Krankheit und Heilung von Krankheit – dieses Thema betrifft alle gläubigen Christen genauso wie ihre ungläubigen Mitmenschen. Wir alle sind direkt und indirekt ständig mit der Realität von Erkrankungen des menschlichen Leibes konfrontiert, sei es bei uns selbst oder bei Familienangehörigen, Freunden, Bekannten, Arbeitskollegen. Wir wissen es, daß wir Kinder Gottes nicht schon deshalb von Krankheiten verschont sind, weil wir auf ewig errettet sind und durch Gottes Gnade in Christus Vergebung unserer Sünden empfangen durften.
Gerade will die Krankheit Teil unserer menschlichen Existenz ist und unser Glaubensleben immer wieder durch sie herausgefordert ist, ist es gut, wenn wir einmal vom Standpunkt der biblischen Lehre her vertieft mit dem Thema „Krankheit und Krankenheilung im Glaubensleben des Christen“ auseinandersetzen. Wir wollen dazu einen kurzen, notwendigerweise unvollständigen Überblick über das geben, was die Bibel lehrt, und dann auch praktische Konsequenzen für unseren Umgang mit Krankheiten ziehen.
1. Ursache und Sinn der Krankheit nach den Aussagen der Schrift
Die Krankheit erscheint dem Menschen als eine Plage, als eine empfindliche Störung seines Wohlbefindens, die den Genuß des Lebens hier auf dieser Erde schwer beeinträchtigen kann. Sie ist mit Schwächung und Schmerzen verbunden, mit Behinderungen und teilweise schweren Funktionsstörungen des Leibes. Sie kann ein ganzes Menschenleben überschatten und aus der Bahn werfen, und in vielen Fällen führt sie auch heute, im Zeitalter der medizinischen Machbarkeiten, zum schroffen Abbruch des irdischen Lebens, zum Tod.
Kein Wunder, daß der Mensch die Krankheit immer als einen Feind gesehen hat und alle Anstrengungen unternahm, um sie loszuwerden – vergeblich. Im Kampf gegen die Krankheit hat der Mensch mit seiner Erfindungskunst die Medizin zu ungeahnten Höhen entwickelt. Auf der anderen Seite gab es immer schon das Suchen nach Wunderheilung, nach übernatürlichen Kräften, die die ersehnte Befreiung von der Geißel Krankheit versprachen. Alle Spielarten des Heidentums kennen die »Medizinmänner«, »Heiler« und »Gesundbeter«, zu denen die Menschen auf der Suche nach Heilung kamen, wenn die gottgegebenen Naturmittel nichts halfen.
Auch wenn diese Zauberer in manchen Fällen tatsächlich „Geistheilungen“ und okkulte Heilungswunder vollbrachten – der Mensch wurde die Geißel Krankheit nicht los. Sie bleibt Teil seiner Existenz und erinnert ihn an die Vergänglichkeit und Todgeweihtheit des natürlichen Lebens, das er von Gott empfing und gottwidrig und sündhaft für sich auszuleben sucht. So erscheint uns die Krankheit aus der menschlichen Perspektive – und wie sieht Gott sie? Was sagt uns die Bibel über Wesen und Sinn der Krankheit?
a. Krankheit und Tod als göttliches Gericht über die Sünde
Aus der ganzen Lehre der Heiligen Schrift ist ersichtlich, daß die Krankheit des Leibes wie der Seele, genauso wie der Tod, erst durch den Sündenfall Adams in die Menschheit und in die ganze Schöpfung eindrang. Adam kannte als vollkommenes Geschöpf vor dem Sündenfall weder Krankheit noch Tod. Als der Mensch sich von Gott abkehrte, verderbte und verwandelte sich sein ganzes Wesen, Leib, Seele und Geist. Aus dem ursprünglich »sehr guten« Geschöpf wurde eine von Gott getrennte, verunstaltete, von der Sünde geprägte und vergiftete Kreatur, die dem Tod geweiht war. Ja, die Sünde des Menschen, der zur Herrschaft über die Welt berufen war, brachte einen Fluch der Zerstörung und des Todes über die ganze Schöpfung (vgl. Röm 8,19-22).
Die Krankheit als eine zeitweise und teilweise Störung oder Zerstörung der natürlichen Lebensfunktionen von Leib und Seele hat wie der Tod ihre Ursache in der Sünde, in dem gefallenen, von der Sünde verderbten Zustand der menschlichen Natur. Sie ist in diesem Sinn mit dem leiblichen Tod verwandt und wie dieser ein schmerzhaftes Mahnzeichen für den ewigen Tod, der auf den Sünder wartet. Nach den Aussagen der Schrift ist dieser ganze böse Äon, die gegenwärtige Weltzeit, geprägt von Tod und Zerstörung, von Krankheit und Leid, von Streit und Krieg, von Bosheit, Macht- und Habgier.
Die Krankheit ist jedoch ebensowenig wie der Tod eine blinde, unpersönliche Macht. Das Wort Gottes zeigt uns unzweideutig, daß alles, was in dieser Welt geschieht, letztendlich auf die souveräne Regierung und Allmacht Gottes zurückgeht. Daher ist jede Lehre, die die Krankheit einseitig als »Werk des Teufels« bezeichnet, eine Irrlehre, die die Oberhoheit und die Regierungswege Gottes leugnet und dem Satan falsche Ehre erweist.
Krankheit als Gottes Gerichtshandeln
Das Wort Gottes zeigt uns, daß Krankheiten wie auch Kriege, Hungersnöte, Naturkatastrophen, u. a. von Gott ausgehen und Wirkungen Seines Gerichtshandelns an den Sündern sind. Unter den gewaltigen und herrlichen Selbstoffenbarungen, die Gott im Buch Jesaja gibt, ist auch diese: »Ich bin der Herr, und sonst ist keiner, der ich das Licht mache und die Finsternis schaffe; der ich Frieden [od. Heil] gebe und Unheil schaffe. Ich, der Herr, vollbringe dies alles« (Jes 45,6-7; vgl. Jes 46,8-11; Jes 40,21-26). Der Prophet Amos bezeugt: »Geschieht auch ein Unglück in der Stadt, das der Herr nicht gewirkt hat?« (Am 3,6).
Die Krankheit ist also wesenhaft ein Wirken Gottes, ein Gericht über die sündigen Menschen, bisweilen auch ein konkretes Gericht über ganz bestimmte Sünden. So bezeugt die Bibel immer wieder, daß Gott es ist, der mit Krankheit schlägt. Das beginnt schon im 1. Buch Mose: „Aber der HERR schlug den Pharao und sein Haus mit großen Plagen um Sarais, der Frau Abrams, willen“ (1Mo 12,17). Im 2. Buch Mose richtet sich das Gericht der Krankheit ebenfalls gegen den Pharao: „Denn ich hätte meine Hand schon ausstrecken und dich und dein Volk mit der Pest schlagen können, daß du von der Erde vertilgt worden wärst“ (2Mo 9,15); das gilt für die Krankheitsplage der Geschwüre, mit der Gott die Ägypter schlug (2Mo9,8-12).
Daß Krankheit vom Herrn verordnet ist und in bestimmten Fällen ein Gericht Gottes sein kann, wird auch in bezug auf das Volk Gottes im Alten Bund deutlich geoffenbart; so wurde Miriam wegen ihrer Auflehnung gegen Mose aussätzig (4Mo 12,8-15), und der HERR schlug das Volk mehrfach mit Krankheitsplagen wegen ihrer Auflehnung in der Wüste (vgl. 4Mo 11,33; 17,11-14; 25,3-8). Wir finden dies insbesondere im 5. Buch Mose geschrieben:
Der HERR wird dir die Pest anhängen, bis er dich vertilgt hat aus dem Land, in das du kommst, um es in Besitz zu nehmen. Der HERR wird dich mit Schwindsucht schlagen, mit Fieberhitze, Brand, Entzündung, Dürre, mit Getreidebrand und Vergilben; die werden dich verfolgen, bis du umgekommen bist. (5Mo 28,21-22)
Der HERR wird dich schlagen mit den Geschwüren Ägyptens und mit Beulen, mit Räude und Krätze, sodaß du nicht geheilt werden kannst. Der HERR wird dich schlagen mit Wahnsinn und mit Blindheit und mit Verwirrung der Sinne. (5Mo 28,27-28)
Das gilt grundsätzlich auch für das Neue Testament. Es ist der Engel des Herrn (und nicht etwa Satan), der den Herodes schlägt, daß er von Würmern zerfressen wird und stirbt (Apg 12,23). Es wird aber auch von den gläubigen Korinthern, die das Mahl des Herrn unwürdig nahmen, gezeigt, daß sie durch ein Gericht Gottes mit Krankheit gezüchtigt wurden:
Der Mensch prüfe aber sich selbst, und so soll er von dem Brot essen und aus dem Kelch trinken; denn wer unwürdig ißt und trinkt, der ißt und trinkt sich selbst ein Gericht, weil er den Leib des Herrn nicht unterscheidet. Deshalb sind unter euch viele Schwache und Kranke, und eine beträchtliche Zahl sind entschlafen. Denn wenn wir uns selbst richteten, würden wir nicht gerichtet werden; wenn wir aber gerichtet werden, so werden wir vom Herrn gezüchtigt, damit wir nicht samt der Welt verurteilt werden. (1Kor 11,28-32)
„Ich zerschlage und ich heile“
So gilt nach dem Zeugnis der Schrift grundsätzlich: »Seht nun, daß Ich, Ich allein es bin und kein Gott neben mir ist! Ich bin’s, der tötet und lebendig macht, ich zerschlage und ich heile, und niemand kann aus meiner Hand erretten!« (5Mo 32,39).
Die Tatsache, daß Gott bisweilen den Widersacher als Werkzeug gebraucht, um Krankheiten auszulösen (vgl. Hiob; 2Kor 12,7; 1Kor 5,5), bedeutet nicht, daß jede Krankheit als »Werk Satans« bezeichnet werden darf. Bisweilen wird hier Apostelgeschichte 10,38 angeführt, wo von Jesus Christus berichtet wird: »… wie dieser umherzog und Gutes tat und alle heilte, die vom Teufel überwältigt waren« (Me: »die unter der Herrschaft des Teufels standen«).
Hier wird nicht gesagt, daß alle Krankheiten ein Werk des Widersachers seien, sondern daß es sich um Sünder handelte, die der Teufel beherrschen konnte, und die sich daher das Gericht der Krankheit aufgrund ihrer Sünden zugezogen hatten. Dort, wo die Krankheit nicht Zubereitungsleiden ist, sondern menschliche Sünde zur Wurzel hat, hat der Herr Jesus die Verantwortlichkeit des Menschen für dieses Gericht deutlich ausgesprochen und die Krankheit nicht auf den Teufel geschoben. So bezeichnet Er selbst die Vergebung der Sünden als Voraussetzung und Grundlage Seiner Heilungen (vgl. z. B. Lk 5,17-26), und gelegentlich ermahnt Er den Geheilten: »Siehe, du bist gesund geworden; sündige hinfort nicht mehr, damit dir nicht etwas Schlimmeres widerfährt!« (Joh 5,14).
Gott selbst hat nach Seinem souveränen Ratschluß die Krankheit als Teil des Fluches über die sündige, von Ihm abgefallene Menschheit verordnet. Nicht die Krankheit ist das tiefste Übel, sondern die Sünde der Menschen, ihr Abfall von dem lebendigen Gott. Die leibliche Krankheit ist wie ein Stachel, ein mahnender Spiegel, der den hochmütigen, verblendeten Menschen an die Verkehrung und Entartung seiner ursprünglichen, gottgewollten Existenz erinnert. In der Strafe der Krankheit sehen wir, wenn wir unseren Gott wahrhaft kennen, zugleich die Gnade, die suchende Liebe Gottes, die den sündigen Menschen durch allerlei Widrigkeiten und Nöte aus seinem selbstsicheren, gottfeindlichen Leben zur Besinnung und Umkehr führen will. Wieviele Menschen können bezeugen, daß sie durch schwere Krankheiten ins Nachdenken kamen und schließlich zum rettenden Glauben gefunden haben!
b. Die Krankheit als Gottes Erziehungsmittel im Leben von Gläubigen
Gilt das auch für die Gläubigen, für das Volk Gottes? Auch hier ist Gott der Handelnde, der entweder Krankheiten sendet als Züchtigung für Sünden und Fehlhaltungen, oder aber sie zuläßt, um die Seinen zu läutern oder zuzubereiten.
