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Im Gegensatz zu dem hohen und umfassenden geistlichen Wert, der dem Sprachenreden in der Charismatischen Bewegung zugesprochen wird, erwähnt die Heilige Schrift diese Gnadengabe nur am Rande. Der Herr Jesus Christus verheißt sie in Mk 16,17; in der Apostelgeschichte wird sie bei zentralen Ereignissen des Geistempfangs beschrieben (Apg 2,1-13; Apg 10,44-48; Apg 19,1-7); im 1. Korintherbrief gibt Paulus eine Belehrung über ihr Wesen und ihren Gebrauch (1. Korinther 12 – 14).

Das Sprachenreden wird in den späteren Briefen nicht mehr erwähnt, obwohl dort ständig von der geistlichen Auferbauung und dem Wachstum der Gemeinden die Rede ist und man die Erwähnung einer anscheinend so bedeutenden Gabe durchaus erwarten müßte. Es fehlt auch in der Aufzählung der Gnadengaben in Röm 12,6-8 und spielte offenkundig in den apostolischen Gemeinden eine eher untergeordnete Rolle.

Weil die Schrift über das Wesen der Sprachen keine ausführliche Lehre enthält und manche ihrer Aussagen zu diesem Thema bei oberflächlichem Lesen mißverstanden werden können, müssen wir desto genauer zu verstehen suchen, was das Wort uns sagt. Viele Ausleger bringen alle möglichen außerbiblischen Spekulationen in ihre Definition des Sprachenredens ein; es ist von „ekstatischem Reden“, von „Stammeln“, von „Verzückung“ und „Engelssprachen“ die Rede. Damit wird dem Sprachenreden ein mystischer Zug zugeschrieben, z.T. in Anlehnung an heidnische Mysterienkulte, die tatsächlich ekstatisches Sprachenreden kannten.

Dagegen sollte eine verantwortliche Auslegung sich auf das stützen, was das Wort Gottes selbst dazu sagt: Schrift soll durch Schrift ausgelegt und erklärt werden! Wenn wir diesem einfachen und biblischen Grundsatz folgen, finden wir auch eine klare Antwort auf die wesentlichen Fragen, auch wenn einige Aspekte des biblischen Sprachenredens sicherlich unterschiedlich gedeutet werden können.

 

Das biblische Sprachenreden war ein Reden in menschlichen Fremdsprachen

 

Zunächst stellt sich die Frage: welchen Charakter hatten eigentlich die in der Bibel erwähnten „Sprachen“? Das griechische Wort glossa bezeichnet die Zunge als Körperorgan und daraus abgeleitet eine menschliche Sprache. Der Ausdruck „Zungenreden“ ist also irreführend und unzutreffend; richtigerweise sollte es „Sprachenreden“ heißen.

Eine Veranschaulichung des biblischen Sprachenredens finden wir nur in Apg 2,4-13. Hier haben wir sozusagen das Modell des Sprachenredens, auf das auch andere Schriftstellen bezogen werden müssen, wenn wir anerkennen, daß die Schrift sich selbst auslegt. „Und sie wurden alle vom Heiligen Geist erfüllt und fingen an, in anderen Sprachen zu reden [gr. lalein heterais glossais], wie der Geist es ihnen auszusprechen [od. auszurufen, zu verkünden] gab“ (Apg 2,4).

Aus der Reaktion der Zuhörer (V. 6-11) wird ersichtlich, das es sich beim Reden in anderen Sprachen um real existierende menschliche Fremdsprachen handelte, und zwar um Sprachen der Heidenvölker, von denen sich die Juden abgesondert hielten. Sie wurden nun aufgrund übernatürlicher Eingebung durch den Geist Gottes von Menschen gesprochen, die diese Sprachen nicht beherrschten. Der Inhalt dieser Sprachenrede wird uns ebenfalls in dieser Schriftstelle gezeigt: Es wurden die großen Taten Gottes verkündet. Das in V. 4b verwendete Verb deutet ein Proklamieren, ein kräftiges, entschlossenes Verkündigen an (vgl. Apg 2,14; 26,25).

