Dieser Beitrag ist ein bearbeiteter Auszug aus dem Buch Biblischer Gemeindebau in der Endzeit.

 

Ich habe in den vorigen Kapiteln versucht, die wichtigsten Grundlagen aus der Heiligen Schrift für die Gründung und Auferbauung bibeltreuer Gemeinden darzustellen. Nun möchte ich einige Hinweise und Ermutigungen weitergeben, wie solcher Gemeindebau unter heutigen Bedingungen konkret begonnen und ausgeführt werden kann.

Ich tue dies in der Überzeugung, daß es auch heute und bis zur Entrückung der Gemeinde unverändert Gottes Wille ist, daß unter jedem Volk, in jedem Landstrich dieser Erde biblisch ausgerichtete Gemeinden bestehen, die abgesondert sind von der Welt und dem weltlichen Scheinchristentum, die auf der Grundlage der neutestamentlichen Apostellehre Gott dienen und von dem Herrn Jesus Christus Zeugnis geben.

Ich tue dies aber auch in dem Bewußtsein, daß heute, bedingt durch den allgemeinen Niedergang und die Auswirkungen der Endzeitverführungen, besonders im ehemals „christlichen“ Westen der geistliche Zustand der meisten Gläubigen sehr schwach und mangelhaft ist. Deshalb fehlen vielerorts wichtige Voraussetzungen für die Entstehung bibeltreuer Gemeinden, und die wenigen Gemeinden, die man noch so bezeichnen kann, sind oft geschwächt und angefochten und in Gefahr, sich auch durch den endzeitlichen Verführungssog mitreißen zu lassen.

Wir wollen uns einige Nöte und traurige Entwicklungen im Volk Gottes, zumindest wie sie sich im deutschsprachigen Bereich (Deutschland, Schweiz, Österreich) darstellen, nüchtern und ungeschminkt vor Augen führen. Dies nicht, um Resignation zu säen, denn wir dienen einem wunderbaren Herrn, der all diese Nöte überwinden kann. Aber wenn wir wirklich unter Leitung des Herrn darangehen wollen, bildlich gesprochen „die Mauern Jerusalems wieder aufzubauen“ wie einst Nehemia (vgl. Neh 2,17-20), dann müssen wir auch wie er zuerst eine illusionslose Bestandsaufnahme der vorhandenen Schäden vornehmen (vgl. Neh 2,11-16).

Was also sind unsere Vorbedingungen? Ich möchte einige Probleme aufzählen, die nach meiner jahrelangen Beobachtung im Lehrdienst vor allem unter westdeutschen Gemeinden bestehen. Die rußlanddeutschen Gemeinden haben hier noch ganz andere, in vielem bessere Bedingungen; dagegen ist die Lage in Österreich nach meinem Eindruck noch weitaus schwieriger als in Deutschland oder der Schweiz. Nun also einige „Trümmer“, denen wir uns gegenübersehen, wenn wir „Jerusalem bauen“ wollen:

 

Nöte im Volk Gottes heute

1. Es gibt eine deutlich spürbare Zersplitterung in den Reihen der bibeltreuen, gottesfürchtigen Gläubigen. Sie sind geprägt durch verschiedene Strömungen, die in Lehre und Praxis unterschiedlich ausgerichtet sind. Wir können hier ganz allgemein folgende Hauptströmungen unterscheiden:

* Gläubige aus dem bibeltreu geprägten Pietismus;

* Gläubige aus den Ausläufern der Erweckungs- und Heiligungsbewegung;

* Gläubige aus rußlanddeutschen Mennoniten und Baptisten;

* Gläubige aus amerikanisch geprägten unabhängigen Baptisten;

* Gläubige aus dem bibeltreuen Flügel der Brüderbewegung;[1]

* Gemeinden und Hausgemeinden, die eine unabhängige, eigene Prägung haben.

Sie unterscheiden sich in manchen Lehrfragen, wie z.B. Heilssicherheit, Vorentrückungslehre, Gemeindeverständnis, Stellung zum Calvinismus, zu Israel und zum Tausendjährigen Reich usw. Auf der anderen Seite haben sie wichtige und grundlegende Gemeinsamkeiten, z.B. in den Fragen der Inspiration und Autorität der Heiligen Schrift, der biblischen Lehre von Gott, von Christus und vom Heil, der Absonderung von Charismatik, Bibelkritik und Ökumene usw. An vielen Orten haben wir, wenn es um Gemeindebau geht, eine bunte Mischung aus Geschwistern dieser verschiedenen Richtungen vor uns, und es ist nicht einfach, sie zu einer einheitlichen Gemeinde zusammenzuführen.