1. Krankheit als Züchtigung für Sünden
Im AT finden wir die Fluchandrohung in 5. Mose 28, wo Mose dem Volk ankündigt, daß sein Ungehorsam dem heiligen Bund gegenüber das Gericht Gottes zur Folge haben wird: »Der Herr wird dir die Pest anhängen …« (5Mo 28,21 u. a.). Als aufgrund des Murrens des Volkes eine Plage ausbricht, sagt Mose: »Denn der Zorn ist vom Herrn ausgegangen, die Plage hat begonnen« (4Mo 17,11). So handelte der Herr mit Seinen Knechten, die gesündigt hatten.
Usija wurde aussätzig, weil der Herr ihn geschlagen hatte (2Chr 26,20); der Herr schlug Joram, seine Familie und sein Volk mit großen Plagen wegen der geistlichen Hurerei (2Chr 21,11-15). David selbst berichtet von schweren Krankheitsleiden, die unmittelbar infolge von Sünde auftraten (vgl. Ps 32,3-5; Ps 38). Auch das Kind, das Bathseba dem David geboren hatte, wurde vom Herrn geschlagen, so daß es schwer krank wurde und starb (2Sam 12,15-23). Die Haltung, mit der David diese Krankheit aus Gottes Hand nahm und vor Gott trug, ist auch heute noch vorbildlich für wahre Gläubige, die Gott fürchten.
Im NT sehen wir grundsätzlich dasselbe Bild: Krankheit kann bei Gläubigen eine Züchtigung für begangene Sünden sein, und es ist Gott, der Seine Kinder züchtigt. Am klarsten wird dieser Zusammenhang in der Ermahnung des Paulus wegen des Herrenmahls in 1Kor 11,30-32 deutlich: »Deshalb sind unter euch viele Schwache und Kranke, und eine beträchtliche Zahl sind entschlafen. Denn wenn wir uns selbst richteten, würden wir nicht gerichtet werden; wenn wir aber gerichtet werden, so werden wir vom Herrn gezüchtigt, damit wir nicht samt der Welt verurteilt werden.« Auch für Gotteskinder gilt also, daß Krankheiten von Gott verordnete Züchtigungen sein können. Doch sind sie, anders als bei den Ungläubigen, keine Vorboten des ewigen Gerichtes, sondern väterliche Erziehungsmaßnahmen für Seine Kinder, die für ewig errettet sind.
So gilt, trotz aller gegenteiligen Behauptungen charismatischer Irreführer, eindeutig auch für Krankheiten, was wir über die Züchtigungen Gottes lesen: »Wenn ihr Züchtigung erduldet, so behandelt euch Gott ja als Söhne (…) er [züchtigt uns] aber zu unserem Besten, damit wir seiner Heiligkeit teilhaftig werden« (Hebr 12,7-11). Auch hier sehen wir mitten im Schmerz und Leid die Liebe Gottes, die unser Zurechtkommen will, und die unsere Heiligung für die Ewigkeit höher bewertet als unser irdisches Wohlergehen.
2. Krankheit als Zubereitungs- und Läuterungsmittel
Es gibt auch Krankheitsleiden bei Gläubigen, die nicht als Züchtigung für Sünden zu werten sind, sondern als Zubereitungs- und Prüfungsleiden. Nicht immer trifft die Krankheit Gotteskinder, die in Sünde gefallen sind oder die Gott durch den Stachel des Leidens aus ihrer Weltliebe und Diesseitsverhaftetheit lösen muß. Immer wieder werden auch treue, hingegebene Kinder Gottes krank und müssen durch schwere Leiden gehen, ohne daß irgendeine konkrete Sünde als Grund für die Krankheit erkennbar wäre.
Im AT können wir die Unfruchtbarkeit von Hanna nennen, die solch eine kostbare geistliche Frucht brachte (1. Samuel 1). Der Prophet Elisa, der Mann Gottes, der so viele Wunder tat, der die Heilung Naemans sehen durfte und den Sohn der Schunemiterin lebendig gemacht hatte, erkrankte an einer Krankheit, die durch Gottes Vorsehung zu seinem Tod führen sollte, obgleich wir keine Andeutung in der Schrift finden, daß er untreu geworden wäre (2Kö 13,14-21).
Das eindrücklichste Beispiel von zubereitendem Krankheitsleiden ist jedoch Hiob. Von ihm bezeugt die Schrift, daß seine schweren Krankheiten der Prüfung seines Glaubens und der Vertiefung seiner Frömmigkeit dienten und ausdrücklich dem Beschluß Gottes entsprangen, auch wenn der Satan der Ausführende war (vgl. Hi 1,6-12; 2,1-10). Gerade dieser Bericht gibt uns wertvolle Einblicke in Gottes Erziehungswege. Der Satan ist unmittelbar derjenige, der die Krankheit verursacht (Hi 2,7), aber dennoch ist es Gott, der diese Anfechtung zuläßt und damit Seine weisen Absichten hat.
Der gläubige, gottesfürchtige Hiob schreibt sein Leid nicht etwa dem Satan zu, sondern er nimmt es ganz zu recht aus Gottes Hand: »Wenn wir das Gute von Gott annehmen, sollten wir da das Böse nicht auch annehmen?« (Hi 2,10). Eine solche Haltung würde von den »Glaubensheilern« unserer Tage als sträflicher Unglaube und Auswirkung eines »religiösen Geistes« gewertet, und doch ist sie für zahllose wahre Gläubige auch heute noch Vorbild in Prüfungs- und Zubereitungsleiden, zu denen auch Krankheiten zählen können.
Im NT hören wir ebenfalls von Männern Gottes, die ihrem Herrn treu ergeben waren und dennoch erkrankten, ohne daß wir irgendeine Sünde als Ursache vermuten dürfen. Zu ihnen zählen die Mitarbeiter des Paulus Timotheus, Trophimus und Epaphras, aber auch der Apostel selbst, der seinen »Stachel im Fleisch« auch aus Gottes Hand annahm und nicht etwa dem Satan zuschrieb, obgleich es ein Engel Satans war, der ihn schlug (vgl. 2Kor 12,7-10).
Bisweilen mögen Züchtigung und Läuterung miteinander verbunden sein; so ahnt man es bei dem König Hiskia, der krank wurde und vom Herrn sogar den Tod angekündigt bekam, dem aber auf sein gebet hin noch eine zusätzliche Lebensfrist gewährt wurde. Er bekennt, was nach ihm noch viele Gottesfürchtige sagen konnten:
Siehe, zum Frieden diente mir bitteres Leid; du hast ja meine Seele liebevoll umfangen und sie aus der Grube des Verderbens herausgezogen; denn du hast alle meine Sünden hinter deinen Rücken geworfen! (Jes 38,14-17)
In jedem Falle gilt: In allem Schweren, das durch Krankheit in das Leben eines Geheiligten und Geliebten in Christus kommen kann, wird dennoch die Güte, Gnade und Liebe Gottes sichtbar, der uns auch schwere Zerbruchs- und Zubereitungswege führt, um uns näher zu sich zu ziehen und uns zu formen für die künftige Herrlichkeit. Wahre Kinder des himmlischen Vaters erkennen das, wenn auch zuweilen unter Kämpfen; nur irdisch Gesinnte, Fleischliche begehren gegen solche Wege auf und erwarten von Gott, daß Er ständig für ihr äußerliches Wohlergehen sorgen müsse.
2. Göttliche Krankenheilung in heilsgeschichtlicher Perspektive
Durch alle Gerichtswege Gottes scheint immer wieder Seine Barmherzigkeit und Gnade durch. Wie das Wort sagt: »Ich zerschlage, und ich, ich heile« (5Mo 32,39). So hat Gott selbst für die Sünder vorgesorgt und ihnen in Seiner Schöpfung Mittel zur Linderung und Heilung vieler Krankheiten gegeben. Das Wissen um die Heilungsmöglichkeiten durch natürliche Mittel wie auch die wachsenden Fähigkeiten der Ärzte, Krankheiten zu heilen, dürfen wir auch als Gaben der Gnade Gottes inmitten des Leidens der Welt sehen und für sie dankbar sein, auch wenn wir ihre Begrenztheit klar erkennen.
Wieviel mehr gilt für die Heiligen und Gläubigen aller Zeitalter, daß Gott, der ihnen die Krankheit sandte, sie immer wieder auch heilte und heilt. Gott heilte Hiob wieder vollständig von seinen Gebrechen. Gott heilte David, als dieser seine Sünde bekannte. Gott heilte Hiskia, als dieser um Verlängerung seines Lebens bat. Gott heilte Epaphroditus wieder von seiner lebensgefährlichen Krankheit. Wir dürfen sicher sein, daß Gott Seine Heiligen nicht länger und nicht mehr leiden läßt, als es Seinen göttlichen Gedanken und Erziehungszielen entspricht.
Aber Gott macht Heilung des Leibes nicht zu einem bedingungslosen Versprechen für alle Gläubigen. Heilung oder Nichtheilung ist abhängig von Seinem souveränen Ratschluß, von Seinen verborgenen Absichten bei der Zubereitung und Führung Seiner Kinder. Gott wollte weder den Elisa heilen noch den Sohn von David und Bathseba, und so starben sie an ihrer Krankheit.
Göttliche Heilung ist auch abhängig von den heilsgeschichtlich unterschiedlichen Wegen, die der Herr mit Israel und mit Seiner Gemeinde geht. Gott hat in Seiner Weisheit für Sein irdisches Bundesvolk andere Ordnungen und Verheißungen in bezug auf Krankenheilung gegeben als für Sein himmlisches Eigentumsvolk. Es ist daher wichtig, daß wir Gottes geoffenbarten Ratschluß in bezug auf Krankenheilung genauer kennenlernen.
Wenn wir die Frage von Krankheit und Krankenheilung in der Bibel studieren, erkennen wir bald, daß wir heilsgeschichtlich unterscheiden müssen zwischen Gottes Wegen mit Seinem Bundesvolk Israel, dessen Bürgerrecht und Segnungen auf der Erde sind, und der Gemeinde, deren Bürgerrecht und Segnungen in den Himmeln sind.
Gott ist zwar wesenhaft ewig derselbe, so wie auch von Jesus Christus bezeugt wird: »Jesus Christus ist derselbe gestern und heute und auch in Ewigkeit« (Hebr 13,8) – aber Seine Handlungsweise mit den Menschen ist unterschiedlich; sie hat in jeder Heilszeit ihr eigenes Gepräge (man vergleiche etwa den Bund mit Noah mit dem Sinai-Bund) und unterscheidet sich grundlegend, je nachdem, ob es um die ungläubigen Nationen, um Israel oder um die Gemeinde geht. Wenn wir diese Wahrheit außer Acht lassen, gehen wir in die Irre – und der Widersacher kann uns zum Irrtum verführen.
a. Israel unter dem Sinai-Bund
Als der Herr mit Israel den Bund am Sinai schloß, forderte Er von seinem Volk die Bundestreue, den Gehorsam gegenüber Seinen Geboten, und Er gab ihnen eine irdische Verheißung: ein Leben voll Frieden, Fruchtbarkeit und Segen im Land Kanaan. Ein Teil dieser Verheißung war das Versprechen: »Und ihr sollt dem Herrn, eurem Gott, dienen, so wird er dein Brot und dein Wasser segnen; und ich will die Krankheit aus deiner Mitte hinwegnehmen« (2Mo 23,25). Schon zuvor hatte der Herr Bedingung und Verheißung genannt:
Wenn du der Stimme des Herrn, deines Gottes, eifrig gehorchen wirst und tust, was vor ihm recht ist, und seine Gebote zu Ohren faßt und alle seine Satzungen hältst, so will ich keine der Krankheiten auf dich legen, die ich auf Ägypten gelegt habe; denn ich bin der Herr, dein Arzt. (2Mo 15,26)
Als das Volk Israel kurz vor dem Einzug ins Land der Verheißung steht, ruft Mose es zur Bekräftigung und Erneuerung des heiligen Bundes mit Gott auf. In feierlicher Ermahnung legt er ihm Segen und Fluch vor. Unter den Segnungen, die dem Gehorsam und der Bundestreue folgen, ist auch die Verheißung: »Und der Herr wird jede Krankheit von dir abwenden« (5Mo 7,15).
