Am 1. 3. 2013 brachte Idea eine sehr interessante Meldung. Unter dem Titel: „Haben Evangelikale die missionstheologischen Positionen des Weltkirchenrats übernommen?“ berichtete der Nachrichtendienst (Unterstreichungen in allen Zitaten von RE):  

Diese Frage haben Referenten eines „Rolf-Scheffbuch-Symposions“ bejaht, das vom 1. bis 2. März in Gomaringen bei Tübingen stattfindet. Die sogenannte „Transformationstheologie“, die in evangelikalen Kreisen zunehmend Einfluss gewinne, fördere eine Überbetonung der sozialen Verantwortung zu Lasten der Seelenrettung. Ihre Vertreter konzentrierten sich auf die Veränderung gesellschaftlicher Verhältnisse und vernachlässigten die Verkündigung des Evangeliums in der gottwidrigen Welt. Der Initiator des Symposions, der Missionswissenschaftler Prof. Peter Beyerhaus (Gomaringen), berichtete von Klagen jüngerer Missionare, dass ihre Hauptaufgabe darin bestehe, technische und wirtschaftliche Projekte zugunsten der armen Bevölkerung zu fördern. Dies nehme ihre Zeit und Kraft so in Anspruch, dass sie zur Evangelisation heidnischer Stämme kaum noch kämen.

Nach Ansicht von Beyerhaus entsprechen die Positionen evangelikaler Transformationstheologen weitgehend denen des Weltkirchenrats. Dessen nächste Vollversammlung, die im Oktober in der südkoreanischen Stadt Busan zusammentritt, werde sich mit einer ökumenischen Missionserklärung befassen, wonach Gottes Geist Christen zur Konfrontation mit götzendienerischen Haltungen, ungerechten Systemen, politischer Beherrschung und Ausbeutung zwinge. Bei einer Begegnung mit dem Generalsekretär des Weltkirchenrats, Olav Fykse Tveit (Genf), habe dieser gesagt: „Das, was die Evangelikalen 1973 am Weltkirchenrat besonders scharf verurteilt haben, ist jetzt zu ihrem eigenen Missionsverständnis geworden.“

 
Der emeritierte Missionswissenschaftler Prof. Peter Beyerhaus ist ein prominenter Evangelikaler, dessen theologische Überzeugungen wir in keiner Weise teilen. Seine Befürwortung einer „Bekenntnisökumene“ mit der römischen Kirche ist ein gefährlicher Irrweg. Aber als jahrelanger aktiver Teilnehmer an den missionstheologischen Debatten unter den Evangelikalen und als Zeitzeuge, der über Jahrzehnte selbst an wichtigen missiologischen Kongressen sowohl des Ökumenischen Rates der Kirchen als auch der Evangelikalen beteiligt war, ist ihm eine gründliche Sachkenntnis der Verhältnisse in der evangelikalen Weltmission nicht abzusprechen. Dasselbe gilt für die Mitreferenten auf der Tagung, wie etwa Prof. Volker Gäckle, Rektor der Internationalen Hochschule Liebenzell, oder Prof. Helmuth Egelkraut, Dozent an der Akademie für Weltmission Korntal.
 
Sie haben auf der Tagung besorgt ihre Stimme erhoben und vor der Ausbreitung der „Transformationstheologie“ und einer sozialpolitischen Umorientierung in evangelikalen Kreisen gewarnt. Damit bestätigen sie, was das Buch Zerstörerisches Wachstum aus konservativ-bibeltreuer Sicht aufdeckt: daß maßgebliche evangelikale Kreise die Irrlehren des Ökumenischen Rates der Kirchen in bezug auf Mission weitgehend übernommen haben.
 
Im Zusammenhang mit dem oben erwähnten Tagung in Gomaringen wurde von der „Internationalen Konferenz Bekennender Gemeinschaften“ ein Aufruf veröffentlicht: „Weltevangelisierung oder Weltveränderung? Tübinger Pfingst-Aufruf zur Erneuerung eines biblisch-heilsgeschichtlichen Missionsverständnisses“.
 