Es ist offensichtlich, daß das Sprachenreden von Apostelgeschichte 2 eine Erfüllung der Verheißung Jesu Christi in Mk 16,17 darstellt. Der Herr verheißt dort, daß die Apostel in „neuen Sprachen“ sprechen würden. Aus dem Sinnzusammenhang ergibt sich, daß damit nicht etwa außerirdische Engelssprachen, sondern ungewohnte, den Jüngern unbekannte Menschensprachen der Heidenvölker gemeint waren. Auch die Fälle von Sprachenreden, die später in der Apostelgeschichte erwähnt werden, folgen dem Modell von Apostelgeschichte 2. So bezeugt Petrus, daß das Sprachenreden der gläubigen Heiden im Haus des Kornelius mit dem zu Pfingsten identisch war: „Als ich aber zu reden anfing, fiel der Heilige Geist auf sie, gleichwie [od. ganz wie] auf uns am Anfang“ (Apg 11,15).

Wenn nun die in 1. Korinther 12 – 14 erwähnte Gnadengabe des Redens in Sprachen etwas anderes wäre als das Sprachenreden aus Apostelgeschichte 2, wie manche Ausleger vermuten, hätte uns die Bibel dies mitgeteilt. Nichts in der Erläuterung der Sprachengabe bei Paulus deutet darauf hin, daß er etwas anderes meint als die in Markus 16 und Apostelgeschichte 2 geschilderte Sprachengabe. Der Ausdruck „verschiedene Arten von Sprachen“ in 1Kor 12,10 u. 28 deutet an, daß es sich um verschiedene Arten oder „Familien“ von Fremdsprachen handelt (vgl. z.B. indogermanische Sprachfamilie). In dem Jesajazitat in 1Kor 14,21, das ja die Gnadengabe des Sprachenredens erklärt, erscheint das Wort „mit fremden Sprachen“ (gr. heteroglossois = „durch Leute mit fremder Sprache“), das den Bezug zu Apg 2,4 bestätigt.

Oft wird 1Kor 13,1 angeführt, wo Paulus sagt: „Wenn ich in den Sprachen der Menschen und der Engel redete (…)“, um zu begründen, daß das „Sprachenreden“ auch himmlische Engelssprachen umfaßt habe. Paulus führt jedoch in diesem Abschnitt lauter angenommene Fälle an, absichtliche Ãœbertreibungen, um den höheren Wert der Liebe umso deutlicher werden zu lassen. Er sprach ebensowenig in den Sprachen der Engel, wie er alle Geheimnisse wußte oder allen Glauben hatte oder seinen Leib zur Verbrennung hingab. Eine solche beispielhafte Annahme ist in jedem Fall kein solider Schriftgrund, um eine Lehraussage darauf aufzubauen, die dem klaren Zeugnis von Apostelgeschichte 2 widerspricht.

Zudem ist es eher unwahrscheinlich, daß die heiligen Engel im Himmel wirklich verschiedene Sprachen sprechen; die Sprachenverwirrung ist ja eigentlich ein göttliches Gericht über die sündige Menschheit. Wir können also festhalten: Nach dem Zeugnis der Bibel ist die Gabe der Sprachenrede die übernatürliche Befähigung, menschliche Fremdsprachen zu sprechen, die der Sprecher natürlicherweise nicht beherrscht.

 

Das biblische Sprachenreden war ein Zeichen des heilsgeschichtlichen Ãœbergangs

 

Wenn wir von allen Spekulationen, Erfahrungen und menschlichen Lehren absehen und einfach die Bibel befragen, wozu Gott die Sprachengabe eigentlich der Gemeinde gegeben hat, stoßen wir auf eine verblüffend einfache und klare Antwort, die dennoch für viele ungewohnt sein dürfte.

Die Zeichenfunktion der Sprachengabe

Den Schlüssel zum lehrmäßigen Verständnis des neutestamentlichen Sprachenredens können wir nicht in der Apostelgeschichte finden, wo uns lediglich Beispiele seines Gebrauchs gezeigt werden. Die Lehre des Wortes Gottes für die Gemeinde finden wir in den Briefen der Apostel und Propheten! Ganz folgerichtig wird uns der von Gott gewollte Sinn und Zweck des echten Sprachenredens in den Lehraussagen von 1. Korinther 14 erklärt. Paulus rügt in dem ganzen Kapitel den falschen Gebrauch der Sprachenrede in den Gemeindeversammlungen der Korinther und weist dann auf den eigentlichen Sinn dieser Gabe hin:

„Im Gesetz steht geschrieben: ‚Ich will mit fremden Sprachen und mit fremden Lippen zu diesem Volk reden. Aber auch so werden sie nicht auf mich hören, spricht der Herr.’ Darum dienen die Sprachen als ein Zeichen, und zwar nicht für die Gläubigen, sondern für die Ungläubigen (…)“ (1Kor 14,21-22)

In dieser wichtigen, von vielen nicht richtig beachteten Lehraussage der Schrift werden uns drei grundlegende Tatsachen über das biblische Sprachenreden geoffenbart:

1. Es dient als ein Zeichen.
2. Es richtet sich nicht an Gläubige, sondern an Ungläubige.
3. Es richtet sich nicht an Heidenchristen, sondern an Juden.