Unter den Gerichten, die dem Ungehorsam und Bundesbruch folgen, ist, wie wir schon sahen, auch das Gericht der Krankheit: »Wenn du nicht darauf achten wirst, alle Worte dieses Gesetzes zu tun, (…), so wird der Herr dich und deinen Samen mit außerordentlichen Plagen treffen, ja, mit großen und andauernden Plagen und mit bösen und andauernden Krankheiten« (5Mo 28,58-59).
Gott hatte Seinem Bundesvolk Israel ein irdisches Zeichen Seiner Gnade verheißen, indem Er versprach, Seinem Volk keine Krankheit aufzuerlegen. Diese Verheißung beruhte, wie der ganze Bund des Gesetzes, bereits vorgreifend auf der Gnade durch das vollkommene Erlösungswerk Jesu Christi. Die Krankheit ist, wie der Tod, wesensmäßig nicht nur mit Sünden, sondern mit der Sünde, mit der Verderbtheit der menschlichen Natur seit Adam, verbunden, und der bloße Gehorsam gegenüber den Geboten des Gesetzes hätte den Israeliten niemals Befreiung von allen Krankheiten bringen können.
Die Verheißung »Wenn du gehorsam bist, will ich dir keine Krankheit auferlegen« ist also kein ewiges Gesetz Gottes, sondern ein erzieherisches, zeichenhaftes Angebot für das Volk Israel. Gott wollte den Israeliten, die unter dem Zuchtmeister des Gesetzes standen (vgl. Gal 3,21-24; Römer 7), die Sündhaftigkeit der Sünde und ihre eigene Erlösungsbedürftigkeit durch Christus bewußt machen. Jede Krankheit war für sie eine Erinnerung an die eigenen Sünden und sollte sie zu Gott führen, zu Buße und Glauben.
Die kollektive Verheißung, daß der Herr alle Krankheiten von ihm wenden werde, hat Israel durch seine Untreue verspielt, wie auch die anderen irdischen Segnungen des Gesetzesbundes. Stattdessen stand es unter dem vorhergesagten Gericht Gottes, das sich an ihm erfüllte bis zur völligen Zerstreuung unter die Nationen nach 70 n. Chr. Dennoch schenkte Gott immer wieder in der Heilszeit des Gesetzes Einzelnen, die umkehrten und Ihn suchten, auch körperliche Heilung von Krankheiten – aus Gnade, nach Seinem erzieherischen Ermessen. Sie konnten sich nicht mehr auf die Verheißung am Anfang berufen, denn Israel hatte die Bedingung nicht eingehalten. Sie konnten nur an die Gnade und Barmherzigkeit des Herrn appellieren.
b. Die Verheißung des messianischen Reiches für Israel
Mitten im Gericht über das abtrünnige Israel gab Gott, der die Liebe ist, in Seiner Gnade und Barmherzigkeit Seinem Volk eine Hoffnung, eine Zukunftsverheißung: Am Ende der Zeiten wird sich Sein Zorn über Israel wieder wenden; Er wird sich von neuem erbarmen und Israel sammeln aus der Zerstreuung, ihm einen neuen Bund gewähren, geistliche Erneuerung und Wiederherstellung des irdischen Reiches durch den Messias, den verheißenen Erlöser und König.
Dieses messianische Reich, auch »Tausendjähriges Reich« genannt, ist eine Verheißung für Israel, d.h. genauer: für den gläubiggewordenen Überrest Israels, der die Gerichte der großen Drangsal überlebt hat. Aus Gnade, aufgrund des Erlösungswerkes Jesu Christi am Kreuz, gewährt Gott diesem Überrest eine umfassende Vergebung und Wiederherstellung.
In diesem messianischen Reich, der irdischen Erfüllung des »Reiches Gottes«, kommt Israel in den Genuß all der Segnungen, die ihm schon im alten Bund verheißen waren und die es durch seine Untreue verloren hatte: Frieden, Wohlergehen, Fruchtbarkeit und reichen Segen über Mensch und Natur. Von diesem Reich handelt ein großer Teil der Prophetie des AT, vom 5. Buch Mose über die Psalmen bis zu den eigentlichen prophetischen Büchern.
Die Grundlage für das verheißene Heil im messianischen Reich ist das vollkommene Sühnopfer Jesu Christi. Er hat die Schuld auch Seines irdischen Volkes getragen und gesühnt. So kann Er die Verheißung aussprechen: »Ich, ich tilge deine Übertretungen um meinetwillen, und an deine Sünden will ich nie mehr gedenken!« (Jes 43,25; vgl. Jes 44,21-23).
Mit dieser vollkommenen Tilgung der Sünden Israels ist auch die Grundlage gegeben, daß Gott seine ursprüngliche Verheißung wahrmachen kann, alle Krankheit von Israel wegzunehmen. Im 103. Psalm bekennt Israel: »Lobe den Herrn, meine Seele, und vergiß nicht, was er dir Gutes getan hat! Der dir alle deine Sünden vergibt und heilt alle deine Gebrechen« (V. 2-3). Dieses Wort kann sich nicht auf die Zeit Davids beziehen (vgl. V. 6+10+12); es bezieht sich im unmittelbaren Sinn auch nicht auf die Gemeinde des Christus, sondern auf Israel (vgl. V. 6-7; V. 9.10.18), obgleich jeder Gläubige sich mit dem Lobpreis über Gottes Güte identifizieren kann. Es ist ein prophetisches, vorweggenommenes Loblied des erlösten Überrestes im Tausendjährigen Reich.
Prophetische Hinweise auf die Wegnahme aller Krankheiten im messianischen Reich finden sich u. a. auch in Jesaja 33,24: »Und kein Einwohner [Jerusalems] wird sagen: ‚Ich bin schwach!‘ Dem Volk, das darin wohnt, wird die Sünde vergeben sein« (vgl. auch Jes 25,6-8; Jes 65,18-25).7
Heilsgeschichtlich gesehen sind also diejenigen alttestamentlichen Worte, die Israel eine völlige Befreiung von Krankheiten im irdischen Leben verheißen, nicht auf die Gemeinde anwendbar. Der Herr wird sie an Israel in wunderbarer Weise erfüllen, wenn Er Sein messianisches Reich auf Erden aufrichtet. Zu diesem Zeitpunkt sind die Gläubigen in Christus bereits mit Ihm vereint und haben, im Unterschied zum Überrest Israels, bereits Auferstehungsleiber; sie haben weit mehr empfangen als das irdische Bundesvolk, aber nicht schon in der Zeit ihres irdischen Wandels, sondern mit der völligen Erlösung und Entrückung, die die Verwandlung des »Leibes der Niedrigkeit« in die Gleichgestalt seines »Leibes der Herrlichkeit« mit sich bringt (vgl. Phil 3,20-21).
c. Die zeichenhaften Heilungen des Messias unter Seinem Volk Israel
Sehr viel Verwirrung in der Frage göttlicher Heilung wird dadurch gestiftet, daß man die Bedeutung der Wunderheilungen verkennt, die der Herr Jesus Christus und Seine Apostel unter dem Volk Israel taten. Oft wird gesagt, daß der Herr die kranken Menschen aus Mitleid über ihren Zustand geheilt habe; daß Seine Heilungen Ausdruck dessen seien, daß Er grundsätzlich alle Kranken heilen wolle, weil Er ihr Bestes wolle. Die heutigen Wunderheiler nehmen die Heilungen des Herrn aus ihrem biblischen Sinnzusammenhang und konstruieren das Bild von »Jesus, dem Heiler«, dem es darum gehe, mit Wunderkraft allen von Krankheit belasteten Menschen zu helfen.
Damit wird aber die wahre Bedeutung der Heilungen verdreht, die der Herr tat, und auch Seine wahren Beweggründe werden verfälscht. Dem Herrn ging und geht es nicht in erster Linie um die Linderung körperlicher Leiden, sondern um die Errettung von der ewigen Verdammnis. Er heilte die Menschen nicht, um ihnen in einer vorübergehenden leiblichen Not zu helfen, sondern um sie auf die Heilsbotschaft Gottes hinzuweisen, die ihnen ewiges Leben verhieß (vgl. z. B. Mt 9,1-8). Er wußte, daß die körperliche Heilung den Menschen nicht wirklich hilft, sondern nur die Errettung durch den Glauben. Er sagte darum: »Denn es ist besser für dich, daß eines deiner Glieder verlorengeht, als daß dein ganzer Leib in die Hölle geworfen wird« (Mt 5,29).
Die Heilungen des Herrn in Israel waren also kein Selbstzweck, sondern sie waren Zeichen, Wundertaten, die auf etwas Bestimmtes hinweisen sollten, die Ihn als den Messias erweisen und Seine Botschaft vom Reich Gottes beglaubigen sollten. Jesus Christus verkündete Israel, daß das lange verheißene messianische Reich nahe herbeigekommen war. Seine Heilungen waren vorhergesagte Zeichen des Messias und nahmen die für das Tausendjährige Reich verheißene völlige Befreiung von Krankheiten vorweg (vgl. Mt 9,35; Mt 10,7-8; Mk 16,17; Joh 7,31; Joh 9,16; Apg 4,16).
Deshalb nennt Hebräer 6,5 diese Zeichen auch die »Wunderwerke des zukünftigen Zeitalters« (Elb), nämlich des Tausendjährigen Reiches. Deshalb auch betont der Heilige Geist gerade im Matthäusevangelium, das den Herrn Jesus als Messias Israels besonders herausstellt, die Vorerfüllung von Psalm 103,3: »Jesus (…) heilte jede Krankheit und jedes Gebrechen« (Mt 9,35; vgl. 4,23-24; 8,16-17; 10,1). In Matthäus 8,16-17 wird die Heilung von Kranken durch Jesus Christus als eine Erfüllung messianischer Prophetie bezeichnet: »… und heilte alle Kranken, damit erfüllt würde, was durch den Propheten Jesaja gesagt ist, der spricht: ›Er hat unsere Gebrechen weggenommen und unsere Krankheiten getragen.‹«
Die massenhafte Heilung aller Kranken ist also ein heilsgeschichtliches Zeichen für das ungläubige Israel gewesen; ein Zeichen, das übrigens nur bei den wenigsten Geheilten rettenden Glauben bewirkt hat. Der Heilungsdienst des Herrn war eine prophetische Vorwegnahme dessen, was Israel erfahren wird, wenn es wirklich den Messias angenommen und das Reich empfangen hat. Als Zeichen waren diese Heilungen an Ungläubige gerichtet, und die Evangelien berichten keine einzige Heilung, die ausdrücklich an echten Jüngern des Herrn geschehen wäre.
Wir können aus diesen Heilungen keineswegs ableiten, daß Christus Seiner Gemeinde die Verheißung völliger Gesundheit gegeben habe oder im heutigen Heilszeitalter alle Kranken heilen wolle. Schon in der Apostelzeit wurden nicht alle Heiden geheilt wie in Israel; die Heilungen der Apostel waren wesentlich seltener und dienten nicht als messianische Zeichen, sondern zur Beglaubigung des Evangeliums der Gnade, das sie verkündeten.
d. Heilungen als Wunderzeichen
im apostolischen Verkündigungsdienst der Gemeindezeit
Entsprechend dem Auftrag des Herrn an die Apostel in Matthäus 10 geschahen auch im Verkündigungsdienst der Apostel und ihrer Mitarbeiter Heilungswunder. Auch sie dienten dazu, die neue Heilsbotschaft der Errettung durch den Glauben an Jesus Christus zu bekräftigen und die Botschafter als von Gott gesandt auszuweisen. Die Heilungswunder der Apostelzeit nach Pfingsten geschahen jedoch nicht so umfassend wie vor Pfingsten in Israel, sondern eher punktuell, und aus dem Bericht der Apostelgeschichte läßt sich ein Abnehmen der Häufigkeit erkennen.
Richard Mayhew sagt dazu:
Die Schriften lehren, daß die Wunder, die durch menschliche Stellvertreter ausgeführt wurden, einem ganz besonderen Zweck dienten. Diese Absicht konzentriert sich auf die Bestätigung der Propheten und Apostel als beglaubigte Botschafter, die mit dem zuverlässigen Wort Gottes beauftragt worden sind. Nachdem mit der Offenbarung der Kanon der Schrift abgeschlossen war, gab es für Gott keinen Grund mehr, Wunder von Menschen ausführen zu lassen. Somit ist es schriftgemäß, daß derartige Wunder aufhörten.
