Dominik Klenk (Hrsg.): Lieber Bruder in Rom! Ein evangelischer Brief an den Papst. Knaur Verlag 2011, Taschenbuch, 160 S.
Was nun die Sprecher des Evangelikalismus in ihren Briefen vorbringen, ist schon eine Betrachtung wert, denn es wirft ein Licht auf die zunehmende Auflösung biblischer Grundlagen und Überzeugungen in dieser Bewegung und zeigt, wie weit sie sich schon für die römische Falschreligion und die Irrlehren der katholischen Kirche geöffnet hat (in Klammer finden sich Seitenangaben zu den Zitaten).
Zunächst wollen wir den Beitrag Ulrich Parzanys betrachten, der mit Abstand der bekannteste im Buch vertretene Evangelikale ist. Wie seine Kollegen redet er den Papst als seinen „Bruder“ an: „Sehr geehrter, lieber Bruder Benedikt“. Schon darin zeigt sich die heutige Vernebelung und Verführung im evangelikalen Lager. Die Reformatoren wußten noch, daß die Päpste Feinde des Evangeliums waren und sind. Sie sind als höchste Vertreter der römischen Kirche die Führer einer heidnischen, antichristlichen Religion, dem mit dem biblischen Christusglauben nichts zu tun hat. Sie sind als angemaßte „Stellvertreter Christi auf Erden“ in der Tat „Antichristen“, weil sie sich anstelle des erhöhten Hauptes der Gemeinde setzen und sich anmaßen, über die Kirche zu herrschen. Wie kann Parzany einen nicht wiedergeborenen Menschen, den höchste Irrlehrer eines nur scheinchristlichen religiösen Systems, als seinen Bruder in Christus anreden?
Als nächstes schmeichelt Parzany dem Papst wegen seiner Bücher über „Jesus von Nazareth“. Er schreibt: „In Ihren Jesus-Büchern haben Sie die Autorität und Glaubwürdigkeit der Heiligen Schrift stärker betont, als das heute in den Kirchen der Reformation geschieht“ (145). Das ist nur die halbe Wahrheit. In der Tat kann man vom Papst und der römischen Kirche Stellungnahmen lesen, die sich im Vergleich zu der radikalen Bibelkritik und dem Unglauben der allermeisten protestantischen Theologen „konservativ“ anhören.
Es ist ein Trauerspiel, wenn Parzany in bezug auf das zweite „Jesus-Buch“ des Papstes bekennt: „Ich danke Ihnen sehr herzlich für dieses große Werk. Mein Glaube an Christus und meine Freude zur Verkündigung des Evangeliums wurden durch die Lektüre gestärkt“ (145). Hier wird unterschlagen, daß Rom einen falschen Christus und ein falsches Evangelium verkündet, mit dem wir nichts gemeinsam haben können. Von solchen wahrhaft evangelischen und protestantischen Einsichten ist Parzany weit entfernt. Im Gegenteil appelliert er an den Papst, bei der Evangeliumsverkündigung mehr mitzuhelfen. Er sagt:
In ein ganz ähnliches Horn stößt Parzanys Nachfolger als Generalsekretär des CVJM, Roland Werner. Auch er appelliert unter dem Titel „Schalten Sie um auf Mission!“ an den Papst, mehr für die „Mission“ zu tun, wobei er den irregeleiteten Jesuiten Franz Xavier ausgiebig als Vorbild für Missionseifer hinstellt (130). Im weiteren betont Werner eine falsche Missionslehre, die in der römischen Kirche schon lange praktiziert wird: er setzt sich für die unbiblische Anpassung des Evangeliums an die Kultur und Religion der jeweiligen Völker ein („Inkulturation“). „Mission muss sich der wirklichen Bedürfnisse und Fragen der Menschen annehmen“ (133).
So haben schon die falschen „Missionare“ der römischen Kirche gearbeitet, und haben etwa in Lateinamerika ein furchtbares Gemisch aus entartetem „Christentum“ und heidnischer Zauberei und Animismus hervorgebracht. Wie viele echte biblische Missionare ringen darum, Menschen aus diesem todbringenden Religionsmischmasch herauszuführen und zum rettenden biblischen Glauben zu führen – aber mehr und mehr Evangelikale befürworten genau eine solche Vermischung als neue Strategie zur Weltevangelisation!