1. Sprachen sind ein Zeichen: Die erste wesentliche Aussage ist: Die Sprachenrede ist ein Zeichen. Die Zeichen, die der Herr Jesus selbst samt Seinen Beauftragten in Israel tat, sollten die göttliche Botschaft des herbeigekommenen Reiches und den einen höchsten Propheten, den König selbst, ausweisen (vgl. Hebr 2,3-4). Durch die messianischen Zeichen bestätigte Gott den ungläubigen Juden, daß Jesus von Nazareth der Messias war – doch sie nahmen Sein Zeugnis nicht an. Dabei ist es wichtig, festzuhalten, daß das Zeichen der Sprachenrede erst mit dem Pfingsttag auftritt; weder hat der Herr Jesus Christus selbst in Sprachen geredet noch die Apostel vor Pfingsten. Wir werden noch sehen, weshalb dies so sein mußte.

Die Verkündigung der Apostel nach Pfingsten wurde ebenfalls durch Zeichen bekräftigt. In Mk 16,17-20 finden wir die Verheißung für die Evangeliumsverkündigung der Apostel; sie sollte durch Wunderzeichen bestätigt werden, die bis auf eines alle in der Apostelgeschichte berichtet werden, u.a. das Reden in neuen Sprachen. In V. 20 wird die Erfüllung der Verheißung im Dienst der Apostel ausdrücklich bestätigt. Auch die Zeichengaben, die der Urgemeinde zur Zeit der apostolischen Verkündigung gegeben wurden (1. Korinther 12), sollten nicht die Gemeinde ansprechen, sondern Gott wandte sich in der apostolischen Zeit durch Zeichen an die Ungläubigen, um die Botschaft des Evangeliums zu bestätigen (vgl. Hebr 2,4; Mk 16,20).

Das Reden in anderen Sprachen ist also nach der klaren Lehre der Schrift nicht etwa eine Art des Gebets; wie wir sehen werden, gibt es nicht nur keinerlei Gebot in der Bibel, in Sprachen zu beten, sondern Paulus erklärt dies sogar für verkehrt. Es ist auch keine Offenbarungsgabe, durch die Gott der Gemeinde Geheimnisse oder Botschaften mitteilen wollte – dazu gab Er die Gabe der Prophetie und der Erkenntnis. Es ist ein Zeichen und keine mystische Kraftquelle. Auch in Mk 16,17 werden die neuen Sprachen ein Zeichen genannt.

2. Die Sprachenrede richtet sich an Ungläubige. Durch die Zeichen, d.h. übernatürliche Wunderwirkungen Gottes, redete Gott in bildhafter Weise zu Ungläubigen, um ihnen die göttliche Autorität Seiner Heilsbotschaft zu bezeugen. Die echten, biblischen Zeichen richten sich grundsätzlich nicht an wiedergeborene Gläubige, denn diese haben das innere Zeugnis des Heiligen Geistes; ihr Glaube braucht nicht das Schauen von Wundern. Die echten biblischen Sprachen sind wesentlich für die Ungläubigen bestimmt – das steht in krassem Gegensatz zu den charismatischen „Zungenreden“. Auch wo das Sprachenreden unter gläubigen Juden noch eine begrenzte Aufgabe hatte, war es deshalb, weil sie in einem bestimmten Punkt noch „ungläubig“ waren – sie konnten nicht recht glauben, daß Gott die Heiden nur aufgrund von Gnade, ohne Beschneidung und Gesetz rettet.