Wiederum muß betont werden, daß die Heilungswunder als Zeichen sich nicht an Gläubige, sondern an Ungläubige richteten und auch an Ungläubigen geschahen. In der Apostelgeschichte und den Briefen finden wir keinen einzigen Fall, wo ein an Christus Gläubiger durch ein apostolisches Wunder geheilt worden wäre. Das gilt auch für die in 1. Korinther 12 erwähnte Gnadengaben der Heilungen.
In jedem Fall richtete sich auch diese Heilungswunder nach außen, an Ungläubige. Seinen Kindern hat Gott einen anderen Weg gewiesen, wie sie Heilung suchen können: Das gläubige Gebet, wo nötig verbunden mit Buße (vgl. Jak 5,13-18). Dieser Weg gilt auch heute noch, während die Wunderzeichen der Heilung nach Ende der Apostelzeit und mit Abschluß der Offenbarung des Neuen Testaments ihren Zweck erfüllt hatten und aufhörten (vgl. dazu Kap. II/2).
Das Ende der öffentlichen Wunderheilungen ist von Gott souverän angeordnet
Wenn wir feststellen, daß die Wunderheilungen des Messias und die der Apostel mit der apostolischen Zeit aufgehört haben und wir sie heute nicht mehr erwarten können, dann handelt es sich hierbei nicht um Unglauben oder eine Einschränkung der Allmacht Gottes, wie das die Anhänger charismatischer Wunderheiler behaupten.
Jeder bibeltreue Gläubige wird bezeugen, daß Gott allmächtig ist und allezeit in der Lage ist, jegliches Wunder zu tun und jegliche Krankenheilung zu vollbringen. Ebenso wird er zustimmen, daß Jesus Christus derselbe ist gestern und heute und auch in Ewigkeit (Hebr 13,8), und daß der verherrlichte Herr, wenn Er will, jede Machttat und jedes Heilungswunder zu tun vermag, das vorstellbar ist. Ihm ist schließlich alle Macht im Himmel und auf Erden gegeben (Mt 28,18).
Das schließt auch die Überzeugung ein, daß der Herr durchaus z.B. in einer Missionsarbeit unter unerreichten Völkern sich durch Heilungswunder auf das Gebet von Missionaren hin bezeugen kann. Solche Taten Gottes sind immer wieder von den Missionsfeldern berichtet worden, und zwar von Brüdern, die keine schwärmerischen Neigungen hatten. Doch das ist etwas anders als die Gabe der Wunderheilungen, und das ist heute nicht die Regel, sondern die souveräne Ausnahme.
Wenn nämlich die vielen Wunderheilungen, die der Herr vollbrachte, ganz besondere Zeichen waren, die Ihn als den Messias ausweisen sollten, dann waren diese Zeichen nicht mehr nötig, sobald Sein Dienst auf Erden vollendet war. Das zeigt Henry W. Frost sehr einleuchtend auf:
Wenn Mitleid der Hauptgrund war, weshalb Christus Wunder tat, dann könnten wir argumentieren, daß heute genausoviel Bedarf an Mitleid besteht wie in der Vergangenheit, und könnten erwarten, daß heute dieselben Erweise davon auftreten wie damals. Wenn es jedoch das Hauptziel war, das Christus vor Augen hatte, den Beweis anzutreten, daß Er war, was Er zu sein beanspruchte, nämlich der Sohn Gottes, dann müssen wir den Schluß ziehen, daß diese besondere Notwendigkeit für Sein Wunderwirken einschließlich Heilungswunder, vergangen ist, nachdem Er seinen Beweis erbracht und Seinen Anspruch begründet hatte.
Frost zeigt dann auf, daß die anschließenden Wunder der Apostel in ihrem Dienst nach Pfingsten bereits weniger hervorstechend waren als die Wunder, die der Herr selbst tat, und auch seltener vorkamen. Sie waren ja nicht als Erweise der Gottessohnschaft nötig, sondern dienten dazu, die Apostel als Boten Gottes zu beglaubigen.
Wir müssen beachten, daß Christus den Apostel die Vollmacht gab, Wunder zu wirken, um sie, wie im Fall der Propheten, vor denen zu beglaubigen, die ihre Handlungen sahen und ihre Botschaften hörten. Wir müssen uns auch erinnern, daß die Notwendigkeit einer solchen Beglaubigung mit dem Hingang der Apostel aufhörte, da ihre Macht demonstriert und das Vertrauen gewonnen war. Wiederum müssen wir beachten, daß es keine Wiederkehr der apostolischen Wunder geben kann – was auch immer Gott gewähren möge -, weil die Apostel als eine besondere Kategorie aufgehört haben zu bestehen, und auch weil es gegenwärtig keine Notwendigkeit für solche Wunder gibt, da ja das inspirierte Neue Testament in den Händen der Menschen ist und in ihnen der Bericht von den apostolischen Zeichen enthalten ist.
3. Jesaja 53 – ist die Heilung für uns im Sühnopfer inbegriffen?
Von vielen Pfingstlern und Charismatikern wird Jesaja 53,4 als unumstößliche Garantie angesehen, die jedem Christen Heilung von allen seinen Krankheiten zusichert. Sie sagen: »Wenn Jesus Christus deine Krankheiten getragen hat, dann mußt du sie ebensowenig tragen wie deine Sünden, die dir der Herr abgenommen hat.« Das hört sich zunächst durchaus überzeugend an. Haben wir hier nicht eine verläßliche göttliche Zusage, ein verbrieftes Anrecht auf Heilung?
Wenn wir uns in echtem, lauterem Glauben eine Verheißung aus dem Wort Gottes aneignen wollen, so müssen wir zuerst nüchtern und gewissenhaft prüfen, ob sie überhaupt uns gilt, und wenn ja, unter welchen Bedingungen. Hier wird in der charismatischen Bewegung weithin Mißbrauch mit dem Wort Gottes getrieben, indem je nach Bedarf Bibelworte (als »Rhema«) zur göttlichen Verheißung für Christen erklärt werden, ohne den Zusammenhang der Schrift zu beachten.
Vor allem im Alten Testament müssen wir sorgfältig prüfen, welche Schriftworte wir wie auf uns beziehen können. Hier reden wir wohlgemerkt von einer lehrmäßigen Anwendung von Schriftworten – daß jedem Christen alttestamentliche Gottesworte zur Erbauung, Unterweisung und zum tröstlichen Zuspruch dienen, bleibt davon unberührt.
a. Der Sinn der Aussagen von Jesaja 53,1-6
Wenn wir Jesaja 53 in seinem Zusammenhang betrachten, erkennen wir, daß es eine prophetische Vorwegnahme des Bekenntnisses ist, das der erlöste Überrest in Israel sprechen wird, wenn sie auf den blicken, den sie durchbohrt haben (vgl. Sach 12,10), und Jesus Christus als ihren Messias erkennen. Zurückblickend (»und als wir ihn sahen …«) erkennen sie, daß Er, den sie damals verachtet und verworfen hatten, für sie und ihre Übertretungen am Kreuz hing, während sie dachten, Er sei von Gott bestraft worden (Jes 53,1-6). Vor diesem Zusammenhang können wir die die Verse 3 bis 5 so verstehen (sinngemäße Ergänzungen in eckigen Klammern von R.E.):
3 verachtet war er und verlassen von den Menschen [als er am Kreuz hing], ein Mann der Schmerzen und mit Leiden [Leiden, Heimsuchung, Bedrängnis, Krankheit, hebr. holi] vertraut; wie einer, vor dem man [wegen seiner schändlichen Hinrichtung] das Angesicht verbirgt, so verachtet war er, und wir achteten ihn nicht.
4 Fürwahr, er hat unsere Leiden [d.h. die Leiden und Bedrängnisse, die eigentlich wir verdient hätten; hebr. holi; andere Deutung: unsere Krankheit im Sinne von „Sündenkrankheit“, so SCH2000] getragen, und unsere Schmerzen [die Todesqualen, die uns hätten treffen sollen] auf sich geladen; wir aber hielten ihn [wegen seiner eigenen Vergehen] für bestraft, von Gott geschlagen und niedergebeugt.
(5) Doch er wurde um unserer Übertretungen willen durchbohrt, wegen unserer Missetaten zerschlagen. Die Strafe lag auf ihm, damit wir Frieden hätten, und durch seine Wunden sind wir geheilt worden. (eÜ)
Viele deutsche Übersetzungen haben hier eine andere Deutung. Sie geben die Verse 3 und 4 so wieder: »Er war der Allerverachtetste und Unwerteste, voller Schmerzen und Krankheit (…) Fürwahr, er trug unsere Krankheit und lud auf sich unsere Schmerzen« (Lu84). Diese Übersetzung gibt jedoch zu Mißverständnissen Anlaß. Das hebräische Wort holi bedeutet zwar zumeist »Krankheit«, kann aber auch die übertragene Bedeutung »Leiden, Bedrängnis, Heimsuchung« haben (vgl. Jer 6,7; 10,19; Pred 5,16; 6,2). Besonders im Vers 3 scheint diese übertragene Bedeutung zutreffender zu sein. Christus war nach dem Zeugnis des NT weder in Seinem Erdenleben noch als Er am Kreuz hing, mit Krankheiten vertraut, wohl aber mit Leiden und Heimsuchung. Aus diesem inneren Grund sollten wir auch Vers 4 mit „Leiden“ übersetzen.[1]
Für die Übersetzung „Leiden“ spricht auch der deutliche Parallelismus von V. 3 und 4: „ein Mann der Schmerzen, mit Leiden vertraut – er trug unsere Leiden und lud auf sich unsere Schmerzen“. Diese Übersetzung wird nicht nur von Elberfelder so wiedergegeben, sondern auch von Menge 1926: „… ein Mann der Schmerzen und mit Leiden vertraut … Jedoch, unsere Leiden waren es, die ertrug, und unsere Schmerzen hatte er sich aufgeladen“. Bemerkenswerterweise deutet auch der jüdische Übersetzer Leopold Zunz die Stelle so: „… ein Mann der Schmerzen und vertraut mit Leiden … Aber unsere Leiden trug er und unsere Schmerzen lud er sich auf“.
In welchem Sinn trug Christus unsere Krankheit?
In diesem Sinn können wir mit der Aussage von Vers 4 also nicht begründen, daß Christus neben unseren Sünden auch unsere Krankheiten am Kreuz getragen hätte, sondern hier erfahren wir, daß Sein Leiden, Seine geistliche, innerliche Qual am Kreuz (vgl. Mt 26,39; Mt 27,46) stellvertretend für uns geschah, die wir eigentlich so hätten leiden müssen. Er hat am Kreuz die schrecklichen Qualen des Zorngerichtes Gottes getragen, die eigentlich für uns bestimmt waren – das ist die Aussage von Jesaja 53,4.
Jede andere Deutung würde die Wahrheit des vollkommenen Sühnopfers Jesu Christi beeinträchtigen. Christus hat unsere Krankheiten nicht in derselben Weise stellvertretend getragen wie unsere Sünden, und wir können aus Jesaja 53,4 keinen automatischen Anspruch auf Heilung ableiten.
Das wird auch aus dem 1. Petrusbrief deutlich, wo der Apostel die geistliche Bedeutung von Jesaja 53,4-6 für die Gemeinde erläutert. Er zeigt uns den Herrn Jesus Christus: »Er hat unsere Sünden selbst an seinem Leib getragen auf dem Holz, damit wir, den Sünden gestorben, der Gerechtigkeit leben mögen; durch seine Wunden seid ihr heil geworden. Denn ihr wart wie Schafe, die in die Irre gehen; jetzt aber habt ihr euch bekehrt zu dem Hirten und Hüter eurer Seelen« (1Pt 2,21-25).
Petrus erwähnt nirgends eine angebliche Erlösung von aller Krankheit, sondern allein das Heil durch die Sühnung unserer Sünden als Frucht von Golgatha. Den Vers »durch seine Wunden seid ihr heil geworden«, der von manchen auf körperliche Heilung bezogen wird, deutet er unmißverständlich auf die Errettung hin. Das bestätigt, daß wir es hier bei Jesaja mit prophetischer Bildersprache zu tun haben, die leibliche Heilung sinnbildlich für das geistliche Heil gebraucht (vgl. dazu Jes 57,18; Jer 3,22; Hos 6,1; 14,5).