Zu seinen Unterzeichnern gehören neben Prof. Beyerhaus auch Dr. Werner Neuer, Prof. Helmuth Egelkraut (Hochschule Korntal), der Dozent für Missiologie Hans Ulrich Reifler (Chrischona-Seminar), Dekan Martin Holland, Kirchenrat Rolf Sauerzapf, Pfarrer Winrich Scheffbuch sowie der ehemalige Missionsdirektor Eberhard Troeger. Das sind einige ausgewiesene Kenner der Mission und auch einige bekannte konservative Stimmen aus dem württembergischen Pietismus der älteren Generation – Weggefährten des verstorbenen Prälaten Rolf Scheffbuch. Die ökumenische Fehlorientierung der Initiative kommt übrigens darin zum Ausdruck, daß der Aufruf auch von dem Salzburger katholischen Weihbischof Andreas Laun mit unterzeichnet wurde.
 
Einige wichtige Zitate aus diesem Aufruf sollen hier angeführt werden. Sie belegen, wie weit die Evangelikalen in ihrem Missionsverständnis schon von den ökumenisch-liberalen Verführungslehren beeinflußt wurden. Insofern hat dieser Aufruf ein Gewicht als Zeugnis, auch wenn ich viele theologische Aussagen darin nicht unterstützen kann, weil das Missionsverständnis dieser Pietisten von dem dispensationalistischen Missionsverständnis, das ich in meinem Buch Zerstörerisches Wachstum vertrete, doch deutlich unterschieden ist.

Eine wachsende Anzahl evangelikaler Missionstheologen vernachlässigt offensichtlich die originäre biblisch-heilsgeschichtliche Schau der Mission oder schiebt sie sogar unter dem Eindruck neuartiger Theorien zur Seite, indem sie sich einer sog. Transformationstheologie öffnet, welche die grundlegende Differenz zwischen dem jetzt noch verborgenen und umkämpften Reich Gottes und seiner durch die Wiederkunft des Herrn vollendeten Gestalt einebnet. Dabei nähern sich diese Theologen Schritt für Schritt dem im Ökumenischen Rates der Kirchen (ÖRK) vorherrschenden humanistischen Missionsverständnis an, wie es unter dem Einfluss säkular-ökumenischer Theologen seit Uppsala 1968 all seinen Konferenzen und Verlautbarungen zugrunde lag (…)

Hier werden Heilsgeschichte und Weltgeschichte miteinander tendenziell verschmolzen auf dem Weg zum angeblich schon jetzt auf Erden aufzurichtenden Reich Gottes. Nachdem der ÖRK in den letzten beiden Jahrzehnten sich zumindest in seinem Sprachstil dem biblischen Denken der Evangelikalen angenähert hat, folgen zunehmend auch Teile der evangelikalen Bewegung diesem neuen Trend, sowohl weltweit als auch im deutschsprachigen Raum. (S. 2-3)
 

Die Unterzeichner nennen einige besorgniserregende Symptome für den Vormarsch der „Transformationstheologie“: „Zweitens finden wir in der „Kapstadt-Verpflichtung“, besonders in deren praxisbezogenen Teil II: „Der Kapstadt-Aufruf zum Handeln“, Aussagen und Aufforderungen, in welchen sich ein wesentlich sozialpolitisch geprägtes Verständnis gegenüber dem bisherigen heilsbezogenen Evangelisationsverständnis nach vorne geschoben hat.“ (3) „Viertens die Verleihung des nach dem prominenten evangelikalen Missiologen George W. Peters (1907-87) benannten Preises im Januar 2010 an Roland Hardmeier, einen Repräsentanten der zeitgenössischen Transformations-Theologie.“ (4)
 
In der Erklärung wird auch auf die Vorgeschichte des neuen Missionsverständnisses eingegangen:

Seit der III. Vollversammlung in Neu-Delhi 1961 hatte sich in der Genfer Ökumene unter dem Einfluss von säkularökumenischen und politischen Theologen wie Johannes Chr. Hoekendijk, Harvey Cox, Jürgen Moltmann und Walter Hollenweger ein sozial-humanistisches Missionsverständnis entwickelt. Durch die Vermittlung der ursprünglich in Lateinamerika beheimateten „Radikalen Evangelikalen“ ist es nunmehr zunehmend auch auf evangelikaler Seite übernommen worden.