3. Die Sprachenrede ist ein Zeichen für Israel: Die dritte grundlegende Aussage dieser Stelle ist: Die Sprachen sind ein Zeichen, das sich speziell an Israel richtet, nicht an die Heiden! Es gab aus der Sicht der Gemeinde damals (und heute) zwei Arten von Ungläubigen: ungläubige Juden und ungläubige Heiden. Das Zeichen der Sprachen ist nun, wie das von Paulus angeführte Wort aus Jes 28,11-12 unmißverständlich zeigt, wesensmäßig für die ungläubigen Juden bestimmt: „Ich will mit fremden Sprachen und mit fremden Lippen zu diesem Volk reden“. Wenn wir den Gebrauch des Sprachenredens in der Apostelgeschichte untersuchen, so zeigt sich, daß in jedem Fall von Sprachenreden Juden die „Zielgruppe“ für dieses Zeichen waren.

 

Das Sprachenreden als Zeichen des Gerichts für das verstockte Israel

 

Die Jesajastelle macht auch deutlich, daß das Zeichen des Sprachenredens für das ungläubige Israel ein Gerichtszeichen war. Hier kommen wir zu einem ganz wesentlichen Gesichtspunkt, der heute oft mißverstanden wird. Von seinem ganzen Wesen her ist Christus der logos Gottes, das sich offenbarende WORT. Er ist es, der als Jehovah/Jahwe schon zu den Vätern und zu Israel redete, von dessen Wort Mose bezeugte: „Denn es ist nicht ein leeres Wort für euch, sondern es ist euer Leben“ (5Mo 32,47). Zu allen Zeiten leben die Gläubigen von dem lebendigen und kräftigen Wort Gottes, das Ihn offenbart und die Menschen unterweist, ihnen Erkenntnis und Weisheit verleiht. Von dem Reden Gottes im WORT bezeugt Ps 119,130: „Die Eröffnung deiner Worte erleuchtet und gibt den Unverständigen Einsicht“.

Das Wort Gottes zielt auf das Herz der Menschen; es ist wesensmäßig Offenbarung, nicht Verhüllung. Gott trachtet danach, durch Sein Wort die Menschen zur Erkenntnis Seiner Wahrheit zu bringen. Wie bewegend ist die Selbstoffenbarung der göttlichen Weisheit in Spr 8,8-10, wo es heißt: „Alle Reden meines Mundes sind gerecht; es ist nichts Verkehrtes noch Verdrehtes darin. Den Verständigen sind sie alle klar, und wer Erkenntnis sucht, findet sie richtig“. Deshalb ist alles Reden Gottes durchweg ein Reden in verständlicher Menschensprache, in der Sprache, die die Menschen hören und aufnehmen können. Es ist daher ein erschütterndes Zeichen der Verstockung Israels und des kommenden Gerichts, wenn Gott in Jes 28,7-13 sagen muß:

„Priester und Prophet sind vom Rauschtrank berauscht, vom Wein benebelt, sie taumeln vom Rauschtrank; sie sehen nicht mehr klar, urteilen unsicher. (…) Wem soll er [Gott] Erkenntnis beibringen, wem die Botschaft erläutern? (…) so wird auch Er zu diesem Volk durch stammelnde Lippen und durch eine fremde Sprache reden, er, der zu ihnen gesagt hatte: ‚Das ist die Ruhe! Erquickt den Müden! Und das ist die Erquickung’, aber sie wollten nicht hören. Und so soll auch ihnen das Wort des HERRN werden: ‚Vorschrift auf Vorschrift, Vorschrift auf Vorschrift; Satzung auf Satzung, Satzung auf Satzung; hier ein wenig, da ein wenig’ – damit sie hingehen und rückwärts hinstürzen, zerbrochen, verstrickt und gefangen werden.“

Weil Israel das verständliche Reden Gottes über Jahrhunderte nicht hören wollte, beschloß Gott, zum Gericht mit unverständlichen Sprachen zu ihm zu reden. Wenn Gott nicht mehr klar und verständlich redet, sondern verhüllt und unverständlich, dann bedeutet das Gericht! Das zeigte sich schon in der gleichnishaften Verkündigung des Herrn an Israel (vgl. Mt 13,10-15: „Darum rede ich in Gleichnissen zu ihnen, weil sie sehen und doch nicht sehen und hören und doch nicht hören und nicht verstehen“). Das gilt erst recht für das Reden mit heidnischen Fremdsprachen zu diesem Volk.