Auch sonst findet sich in den Lehrbriefen der Apostel nirgends ein Hinweis darauf, daß die Befreiung von allen Krankheiten in dieser Heilszeit der Gnade das Gut aller Gläubigen sei, geschweige denn eine eindeutige Verheißung Gottes. Dagegen gibt es, wie wir im weiteren sehen werden, zahlreiche Belege für ein Weiterexistieren von Krankheiten, solange die Gemeinde hier auf Erden lebt.
Wir wollen betonen, daß das vollkommene Erlösungswerk des Herrn, indem es unsere Sünden getilgt hat, im Hinblick auf die künftige Heilsvollendung natürlich auch die Grundlage für eine zukünftige Befreiung von aller Krankheit beinhaltet. Unsere verherrlichten Leiber, die wir als Gläubige in Christus in der Auferstehung empfangen, werden niemals krank sein können.
Wir können auch sagen, daß das Sühnopfer unseres Herrn in gewisser Weise auch die Grundlage für jede körperliche Heilung ist, die Gott aus Gnaden in der heutigen Heilszeit an den Kindern Gottes oder auch an Ungläubigen wirkt. Aber dieses Sühnopfer gibt eben dem Gläubigen nicht die Garantie für die völlige Befreiung von allen Krankheiten hier und heute, so wie es uns sehr wohl die Garantie für die völlige Vergebung aller unserer Sünden gibt, wenn wir an Christus glauben.
Auch die Erlösten in Israel im kommenden Reich des Messias werden nicht krank werden, wenn sie nicht sündigen (vgl. Jes 33,24). Die Heilungen, die der Messias in Seinen Erdentagen in Israel vollbrachte, waren ja gerade zeichenhafte Vorwegnahmen dessen, was Er Seinem Volk für das kommende Friedensreich verheißen hatte (vgl. auch Jes 35,5-6). Darauf nimmt ja auch die Anspielung auf Jesaja 53 in Matthäus 8,16-17 Bezug.
Matthäus 8,16-17 und die Krankenheilungen des Messias
Vielfach wird diese Stelle in Matthäus 8,16-17 als Einwand gegen die Übersetzung „Leiden“ in Jesaja 53,4 herangezogen: »… und heilte alle Kranken, damit erfüllt würde, was durch den Propheten Jesaja gesagt ist, der spricht: ›Er hat unsere Gebrechen weggenommen und unsere Krankheiten getragen‹«.
Doch hier bezieht der Heilige Geist das prophetische Wort von Jesaja nicht unmittelbar auf das Opfer am Kreuz, sondern auf seine Auswirkungen in der kommenden Heilszeit, wenn das erlöste Israel im Reich des Messias sich körperlicher Gesundheit erfreuen wird. Diese Segnung des messianischen Reiches nimmt der Messias en Dienst an Seinem Volk vor Golgatha zeichenhaft vorweg und erfüllt so ansatzweise diese Verheißung, die aber im Vollsinn erst im Tausendjährigen Reich erfüllt sein wird.
An dieser Stelle hebt der Geist Gottes als souveräner Autor der Schrift eine etwas andere Bedeutung eines Bibelwortes hervor, als die des ursprünglichen Textzusammenhangs. Wir haben ja gesehen, daß holi sowohl „Leiden“ als auch „Krankheit“ bedeuten kann. Einen solchen ausdeutenden Bezug auf Mehrdeutigkeiten im inspirierten Wortlaut der Bibel finden wir auch bei anderen alttestamentlichen Zitaten im NT (vgl. z. B. Hos 11,1 in Mt 2,15; Ps 40,7 in Hebr 10,5).
Der Herr wird also als der göttliche Arzt vorgestellt, der in Seinem Erdenleben die Krankheiten Israels zeichenhaft schon jetzt fortnimmt, wie Er es Israel verheißen hat (vgl. 2Mo 15,26; Ps 103,3). Dadurch erweist Er sich als der Messias, von dem die Propheten sprachen. Dabei muß beachtet werden, was Richard Mayhew unterstreicht:
Matthäus sagt, daß der Herr Jesus die Krankheiten der Leute ‚wegnahm‘. Der Herr ‚trug‘ nicht die Krankheit von Petrus‘ Schwiegermutter in einem stellvertretenden Sinn. Er sagte nicht: ‚Das Fieber gehe von ihr auf mich über‘. Er berührte lediglich ihre Hand, und sofort war das Fieber weg. Ebensowenig trug er die Gebrechen der anderen Kranken noch die Geister der Besessenen (Mt 8,16). Später sollte er auf Golgatha Sünden tragen, aber an diesem Punkt in Matthäus 8 nahm er lediglich Krankheiten weg.
Es ist offensichtlich, daß die Verheißung in diesem Sinn Israel gegolten hat und im irdischen Wirken Jesu Christi nur eine Vorerfüllung fand; die endgültige Erfüllung wird Israel im Tausendjährigen Reich sehen.
4. Die Frage der Krankenheilung für die Gläubigen in Christus heute
Welchen Stellenwert hat die Krankenheilung nun in der Gemeinde Jesu Christi? Die Gemeinde hat ja eine ganz andere heilsgeschichtliche Stellung als Israel; ihr Bürgerrecht ist in den Himmeln (Phil 3,20), ihre Segnungen sind nicht irdischer Natur, sondern geistliche Segnungen in der Himmelswelt (Eph 1,3). Sie hat ja schon jetzt, aufgrund des vollkommenen Sühnopfers Jesu Christi, volle Vergebung ihrer Sünden, ja, mehr noch, sie ist göttlicher Natur teilhaftig geworden durch die neue Geburt aus dem Geist (2Pt 1,4).
Bedeutet das nicht auch die Befreiung von jeglicher Krankheit? Wenn die Erlösung, das Heil in Christus vollkommen sind, dann müßte das die Überwindung der Krankheitsgeißel doch eigentlich einschließen? Ist Heilung nicht unser Erstgeburtsrecht als Gotteskinder, das wir im Glauben einnehmen dürfen? Solche Fragen sind durchaus berechtigt, und wir müssen im Wort Gottes sorgfältig nach einer Antwort ausschauen. Es wäre ja genauso verkehrt und schädlich, wenn wir vom Heil in Christus etwas wegstreichen würden, als wenn wir uns in schwärmerischer Weise nach etwas ausstrecken, was Gott uns erst im kommenden Äon verheißen hat.
a. Das volle Heil in Christus und seine Verwirklichung für Geist, Seele und Leib
Der Sühnetod Jesu Christi bedeutet also nicht den Anspruch auf sofortige Erlösung von Krankheit. Dennoch ist es eine unumstößliche Wahrheit, daß das vollkommene Sühnopfer Jesu Christi am Kreuz (Hebr 7,22-28) grundsätzlich die Erlösung vom Fluch der Krankheit mit einschließt.
Wenn wir Sein herrliches Erlösungswerk in Tod und Auferstehung betrachten, das Kraft hat, uns völlig zu erretten (Hebr 7,25), durch das wir geheiligt und für immer vollkommen gemacht sind (Hebr 10,10-14), dann erkennen wir, daß Er nicht nur unsere Sünden gesühnt und hinweggetragen hat, sondern grundsätzlich damit auch alle Folgen der Sünde aufgehoben hat – allen Fluch über der Schöpfung, alles Leid und alles Gericht, nicht nur die Krankheit, sondern auch den Tod, der der Lohn der Sünde ist.
Die Frage ist nur: Wann und wie bekommt unser Leib Anteil an dieser Erlösung? Haben wir in dem Moment, wo wir durch den Glauben teilhaben am Heil in Christus, auch schon unmittelbar Teil an der Erlösung von allen Folgen der Sünde? Ist deshalb die Befreiung von jeder Krankheit ein verbrieftes Anrecht jedes Gläubigen, wie es die Vergebung der Sünden ist, oder besteht hier ein Unterschied?
Gottes Erlösungsplan für Geist, Seele und Leib
Die grundlegende Belehrung über das Erlösungswerk Jesu Christi finden wir im Römerbrief, und hier erhalten wir auch einige wichtige Antworten auf unsere Frage. Wir erkennen, daß Gott in Seinem Erlösungshandeln am Menschen einen Unterschied macht zwischen Geist, Seele und Leib des Menschen (vgl. dazu auch 1Thess 5,23; Hebr 4,12; Jak 2,26; 1Kor 2,11; 5,5; 2Kor 7,1; 1Kor 7,34).
Zunächst geschieht das Erlösungshandeln Gottes in Christus am Geist des Menschen, der lebendig gemacht wird durch die Innewohnung des Heiligen Geistes (vgl. Röm 8,9-11; 1Pt 3,18). Der Geist des Gläubigen hat also sofort Anteil an der Errettung; nach dem leiblichen Tod kommt er in die Gemeinschaft mit Gott (Hebr 12,23; Apg 7,59). Auf die Rolle der Seele, die im Wort Gottes teilweise mit dem Geist einsgesetzt, teilweise gesondert behandelt wird, können wir in der hier notwendigen Kürze nicht eingehen.
Was geschieht mit dem Leib des Erlösten? Wird er auch im Augenblick der Wiedergeburt erlöst, verwandelt, lebendig gemacht? Hier bezeugt uns die Schrift ganz eindeutig, daß dies nicht der Fall ist! »Der Leib ist tot der Sünde wegen«, er ist ein »Leib der Sünde« (Röm 6,6), in dem noch böse, sündige Begierden sind (Röm 6,12), sündhafte Handlungen des Leibes (Röm 8,13), die wir töten sollen (vgl. auch Kol 3,5f.).
Der Leib der Sünde steht in enger Beziehung zu dem Schlüsselbegriff »Fleisch«, der die sündige Natur des Menschen als gefallenes Geschöpf kennzeichnet. Das zeigt sich insbesondere in Kol 2,11, wo Paulus vom »fleischlichen Leib der Sünden« spricht. Dieser Leib der Sünde, das Fleisch mit seinen innewohnenden Begierden (Röm 7,17-24; Röm 7,5; Gal 5,24; 1Joh 2,16 u. a.) ist nach Gottes Willen nicht miterlöst, sondern dem Tod verfallen; er ist ein »Todesleib« (Röm 7,24), ein sterblicher Leib (Röm 8,11), der unter dem Beschluß Gottes steht, »daß Fleisch und Blut das Reich Gottes nicht erben können« (1Kor 15,50).
So kommt es, daß alle Christen bis auf die letzte Generation, die die Wiederkunft des Herrn miterlebt, dem Leibe nach sterben müssen – obwohl die Schrift ja bezeugt, daß Jesus Christus den Tod am Kreuz bereits besiegt hat: »… der dem Tod die Macht genommen hat und Leben und Unvergänglichkeit ans Licht gebracht hat …« (2Tim 1,10; vgl. Hebr 2,14).
Die zukünftige Hoffnung auf die Erlösung des Leibes
Das, was an uns noch aus der alten Natur, vom ersten Adam ist, muß sterben (vgl. 1Kor 15,22). Unsere Erlösung ist daher in dieser Welt noch nicht vollkommen; als Gläubige haben wir durch den innewohnenden Geist erst ein Angeld, ein Unterpfand der kommenden völligen Erlösung (Eph 1,14; Eph 4,30). Im Römerbrief zeigt uns Paulus dieses Spannungsfeld zwischen der völligen Erlösung in Christus und der schrittweisen Auswirkung dieser Erlösung beim Gläubigen:
Denn ich bin überzeugt, daß die Leiden der jetzigen Zeit nicht ins Gewicht fallen gegenüber der Herrlichkeit, die an uns geoffenbart werden soll. Denn die gespannte Erwartung der Schöpfung sehnt die Offenbarung der Söhne Gottes herbei. Die Schöpfung ist nämlich der Vergänglichkeit unterworfen, nicht freiwillig, sondern durch den, der sie unterworfen hat, auf Hoffnung hin, daß auch die Schöpfung selbst befreit werden soll von der Knechtschaft der Sterblichkeit [od. des Verderbens] zur Freiheit der Herrlichkeit der Kinder Gottes.