Der angesehene evangelikale Theologe Werner Neuer (Lehrer am Theologischen Seminar St. Chrischona) huldigt in seinem Brief dem Papst als Lehrer der Christenheit. Nachdem er durchaus zutreffend geschildert hat, wie die humanistische Ideologie der freien Geschlechterwahl („Gender Mainstreaming“) das biblische Menschenbild total verkehrt und die Menschen irreleitet, wendet er sich an den Papst, weil hier „das Zeugnis der Kirche zutiefst herausgefordert“ sei (99/100) und bittet ihn untertänig: „In dieser Situation, wäre es hilfreich und wegweisend, wenn Sie, verehrter und lieber Bruder Benedikt, die genannten Bedrohungen des biblischen Menschenbildes beispielsweise in einem Lehrschreiben aufzeigen und das Volk Gottes und die Menschheitsfamilie ermutigen würden (-…) Ich bin davon überzeugt, dass ein solches Lehrschreiben, auch in der evangelischen Christenheit, starke Beachtung finden würde. Neuer schließt mit: „In Dankbarkeit und mit Segenwunsch für Ihren apostolischen Dienst“ (101). Hier erkennt also ein „evangelischer“ (??) Theologe die Lehrautorität des Papstes an und spricht ihm einen „apostolischen“ Dienst zu – ein Zeichen völliger geistiger Kapitulation vor den unbiblischen Ansprüchen der römischen Kirche!
Aufmerksamkeit verdient auch das Schreiben der bekannten evangelikalen „Islamexpertin“ Christine Schirrmacher. Sie appelliert an den Papst „Begegnen Sie dem Islam fröhlich (!?) offensiv“ und wünscht sich Zusammenarbeit mit Rom: „über die Konfessionen hinweg teilen Christen bei Thema Islam viele gemeinsame Anliegen“ (83). Wie selbstverständlich redet sie dann davon, daß Evangelische und Katholische „in einen fruchtbaren Dialog mit den Muslimen eintreten“ sollten (83).
Eine Andeutung in ihrem Brief kann man eigentlich nur so verstehen, daß Schirrmacher wie die römische Kirche davon ausgeht, daß Christen und Muslime denselben Gott verehren: „Auch hat Ihre Kirche bereits mit dem II. Vatikanischen Konzil die Frage nach dem ‚einen Gott’ gestellt, als viele Menschen in Europa vom Islam nur sehr wenig wussten“ (84).
Auch die übrigen Beiträge des Buches zeugen vom geistlichen Tiefstand und der Verführung unter den heutigen Evangelikalen. Der Gründer der „Jesus-Freaks“ Martin Dreyer geht so weit, den Papst in seinem unterwürfig-verehrenden Brief „Heiliger Vater“ (39) zu nennen – trotz Matthäus 23,9. Ansonsten ist sein Brief von unverhohlener Selbstdarstellung und plumper Werbung für seine Bibelverfälschung „Volxbibel“ geprägt. Der Vorstandsvorsitzende von „World Vision“ Deutschland, Christoph Waffenschmidt, will den Papst in eine Kampagne gegen „Armut, Hunger, Krankheit, Unterdrückung und Konflikte“ mit einspannen (78) und macht sich damit für das falsche „soziale Evangelium“ stark, für das die römische Kirche durchaus offen ist.
Das Buch ist ein weiteres Symptom dafür, wie offen einflußreiche Evangelikale heute die ökumenische Zusammenarbeit mit der römischen Kirche anstreben und dabei eine Führungsrolle des Papstes willig akzeptieren. Während liberale Protestanten gelegentlich im Vorfeld des Papstbesuches auch Kritisches von sich gaben, waren die Stellungnahmen der führenden Evangelikalen, auch in idea spektrum, fast einhellig positiv für den römischen Machthaber. In ihrem Streben nach Gehör bei der Welt und religiöser Anerkennung hoffen sie, daß etwas von dem trügerischen Glanz und dem Einfluß der römischen Kirche auf sie abfärben könnte.
Für die echten bibeltreuen Gläubigen dagegen ist es ein fundamentaler Grundsatz unseres geistlichen Weges, daß wir uns von der römischen Kirche und allen Bestrebungen zu einer unbiblischen Zusammenarbeit oder gar Vereinigung mit ihr fernhalten. Wer die römische Kirche und ihre verderbenbringenden Irrlehren verharmlost oder annimmt, der verführt und zerstört die wahre Gemeinde, die nur in der Absonderung von der Hure Babylon ihren Weg nach Gottes Willen gehen kann. „Geht hinaus von ihnen und sondert euch ab, spricht der Herr, und rührt nichts Unreines an!“ (2Kor 6,17). „Geht hinaus aus ihr, mein Volk, damit ihr nicht ihrer Sünden teilhaftig werdet und damit ihr nicht von ihren Plagen empfangt!“ (Offb 18,4).