In der konkreten Situation der Jesaja-Prophetie wie auch in der Situation nach Pfingsten war das Reden mit unverständlichen Heidensprachen die Androhung von Gericht und Zerstörung durch heidnische Heere. Auf die Prophetie des Jesaja folgte damals der Überfall der Assyrer auf Israel; auf das Sprachenzeichen zu Pfingsten in Jerusalem folgte rund 40 Jahre später die Invasion der Söldner des Titus, die in der Folgezeit Jerusalem dem Erdboden gleichmachten und den Tempel niederrissen. Dabei können wir davon ausgehen, daß die Jerusalemer aus dem Mund der aus allen Teilen des römischen Reiches angeworbenen Söldner genau dieselben Heidensprachen hörten wie damals zu Pfingsten aus dem Mund der Jünger!

Nun wird auch verständlich, weshalb weder der Herr selbst noch Seine Gesandten vor der Kreuzigung und Auferstehung Israel gegenüber das Zeichen der Sprachen gegeben hatten. Erst nachdem Israel das Angebot des Reiches durch seinen Messias verworfen und Ihn gekreuzigt hatte, offenbarte Gott durch die Sprachen die bevorstehende Verwerfung Israels, verbunden mit einem letzten Appell zur Umkehr.

So verstehen wir das Sprachenreden der Jünger in Apostelgeschichte 2 als ein zeichenhaftes Reden Gottes zu den ungläubigen Juden. Es sollte ihnen zeigen: Wenn ihr nicht Buße tut, dann wird das Reden Gottes für euch unverständlich werden. Gott wird euch nicht mehr Sein Heil anbieten, das ihr immer wieder verworfen habt, sondern Er wird durch heidnische Soldaten zu euch reden und euch in alle Winde zerstreuen.

 

Das Sprachenreden als Zeichen für den Übergang des Heils zu den Heiden

 

Das Sprachenreden war seinem Wesen nach ein heilsgeschichtliches Zeichen. Es kündigte nicht nur das bevorstehende Gericht für Israel an, sondern auch den Übergang des Heils zu den Heidenvölkern, die bis dahin ja von der Errettung und der Gemeinschaft mit Gott grundsätzlich ausgeschlossen waren. Es war ein Signal von heilsgeschichtlicher Bedeutung, daß nun die großen Taten Gottes in den Sprachen der Heidenvölker verkündet wurden. Bisher war ja die Botschaft des Heils fast ausschließlich in Hebräisch dem Volk Israel verkündigt worden.

Die heilsgeschichtliche Botschaft des Sprachenredens war: Gott wird das Heil von Israel wegnehmen und Sein altes Bundesvolk beiseitesetzen, während die Heidenvölker erstmals Zugang zu diesem Heil erhalten und Heiden die großen Taten Gottes erfahren und verkünden werden (vgl. dazu Römer 11). Es war damit auch eine symbolische Andeutung des Geheimnisses des Christus, in dem die Scheidewand zwischen Juden und Heiden hinweggetan wird und aus beiden ein Leib gebildet wird, wie Eph 2,18-19 offenbart: „Denn durch ihn [Christus] haben wir beide den Zutritt zum Vater durch einen Geist. So seid ihr nun nicht mehr Fremdlinge ohne Bürgerrecht und Gäste, sondern Mitbürger der Heiligen und Gottes Hausgenossen“.

Diese heilsgeschichtliche Zeichenfunktion macht nochmals deutlich, weshalb die biblischen „Sprachen“ kein ekstatisches Stammeln und keine himmlischen Engelssprachen waren, sondern real existierende heidnische Fremdsprachen. Wie klar und logisch ist Gottes Wirken! Zweck und Mittel stimmen vollkommen überein. Nach der angeführten Stelle in Jesaja 28 muß es sich beim Sprachenreden ja um heidnische Fremdsprachen gehandelt haben, sonst hätte dieses Zeichen gar keinen Sinn gehabt.

Im Handeln Gottes finden wir nichts Mystisch-Irrationales, auch wenn wir selbst seine vollkommene Logik und Klarheit nicht immer verstehen. Aus den Aussagen der Schrift über die Funktion des Sprachenredens müssen wir schließen, daß es in der Apostelzeit von Gott grundsätzlich als mahnendes Wunderzeichen gegenüber ungläubigen Juden eingesetzt wurde; sein Platz war eigentlich nicht die Gemeindeversammlung, sondern die Evangeliumsverkündigung unter Juden, wie sie gerade auch Paulus konsequent betrieb, wo er hinkam (vgl. 1Kor 14,18-19).