Denn wir wissen, daß die ganze Schöpfung mitseufzt und mit in Wehen liegt bis jetzt; und nicht nur sie, sondern auch wir selbst, die wir die Erstlingsgabe des Geistes haben, auch wir erwarten seufzend die Sohnesstellung, die Erlösung unseres Leibes. Denn auf Hoffnung hin sind wir errettet worden. Eine Hoffnung aber, die man sieht, ist keine Hoffnung; denn warum hofft auch jemand auf das, was er sieht? Wenn wir aber auf das hoffen, was wir nicht sehen, so erwarten wir es mit standhaftem Ausharren. (Römer 8,18-25)
Hier bezeugt Paulus, daß der letzte, endgültige Schritt der Errettung und Erlösung der Christen noch zukünftig ist, eine Sache der Hoffnung und des Ausharrens: die Erlösung des Leibes. Sie geschieht erst, wenn der Herr Jesus Christus für Seine Gemeinde wiederkommt. Die Toten in Christus werden auferweckt und ihre sterblichen Leiber lebendig gemacht, d. h. verwandelt in unsterbliche Auferstehungsleiber, geistliche Leiber, die Anteil haben an der Herrlichkeit des auferstandenen Christus; die noch lebenden Gläubigen werden ebenfalls verwandelt (vgl. Röm 8,11; 1Kor 15,20-26; 35-58). So sagt es auch der Apostel Johannes:
Geliebte, wir sind jetzt Kinder Gottes, und noch ist nicht offenbar geworden, was wir sein werden; wir wissen aber, daß wir ihm gleichgestaltet sein werden, wenn er offenbar werden wird; denn wir werden ihn sehen, wie er ist. (1Joh 3,2)
Auch in Kolosser 3,1-4 finden wir dieselbe Wahrheit in bezug auf unsere Stellung als Erlöste, deren wahres, herrliches, göttliches Leben noch verborgen ist mit dem Christus in Gott: »Wenn der Christus, unser Leben, offenbar werden wird, dann werdet auch ihr mit ihm offenbar werden in Herrlichkeit« (V. 4). Dann wird uns weder Sünde, Krankheit noch Tod mehr anhaften; das Errettungswerk Jesu Christi an uns wird dann seine Vollendung finden. Das ist auch der Grund, weshalb die Errettung, die doch in einem Sinn dem Gotteskind mit seiner Wiedergeburt bereits gegeben ist (vgl. u. a. Eph 2,8), zugleich als etwas Zukünftiges bezeichnet wird, das erst bei der Wiederkunft des Christus geschieht (u. a. 1Pt 1,3-5).
b. Krankheit und Krankenheilung in der Heilszeit der Gemeinde
In der Zeit ihres Erdenlebens stehen die Gläubigen in Christus in einem Spannungsverhältnis, was ihre Leiblichkeit und die Frage der Krankheit betrifft. Auf der einen Seite sind sie Glieder am Leib Christi, eine neue Schöpfung (2Kor 5,17; Gal 6,15), errettet von der Macht der Sünde, gerecht gemacht in Christus. Auf der anderen Seite tragen sie diesen Schatz in irdenen Gefäßen, »damit die überragende Kraft von Gott sei und nicht von uns« (2Kor 4,7). Paulus, der von sich selbst bekennt: »Ich bin mit Christus gekreuzigt; und nun lebe ich, aber nicht mehr ich [selbst], sondern Christus lebt in mir«, bezeugt von sich dennoch, daß er noch »im Fleisch«, d. h. in einem sterblichen, unerlösten Leib lebt: »was ich aber jetzt im Fleisch lebe, das lebe ich im Glauben …« (Gal 2,20).
Ein lebendiger Geist in einem todgeweihten Leib
Der Leib eines Gläubigen ist noch ein sterblicher Leib; er gehört zum Erbe Adams und ist als Leib der Sünde dem Tod geweiht. Er ist daher auch nicht von Krankheiten verschont. Die Tatsache, daß er ein Tempel des Heiligen Geistes ist, bewahrt ihn nicht vor dem Zerfall im Tod, auch nicht vor der Schwächung und dem Verschleiß in Krankheiten, wie schwärmerische Christen immer wieder annehmen. Nicht in erster Linie Gesundheit, sondern Geisteszucht und ein heiliger Gebrauch des Leibes verherrlicht seinen Erlöser und kennzeichnet ihn als Tempel (vgl. 1Kor 6,11-20).
Die innewohnende Auferstehungskraft des Geistes ist den Christen nicht gegeben, um der Welt ein Vorbild völliger Gesundheit zu geben, sondern um mit dem Leib Gutes zu tun und die Heiligkeit und Gerechtigkeit Gottes zu bezeugen. Deshalb redet Paulus auch von den irdenen Gefäßen, die im Gegensatz zum herrlichen Inhalt zerbrechlich und vergänglich sind: »Wenn auch unser äußerer Mensch zugrundegeht, so wird doch der innere Tag für Tag erneuert« (2Kor 4,16). Unser Leib soll Christus verherrlichen, aber er hat noch keine eigene Herrlichkeit; oft werden wir so geführt, den Herrn durch die Schwachheiten und Krankheiten unseres Leibes hindurch zu verherrlichen, wie es auch Paulus erfahren hat: »Denn meine Kraft wird in der Schwachheit vollkommen!« (2Kor 12,9).
Allerdings hat die Krankheit beim Christen einen anderen Charakter als bei einem unerlösten Sünder. Ist sie bei jenem ein Mahnzeichen des Gerichts über die Sünde, eine Vorschattung des Todes und ewigen Verderbens, so ist ihr beim Gläubigen, der ja mit Gott versöhnt und nicht mehr unter dem Zorn ist (Joh 3,36; Röm 5,9-10), dieser Gerichtscharakter genommen. Die Krankheit der neutestamentlichen Gläubigen dient zum einen zur väterlichen Züchtigung, wo Christen in Sünde leben (vgl. Hebr 12,4-11; 1Kor 11,28-32), zum anderen kann sie, wie andere Leiden und Bedrängnisse, der erzieherischen Zubereitung und Läuterung des Gläubigen dienen, ohne daß konkrete Sünden vorliegen müssen (vgl. Röm 8,17-18; 2Kor 4,7-18; 2Kor 12,7-10; Jak 1,2-4; Jak 5,10-16; 1Pt 1,6-9; 1Pt 4,1-3; 1Pt 5,6-6).
Die Bedeutung von Jakobus 5 für die Krankenheilung in der Gemeinde
Dennoch will Gott sich über die Leiden Seiner Kinder immer wieder erbarmen. Er weiß, was für ein Gebilde wir sind:
Wie sich ein Vater über Kinder erbarmt, so erbarmt sich der HERR über die, welche ihn fürchten; denn er weiß, was für ein Gebilde wir sind; er denkt daran, daß wir Staub sind. Die Tage des Menschen sind wie Gras; er blüht wie eine Blume auf dem Feld; wenn ein Wind darübergeht, so ist sie nicht mehr da, und ihre Stätte kennt sie nicht mehr. Aber die Gnade des HERRN währt von Ewigkeit zu Ewigkeit über denen, die ihn fürchten, und seine Gerechtigkeit bis zu den Kindeskindern bei denen, die seinen Bund bewahren und an seine Gebote gedenken, um sie zu tun. (Ps 103,13-18)
Es gefällt unserem Gott wohl, in vielen Fällen die zeitlichen körperlichen Leiden der Seinen zu lindern oder ganz wegzunehmen, wenn ihr erzieherischer Zweck erfüllt ist. Davon redet im besondere der Jakobusbrief, und er zieht nicht umsonst die Leiden des Hiob als ein Vorbild für uns heran, bevor er von körperlicher Heilung spricht.
Siehe, wir preisen die glückselig, welche standhaft ausharren! Von Hiobs standhaftem Ausharren habt ihr gehört, und ihr habt das Ende gesehen, das der Herr [für ihn] bereitet hat; denn der Herr ist voll Mitleid und Erbarmen. (Jak 5,11)
Die wichtigste Aussage über Krankheit und Krankenheilung in der Gemeinde finden wir dann in Jakobus 5,14-16:
14 Ist jemand von euch krank? Er soll die Ältesten der Gemeinde zu sich rufen lassen; und sie sollen für ihn beten und ihn dabei mit Öl salben im Namen des Herrn.
15 Und das Gebet des Glaubens wird den Kranken retten, und der Herr wird ihn aufrichten; und wenn er Sünden begangen hat, so wird ihm vergeben werden.
16 Bekennt einander die Übertretungen und betet füreinander, damit ihr geheilt werdet! Das Gebet eines Gerechten vermag viel, wenn es ernstlich ist.
Im Vers 14 geht der Heilige Geist ganz selbstverständlich davon aus, daß es Krankheit unter Gläubigen geben kann und gibt. Sie wird als erzieherisches Handeln Gottes ganz einfach hingenommen, und es werden Ratschläge erteilt, wie der kranke Christ sich verhalten soll. Jakobus behandelt hauptsächlich den Fall, daß die Krankheit eine Züchtigung für begangene Sünden ist, aber er schließt auch die Prüfungsleiden mit ein.
Zunächst wird deutlich, daß Krankheit keine Privatangelegenheit des einzelnen Christen ist; wir sind alle ein Leib, und »wenn ein Glied leidet, so leiden alle Glieder mit« (1Kor 12,26). Wenn ein Gläubiger krank wird, so sollte die Gemeinde mit tragen und helfen. Wenn die Ursache der Krankheit Sünde war, so muß die Sünde bereinigt werden. Dabei soll jedoch die Initiative vom Kranken ausgehen; er muß an dem Punkt sein, wo er seine Krankheit als Züchtigung für bestimmte Sünden erkannt hat. Daß er sie den Ältesten bekennen soll, geht aus dem Zusammenhang indirekt hervor.
Wenn kein Zusammenhang zu Sünden erkennbar ist, darf der leidende Gläubige sicherlich ebenfalls den priesterlichen Beistand der Ältesten suchen; im Leib des Christus sind wir berufen, die Lasten des anderen zu tragen und ihm in allen Anfechtungen und Bedrängnissen liebend beizustehen. Deshalb heißt es: »und wenn er Sünden begangen hat, so wird ihm vergeben werden«. Das ist also nicht notwendigerweise die Voraussetzung für ein Gebet der Ältesten.
Es ist bedeutsam, daß nirgends die »Gnadengaben der Heilungen« erwähnt werden, die zur Zeit der Abfassung des Jakobusbriefes sicherlich noch wirksam waren. Gott hat diese vorübergehende Zeichengabe nicht zur Heilung von Gläubigen gegeben, denn Zeichen sind ja für die Ungläubigen, nicht für die Gläubigen (1Kor 14,22). Sein Weg für die Gemeinde ist die priesterliche Fürbitte unter Gläubigen, verbunden mit einer zeichenhaften Handlung, dem Salben mit Öl im Namen des Herrn (nicht aber mit Handauflegung!).[2]
Was verheißt das Wort Gottes nun als Frucht dieser Fürbitte? »Und das Gebet des Glaubens wird den Kranken retten.« Zunächst wird das Gebet der Ältesten dann als wirksam bezeichnet, wenn diese geistlich gereiften Brüder nach Sündenbekenntnis oder Aussprache zu der inneren Glaubensüberzeugung kommen, daß es der Wille Gottes ist, hier zu heilen, bzw. zu helfen. Das muß je nach seelsorgerlicher Lage durchaus nicht immer der Fall sein! Doch für diesen Fall gilt das Wort: »Und das ist die Freimütigkeit, die wir ihm gegenüber haben, daß er uns hört, wenn wir seinem Willen gemäß um etwas bitten« (1Joh 5,14).
Die Wirkung des geistgeleiteten Glaubensgebetes wird sein, daß der Kranke »gerettet« wird. Das bedeutet in diesem Zusammenhang in erster Linie, daß er körperliche Heilung erfahren wird, obgleich das Wort auch von der ewigen Errettung und dem Herausführen aus Nöten verwendet wird. »Der Herr wird ihn aufrichten« – das kann sich auf körperliche Heilung oder auch innere Stärkung beziehen. Der nächste Satz »und wenn er Sünden begangen hat, so wird ihm vergeben werden« zeigt, daß dies nicht in jedem Fall die Ursache von Krankheiten bei Gläubigen sein muß.
