und Entschuldigungen nicht sofort akzeptiere und die Angelegenheit als erledigt beiseitelege. Das tue ich von Herzen gern, wenn eine Verfehlung wirklich geistlich bereinigt, offen und klar bekannt und bereut wurde. Aber das kann ich nicht tun, wenn das Dementi oder die Entschuldigung offenkundig einige unsaubere Dinge verschweigt und vertuscht und vieles ungeklärt läßt, was geklärt werden sollte.
 
Leider zeigt eine genauere Lektüre von Jungs Buchbesprechung, daß sie eine ganze Reihe von wichtigen und ernsten Fragen unbeantwortet läßt – Fragen, die in der erwähnten „Aktuellen Notiz“ und in dem Buch Zerstörerisches Wachstum aufgeworfen wurden, und die geklärt werden müssen, wenn geistlicher Schaden von den vielen jungen Leuten abgewendet werden soll, die unter dem Einfluß der „Christlichen Jugendpflege“ stehen. Ich möchte hier einfach einige Punkte aufzählen, die ich an Jungs Buchbesprechung fragwürdig und zweideutig empfand, und einige Fragen nennen, die nicht geklärt wurden.
 
* Jung distanziert sich zwar von McLarens extrem bibelkritischen Standpunkten, aber gegenüber der grundlegenden Kritik der emergenten Strömung an bibeltreuer Lehre und Gemeindeverständnis zeigt er einiges Verständnis bzw. bewertet diese auffällig neutral bis zustimmend. Er schreibt u.a. über McLaren: „Im Lauf der Zeit stellte er fest, dass die evangelikalen Kirchen und Gemeinden keine Antwort auf die Fragen der postmodernen Zeit haben. Zitat Seite 20: „Trotz unserer unterschiedlichen Hintergründe waren wir uns einig: Irgendetwas an der Art, wie wir Christentum leben, funktioniert nicht mehr.“ Es fällt auf, dass McLaren auf Missstände hinweist, die von Vielen empfunden werden.“
 
Gehört Jung auch zu den „Vielen“? Zumindest scheint er einiges Verständnis für McLarens Kritik am bibeltreuen Lager zu haben. Aber die Irrtümer McLarens beschränken sich nicht auf seine extreme Bibelkritik; sie beginnen schon damit, daß er den bibeltreuen Gemeinden völlig falsche Vorwürfe macht, die zeigen, daß er selbst vom Gift des postmodernen Denkens geprägt ist. Man kann sich diese Kritik am Bestehenden nicht zu eigen machen, ohne auf gefährliche Irrwege zu geraten.
 
Es ist auch sehr unglücklich, daß Jungs Distanzierung sich nur auf McLarens Einstellung zur Bibelfrage beschränkt und damit einen großen Teil seines Buches völlig außen vor läßt. Es wäre interessant, Jungs Haltung zu den zahlreichen anderen Punkten zu erfahren, die McLaren anspricht – und die der Gefühlslage mancher postmodern denkender junger Evangelikaler entsprechen. Besonders wäre es wichtig, einmal von Jung ein klärendes Wort zur Frage „Was ist Evangelium?“ zu hören.
 
* Jungs Distanzierung von der emergenten Bewegung als solcher ist ausgesprochen gewunden und unklar. Eine Distanzierung von McLaren bedeutet ja nicht eine Distanzierung von der emergenten Bewegung, in der manche sagen werden: „Ja, McLaren geht uns auch ein wenig zu weit. Wir sind doch auch bibeltreu!“ Solche Lippenbekenntnisse legen auch ein Tobias Faix und ein Johannes Reimer ab, obwohl deren Lehren klar zeigen, daß sie bibelkritischem Denken folgen. Sie zitieren McLaren zustimmend, distanzieren sich von einigen seiner Aussagen und halten ihre eigene Position in einer typisch postmodernen Verschwommenheit und dialektischen Elastizität. Wie steht denn Lothar Jung zu Faix und Reimer? Zum Studiengang „Gesellschaftstransformation“ und zu den missionalen Irrlehren? Wie steht er zu dem emergenten Vordenker Alan Hirsch, den sein Mitarbeiter Andreas Schmidt empfahl? Oder zu dem bibelkritischen Theologen N. T. Wright, der ebenfalls von Schmidt empfohlen wurde? Oder zu dem üblen Verführer Shane Claiborne, den ein anderer Mitarbeiter von ihm empfohlen hat? All das bleibt ungeklärt.
 
Am Schluß formuliert Jung sehr gewunden und vieldeutig: „WENN McLaren TATSÄCHLICH einer der Vordenker der weltweiten Emerging Church Bewegung ist“ – das ist er in der Tat, und seine verführerischen Bücher haben sehr viele emergente Leute beeinflußt, die ihn als etwas zu extrem einstufen würden! „und WENN auch Vertreter von Emergent Deutschland IHN ALS INSPIRATOR SEHEN“ – das tun sie ganz offenkundig, aber hier formuliert Jung es so elastisch, daß ein Dementi von emergenter Seite seine Warnung vielleicht wieder aufheben könnte! „dann BLEIBT MIR LEIDER NICHTS ANDERES ÜBRIG als vor diesem Einfluss zu warnen – und für DIESE GESCHWISTER zu beten“ – Jung bedauert es so auffällig, daß er vor dem Einfluß McLarens warnen muß; für ihn scheint die Emerging Church in Deutschland abgesehen von McLaren nicht so gefährlich zu sein.
 