 

Der Sinn des Sprachenredens innerhalb der Gemeinde

 

Es ist nur folgerichtig, daß das Zeichen der Sprachenrede bei dem großen Wendepunkt in Gottes Heilshandeln auftritt, als mit der Bekehrung des Kornelius auch die Heiden in die Heilskörperschaft der Gemeinde aufgenommen werden. Während nach Pfingsten weder bei den 3.000 noch bei späteren Bekehrungen ein Reden in Sprachen erwähnt wird, reden diese Heiden vor den erstaunten Augen der Judenchristen in Sprachen wie zu Pfingsten. Die Wirkung dieses Zeichens auf die christusgläubigen Juden, die sich ein Heil außerhalb Israels noch nicht vorstellen konnten, ist offensichtlich: „Als sie aber das hörten, beruhigten sie sich und priesen Gott und sprachen: So hat denn Gott auch den Heiden die Buße zum Leben gegeben“ (Apg 11,18).

Hier können wir erkennen, weshalb das Sprachenreden als heilsgeschichtliches Zeichen in den Anfängen der Gemeinde, die ja zunächst ausschließlich und auch später noch großenteils aus Judenchristen bestand, auch eine Funktion nach innen hatte, wenn diese auch der äußeren Funktion untergeordnet war: Über lange Zeit hatten es die in der jüdischen Tradition aufgewachsenen Gläubigen schwer, das heilsgeschichtliche Geheimnis der Gemeinde, wie es besonders Paulus geoffenbart worden war, zu begreifen und anzunehmen. Sie blieben Eiferer für das Gesetz, als Gott selbst schon offenbart hatte, daß Juden und Heiden nicht durch Gesetz und Beschneidung, sondern allein durch den Glauben an Jesus Christus das Heil erlangen könnten, und daß in Christus weder Beschneidung noch Unbeschnittenheit etwas gilt, sondern eine neue Schöpfung (Gal 6,15).

Daraus folgten Spannungen, die durch das Auftreten judaistischer Irrlehrer noch verschärft wurden, die den Heiden die Beschneidung und die Beobachtung des Gesetzes aufzwingen wollten. Diese Spannungen waren so tiefgreifend, daß selbst ein Petrus schwankend wurde (vgl. Gal 2,11-14). In den Briefen des Paulus erkennen wir immer wieder, wie er die Wahrheit der Gemeinde, in der alle eins in Christus sind, verteidigen mußte.

Es ist naheliegend, daß auch das Auftreten des Sprachenredens bei den jüdischen Johannesjüngern in der heidnischen Stadt Ephesus, in der bald durch den Dienst des Paulus eine gemischte Gemeinde entstehen sollte, mit in diesen Zusammenhang gehört (vgl. Apg 19,1-10). Dadurch, daß die großen Taten Gottes in fremden, heidnischen Sprachen verkündet wurden, wurden die Judenchristen daran erinnert, daß das Heil auch zu den Heiden gekommen war, daß beide, Juden und Heiden, nur im Glauben an Jesus Christus und nicht mehr durchs Gesetz den Zugang zu Gott hatten.

Hier liegt vermutlich der Grund, weshalb die Zeichengabe der Sprachenrede, die vor allem nach außen, an die ungläubigen Juden gerichtet war, in der apostolischen Zeit eine zeitlich und bedeutungsmäßig begrenzte Rolle in den Gemeindeversammlungen spielen konnte. Diese offensichtliche Wirkung des Heiligen Geistes war ein unmißverständlicher Hinweis Gottes, daß es Sein souveräner Ratschluß war, Israel und das Gesetz beiseitezusetzen und nun auch die einst außenstehenden Heiden durch den Glauben zu erretten. Juden und Heiden hatten nun in Christus denselben Zugang zu Gott – und zwar allein aufgrund der Gnade, ohne Mitwirkung des Gesetzes. Darauf wies die Verkündigung der großen Heilstaten Gottes in heidnischen Fremdsprachen die zuhörenden gläubigen Juden immer wieder hin.