Durch V. 16 wird der priesterliche Dienst der Fürbitte und Seelsorge auch über die Ältesten hinaus auf die Glieder des Leibes ausgeweitet; nicht immer kann der Dienst von Ältesten in Anspruch genommen werden, wohl aber der Beistand und die Fürbitte von Glaubensgeschwistern. Solcher Gebetsdienst und solche seelsorgerliche Begleitung von Kranken und Leidenden ist eine sehr wichtige Aufgabe jeder Gemeinde, und auch für Ihr Gebet gilt die Verheißung: „Das Gebet eines Gerechten vermag viel, wenn es ernstlich ist“ (Jak 5,16b).
c. Zum rechten Umgang mit der Krankheit im Glaubensleben des Christen
Wir dürfen den weisen Ratschluß Gottes darin erkennen, daß der sterbliche, von der Sünde verderbte Leib des Menschen nicht sofort Anteil an der völligen Erlösung in Christus hat. Obwohl der Herr Jesus am Kreuz mit der Sünde grundsätzlich auch Krankheit und Tod hinweggenommen und besiegt hat, ist der Leib des Gläubigen nicht von Krankheit und Tod befreit, solange die letzte Stufe des Erlösungswerkes Jesu Christi, die Auferstehung derer, die Ihm angehören, bei Seiner Wiederkunft, noch nicht verwirklicht wurde.
Das mag eine Erinnerung an die Tatsache sein, daß wir hier Fremdlinge auf Erden sind, die sehnsüchtig auf ihre völlige Erlösung warten sollen – und oft allzu sehr am Irdischen, Vergänglichen hängen. Es mag Ausdruck dessen sein, daß Gottes Gericht über das sündige Fleisch, den Leib der Sünde durch die Errettung von Geist und Seele nicht aufgehoben ist; auch der Leib des Christen ist dem Verderben ausgesetzt und wird nicht erneuert, sondern durch einen geistlichen Leib ersetzt.
Es ist in jedem Fall Ausdruck der Tatsache, daß die Gläubigen in Christus nicht in erster Linie äußerliche Segnungen, Wohlbefinden und ein gutes Leben auf Erden von Gott empfangen, wie die gläubigen Israeliten, sondern geistliche, innerliche, himmlische Segnungen, die unendlich viel kostbarer und höher sind als jene. So gefiel es Gott, sich an Israel durch die Verheißung völliger Leibesgesundheit zu verherrlichen, während Er Seinen Kindern den Stachel der Krankheit in diesem Leben nicht erspart hat und sich an ihnen durch innere Kraft, gelebte Liebe und Heiligkeit verherrlichen will.
Mit Recht sagt Henry W. Frost dazu:
Ist nicht das Ertragen körperlicher Anfechtung, wenn es nötig ist, die Aufrechterhaltung unserer hohen Stellung als Christen, die beweist, daß wir schwach sein können und doch stark, daß wir Leid tragen und dennoch uns freuen können, daß wir gezüchtigt werden können und doch dies nicht mißverstehen, daß wir leiden und dennoch preisen können?“.
Heilung von Krankheiten ist also, wie wir gesehen haben, nicht das automatische Recht von Christen; wir können sie nicht einfach »im Glauben beanspruchen«, sondern wir sollen sie von unserem Vater erbitten, in der Zuversicht, daß Er für uns das Gute will und uns gerne hilft, aber auch in Demut und Gottesfurcht und dem Wissen, daß uns »alle Dinge«, auch die Bedrängnisse und Nöte, zum Guten mitwirken, wenn wir Ihn lieben (Röm 8,28).
Gott mag in Seiner Souveränität zu manchem sprechen wie zu Paulus: »Laß dir an meiner Gnade genügen, denn meine Kraft wird in der Schwachheit vollkommen!« (2Kor 12,9). Dann gilt es, die Ratschläge zu beherzigen, die uns Gott durch den Apostel Petrus gibt:
So demütigt euch nun unter die gewaltige Hand Gottes, damit er euch erhöhe zu seiner Zeit! Alle eure Sorge werft auf ihn; denn er sorgt für euch. (1Pt 5,6-7)
Dann werdet ihr euch jubelnd freuen, die ihr jetzt eine kurze Zeit, wenn es sein muß, traurig seid in mancherlei Anfechtungen, damit die Bewährung eures Glaubens (der viel kostbarer ist als das vergängliche Gold, das doch durchs Feuer erprobt wird) Lob, Ehre und Herrlichkeit zur Folge habe bei der Offenbarung Jesu Christi. Ihn liebt ihr, obgleich ihr ihn nicht gesehen habt; an ihn glaubt ihr, obgleich ihr ihn jetzt nicht seht, und über ihn werdet ihr euch jubelnd freuen mit unaussprechlicher und herrlicher Freude, wenn ihr das Endziel eures Glaubens davontragt, die Errettung der Seelen! (1Pt 1,6-9)
So mag es durchaus sein, daß Gott uns eine Krankheit erleiden läßt, damit wir ganz besondere Lektionen in Seiner väterlichen Schule lernen oder Segnungen empfangen, die uns in einer Phase der Gesundheit und normalen Aktivität entgangen wären. Die Krankheit legt uns ja still und zwingt uns, unsere manchmal getriebenen, oberflächlichen Aktivitäten einzuschränken oder gar einzustellen.
Viele Krankheiten werfen uns in ganz anderer Weise unmittelbar auf Gott und veranlassen uns, Ihn in besonderer Weise zu suchen und uns selbst zu überprüfen. So tadelt Jakobus auch nicht irgendwelchen Unglauben, wenn er auf das Vorhandensein von Krankheit im Leben eines Gläubigen zu sprechen kommt, und tut nicht so, als sei das ein ungewöhnlicher Ausnahmefall. Krankheit kann vorkommen im Leben eines Gläubigen, und er soll dann zum Gebet seine Zuflucht nehmen, und nötigenfalls auch die Fürbitte der Ältesten suchen (vgl. Jak 5,14-16).
Henry Frost, der spätere Leiter der China-Inland-Mission und Mitarbeiter Hudson Taylors, bezeugt in seinem Buch Miraculous Healing:
Herr Taylor sagte mir einmal, daß seine größten geistlichen Segnungen im Zusammenhang mit verschiedenen Krankheiten zu ihm kamen (…) Und, wenn es mir erlaubt ist, auf meine eigene Erfahrung in dieser Hinsicht zu sprechen zu kommen, möchte ich die Tatsache bezeugen, daß die tiefsten, die kostbarsten und die dauerhaftesten geistlichen Lektionen, die Gott mich nach Seinem Wohlgefallen lehrte, infolge und während meiner verschiedenen Krankheitserfahrungen gelernt wurden. Letzteres trifft besonders zu im Hinblick auf das Gebetsleben, das Leben des Lobes, das Leben in Abhängigkeit von Gott und das Leben, das sich entscheidet, nicht für das Sichtbare zu leben, sondern für das Unsichtbare, nicht für das Zeitliche, sondern für das Ewige.
An anderer Stelle sagt Frost:
Für mich ist es eine gesegnete Erfahrung, wenn eine Krankheit eingetreten ist, nicht zuerst den Arzt aufzusuchen, sondern vielmehr Gott, indem ich mich Ihm ganz zur Verfügung stelle, entweder zur Krankheit oder zur Gesundheit. Ich will erfragen, was Er von mir möchte, wenn ich Heilung suche und Ihn zu bitten, wenn die Umstände dies nahelegen, daß Er mich wunderbar heilen möge und, wenn eine solche Heilung nicht eintritt, seinen Willen in bezug auf andere Arten von Heilung zu erkennen, und schließlich, darin Seinen Willen anzunehmen, was immer er sein mag, nicht bloß in Form von Ergebung, sondern auch im Vertrauen und im Lob.
Heilung und Heiligung des Leibes
Was jeder Gläubige, der Heilung sucht, sorgsam beachten sollte, ist der im Wort geoffenbarte Wille Gottes für unseren Leib.
Der Leib aber ist nicht für die Unzucht, sondern für den Herrn, und der Herr für den Leib. (…) Wißt ihr nicht, daß eure Leiber Glieder des Christus sind? (…) Oder wißt ihr nicht, daß euer Leib ein Tempel des in euch wohnenden Heiligen Geistes ist, den ihr von Gott empfangen habt, und daß ihr nicht euch selbst gehört? Denn ihr seid teuer erkauft; darum verherrlicht Gott in eurem Leib und in eurem Geist, die Gott gehören! (1Kor 6,13-20)
Ich ermahne euch nun, ihr Brüder, angesichts der Barmherzigkeit Gottes, daß ihr eure Leiber darbringt als ein lebendiges, heiliges, Gott wohlgefälliges Opfer: das sei euer vernünftiger Gottesdienst! (Röm 12,1)
So soll nun die Sünde nicht herrschen in eurem sterblichen Leib, damit ihr [der Sünde] nicht durch die Begierden [des Leibes] gehorcht; gebt auch nicht eure Glieder der Sünde hin als Werkzeuge der Ungerechtigkeit, sondern gebt euch selbst Gott hin als solche, die lebendig geworden sind aus den Toten, und eure Glieder Gott als Werkzeuge der Gerechtigkeit! (Röm 6,12-13)
Kein Gläubiger, der krank geworden ist, braucht dies automatisch auf Sünden zurückzuführen oder sich dadurch unter falsche Selbstanklage oder Verdammnis bringen zu lassen. Dennoch gehört zum geistlichen Umgang mit Krankheit sicherlich die aufrichtige Selbstprüfung vor Gott: Wo habe ich meinen Leib entheiligt und mißbraucht für eigensüchtige Genußbefriedigung oder gar für offene Sünde? Habe ich mich so verhalten, als ob ich mir selbst gehörte? Habe ich meinen Leib als Werkzeug der Ungerechtigkeit zur Verfügung gestellt? Bin ich mir bewußt gewesen, daß auch meine Augen, meine Ohren und meine Zunge in dieses Gebot der Hingabe und Heiligung eingeschlossen sind?
Solche Selbstprüfung ist der Wille Gottes für uns (vgl. 1Kor 11,31), und eine klare, aufrichtige Buße über alle bewußt gewordenen Sünden ist in jedem Fall sehr heilsam für uns, ob nun Gott als Antwort die Krankheit wegnimmt oder nicht. Im Letzten will uns der Vater durch jedes Krankheitsleiden tiefer in die Hingabe und Heiligung führen und die Umgestaltung in das Bild Jesu Christi fördern; Schritte der tieferen Hingabe und Heiligung sind daher die beste Antwort auf Gottes Erziehungshandeln an uns.
Das Beispiel des Epaphroditus
Die geistliche Haltung zur Krankheit kommt besonders in einem biblischen Beispiel von Krankheit und Krankenheilung zum Ausdruck: bei Epaphroditus, dem Abgesandten der Gemeinde zu Philippi, der dem Paulus beistand und dabei schwer krank wurde. Über ihn schreibt Paulus: »Er war auch wirklich todkrank; aber Gott hat sich über ihn erbarmt, und nicht nur über ihn, sondern auch über mich, damit ich nicht eine Betrübnis um die andere hätte« (Phil 2,27).
Wir müssen bei Epaphroditus, den Paulus voll Liebe seinen Mitstreiter nennt, keine unbereinigten Sünden als Ursache der Krankheit vermuten; Paulus bezeugt ihm, daß er um des Werkes Christi willen dem Tode nahe kam (Phil 2,30). Und dennoch ist seine Heilung für Paulus keine Selbstverständlichkeit. Er berichtet nicht: »Ich legte ihm die Hände auf, und er war gesund.« Er sagt auch nicht, daß Epaphroditus in einen »Heilungsgottesdienst« der Gemeinde zu Rom gegangen wäre, wo er durch ein »Wort der Erkenntnis« oder einen Bruder mit Heilungsgaben gesund geworden sei.
In keiner Weise gibt Paulus zu verstehen, daß Heilung von Krankheiten für solch einen bewährten, hingegebenen Christen eine Selbstverständlichkeit sei. »Gott hat sich über ihn erbarmt« – in diesen Worten schwingt die Gottesfurcht, die innere Beugung vor dem souveränen Ratschluß Gottes mit, auch eine feine Andeutung, daß er selbst wie Epaphroditus in dieser Not gewiß das Angesicht Gottes im Gebet gesucht hat.
Aber es war die Gnade Gottes, die den Kranken gesunden ließ, nicht ein angebliches »Recht auf Heilung«. So verweist Paulus seinen kranken Mitarbeiter Timotheus ohne Scheu auf das natürliche Heilmittel Wein, was manche schwarmgeistig beeinflußten Christen heute empört ablehnen würden; er, durch dessen Hände einst an Ungläubigen (!) »außergewöhnliche Wunderwerke« geschehen waren, muß seinen Mitarbeiter Trophimus krank in Milet zurücklassen (2Tim 4,20).