Doch ihre Lehren sind auch dort irreführend, wo sie nicht von Mclaren, sondern z.B. von Johannes Reimer oder Alan Hirsch geprägt sind. Jung warnt auch nicht ausdrücklich vor der emergenten Bewegung, sondern nur vor „diesem Einfluß“, wobei offen bleibt, ob er nur McLaren meint oder Emergent Deutschland. Es wäre dringend nötig, daß Jung sich zu dem gesamten Spektrum der emergenten Einflüsse klar abgrenzt, anstatt nur von ihrem extremsten Vertreter. Man darf gespannt sein, ob da von ihm ein deutliches Wort kommt.
 
* Auch die Distanzierung von der empfehlenden Rezension in Christ online bleibt sehr verwaschen und diplomatisch. Der Rezensent hatte die teuflisch-glaubenszerstörenden Fragen des Brian McLaren so bewertet: „Seine Art, provokante Fragen zu stellen und kreative Ansätze zu verfolgen, ist erfrischend.“ Diese Rezension spiegelt nichts von dem Entsetzen und der Ablehnung der offenen Bibelkritik McLarens wider, sondern offenbart eine Einstellung, die offenkundig schon stark von dem emergenten Gift durchdrungen ist. Wenn Jung hier nur davon spricht, diese Rezension sei „leider nicht ausreichend differenziert“, dann ist das eine Vertuschung des geistlichen Schadens, der in dieser Empfehlung offenbar wurde. Der Rezensent müßte Jung ja recht gut bekannt sein, da er aus seiner eigenen Gemeinde kommt … Und Jung scheint recht gut zu wissen, daß die Sympathie mit missionalen und emergenten „Erneuerungs“ansätzen unter seinen jungen Leuten verbreitet ist. Diese Leute müssen es als eine Ermutigung verstehen, wenn er vieldeutig schreibt: „Brüdern und Schwestern, die eine Sehnsucht nach geistlichem Aufbruch und geistlicher Erneuerung haben, fühle ich mich von Herzen verbunden.“ Leider ist Jungs Verständnis von „geistlichem Aufbruch“ und „geistlicher Erneuerung“, fürchte ich, sehr weit entfernt von dem bibeltreuer Gläubiger, die dieses Verlangen ebenfalls haben.
 
* Sehr bedauerlich ist es, daß Jung sich völlig über den ebenfalls in der Aktuellen Notiz erwähnten Artikel seines engen Mitarbeiters Andreas Schmidt ausschweigt, der eine missional-emergente Verfälschung des Evangeliums und missionale Falschlehren über das Reich Gottes in Christ online verbreitet hat. Dieses Versäumnis wiegt umso schwerer, als Schmidt der Hauptredner auf den diesjährigen „Dillenburger Jugendtagen“ sein soll, die ausgerechnet das „Reich Gottes“ zum Thema haben werden (vgl. die Auf-gelesen März 2014). Hier müßte Jung einmal Farbe bekennen, was er von dem missionalen Reichgottesverständnis hält, das der gesunden biblischen Lehre, wie sie die Freien Brüder bisher vertreten haben, völlig zuwiderläuft und die jungen Leute in die Irre führt. Wenn er noch die biblische Lehre vertritt, weshalb wehrt er dann seinen Mitarbeitern nicht, die sie im Sinne des emergenten „Gottesreiches hier und jetzt“ und im Sinne des „Sozialen Evangeliums“ verfälschen?
 
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So möge man es mir nicht zu übel nehmen, daß für mich die Rezension Lothar Jungs bei weitem nicht alle Fragen geklärt hat. Ich sehe weiterhin die große Not, daß Jung und seine Mitarbeiter die junge Generation der „Freien Brüdergemeinden“ auf einen unbiblischen und falschen „Neuerungs“kurs führen, der nicht von bibeltreuer Rückkehr zum WORT und zu biblischem Gemeindeleben gekennzeichnet ist, sondern von charismatischem „Lobpreis“ und Rock- und Popkultur, von den falschen Konzepten der Gemeindewachstumsbewegung und zunehmend auch von den missionalen und emergenten Gemeindebewegungen. Das ist nicht der biblische Weg, sondern der „Wiedenester Weg“, vor dem ich in meiner Stellungnahme Was gefährdet biblische Gemeinden? gewarnt habe. Solange dieser gar nicht „frische“, sondern faule und irreführende Wind weiterhin weht, kann ich meine Warnungen nicht widerrufen.
 
 
Rudolf Ebertshäuser    das-wort-der-wahrheit.de    1. 4. 2014