 

Das Sprachenreden als heilsgeschichtliches Zeichen hörte noch zur Apostelzeit auf

 

Aus der Tatsache, daß die Sprachenrede ein heilsgeschichtliches Zeichen für die Juden war, erklärt sich auch, weshalb diese Zeichengabe von selbst aufhörte, als sie ihren Zweck erfüllt hatte: „seien es Sprachen, sie werden aufhören“ (1Kor 13,8). Mit der blutigen Niederwerfung des jüdischen Volkes durch die Römer ab 70 n. Chr. bewahrheitete sich die Botschaft des Gerichtszeichens der Sprachen an Israel: Jerusalem wurde zerstört, der Tempeldienst unmöglich gemacht, das Volk zerstreut unter alle Völker der Erde. Gott hatte Israel gerichtet und für die Zeit der Gnade beiseitegesetzt, um Sein Heil den Heiden zu bringen.

In der Folge wuchs in der Gemeinde die Zahl der Heidenchristen im Vergleich zu den Judenchristen stark an, und gegen Ende der Apostelzeit haben die Spannungen zwischen jüdischen und heidnischen Gläubigen offensichtlich keine wesentliche Rolle mehr gespielt. Auch als Zeichen eines heilsgeschichtlichen Übergangs hatten die Sprachen ihre Aufgabe erfüllt. Die Zeichengabe der Sprachen war überflüssig geworden und hörte auf, wie dies im Wort Gottes ausdrücklich angekündigt worden war (vgl. 1Kor 13,8).

Diejenigen, die ein andauerndes Fortbestehen des Sprachenredens und anderer Zeichengaben bis in unsere Zeit behaupten, berufen sich dabei oft auf Mk 16,17-20. Eine genauere Betrachtung dieses Wortes zeigt jedoch, daß diese Bibelstelle im Gegenteil die Beschränkung des Sprachenredens und anderer Zeichen auf die Apostelzeit bestätigt. In Mk 16,15-20 spricht der Herr ausdrücklich Seine elf Jünger und Apostel an (V. 14). Ihnen gibt Er den Auftrag, in alle Welt zu gehen und aller Schöpfung das Evangelium zu verkündigen. Der Auftrag zur Evangeliumsverkündigung, der auch die Gemeinde mit einbezieht, findet sich in Mt 28,18-20 und in Lk 24,47 sowie Apg 1,8.

Das Ergebnis dieser Evangeliumsverkündigung durch die Apostel werden Menschen sein, die glauben und errettet werden. Im Dienst der Apostel wird die Frucht der Gläubiggewordenen begleitet werden von Zeichen, unter denen auch das „Reden in neuen [d.h. ihnen ungewohnten, unbekannten] Sprachen“ ist (V. 17). Die Schrift sagt nicht, daß alle Gläubiggewordenen selbst diese Zeichen tun werden, sondern sie werden durch sie begleitet, d.h. erleben sie, sie ereignen sich dort, wo die Apostel das Evangelium verkündigen bzw. wo in den jungen Gemeinden Wundergaben wirksam werden.

Diese Zeichen sind jedoch an den Dienst der Apostel und die Generation der unmittelbar durch sie Gläubiggewordenen gebunden; eine zeitliche Ausdehnung des Auftrags „bis an das Ende der Weltzeit“ wie in Mt 28,20 fehlt.

Dagegen bezeugt Mk 16,20, daß sich die Zeichenverheißung direkt im Mitwirken des Herrn bei der apostolischen Verkündigung erfüllt hat: „Sie aber [das sind eindeutig und ausschließlich die elf Apostel] gingen hinaus und verkündigten überall [Vergangenheit, abgeschlossener Vorgang]; und der Herr wirkte mit ihnen und bekräftigte das Wort durch die begleitenden [od. mitfolgenden] Zeichen.“

Hier wird in völliger Übereinstimmung mit Hebr 2,4 bezeugt, daß die bekräftigenden Wunderzeichen in der Generation der Apostel und in Verbindung mit ihrem Dienst geschahen und nach Gottes Willen nicht ständig weiter auftraten. Es ist daher unzulässig und gegen den Sinn der Schrift, wenn Anhänger der Pfingst- und Charismatischen Bewegung die Zeichenverheißung aus Markus 16 heute noch für jeden Gläubigen in Anspruch nehmen und damit beweisen wollen, daß das Sprachenreden nach dem Willen Gottes heute noch existiere.

 

Dieser Beitrag ist ein gekürzter Auszug aus der ausführlicheren Schrift von Rudolf Ebertshäuser Das charismatische „Zungenreden“ und das biblische Sprachenreden.

 

 

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