Die richtige geistliche Haltung im Streben nach Heilung
Auch wenn die Krankheit ein göttliches Erziehungsmittel ist, das der Gläubige aus der Hand des Vaters annehmen soll, ist damit nicht eine fatalistische Ergebung in die Krankheit eingeschlossen. Jeder Gläubige kann auf den erzieherischen Anruf Gottes mit Buße und Hingabe antworten und dann auch Heilung von der Krankheit erbitten, und er sollte das auch tun. Wenn Sünden die Ursache der göttlichen Erziehungsmaßnahme sind, dann ist aufrichtige Umkehr und Bekenntnis der Vergehungen unerläßlich für göttliche Heilung.
Auch bei Zubereitungsleiden dürfen wir Gott in einer Haltung der Ergebenheit in Seinen Willen um Heilung bitten (vgl. Paulus in 2Kor 12,8). In gewissen Fällen kann einer Krankheit auch ein satanischer Angriff zur Verhinderung des Dienstes eines Christen zugrundeliegen; dann dürfen wir im Glauben widerstehen und den Sieg Jesu Christi ergreifen (vgl. 1Pt 5,8-9; Jak 4,7-8).
Die Schrift bezeugt uns, daß Gott auf gläubiges Gebet und Buße hin übernatürlich eingreifen und Heilung von aller Art von Krankheit schenken kann. Aber für schwarmgeistige Überzogenheiten wie ein angebliches automatisches Anrecht auf Gesundheit für jeden Christen, der nur richtig »glaubt«, finden wir im Wort Gottes keine Grundlage. Es mag sein, daß Gott in Seiner Souveränität, Weisheit und väterlichen Liebe sich entscheidet, unsere Gebete nicht mit Heilung zu beantworten, oder doch nicht so rasch, wie wir es uns wünschen. Und auch dann sollten wir Ihm dankbar sein, Ihn preisen und an Seiner Güte festhalten.
Unsere Haltung zur modernen Medizin
Dasselbe gilt für die Geringschätzung von Ärzten und den Ausschluß von medizinischer Behandlung bei Krankheiten. Das ist eine gefährliche schwärmerische Verirrung. Als Kinder Gottes sollten wir auf der einen Seite nüchtern die Begrenzungen der modernen Medizin sehen und unser Vertrauen nie auf die Medizin oder den Arzt als „Heiler“ setzen, sondern auf unseren Gott, der in jedem Fall unser Arzt ist (2Mo 15,26). Bei Ihm allein steht letztlich die Macht, zu heilen, auch wenn Er dabei Ärzte immer wieder gebraucht.
Wir dürfen auch deshalb nüchtern und wachsam sein und nicht blind den Ärzten vertrauen, weil die weltliche Medizin in manchem auch heidnische, von der humanistischen Ideologie geprägte Züge trägt und Teil dieses Weltsystems ist. Manchmal ist es durchaus sinnvoll, auf wirklich nicht-esoterische Naturheilverfahren zu setzen statt auf die moderne Chemie- und Apparatemedizin. Manche modernen medizinischen Heilverfahren sind aus christlicher Sicht bedenklich und abzulehnen; dazu gehört für viele Gläubige die Organtransplantation.
Je weiter wir in der Endzeit kommen, desto fragwürdiger wird die Verflechtung vieler Bereiche der Medizin mit den großen Pharmakonzernen, wie u.a. die Auseinandersetzung um die Corona-Impfstoffe gezeigt hat. Gläubige Christen müssen genau prüfen, in welchen Fällen sie sich den „wissenschaftlichen Erkenntnissen“ der modernen Medizin anvertrauen sollen. Natürlich müssen sie genauso wachsam sein in bezug auf die vielen esoterischen Heilverfahren, die mit magischen „kosmischen Kräften“ und Aberglauben operieren (Akupunktur, Homöopathie, Bachblüten usw.).
Auf der anderen Seite gibt es viele Errungenschaften der Medizin, die wir als Gläubige dankbar aus der Hand Gottes annehmen dürfen, wie etwa die Erfindung der Antibiotika oder manche Fortschritte in der Diagnostik, in der Chirurgie oder Orthopädie. Selbst charismatische „Heiler“ greifen bei Kurzsichtigkeit auf Brillen zurück, kaum jemand wird einen Knochenbruch ohne ärztliche Behandlung lassen, und nur wenige Frauen werden einen Notkaiserschnitt verweigern.
In manchen Fällen sind Krankheiten einfach auch Folge eines verkehrten, sündigen Lebensstils, etwa des Konsums von Alkohol oder andren Drogen, des Rauchens oder des übermäßigen Essens. Ein bewußter Christ wird seinen Leib einerseits gegenüber zerstörerischen Begierden im Zaum halten und ihn andererseits vernünftig pflegen, damit er als Werkzeug Gottes und Tempel des Heiligen Geistes gut funktioniert. Das schließt oftmals auch ein gewisses Maß an Bewegung (Schwimmen, Wandern) ein, auf jeden Fall auch eine gesunde Ernährung und ausreichende Versorgung mit Vitaminen und Mineralstoffen.
Christen dürfen guten Gewissens ärztliche Hilfe in Anspruch nehmen
Dort, wo Gott Christen durch Krankheiten erzieht, verbietet Er ihnen nicht, ärztliche Hilfe zu suchen und auf eine Gesundung mit medizinischen Mitteln hinzuwirken. Niemand braucht besorgt zu sein, daß damit den erzieherischen Absichten Gottes widerstanden werde, wie dies manche Schwärmer spöttisch behaupten. Erst recht ist es eine üble Irreführung, wenn die Inanspruchnahme von Medikamenten oder ärztlicher Hilfe als sündhafter Unglaube gebrandmarkt wird.
Die ohnehin begrenzten Möglichkeiten der Medizin sind in Gottes Vorsehung und Wegplanung bereits einbegriffen; gerade auch in der medizinischen Behandlung weiß sich das Gotteskind immer von der Gnade und dem Wirken Gottes abhängig. Wie könnte es sich gegen den Willen des Vaters Gesundheit ertrotzen?
Wenn manche Gläubige aus aufrichtigen Motiven in bestimmten Situationen auf die Hilfe von Ärzten verzichten wollen, so ist das eine Angelegenheit persönlicher Gewissensführung, die sie nur vor ihrem Herrn verantworten; in dem Moment aber, wo sie diese Haltung selbstgerecht als den besseren oder einzig richtigen Weg propagieren oder gar anderen vorschreiben wollen, ist die Grenze zum Schwärmertum überschritten. Das gilt erst recht, wenn, wie es immer wieder vorkam, verblendete Eltern ihren Kindern dringend nötige ärztliche Hilfe verweigert haben und sie einem elenden Tod ausgeliefert haben.
Ja, es gibt auch heute wunderbare Heilung durch Gott aufgrund von Glaubensgebeten. Gott kann selbst schwerste Krankheiten in souveräner Krafterweisung heilen; nichts ist Ihm unmöglich! Aber wir müssen uns hüten, daraus ein Gesetz, eine unbeschränkte Garantie für Heilung zu machen, die mit der Münze »Glauben« jederzeit eingelöst werden könnte. Der Herr selbst entscheidet in Seiner Weisheit und Souveränität, ob und wann Er in diesem Heilszeitalter den Seinen Heilung von Krankheiten gewährt oder nicht.
Auch das »Wie« der Heilung darf nicht dogmatisch vorgeschrieben werden; Gott heilt manchen durch übernatürliche Wunder, andere durch Medikamente und Ärzte, und jeder Gläubige muß sich im Glauben seines Weges gewiß sein, auf dem er Heilung sucht. In jedem Fall soll er sie bei Gott suchen und von Ihm erwarten – was die Zuflucht zu gottwidrigen, okkult beeinflußten Heilungsmethoden und »Heilern« eindeutig ausschließt.
Der Rat des erfahrenen Missionsleiters Henry Frost scheint mir wertvolle Hinweise für unser Vorgehen als Christen zu geben:
Wenn der Gläubige Heilung sucht, sollte er die Art der Krankheit beachten, von der er betroffen ist. Wenn diese ganz im Bereich der Möglichkeiten für menschliche Hilfe liegt, wäre es – abgesehen von besonderen anderslautenden Führungen – nicht recht, das beiseitezusetzen, was Gott in Seiner Gnade zur Verfügung gestellt hat, und deshalb sollte man sich an einen Arzt wenden. Wenn sie keine ärztliche Hilfe erfordert und Ruhe und Veränderung im Lebensablauf genügt, dann wäre es wiederum nicht recht, diese von Gott festgesetzten Hilfsmittel beiseitezusetzen, und man sollte eine Wiederherstellung durch Ruhe zuhause suchen, durch Freiluftübungen, durch eine Reise in die Berge oder ans Meer usw.
Wenn die Krankheit aber so geartet ist, daß alle Hilfsmittel versagen, dann darf man Gott anrufen, daß Er tun möge, was der Mensch und natürliche Vorgänge nicht bewirken konnten und können. Bei allen drei Vorgehensweisen sollte man Gebet und Glauben einsetzen, weil es Gott ist, der heilt, ganz gleich, ob Hilfsmittel benutzt werden oder nicht. (…) Dabei sollte der Gläubige immer dem Willen Gottes ergeben bleiben, was immer das bedeuten mag. Zugleich darf er sicher sein, daß er einen Vater im Himmel hat, der sehr barmherzig und voller Mitgefühl ist, der nicht willkürlich Leid zufügt, sondern viel williger ist, Seinen Kindern gute Gaben zu geben, als es irdische Eltern mit ihren Kindern sind.
Wir können also sagen: In allen Situationen, sei es durch die Heilung oder durch das geduldige und geistgewirkte Ertragen von Krankheiten, sollen wir danach streben, Gott zu verherrlichen und Ihm zur Ehre zu leben, der uns ein ewiges, unverwelkliches Heil geschenkt hat – „damit in allem Gott verherrlicht wird durch Jesus Christus. Ihm sei die Herrlichkeit und die Macht von Ewigkeit zu Ewigkeit! Amen“ (1Pt 4,11b).
Denn ihr seid teuer erkauft; darum verherrlicht Gott in eurem Leib und in eurem Geist, die Gott gehören! (1Kor 6,20)
… wenn er aber als Christ leidet, so soll er sich nicht schämen, sondern er soll Gott verherrlichen in dieser Sache! (1Pt 4,16)
[1] »Krankheit« steht bei Luther, Zürcher, Schlachter, Einheitsübersetzung. Menge 1926, revidierte und nichtrevidierte Elberfelder haben »Leiden«. Die »King James Version«, die „New King James Version“, die »New American Standard Bible«, die „Darby Translation“ haben für holi »grieves« (Betrübnisse, Leiden, Gram) und folgen damit derselben Deutung wie die Elberfelder Bibel. Ebenso übersetzt auch Segond („souffrances“). Manche Übersetzungen wie etwa SCH2000 übersetzen in V. 3 „Leiden“ und in V. 4 „Krankheit“ und geben damit den Parallelismus auf (vgl. auch Ostervald); hier wird der im Original stehende Plural abstrakt wiedergegeben im Sinne von „er hat unsere Sündenkrankheit getragen.“
[2] Manche Ausleger sehen die Salbung mit Öl als rein medizinische Maßnahme, aber der Zusatz »im Namen des Herrn« scheint eher auf eine zeichenhafte Handlung hinzudeuten (Öl wäre als Medizin auch nur in einigen ausgewählten Fällen wirksam gewesen). Öl ist häufig ein Sinnbild des Heiligen Geistes und kann hier die Heiligung und Weihung des Leibes für Christus bedeuten. Hier besteht ein Bezug zu der zeichenhaften Handlung bei der Reinigung von Aussätzigen im AT (3Mo 14,14-18), bei der die Verbindung von Sünde und Krankheit besonders hervortritt. Dabei wird der Leib zunächst an bestimmten Stellen mit Blut bestrichen (Reinigung von Sünden) und dann an denselben Stellen mit Öl gesalbt (Heiligung und Weihung des Leibes).
Die hier zitierten Werke anderer Verfasser sind: Henry W. Frost: Divine Healing Today (OMF International 1999) und Richard Mayhue: Dein Glaube hat dich geheilt (CLV 1999).
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