2. Es gibt einen tiefgreifenden und notvollen Mangel an gesunden, gefestigten Brüdern, die Dienst als Älteste, als Hirten, Lehrer und Verkündiger des Wortes tun könnten. Es gibt zu viele unmündige, fleischliche Christen unter den Bibeltreuen, zu viele unsichere, ungefestigte Gläubige, die Betreuung brauchen (Eph 4,14), und viel zu wenige Gläubige, die tragende Säulen, Hirten und Lehrer sein könnten. Das hängt auch damit zusammen, daß manche eigentlich fähige Brüder durch einen Mangel an Heiligung und durch nicht bekannte Sünden geistlich blockiert und geschwächt sind.

Es gibt einen ernsten Mangel an Männern, die einer gesunden Ehe und Familie vorstehen. Viele Brüder erfüllen heute nicht mehr die Kriterien für einen Ältesten, auch deshalb, weil es an geistlich gesinnten Ehefrauen fehlt und an konsequenter biblischer Kindererziehung. Es fehlt an Brüdern mit einer tiefen biblischen Gründung in der gesunden Lehre; es fehlt an Hirten, die auch Wächter sind und die Herde vor Verführung schützen können (Apg 20,28-30).

3. Eine allgemeine Not sind Selbstbezogenheit, Individualismus, Fleischlichkeit und Trägheit auch unter vielen bibeltreuen Gläubigen. Es gibt wenige Christen, die bereit sind, sich konsequent selbst zu verleugnen und dem Herrn wirklich nachzufolgen. Es gibt einen traurigen Mangel an Hingabe, an Opferbereitschaft und standhaftem Ausharren im Dienst.

Es gibt zuviel Anspruchshaltung, Selbstverwirklichung, Murren, Flucht aus der Verantwortung, seelisches Verletzt- und Beleidigtsein. Gemeindebau bedeutet große Opfer an Zeit und Kraft; diese Arbeit beinhaltet Mühen und Enttäuschungen, Widrigkeiten und Anfeindungen, Rückschläge und lang anhaltende Durststrecken. Wer ist noch bereit, das alles auf sich zu nehmen um des Herrn willen?

4. Nicht zuletzt gibt es einen überaus ernsten Mangel an eifrigem und anhaltendem Gebet unter uns. In unseren endzeitlichen Nöten und Wirren bräuchten wir mehr denn je ernstliches Gebet und Flehen in Beugung und zudringlichem Glauben.

 

Wir dürfen dennoch Mut fassen zu dem Aufbauwerk

Die geistlichen Kämpfe unserer Zeit, das zunehmende Wirken verführerischer Geistesmächte verlangen dringend nach viel Gebet und auch Fasten, nach ernstlichem Suchen von Gottes Angesicht, nach beständigem, ausdauerndem geistlichen Ringen vor Gottes Thron, wie wir es bei den Aposteln und den ersten Gläubigen sehen.[2] Doch leider haben uns in dieser Hinsicht oftmals Schläfrigkeit, Kraftlosigkeit und Trägheit zum Gebet befallen, und das hat Niederlagen und Rückschläge im Werk des Herrn zur Folge.

Wenn wir alle diese Mängel sehen (und man könnte ohne weiteres noch zahlreiche andere anführen), dann ist es sehr wichtig, sich davon nicht entmutigen zu lassen (vgl. 2Kor 4,1.16; 2Tim 2,1-3). „Du aber bleibe nüchtern in allen Dingen, erdulde die Widrigkeiten, tue das Werk eines Evangelisten, richte deinen Dienst völlig aus!“ (2Tim 4,5). Das Entscheidende ist nicht unser Mangel und unsere Schwachheit, sondern das Wirken unseres allmächtigen Herrn, der all unseren Mangel ausfüllen und unsere Schwachheiten überwinden kann (vgl. 2Kor 12,9-10).