Das theologische Problemfeld der zeitgenössischen evangelikalen Bewegung liegt nicht mehr in dem viel behandelten Verhältnis zwischen „Wortverkündigung und Diakonie“ bzw. dem zwischen „Evangelisation und sozialer Verantwortung“, wie dies noch auf der gemeinsamen Studientagung der theologischen Kommissionen der Lausanner Bewegung und der Weltweiten Evangelikalen Allianz (WEF) in Grand Rapids 1982 der Fall war. Vielmehr geht es in der jetzigen Diskussion zunehmend um das Verhältnis zwischen Gesellschaftsveränderung und neuer Schöpfung als Ausdruck des Reiches Gottes und angebliches Ziel der Mission.
 
Dieses Missionsverständnis wird gekennzeichnet mit Begriffen wie „ganzheitlich“, „holistisch“, „inkarnatorisch“, „missional“. Auch viele Missionstheoretiker betreiben das bisherige Fach „Missionstheologie“ jetzt unter der Bezeichnung „Missionale Theologie“. Damit ist eine Schau verbunden, in der alle Wirkungsbereiche der Kirche – einschließlich ihrer sozialen und politischen Mitverantwortung und des Dialogs mit den anderen Religionen – bestimmt sind von ihrer umfassenden Sendung in die Welt, unter dem Verheißungsziel: das Reich Gottes. In diesem Zusammenhang bildet das Wort „Transformation“ einen Schlüsselbegriff. (4-6)
 
In dem Zusammenhang gehen die Unterzeichner auch kritisch auf die sozialpolitisch ausgerichtete „Micha-Initiative“ ein:
 

Die Micha-Initiative ist eine weltweite christliche Kampagne für die Umsetzung der Millenniums-Entwicklungsziele der Vereinten Nationen und für globale Gerechtigkeit. Zu ihren acht konkreten Zielen gehört als erstes und wichtigstes die Halbierung der Weltarmut bis zum Jahre 2015 (!). In Deutschland machte sich insbesondere die Evangelische Allianz zum Hauptträger der „Micha-Initiative“. Auch die Mehrheit der evangelikalen Missionswerke machte sie sich zu eigen, ebenso, wie sie im Arbeitskreis für evangelikale Missiologie (AfeM) zu Einfluss gelangte. Wegen dieser Übernahme weltpolitischer Ziele sowie ihres wirklichkeitsfremden Charakters hat Rolf Scheffbuch diese Initiative scharf kritisiert. (9-10)

Das Zeugnis dieser Missionsfachleute sollte uns darin bestärken, wachsam gegen die schleichende Einführung missionaler Lehren in bibeltreuen Kreisen zu sein und die Stellung aller evangelikalen Missionswerke zu diesen wichtigen Fragen kritisch zu prüfen. Letztlich wird hier unter der Tarnung evangelikaler Phrasen die Zerstörung biblischer Mission und Evangelisation betrieben.
 
 
Quellen
 
„Symposion kritisiert Überbetonung der Gesellschaftsveränderung Übernehmen Evangelikale Positionen des Weltkirchenrats?“ http://www.idea.de/detail/newsticker.html?tx_newsticker_pi1[id]=21497
 
http://www.ikbg.net/Tuebinger-Pfingstaufruf-2013-Langfassung.pdf
 

 
Zu diesem Beitrag können Sie auf unserer Webseite lesen:
 

Die angebliche Verpflichtung der Gemeinde zum „prophetischen“ sozialpolitischen Engagement
 
Die falschen Reichgotteslehren und der Ruf nach weltveränderndem Engagement der Kirche
 
 
 
 
Rudolf Ebertshäuser   das-wort-der-wahrheit.de    25. 6. 2013