Unser Herr Jesus Christus hat verheißen, daß Er Seine Gemeinde bauen wird, und daß die Pforten des Totenreichs sie nicht überwinden können (Mt 16,18). Darauf dürfen wir vertrauen und uns Ihm zur Verfügung stellen. Zugleich sollten wir uns dessen sehr bewußt sein, daß Gemeindebau in unserer Zeit nur gelingen kann, wenn wir diese Aufgabe unter viel Gebet und ganz in der Abhängigkeit von unserem Herrn angehen.

Doch dann dürfen wir zuversichtlich sein und den Zuspruch des Herrn für uns annehmen, der den Israeliten galt, die den Tempel nach den Jahren der Zerstreuung wieder aufbauten:[3] „Das ist das Wort des HERRN an Serubbabel: Nicht durch Macht und nicht durch Kraft, sondern durch meinen Geist!, spricht der HERR der Heerscharen“ (Sach 4,6). Wir dürfen dann Mut fassen und in aller Schwachheit die Arbeit am Haus des Herrn aufnehmen, im Vertrauen darauf, daß der Herr mit uns ist.

Wer ist unter euch übrig geblieben, der dieses Haus in seiner früheren Herrlichkeit gesehen hat? Und wie seht ihr es jetzt? Ist es nicht so viel wie nichts in euren Augen? Aber nun sei stark, Serubbabel, spricht der HERR; auch du Jeschua, sei stark, du Sohn Jozadaks, du Hoherpriester, und alles Volk des Landes, seid stark, spricht der HERR, und arbeitet! Denn ich bin mit euch, spricht der HERR der Heerscharen. Das Wort, aufgrund dessen ich mit euch einen Bund gemacht habe, als ihr aus Ägypten zogt, und mein Geist sollen in eurer Mitte bleiben; fürchtet euch nicht! (Hag 2,3-5)

Gerade in der heutigen Zeit dürfen wir uns ermutigen lassen durch das Vorbild von Esra und Nehemia, die in einer ähnlich schwierigen Lage dem Herrn treu dienten und dafür sorgten, daß das Aufbauwerk Gottes voranging:

Und so faßte ich Mut, weil die Hand des HERRN, meines Gottes, über mir war, und versammelte die Häupter von Israel, damit sie mit mir hinaufzögen. (Esra 7,28)

Und ich teilte ihnen mit, wie gütig die Hand meines Gottes über mir gewaltet hatte; dazu die Worte des Königs, die er zu mir geredet hatte. Da sprachen sie: Wir wollen uns aufmachen und bauen! Und sie stärkten ihre Hände zu dem guten Werk. (Neh 2,18)

Wir aber bauten [weiter] an der Mauer; und die ganze Mauer schloß sich bis zur halben Höhe. Und das Volk gewann Mut zur Arbeit. (Neh 3,38)

 

[1] Leider sind viele Gemeinden und Gruppierungen der „Brüderbewegung“, die ursprünglich als Ganzes bibeltreu begann, inzwischen weit von den anfänglichen Überzeugungen abgeirrt, wie ich u.a. in meinem Buch Zerstörerisches Wachstum nachgewiesen habe. Zu dem hier erwähnten konservativen, bibeltreuen Flügel der „Brüder“ zähle ich neben vielen einzelnen Gläubigen eine Anzahl von Gemeinden aus dem Kreis der „freien Brüder“ und der „blockfreien Gemeinden“ sowie die Gemeinden der exklusiven Brüderversammlungen („Alte Versammlung“).

[2] Vgl. dazu u.a. Mk 13,33; Apg 4,31; 12,5; Röm 1,10; 12,12; 15,30; 6,18; Phil 4,6; Kol 4,2-3; 4,12; 1Thess 5,17.25; 2Thess 3,1; 1Tim 5,5; 2Tim 1,3; Jak 5,16; Jud 1,20 sowie als wertvolle und herausfordernde Lektüre das Buch von Benedikt Peters: Herr, lehre uns beten!

[3] Vgl. zur Vertiefung dieses Themas mein Buch: Baut mit am Haus Gottes! Was der Prophet Haggai uns heute zu sagen hat.

 

Ausführlichere Informationen über das Buch Biblischer Gemeindebau in der Endzeit finden Sie hier.